Kapitel 14

»Was machst du denn hier?«, fragt Timo, als er die Tür öffnet. Er klingt distanziert, nicht gerade, was ich mir erhofft hatte.

Ich will nicht weinen und ziehe die Nase hoch. »Es ... Es sind ein paar Stunden ausgefallen«, lüge ich ihn an.

»Wieso?« Wieder so eine unfreundliche Frage.

Ich zucke mit den Schultern. Alles in meinem Körper schreit, dass ich mich umdrehen und weggehen sollte.

Aber dann fängt er plötzlich an zu lächeln. »Weißt du was? Komm einfach kurz rein, da können wir besser reden.«

Erleichtert trete ich ein.

Timo geht sofort zu seinem Zimmer. »Wie war es heute?«, fragt er.

Vielleicht sollte ich ihm jetzt erzählen, was in der Schule passiert ist. Aber ich bin alle. Kaputt. Und meine Kopfwunde schmerzt. Ich weiß nicht, was ich antworten soll. Aber das ist auch nicht mehr nötig, weil Timo auf mich zukommt, ganz langsam.

»Du siehst müde aus«, sagt er sanft. Er versucht offensichtlich, sein abweisendes Verhalten von eben wiedergutzumachen. »Soll ich dich ein bisschen massieren?«

»O-okay.«

»Komm, leg dich hin.« Mit einer einladenden Geste klopft er auf seine Matratze.

Ich lasse mich rücklings auf sein Bett fallen und zwinge mich, die Augen zu schließen.

»Gut so«, murmelt Timo.

Ich spüre, dass er mir die Schuhe auszieht, meine Socken. Ganz langsam folgt der Rest meiner Kleidung, bis ich nur noch meinen Slip und den BH anhabe.

Er legt seine Hände auf meinen Bauch und dreht langsame Kreise um meinen Bauchnabel. Die Wärme seiner Hände hat etwas Tröstendes.

Seine Fingerspitzen bewegen sich zur Unterseite meines BHs. Mit den Händen umfasst er meine Brüste. Drückt sie. Reibt über die Brustwarzen – ein bisschen zu fest.

Ich erstarre.

Aber seine Hände wandern schon wieder zum nächsten Ziel: meinem Slip. Seine Finger bewegen sich sanft unter dem Bündchen.

»Entspann dich«, sagt er. »Alles wird gut.« Er sagt es so, als ob all meine Probleme gelöst würden, wenn ich ihn herumfingern lasse. Ich will das nicht, aber ich weiß nicht, wie ich es sagen soll. Ich will nicht, dass wieder jemand von mir enttäuscht ist.

Kurze Zeit später öffne ich die Augen. Erst sehe ich nichts vor lauter Tränen. Ich blinzele sie weg und lege meinen Kopf auf seine Brust. Jetzt erst merke ich, dass er noch Pullover und Socken trägt.

Ich spüre seinen warmen Atem an meiner Stirn, sein Herz schlägt an meiner Wange. Seine Hand streicht etwas abwesend über meinen Arm.

Eine Weile sagen wir nichts. Ich fühle, dass er tief ein- und wieder ausatmet.

»Hey, Nikki, weißt du ...«, fängt er dann an. »Wenn du schon mal hier bist – ich muss mit dir reden.«

Überrascht schaue ich ihn an. Seine Augen sind dunkel. Ich sehe kein Gefühl darin.

Er lässt mich los und rutscht von mir weg.

Plötzlich weiß ich, was er mir sagen wird. Ich weiß es einfach. Ich schlucke. »Was ist denn?«

»Ich hab nachgedacht.« Er sieht zur Decke, als käme von dort eine Eingebung. »Weißt du, vielleicht sollten wir uns eine Weile etwas seltener sehen.«

Ich sage nichts.

»Hör mal, Nikki, es wird einfach nicht funktionieren mit uns. Ich kann dir nicht geben, was du willst.«

»Was will ich denn?«, frage ich mit rauer Stimme.

Er tut so, als würde er mich nicht hören. »Du siehst doch auch, dass wir nicht zueinander passen, oder? Was würde es dann noch bringen, weiterzumachen?«

Ich schaue ihn mit dem seltsamen Gefühl an, ihn überhaupt nicht zu kennen.

»Es ist besser so, ernsthaft«, sagt er mit einem traurigen Lächeln, als wäre er der Leidtragende. »Für uns beide.«

»S-spielt da vielleicht etwas anderes eine Rolle?«, höre ich mich fragen.

Für eine Sekunde sehe ich ein Zögern über sein Gesicht huschen. Dann sagt er: »Nein, natürlich nicht. Wie kommst du denn jetzt darauf?«

»Ich k-kapiere es nicht ...«, stammele ich. »Wir haben gerade ... Du hast mich gerade ...«

Er rappelt sich auf und stützt sich auf seinen Ellenbogen. »Hey, Nikki, das wolltest du auch. Jetzt komm mir bloß nicht so, das würde ich gerade echt nicht ertragen. Ruf mich lieber irgendwann diese Woche an, dann reden wir noch einmal darüber.«

»Aber ich möchte jetzt darüber reden«, sage ich mit belegter Stimme.

Sein Gesichtsausdruck wird gereizt. »Es tut mir leid, aber ich muss gleich weg«, sagt er kühl.

»W-was?«

»Ja, sorry, ich habe ein bisschen die Zeit vergessen. Aber du kannst schon noch kurz hierbleiben.«

Die eintretende Stille schnürt mir die Kehle zu.

»Lass nur«, murmele ich. Ich klettere aus dem Bett und sammele meine Sachen vom Boden auf. Meine Augen brennen, und ich reibe mir die Augenwinkel. Es hilft nichts. Tränen kullern über meine Wangen.

Offenbar sieht er es, denn plötzlich sagt er in leisem Ton: »Hey, ich finde das auch traurig.« Er rutscht aus dem Bett und kommt zu mir. »Wein ruhig.« Er zieht mich an sich. Seine Arme liegen fest um meinen Körper, und ich bekomme fast keine Luft mehr.

Ich spüre, wie die Angst in meiner Brust wächst. Und ich weiß nicht, warum.

»Es wird alles gut, wirklich«, murmelt er in meine Haare. »Wie ätzend übrigens, dass die Polizei in die Schule kam. Was wollte sie denn wissen?«

Irgendwo im Hinterkopf beginnt sich ein Rädchen zu drehen. Die Polizei? Woher weiß er das? Ich habe ihn gestern gar nicht mehr gesprochen ...

Ich befreie mich aus seinen Armen und starre ihn an.

Ich sehe, wie sich seine Pupillen weiten, aber er fängt sich blitzschnell. »Hör zu, Nikki, das haben alle mitbekommen«, sagt er, und in seiner Stimme schwingt etwas Hartes mit. »Was dachtest du denn? Dass man so was geheim halten kann? Scheiße, Mann, ich kann mich kaum retten vor lauter Spamnachrichten über dich.«

Plötzlich dämmert es mir. Es zieht von den Zehen nach oben, und mir wird übel. Timo macht sich keine Sorgen um mich, sondern um sich selbst ... Was für ein Arsch!

Ich raffe meine Jacke vom Boden auf und rufe in einem Anfall von Wut: »Krepier doch!«

Er antwortet nichts.

Nicht einmal, als ich hinausgehe.