16. Kapitel
Bea Hudson will nicht nach Hause!
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Es ist unser letzter Abend in Paris, und zufällig sind wir im Herzen von Montmartre über ein süßes kleines Bistro gestolpert, in dem wir nun das Ende unserer Flitterwochen feiern.
»Was für eine perfekte Woche«, sagt Adam zufrieden, nachdem er den letzten Bissen von seinem Gratin aus Krebsschwänzen hinuntergeschluckt hat, und lehnt sich auf seinem Stuhl zurück. Sein Gesicht ist vom Kerzenlicht erleuchtet, der dunkle Bartschatten unterstreicht seine hervorstehenden Wangenknochen, und seine Augen haben die Farbe der regennassen Straßen von Paris. Er sieht sehr glücklich aus. Wie wunderbar, dass mir das gelungen ist.
Ich nicke. »Ich wünsche mir, sie müsste nicht zu Ende gehen.«
Er beugt sich vor und nimmt meine Hand. »Das muss es ja nicht …«
Er lächelt mich an und hebt verschmitzt die Mundwinkel. Er sieht so sexy aus in seinem makellosen weißen Hemd, an dem die obersten Knöpfe offen stehen, und mit seinen kunstvoll zerzausten Haaren. Paris steht ihm, Urlaub steht ihm. Er reibt sich das Kinn, und sein Ehering schimmert. Er sieht mich durchdringend an, und ich sehe meinen Ehemann, den Adam, den ich kenne und liebe, so wie er immer aussieht, attraktiv, gelassen, stark. Doch – und das ist ungewöhnlich – vollkommen entspannt. Ich wünschte, ich könnte die Zeit anhalten, damit er so bleibt.
»Natürlich muss es das, Adam, Ferien können nicht ewig dauern, egal, wie sehr wir uns das wünschen.« Ich seufze. »Mir graut es schon davor, wieder zur Zeitarbeit zu gehen. Ich weiß nicht warum, aber ich glaube, ich kann nicht mehr von einer Stelle zur anderen springen … Ich möchte irgendwie etwas …«
»Dauerhaftes?« Adam grinst. »Ich wusste es, die Ehe hat dich schon verändert!«
»Ich wollte sagen etwas Erfüllendes, etwas Inspirierendes, etwas Herausforderndes …«
»Dann mach doch etwas anderes«, sagt er mit einem neckischen Grinsen. »Gib deinen Job auf und mach etwas, das dir wirklich Spaß macht.«
»Adam, du weißt doch, dass ich für nichts qualifiziert bin.«
»Du wolltest immer Gartenarchitektin werden – und du hast wirklich Talent«, bemerkt er und beugt sich vor, seine Augen funkeln aufmunternd. »Sieh dir doch nur an, was du aus unserer Dachterrasse gemacht hast. Alle sagen, wie fantastisch sie ist und dass du eine professionelle Architektin sein könntest.«
»Ach, das könnte ich nicht«, protestiere ich verlegen.
»Warum denn nicht?«
»Erstens habe ich nie meinen Abschluss gemacht …«
»Dann geh zurück an die Uni! Du musst nicht für den Rest deines Lebens Zeitarbeit machen, Bea. Du weißt, dass ich dich voll und ganz unterstützen würde.«
Bei ihm wirkt immer alles so leicht.
»Hör zu«, sagt er und nimmt meine Hände. »Ich weiß, dass es deinem Selbstbewusstsein einen Knacks versetzt hat, dass du den Abschluss nicht gemacht hast. Ich weiß, dass du Angst hast vor … du weißt schon …« Er verstummt. Er weiß nie, wie er meine zeitweiligen »Aussetzer« nennen soll. Ich sehe, wie er nach einem passenden Satz sucht. »… vor dem, was dir passiert ist …«
»Vor meinen Zusammenbrüchen«, sage ich bestimmt.
Er lässt sein Weinglas kreisen und fühlt sich deutlich unwohl mit meiner Wortwahl. Sosehr er sich auch bemüht, Adam weiß nicht, wie er von meinen »verlorenen« Jahren sprechen soll. Er sagt, die Vorstellung, ich sei so unglücklich gewesen, dass ich mit dem Stress und dem Druck des Abiturs und später dann mit dem des Examens nicht zurechtgekommen bin, würde ihn aufwühlen. Darum versucht er auch immer, mir das Leben so leicht wie möglich zu machen und mir Entscheidungen abzunehmen.
»Aber das wird nicht wieder passieren«, sagt er schließlich. »Du weißt, dass ich dich bei allem, was du machst und was du machen willst, unterstütze.«
»Ich weiß, Adam. Ich will jetzt nur nicht darüber nachdenken, okay? Ich will nicht daran denken, dass wir nach London zurückfahren oder dass ich wieder zur Arbeit gehe. Ich möchte nicht an wichtige Entscheidungen denken, die ich vielleicht treffen muss. Ich möchte jetzt nur mit dir hier sein.« Ich schließe die Augen und atme tief und yogamäßig durch die Nase ein. Loni wäre beeindruckt. Ich öffne die Augen und sehe, dass Adam etwas unter dem Tisch hervorgezogen hat. »Was ist das?«, frage ich und linse auf das Blatt Papier, das er hochhält.
»Das ist unsere Heiratsanzeige aus der Tribunal«, erklärt er stolz. »Mum hat sie mir gefaxt. Ich dachte, falls dein Dad sie sieht, würde er vielleicht Kontakt zu dir aufnehmen. Ich habe dem Journalisten bei der Zeitung sogar gesagt, dass er meine Kontaktdaten rausgeben soll, wenn ein Len Bishop sich bei ihnen meldet …«
Ich strecke meinen Arm über den Tisch und fasse seine Hand. »Das ist sehr lieb von dir, Adam, aber ich habe beschlossen, dass die Hochzeit seine letzte Chance war. Jetzt interessiert er mich nicht mehr. Ich will nur noch an die Zukunft denken – an unsere Zukunft.«
Adam drückt meine Hand, und ich lächle ihn an.
»Okay, na ja, wenn du dir sicher bist«, sagt er langsam. »Ich will nur auf keinen Fall, dass du das Gefühl hast, dir würde etwas fehlen.« Sein Kiefermuskel zuckt, und er fährt sich nervös durch die Haare. Das ist typisch Adam, er versucht, alles in Ordnung zu bringen. Ich glaube, er hat ein schlechtes Gewissen, weil er selbst nie größere Probleme hatte, und darum fühlt er sich moralisch verpflichtet, die Probleme von allen anderen zu lösen. Manchmal frage ich mich, ob ihn vor allem das an mir gereizt hat – er wollte mich wieder in Ordnung bringen.
»Es war alles perfekt, weil du da warst und neben mir vor dem Altar gestanden bist. Du sahst so gut aus in deinem Anzug, und du hast so geduldig auf mich gewartet …«
»Sehr geduldig«, unterstreicht Adam und zwinkert schelmisch.
»Sogar als ich ohnmächtig geworden bin! Aber das Warten hat sich gelohnt, stimmt’s?«
Er lacht an meinen Lippen, dann küsst er mich. »Auf unsere Zukunft, Mrs. Hudson«, sagt er, als wir uns voneinander lösen. »Ich bin mir sicher, dass wir sehr glücklich sein werden.«
»Das bin ich mir auch«, bestätige ich. Und zum ersten Mal in meinem Leben glaube ich es auch.