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Geheule und Gejaule:
Verreisen mit Kindern
und Tieren
Kinder zu haben multipliziert alle Emotionen. Eltern erleben alles intensiver. Eine kleine Freude wird zu Euphorie, Liebe wird vervielfacht, Glück wird potenziert.
Was natürlich auch für alles gilt, was Sie am Reisen hassen. Wenn Sie Ihre Nachkommen dabeihaben und der Abflug sich um eine Stunde verzögert, wird es Ihnen wie ein halber Tag vorkommen. Wenn Sie ermattet hinterm Lenkrad im Stau hängen, wird es für Sie sein, als würde auf der Rückbank die Schlacht bei Waterloo nachgestellt. Wenn Ihr Kind im Spielzeuggeschäft im Urlaubsort plärrt, weil es etwas haben will, werden Sie es wie das Starten eines Düsenjets empfinden (die Passanten übrigens auch, nur dass die Sie dann wenig mitleidig auslachen werden).
Für jede Station einer Urlaubsreise mit dem Nachwuchs sollten Sie individuelle und vor allem altersgerechte Tricks anwenden, um alles zu überstehen:
Im Auto
… mit Babys
Harmlos. Babys schlafen im Auto meistens. Wenn sie weinen, geben Sie ihnen was zu trinken, dann geht es weiter.
… mit kleinen Kindern
Regel Nummer 1: Sie müssen genug zu essen und zu trinken mitnehmen. Bevorzugt Süßigkeiten, idealerweise welche, die sonst nicht erlaubt sind. Erhebt sich von der Rückbank ein Anflug von Protest, werfen Sie etwas nach hinten. Das macht Spaß und beschäftigt die Kleinen eine Zeit lang.
Regel Nummer 2: Halten Sie Spucktüten griffbereit.
… mit Schulkindern
Nutzen Sie die Fahrt, um mit Ihren Kindern gesellige Spiele zu spielen. Erfinden Sie anhand der Autokennzeichen um Sie herum neue lustige Schimpfwörter und Flüche. Staunen Sie über den Wortschatz, den Ihr Nachwuchs in dieser Hinsicht schon beherrscht. Nutzen Sie die Pausen an den Raststätten, um per Smartphone in Jugendsprache-Lexika nachzuforschen, was Ihre Kinder gesagt haben. Widerstehen Sie der Versuchung, Ihre Kinder an der Raststätte zurückzulassen.
… mit Teenagern
Regel Nummer 1: Ihre Kinder werden alles tun, um Sie zu ignorieren und daher während der Fahrt nur aufs Smartphone starren.
Regel Nummer 2: Halten Sie Spucktüten griffbereit.
Zugfahrt
… mit Babys
Versuchen Sie, in eines der Abteile zu kommen, die für Kleinkinder optimiert wurden. Leider gibt es davon ungefähr so viele wie schweigende Kinogänger an einem Samstagabend. Sprich, wenn Sie reservieren wollen, sind sie schon vergeben. Also landen Sie mit Ihrem Nachwuchs in einem normalen Abteil oder im Großraumwagen. Immerhin haben dann auch die anderen Leute etwas davon. Wenn Sie keinen 4er-Platz mit Tisch haben, bitten Sie die Geschäftsleute am nächstgelegenen Tisch, kurz ihre Notebooks hochzuheben, damit Sie wickeln können. Es wird nicht lange dauern, bis Abteil oder Waggon sich leeren und Sie etwas durchatmen können.
… mit kleinen Kindern
Kinder können nicht lange still sitzen und möchten sowieso den gesamten Zug erforschen. Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie im Zug so viele Meter zu Fuß zurücklegen werden, dass Sie die Fahrtstrecke auch gleich hätten laufen können. Wegen des Gewackels wird Ihr Kind oft stolpern, sich wehtun und dann weinen. Beruhigen Sie es mit Fruchtgummi.
Und halten Sie Spucktüten bereit.
… mit Schulkindern
Neben Süßigkeiten können Sie Schulkinder auf einer Zugfahrt nur mit einer Sache beruhigen: Comics. Kaufen Sie am Bahnhofskiosk alles, was Sie bekommen können. Frischen Sie Ihr Wissen über Superhelden auf, bevor Sie den Zug betreten. Diskutieren Sie mit Ihrem Kind leidenschaftlich und lange darüber, welcher Superheld mit welchem anderen den Boden aufwischt.
… mit Teenagern
Diese Reise verlangt schon bei der Buchung geschickte Planung. Reservieren Sie die Sitzplätze in einem anderen Abteil als Ihrem. Teenager wollen in der Öffentlichkeit nicht mit ihren Eltern gesehen werden, weil sie dann als jemandes Kinder wahrgenommen werden. Sobald Sie den Zug betreten, sollten Sie so tun, als kennen Sie Ihre Kinder nicht mehr. Geben Sie den Teenagern ihre Sitzplatzreservierung und genug Kleingeld, und ignorieren Sie sie während der Fahrt. Passen Sie nur auf, dass die Gören nicht den Ausstieg am richtigen Bahnhof verpassen.
Fliegen
… mit Babys
Während Babys in Autos überhaupt – oder wenigstens fast nie – ein Problem darstellen und sich im Zug auch einigermaßen beruhigen lassen, weil man mit ihnen rumlaufen oder sich bei Schreiattacken mit ihnen in der Toilette einsperren kann, so ist all das in einem Flugzeug nicht möglich. Sie sind an Ihren Platz gefesselt – und das Baby an Sie. Pünktlich zum Abflug wird sich der Säugling vor Begeisterung in die Hose machen. Alle Umsitzenden tun so, als würden sie es nicht riechen oder als würde sie es überhaupt nicht interessieren. Machen Sie sich nichts vor: Während des Fluges wird das Baby brüllen. Pausenlos. Es gibt keine Chance, das zu verhindern. Finden Sie sich damit ab. Wahrscheinlich verlieren Sie die Nerven und brüllen Ihrerseits alle an, die sich daran stören (nur Ihr Kind nicht: Das kann schließlich nichts dafür). Putzen Sie die anderen Passagiere dafür runter, dass sie zu geizig für die Business Class waren. Am Zielort angekommen, werden Sie erwägen, die Rückreise rauszuzögern, bis das Baby laufen kann.
… mit kleinen Kindern
Für kleine Kinder ist ein Flug ein einmaliges Erlebnis. Sie werden jede Kleinigkeit wie ein Geschenk des Himmels feiern und unablässig alles kommentieren. Lenken Sie also ihre Aufmerksamkeit auf die anderen Leute, damit Ihre Kinder diese ausfragen, während Sie sich dem Unterhaltungsprogramm widmen.
… mit Schulkindern
Wenn sie schon früher geflogen sind – kein Problem. Aber wenn sie zum ersten Mal den Boden unter den Füßen verlieren, wird es wie ein Erweckungserlebnis für sie sein. Ihnen wird klar, was da passiert: Sie geben komplett die Kontrolle über ihr Leben ab. Hier trennt sich die Spreu vom Stubenhocker. Entweder sie zucken mit der Schulter, genießen den Flug und degenerieren zu Reisesüchtigen – oder sie machen den ersten Schritt zum Erwachsenwerden und zur Vernunft, indem sie beginnen, das Fliegen und Verreisen zu hassen.
… mit Teenagern
Wie im Zug würden die Teenager gern weit weg von Ihnen sitzen, aber wegen des allgemeinen Getümmels sollten Sie das nicht erlauben. Vermeiden Sie während des Flugs jeden Kontakt, auch wenn Sie nebeneinander sitzen, dann ist alles gut.
Ferienreisen
Wenn Sie mit Schulkindern in Urlaub fahren, müssen Sie sich neben den individuellen Problemen der Reiseart darauf einstellen, dass man Sie wie Melkkühe behandelt. Für eine Ferienwohnung, die außerhalb der Schulferien pro Nacht pauschal 50 € kostet, wird in den Schulferien 55 € berappt. Klingt ja nicht schlecht – allerdings werden Zustellbetten, die Endreinigung, die Wetterpauschale, die Kurtaxe, die Bettwäsche, die Handtücher, das Wasser, der Strom, die Sonnenstrahlen, die Besteckschublade, die Feinstaubverordnung und die Primeln im Vorgarten extra berechnet, wodurch sich ein Gesamtbetrag von 182,53 € pro Nacht ergibt. Leider waren Klagen vor dem Bundesgerichtshof für Menschenrechte erfolglos, vermutlich weil irgendeine Regierungspartei von Ferienwohnungsbesitzern unterwandert wurde.
Bei Pauschalurlauben sind die Verhältnisse ähnlich, aber der Betrug ist weniger subtil. Auf dem Kalender wird eine Periode zur Hauptsaison erklärt, die rein zufällig in die Schulferien fällt. An der Infrastruktur des Urlaubsorts oder dem Angebot ändert sich überhaupt nichts, es kostet einfach nur mehr Geld. Was umso schwerer wiegt, weil man – um Geld zu sparen – nicht einfach die Kinder alleine in den Urlaub schicken kann, um selbst zu Hause zu bleiben. Im Gegenteil – sucht man nach Angeboten mit Kinderbetreuung, kostet diese natürlich extra. Die Folge: Ein Familienurlaub ist so teuer, dass ihn sich nur Anbieter von Familienurlauben und Besitzer von Ferienwohnungen leisten können. Normalsterbliche müssen entweder ihren Hamster für medizinische Experimente verkaufen, aufs Erbe spekulieren oder nebenberuflich im Kalibergwerk arbeiten, wenn sie mit einem oder mehreren Kindern im Schulalter wegfahren wollen.
Die Ferienzeiten sind eine Kette, die Eltern ans Bein gelegt wird. Damit müssen Sie sich arrangieren. Planen Sie einfach rechtzeitig die Fahrt, also drei Jahre im Voraus. Vielleicht wird Ihnen dann sogar ein kleiner Frühbucherrabatt eingeräumt.
Die Kunst der Ablenkung
Sind Sie als Stubenhocker mit Ihren Kindern unterwegs, müssen Sie die Kunst der Ablenkung lernen, damit Sie genug Energie haben, sich selbst den Anforderungen des Reisens zu stellen. (Ist es nicht Ihr Nachwuchs, sondern der anderer Reiseteilnehmer, sind Sie fein raus – halten Sie sich einfach von den Kindern fern, oder werfen Sie ihnen die Androhung drakonischer Strafen an den Kopf.) Der Trick ist, die Aufmerksamkeit Ihrer Nachkommen lange genug auf andere Dinge zu lenken, damit Sie versuchen können, so etwas zu haben, was andere Leute Urlaub nennen und Sie ganz einfach Ruhe.
Lernen Sie, Warnzeichen zu erkennen: Ihr Kind wird unruhig, jammert rum, beschimpft oder verhaut Sie. Finden Sie unverzüglich andere Dinge oder Leute, die es beschimpfen oder verhauen kann, dann legen sich auch Unruhe und Rumgejammer.
Wenn Sie mit Kindern verreisen, sollten Sie das Prinzip der Gedankenreise anwenden. Diese Entspannungsübung hilft gestressten Menschen, um sich innerlich aus dem Alltag raus für kurze Zeit an einen anderen, beruhigenden Ort zu begeben. Das ist exakt, was Sie brauchen! Wenn Ihre Kinder abgelenkt sind, meditieren Sie sich für fünf Minuten zurück auf Ihr Sofa. Schon geht es Ihnen viel besser!
Terror auf vier Pfoten
Tiere in der Wohnung sind die perfekte Ausrede, um diese nicht zu verlassen (»Ich muss mich doch um das arme Viech kümmern!«) oder andere nicht reinzulassen (»Doch, der beißt! Und wie! Ja, es ist nur ein Wellensittich, aber was für einer!«). Natürlich spielen viele Faktoren bei der Wahl des Tieres eine Rolle. Sie sollen nicht zu viel Arbeit machen und kein Chaos anrichten. Als Stubenhocker haben Sie aber auch nicht das Bedürfnis, ein kleines Wollmonster wie ein Zwergkaninchen, ein Meerschweinchen oder einen Hamster in Ihrer Wohnung zu beherbergen – da ist ja Ihr Kaktus unterhaltsamer. Stalltiere sind meistens größer als Sie, weswegen Sie ihnen kategorisch nicht über den Weg trauen sollten, außerdem sind Vermieter über diese auch nicht gerade erbaut. Daher kommen für Sie nur Hund oder Katze infrage. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Tierarten im Alltag sehen so aus:
Ereignis |
Hund |
Katze |
Es klingelt. |
OH MEIN GOTT, WER IST DAS? WAU! WAU! WAU! |
Pff. |
Tier hat |
WUFF! WUFF! SABBER! WUFF! WUFF! |
Miau. |
Tier ist |
SPIEL MIT MIR! LOS! STÖCKCHEN! BALL! |
Pff. |
Sie waren |
WO WARST DU? ICH DACHTE, DU KOMMST NIE WIEDER ZURÜCK! LASS MICH NIE MEHR ALLEIN! |
Miau? Pff. |
Sie staubsaugen. |
Pff. |
MIAU! MIAU! MIAU! MIAU! |
Es ist eindeutig. Für einen Stubenhocker gibt es eigentlich nur ein Tier, das infrage kommt: eine Katze. Denn selbst Freigänger-Katzen sind tief in ihrem Herzen gut gekleidete Stubenhocker, die einfach nur ihre Ruhe haben wollen, fremde Artgenossen anfauchen und am liebsten in der Sonne abhängen. Katzen sind pflegeleicht, holen sich Futter, wenn sie es brauchen, und beschweren sich nicht übers Wetter.
Nun gibt es Leute, die der Meinung sind, Hunde seien die perfekten Haustiere. Die Schnittmenge zwischen Reisesüchtigen und Hundebesitzern ist allerdings verdächtig groß, was daran liegt, dass man mit Hunden dauernd Gassi gehen muss, weil sie zu doof sind, eine Toilette zu benutzen, und weil sie selbst gern wie bekloppt durch die Pampa rennen (meist auf der Jagd nach wohlgenährten Joggern). Hunde lechzen immerzu nach Beschäftigung, Bestätigung, Zuwendung. Sprich, Hunde SIND Reisesüchtige. Sie freuen sich sogar darauf, stundenlang in den Fond eines Kombis gesperrt zu werden, nur um im Urlaub dabei zu sein.
Je mehr Katzen man besitzt, desto besser – und für einen Stubenhocker authentischer – ist auch der Ruf in der Nachbarschaft: »Guck, da ist die/der Verrückte mit den vielen Katzen im Haus!«
Wenn Sie mit einem Tier verreisen wollen, beherzigen Sie vor allem folgenden Rat: TUN SIE ES NICHT! Sie haben bestimmt ein paar Freunde, die sich total freuen, wenn sie tage- und wochenlang auf Ihr Vieh aufpassen dürfen. Ansonsten gibt es auch Tierpensionen.
Aber wenn Sie in die Verlegenheit geraten, doch mit einem Tier verreisen zu müssen, achten Sie darauf, dass die Reise so wenig belastend wie möglich wird – für Sie. Verpacken Sie das Tier nur artgerecht, und vergessen Sie die Luftlöcher nicht. Achten Sie auf die Zollbestimmungen und nötigen Impfungen. Ansonsten gilt für Tiere alles, was weiter oben für Kinder aufgezählt wurde.