4. Kapitel
Adam sieht mich nicht an. Alles, was ich sage, wirkt so erbärmlich, so jämmerlich klischeehaft. Ich stehe in der Kapelle und warte, dass er etwas sagt. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor, ehe er es tut.
»Ich weiß, dass du Angst hast, aber das ergibt keinen Sinn.« Er dreht sich um, als hätte er neuen Mut gefasst, dass er mich umstimmen könnte. »Wir sind füreinander bestimmt, Bea, das weißt du! Hey, weißt du noch der Abend, an dem wir uns kennengelernt haben?«, sagt er schnell und fährt sich mit der Hand durch sein dichtes Haar. »Wir haben vor der Greenwich Tavern gesessen, es war ungefähr zehn Uhr abends, der Himmel hatte diese irre violette Farbe angenommen, und wir haben uns über unsere Verflossenen unterhalten. Und dass wir nicht so verrückt wären, uns je wieder zu verlieben …«
»Während ›Crazy‹ von CeeLo Green aus den Lausprechern tönte …«, füge ich leise hinzu. Ich schließe die Augen und fühle mich in jenen Moment zurückversetzt. Es war mir wie ein Zeichen vorgekommen – der Bruchteil einer Sekunde, wenn die Zeit kippt und den Lauf unseres Lebens ändert. Wir hatten einander angesehen, Adam und ich, und wir hatten gewusst, dass wir verrückt genug waren, genau das zu tun. Uns zu verlieben. Ich schüttle den Kopf. Adam redet noch immer, beschreibt noch immer den glücklichen Moment unseres Kennenlernens, aber ich hebe die Hand.
Ich möchte ihm so gern sagen, was ich anscheinend nicht zu artikulieren vermag: dass ich seiner nicht wert bin. Dass ich mich nicht mehr im Spiegel ansehen könnte, wenn ich das hier durchziehe. Dass ich ihn jetzt verletze, um ihm künftiges Leid und Enttäuschungen zu ersparen, wenn er die Wahrheit über mich herausfindet.
»Es tut mir so leid, Adam.« Ich ersticke mit der Hand einen Schrei, lasse meinen Brautstrauß auf den Boden fallen und stolpere dann blind an ihm vorbei ins Hauptschiff, wo die Gäste noch immer warten. Sie wissen, dass etwas nicht stimmt; sie starren mich an, als wäre ich ein Alien. Einen Augenblick halte ich mitten im Gang inne. Vielleicht bin ich verrückt? Vielleicht bin ich das schon immer gewesen? Und mit diesem Gedanken senke ich den Kopf und beginne zu rennen. Während ich die Türen aufstoße, reiße ich mir den Schleier vom Kopf und laufe auf einen weißen alten Rolls-Royce zu, der wie durch Zauberhand plötzlich vor der Kirche steht.
Der Fahrer blickt neugierig über die Schulter, als ich einsteige. So früh hat er mich eindeutig nicht erwartet.
Ich blicke aus dem Fenster und sehe, dass Adam unter dem Bogen des Kircheneingangs steht. Er hält die linke Hand über die Brauen und schützt die Augen vor der Sonne. In seinem Anzug sieht er wie ein Filmstar aus. Einen Augenblick stelle ich mir vor, dass ich neben ihm stehe, seine Hand halte und dass wir beide unsere Eheringe tragen. Ich sehe das Bild so deutlich vor mir, dass ich, als ich die Augen schließe, hineintreten kann. Adam und ich lachen, während wir uns inmitten unserer Freunde und unserer Familie küssen. Sie lassen Rosenblätter auf uns regnen, bis ich nur noch weiße Blüten sehe. Ich öffne die Augen, und das Bild von uns ist so schnell verschwunden, wie es gekommen ist.
»Bitte, fahren Sie«, flehe ich, und der Fahrer zuckt mit den Schultern, startet den Motor und fährt los.