21. Kapitel

Bea Bishop verbringt diese langen Sommertage damit, eine Wohnung zu finden, ihre Karriere zu planen und in sich zu gehen …

Es ist ein sonniger Freitagnachmittag am Ende meiner ersten Woche ohne Arbeit. Ich blicke hinauf in den vergissmeinnichtblauen Himmel und atme zufrieden aus. Nachdem ich nicht mehr den ganzen Tag im Büro eingesperrt bin, fühle ich mich ganz neu belebt. Es ist erstaunlich, wie befreiend es sein kann, nichts zu besitzen. Ich habe zwar meinen Verlobten verloren, meinen Job und mein Zuhause, aber es kommt mir vor, als hätte ich dafür etwas anderes gewonnen: die Chance, neu anzufangen, ein anderes Leben zu führen. Ich weiß, wie glücklich ich mich schätzen kann, diese Chance erhalten zu haben – und mit ihr die Unterstützung meiner Familie und meiner besten Freundin. Manchmal frage ich mich, womit ich das verdient habe.

Die meiste Zeit habe ich fröhlich in Millys Garten herumgewerkelt, den sie, wie sie zugibt, ziemlich vernachlässigt hat. »Du kennst mich ja. Ich weiß nur, wie man Vermögen zum Wachsen bringt!«, sagte sie und blickte kaum von ihren Aktienkursen auf, als ich sie darauf ansprach. »Also mach da draußen ruhig, was du willst!«

Fünf Tage lang beschnitt ich selig Rosen, entfernte welke Blüten, befestigte die Klematis, die ziemlich außer Kontrolle geraten war, harkte die Beete und sorgte generell für Ordnung. Ich setzte sogar ein paar Pflanzen, die ihre Blütezeit Anfang September haben und dem Garten einen zweiten leuchtenden Farbrausch verleihen – goldgelbe Sonnenblumen, fuchsiafarbene Zinnien und sogar ein paar Kosmeen. Mir gefällt die Vorstellung, dass sie blühen werden, wenn ich schon längst ausgezogen bin. Es ist, als würde ich ein kleines Stück von mir zurücklassen. Bei all der Zeit, die ich jetzt habe, frage ich mich unwillkürlich, wo ich als Nächstes landen werde. Ich weiß, dass ich nicht ewig hierbleiben kann, das kann ich Milly und Jay nicht zumuten. Aber es ist seltsam, weil ich mir einfach keine eigene Wohnung vorstellen kann. Stattdessen träume ich davon, zurück nach Norfolk zu ziehen. Mir ist wieder eingefallen, wie glücklich ich dort war, bevor Kieran mich verlassen hat. Ich hatte mir geschworen, nie dort wegzugehen, weil ich mein Herz an den unendlich weiten Himmel, die hübschen Ortschaften und die überwältigende Küste verloren hatte, ganz zu schweigen von Lonis Garten. Dort war ich mir immer am nächsten gewesen – und meinem Dad.

Jetzt verspüre ich den starken Drang, dorthin zurückzukehren. Ständig rede ich mir ein, dass das nichts damit zu tun hat, dass ich Kieran sehen will, aber ich habe unzählige Male sein Facebook-Profil studiert und seine Nachricht gelesen. Zudem ist es nicht gerade hilfreich, dass Loni wieder an der Nabelschnur zieht.

»Warum kommst du nicht eine Weile nach Hause?«, fragt sie jedes Mal, wenn sie mich anruft, was momentan jeden Tag der Fall ist. »Dich hält doch jetzt nichts mehr in London, oder, Liebes?« Ich wollte sie nicht beleidigen, darum habe ich mir meine Antwort gespart: »Außer meinem gesunden Menschenverstand.«

»Spring in den Zug, komm her und verbringe ein bisschen Zeit mit mir!«, schlug sie erst gestern Abend wieder vor. »Wir können lange Strandspaziergänge unternehmen, du kannst joggen und meditieren, du kannst sogar mein neuestes Manuskript für mich abtippen!« Dagegen hatte ich mich gesträubt. Das letzte Mal, dass ich den Fehler beging, etwas für Loni zu tippen, schrieb sie an Die Kunst der Frau um die fünfzig, zu ihrer inneren Freiheit zu finden. Ich war traumatisiert von den vielen Sexstellen, die darin vorkamen. Womöglich habe ich das nie überwunden. »Ach bitte, Liebes, es wäre so schön, dich hier zu haben!«

»Ich denke darüber nach, Loni«, erwiderte ich. Was seltsam ist, denn normalerweise denke ich mir alle möglichen Ausreden aus, um mich von dort fernzuhalten, doch jetzt stelle ich fest, dass es mich tatsächlich nach Hause zieht. Laufe ich nur wieder weg – diesmal vor meinen Problemen hier in London? Oder laufe ich zu etwas anderem hin. Zu jemand anderem …

Ich lasse die Gartengeräte fallen, stehe auf, recke die Arme gen Himmel und beuge mich dann nach vorn, um meinen Rücken zu entlasten. Ich beschließe, einen Spaziergang zu machen. Es kann nicht schaden, wenn ich mir ein bisschen die Beine vertrete, vor die Tür komme und ein paar Leute sehe, andernfalls hätte ich heute nur mit den Blumen gesprochen. Und das wird niemanden davon überzeugen, dass ich nicht kurz vor einem weiteren Zusammenbruch stehe. Ich weiß, dass alle damit rechnen. Heute Morgen hat Milly mich gefragt, ob ich vorhätte, mich hier für immer zu verstecken. »Ich verstecke mich nicht!«, versicherte ich ihr. Sie hob skeptisch eine dunkle geschwungene Braue. Sie weiß, dass ich mich in schwierigen Zeiten gern verkrieche. »Ich sammle nur neue Kraft. Es ist nicht wie früher … versprochen.« Sie umarmte mich und hielt mich einen Augenblick länger als nötig im Arm. »Mir geht’s gut. Ehrlich. Bitte hör auf, dir Sorgen zu machen.«

»Hey«, sagte sie beleidigt, »ich höre nie auf, mir Sorgen zu machen. Ich bin deine beste Freundin. Und ich kenne dich besser als du dich selbst.«

In der brennenden Sonne gehe ich die Greenwich Church Street hinunter, an dem Torbogen zum geschäftigen Markttreiben vorbei sowie den hübsch angemalten Ladenfassaden und weiter bis zur Haltestelle der Dockland Light Railway. Der Mast der Cutty Sark blinkt wie ein Leuchtturm in der Sonne. Ich fühle mich diesem alten Klipper irgendwie verbunden, seine Taue und die feine Takelage sind wie ein kompliziertes Spinnennetz verwoben, ein Fadenspiel zwischen den Fingern der drei spitzen Masten, die in den kobaltblauen Himmel ragen. Die vormittägliche Sonne spiegelt sich in dem rautenförmigen Glas, das den Schiffsrumpf umschließt, und lässt ihn wie einen wertvollen Edelstein funkeln. Langsam gehe ich drum herum, und es ist, als würde die Gegenwart verblassen und das Museumsschiff sich in das alte Frachtschiff verwandeln, das es einst war. Ich stelle mir vor, wie sich die Segel auf der Jungfernfahrt nach Shanghai majestätisch in der Meeresbrise gebläht haben. Ich muss an Kieran denken. Liegt das an der Marineuniform, die er auf seinem Facebook-Profilfoto trägt? Oder daran, dass mein Unterbewusstsein weiß, dass er ein ausgelaufenes Schiff ist und ich aufhören sollte, an ihn zu denken? Erneut verdränge ich ihn aus meinem Kopf und laufe durch die Church Street zurück. Ich bin so in Gedanken, dass ich nicht aufblicke, als ich auf die Straße trete. Erschrocken schnappe ich nach Luft, als ein Bus auf mich zusteuert. Der Fahrer hupt mich an, und ich springe zurück auf den Bürgersteig. Mit pochendem Herzen blicke ich auf eine riesige Werbung, die an der Seite des Busses prangt.

Sie stammt von der University of Greenwich – auf einem Bild mit lachenden Studenten steht: »Komm noch heute zu uns!« Ich reiße den Kopf herum und blicke dem Bus hinterher, der hinter einer Biegung verschwindet. Dann werden meine Knie weich, und ich setze mich auf eine Bank. Meine Beine zittern unkontrolliert, als ich Lonis Stimme in meinem Kopf höre: Wenn wir nur lange genug warten, offenbart sich uns immer der richtige Weg, mein Schatz.

Ich denke daran, wie ich vor all den Jahren das Formular für die zentrale Studienplatzvergabe ausgefüllt und als erste Wahl Greenwich angegeben habe, bis ich meine Meinung im letzten Moment änderte und mich für die Universität von Norwich entschied, weil ich mich nicht stark genug fühlte, von zu Hause wegzugehen. Milly meinte, ich solle nicht albern sein, ich müsse unbedingt bei ihr einziehen, doch das lehnte ich entschieden ab. Ich glaube, darüber war sie genauso überrascht wie ich. Sie sagte, ich würde einen Fehler begehen, und sie sollte recht behalten.

Aber jetzt kommt mir ein aufregender Gedanke. Was, wenn ich zurückgehe und es diesmal anders mache? Wenn ich mein Studium der Landschaftsarchitektur zu Ende bringe, und zwar diesmal in Greenwich, wo ich vielleicht gleich hätte studieren sollen? Dann hätte ich Kieran nicht kennengelernt, ich hätte diesen verrückten Sommer nicht erlebt, ich hätte meinen Abschluss gemacht. Vielleicht wäre ich dennoch Adam begegnet. Und vielleicht, nur vielleicht, hätte ich ihn tatsächlich geheiratet, weil ich eine andere Vergangenheit gehabt hätte. Es hätte keinen Kieran gegeben, der alles zerstört hat. Denn langsam denke ich, dass vielleicht nicht Adam und ich das Problem waren, sondern das, was passiert ist, bevor wir uns kennenlernten.

Schließlich stehe ich auf, doch meine Beine zittern noch immer, als ich weiterlaufe. In Gedanken bin ich beim Studium. Ich habe noch all meine Unterlagen in einem Aktenordner zu Hause. Ich könnte Loni bitten, ihn mir zu schicken, und die Studiennachweise dann mit meiner Bewerbung einreichen. Jetzt haben wir Juni, vielleicht könnte ich beantragen, nur das dritte Jahr nachzuholen! Ich müsste mir einen Job suchen, der mich in der Zwischenzeit über Wasser hält, ich könnte einem Landschaftsarchitekten assistieren oder etwas anderes tun, das mit Gartengestaltung zu tun hat. Denn ich habe zwar meinen Abschluss nicht gemacht, aber ich habe nie aufgehört zu lernen. Ich habe jedes Buch gelesen, jede Fernsehsendung gesehen, bin auf jeder Gartenausstellung gewesen. Und ich habe auch nicht aufgehört zu gärtnern. Als es Frühling wurde und ich, nachdem Kieran weggegangen war, monatelang mein Zimmer nicht verließ, fing ich an, mich um Lonis brachliegenden, vernachlässigten Garten zu kümmern. Langsam aber sicher entfernte ich das Unkraut, entwirrte die Kletterpflanzen, säuberte die Beete, setzte neue Pflanzen ein und topfte andere um, bis der Garten wieder in altem Glanz erstrahlte. Ich hauchte ihm wieder Leben ein, und er tat dasselbe für mich. Dann gestaltete ich Millys Garten, als ich damals bei ihr einzog. Und natürlich die Dachterrasse von Adams Wohnung.

Ich habe immer gewusst, dass Gartengestaltung das Einzige ist, was mich wirklich glücklich machen könnte. Ich habe nur nicht mehr geglaubt, dass ich es verdiene, glücklich zu sein.

Ich denke daran, was mein Vater einmal gesagt hat, als ich anfing, mich für den Garten zu interessieren. Ich war vielleicht vier und half ihm dabei, Erdbeeren und Tomaten in unserem Gemüsegarten zu säen.

Gärtnerin wird man nicht, Bea – als Gärtnerin wird man geboren!

Das ist bei mir der Fall, und je eher ich das akzeptiere, umso besser.

Ich fühle, dass sich etwas in mir regt, ein lange vergessenes Gefühl von Sicherheit. Ich blicke auf und sehe, dass ich vor einem Blumenladen auf der Greenwich Church Street stehen geblieben bin. Die Fassade des schmalen viktorianischen Backsteinhauses ist, anders als bei den meisten anderen Läden, nicht angemalt, und ich bin überrascht, dass er mir noch nie aufgefallen ist. Aber er hat eine hübsche blaue Markise und altmodische Bleiglasfenster, in denen an unsichtbaren Fäden in einem Bogen kleine gläserne Kugeln hängen. In jeder befindet sich eine Orchideenblüte, zusammen sehen sie wie der Schweif einer Sternschnuppe aus. Vor der Tür stehen auf schmiedeeisernen Tischen Töpfe mit Wicken und Flieder, auf kleinen hölzernen Tritten sind Eimer mit prächtigen Hortensien, dicken pinkfarbenen Päonien und zarten Rosen ausgestellt sowie alte Holzkisten mit Sträuchern und blühenden Topfpflanzen. Über der Markise steht in pinkfarbenen Buchstaben Cosmos Flowers, und um den Namen herum sind silberne Sterne gemalt. Irgendwo habe ich dieses Logo schon einmal gesehen. Ich überlege einen Moment – ja, an meinem Hochzeitstag! Mein Brautstrauß und die Ansteckblumen, die Milly besorgt hat, kamen in einer Kiste, die an der Seite dieses Logo trug. Aber ich selbst bin ganz sicher noch nie in diesem Laden gewesen. Er muss erst kürzlich aufgemacht haben.

Die Tür steht offen, und ich schlendere hinein und betrachte staunend den charmanten Raum mit den unverputzten Backsteinwänden, von dessen Decke Sternjasmin und funkelnde Lichterketten hängen. Ich fühle mich von dem Laden auf dieselbe Weise angezogen wie sonst von Gärten.

»Kann ich Ihnen helfen?« Eine junge Frau kommt hinter der Theke im hinteren Teil des Ladens hervor. Sie trägt grüne Gartenhandschuhe und hat einen Eimer mit Pfingstrosen in der Hand. Sie ist die lebende Verkörperung des Wortes »blühend«: Ihre Wangen haben den zarten Ton einer Rose, ihre Augen leuchten wie Rittersporn unter den schwarz getuschten Wimpern, ihre Haare sind narzissengelb blondiert und zu einem Dutt geknotet, der so rund und voll ist wie die Pfingstrosen, die sie in der Hand hält. Wie Blütenkätzchen umrahmen ein paar Strähnen ihr Gesicht. Außerdem ist sie dünn wie ein Blumenstängel, doch als sie hinter dem Tresen hervortritt, erscheint ein kugelrunder Babybauch. Sie blickt auf ihn hinunter, dann wieder zu mir und lächelt entschuldigend.

»Ich weiß, es sieht aus, als hätte ich einen Fußball verschluckt, aber ich schwöre, es ist ein echtes Baby. Sie glauben ja nicht, wie viele Leute mir gesagt haben, ich würde jetzt, wo ich schwanger bin, anständige Brüste bekommen!« Sie blickt deprimiert nach unten. »Bislang nichts. Nur riesige Nippel.« Sie schnappt nach Luft und schlägt sich die Hand vor den Mund. »Zu viel Information, stimmt’s?«

Ich nicke und muss dabei lachen.

»Tut mir leid«, stöhnt sie. »Diese Schwangerschaft hat eine Art Tourette bei mir ausgelöst. Als Nächstes erzähle ich Ihnen noch von meinen Hämorrhoiden!«

Ich räuspere mich verlegen und blicke mich um. Das ist zu viel für mich.

»Egal«, sagt sie ohne einen Anflug von Scham, »was kann ich für Sie tun? Ich bin übrigens Sal.« Sie deutet auf ein Schild an ihrer Brust und lächelt.

»Bea«, erwidere ich. »Bea Bishop. Freut mich.«

Ein Glücksgefühl durchströmt mich, während ich mich umschaue. Im Laden riecht es so wundervoll nach endlosen Sommertagen und einfach nach … Grün. In der Luft hängen der unverkennbare Duft von Hortensien und Pfingstrosen sowie der berauschende Geruch von Wicken, Rosen und Lavendel.

Mir wird klar, dass ich nicht mit der Absicht hereingekommen bin, etwas zu kaufen, doch nachdem ich jetzt schon einmal hier bin, will ich ein Geschenk für Milly aussuchen, um mich bei ihr für alles zu bedanken.

»Ich hätte gern einen Blumenstrauß.«

»Das habe ich mir schon gedacht.« Sie grinst. »Ist er für eine Freundin oder für einen Freund?«

»Für meine beste Freundin«, erwidere ich. »Sie ist in letzter Zeit so nett zu mir gewesen. Ich bin vorübergehend bei ihr eingezogen, während ich einen Job suche.«

»Was schwebt Ihnen finanziell vor?«

»Für meinen Job?« Ich bin etwas überrascht. Das ist eine sehr persönliche Frage für jemanden, den man gerade erst kennengelernt hat. Doch sie scheint generell sehr direkt zu sein.

»Nein! Ich spreche von dem Blumenstrauß!« Sal wirft lachend den Kopf in den Nacken.

»Oh, tut mir leid, natürlich! Äh, nachdem ich gerade meinen Job gekündigt habe, lieber nicht so viel. Ich weiß nicht … 30 Pfund?«

»Okay, dafür sollte sich etwas Hübsches finden lassen«, sagt sie, klatscht in die Hände und legt sie dann auf ihren Babybauch. »Wenn es für eine Freundin ist, könnten Sie vielleicht ein paar …«

»Eigentlich weiß ich schon, was ich will!«, unterbreche ich sie. »Könnte ich bitte ein paar Gladiolen haben und ein paar von den Iris und, oh, ein paar von den Königs-Protea?« Sal zieht unter meiner Anleitung die Blumen heraus und sammelt sie in der Hand. »Wenn Sie die kürzen, noch etwas Grün dazutun und etwas zartere Blumen um die Protea binden könnten, wäre das toll. Ich deute auf einen Eimer mit langstieligen Blumen. »Diese Inkalilien wären perfekt.«

»Wow, Sie wissen, was Sie wollen!«, stellt Sal anerkennend fest, während sie die Stiele aus den Eimern fischt.

Ich lache angesichts der Ironie ihrer Aussage. »Glauben Sie mir, da sind Sie die Erste, die das findet.«

»Sie haben gesagt, Sie hätten gerade Ihren Job gekündigt, oder?«, fragt sie und sieht sich über die Schulter nach mir um. »Was haben Sie denn bisher gemacht?«

»Ach, ich war bei der Zeitarbeit«, antworte ich verlegen.

»Und warum haben Sie dort aufgehört?«

»Ich will etwas tun, das ich wirklich mag«, antworte ich mit neu gewonnener Sicherheit. »Ich überlege, ob ich zurück an die Uni gehe, um Landschaftsarchitektur zu studieren«, füge ich schüchtern hinzu und staune, dass es sich realer anfühlt, wenn man es laut ausspricht. »Ich habe das vor Jahren studiert, aber leider im letzten Jahr aufgehört …« Ich verstumme, ich möchte nicht genauer erzählen, warum.

»Mir ist schon aufgefallen, dass Sie mehr wissen als unsere durchschnittlichen Kunden!«, ruft Sal aus, schnippt mit den Fingern und deutet auf mich.

Ich zucke bescheiden mit den Schultern. »So gut kenne ich mich gar nicht aus. Ich kenne nur meine beste Freundin sehr gut. Und ein Strauß sollte doch immer die Person widerspiegeln, der man ihn schenkt, finden Sie nicht?« Sal nickt zustimmend. »Gladiolen stehen für Charakterstärke und Treue, und das passt zu Milly. Die Königs-Protea«, fahre ich fort, »symbolisiert Mut und Einfallsreichtum. Und die Inkalilie steht für Freundschaft.«

Sal starrt mich einen Augenblick an, dann runzelt sie die Stirn. Sie faltet die Arme über ihrem Bauch und mustert mich. »Sind Sie eine von diesen Testkäuferinnen?«

Ich schüttle lachend den Kopf.

Sie tritt hinter den Tresen und holt ihre Schere hervor, mustert mich jedoch noch immer argwöhnisch, während sie die von mir ausgewählten Blumen arrangiert.

»Sind Sie von hier? Ich habe Sie noch nie gesehen …«

»Nein, na ja … nicht wirklich«, stammle ich. »Ich meine, ich habe vor Jahren in Greenwich gewohnt … und ich bin … na ja, kürzlich zurückgezogen. Ich bin mir allerdings nicht sicher, für wie lange … vielleicht für immer, vielleicht auch nicht.«

»Jetzt wirken Sie nicht mehr so entschieden«, grinst Sal, während sie geübt die Blätter entfernt. Sie zögert und blickt auf den Blumenstrauß vor sich. »Ich gebe noch etwas Eukalyptus dazu, damit der Strauß voller wird.« Sie zwinkert mir zu. »Für Sie kostet das nichts extra.« Sie nimmt einen ordentlichen Busch und wickelt dann Bast um den Strauß. »Das macht 30 Pfund«, sagt sie und reicht ihn mir.

»Der sieht wundervoll aus – vielen Dank!«, rufe ich aus und nehme die Blumen entgegen. Ich gebe ihr das Geld und habe dabei etwas Bauchschmerzen, jetzt, nachdem ich kein Einkommen mehr habe. Und keinen Adam. »Tja, auf Wiedersehen«, verabschiede ich mich und bin seltsam traurig, den Laden zu verlassen.

»Warten Sie, Bea!«, ruft sie.

Ich drehe mich um. »Ja?«

»Haben Sie vielleicht Lust auf einen Tee?«, fragt sie mit einem Anflug von Verzweiflung. »Es ist heute sehr ruhig, und, na ja, das klingt vielleicht etwas aufdringlich, und ich verstehe total, wenn Sie vor der hochschwangeren, geschwätzigen Blumenladenbesitzerin fliehen wollen, aber falls Sie interessiert sind, hätte ich vielleicht ein kleines Jobangebot für Sie …«