40. Kapitel
Als ich nach Hause komme, ist es schon spät, und ich bin berauscht vom Glück wie auch vom Alkohol. Nick und seine Bande haben mir einen wunderbaren, liebevollen Abschied bereitet. Wir sind in einen Pub gegangen, haben Prosecco getrunken und Trinkspiele gemacht, und alle haben mir versprochen, Kontakt mit mir zu halten.
Als ich nach Adam rufe, hallt meine Stimme von den nackten grauen Wänden wider, doch niemand antwortet – offensichtlich arbeitet Adam noch so spät. Wieder einmal. Letzten Monat ist er schon zweimal in New York gewesen, und die Abende, die wir zusammen verbracht haben, kann ich an einer Hand abzählen. Ich versuche, verständnisvoll zu sein. Mir ist klar, dass er unter großem Druck steht und dass er nicht glücklich darüber ist, so wenig Zeit für mich zu haben. Dass er jedoch nicht daran gedacht hat, dass ich meinen letzten Tag bei Eagle’s vielleicht gern mit ihm feiern würde, ärgert mich. Ich hatte gehofft, dass er im Pub auftauchen würde, und hatte ihm heute Morgen genau erklärt, wo dieser liegt. Glenda hatte sich schon auf ihn gefreut. Sie mochte Adam immer. Sie meinte, er sei ein »echter Beschützer-Typ«. Ich werfe meine Tasche auf die Kochinsel aus Granit, die – wie immer – makellos glänzt. Manchmal verspüre ich den Drang, wie ein tasmanischer Teufel durch die Wohnung zu wirbeln und alles durcheinanderzubringen, um mich heimischer zu fühlen.
Ich öffne den Kühlschrank, spähe hinein und klammere mich an die Tür, weil ich das Gefühl habe, sonst in die eisigen Tiefen zu stürzen. Ich bin diese Woche nicht einkaufen gewesen, und Adam war abends meist mit Kunden essen, sodass dort nur eine Auswahl von Fertiggerichten steht. Ich hole einen Fischauflauf heraus und schiebe ihn in die Mikrowelle. Dann schnappe ich mir die neue Ausgabe der Gardener’s Monthly, die die Putzfrau mit der restlichen Post auf den Couchtisch gelegt hat, lasse mich aufs Sofa fallen und schalte den Fernseher ein.
Kurz darauf geht die Tür auf, und ich setze mich auf.
»Hallo!«, rufe ich, während Adam seine Tasche auf den Boden wirft und direkt zum Kühlschrank geht. »Wie war dein Tag?«
Er nimmt sich eine Flasche Bier, zieht eine Schublade heraus, nimmt einen Flaschenöffner und schiebt die Schublade wieder zu. Dann öffnet er die Flasche und nimmt einen großen Schluck, bevor er ins Wohnzimmer kommt und den Stapel Post durchsieht.
»Ein Kuss für deine Frau wäre auch nicht verkehrt«, bemerke ich spitz.
Adam kommt und küsst mich auf die Stirn. »Tut mir leid. Heute war die Hölle los.«
»Ich bin selbst gerade erst von meiner Abschiedsfeier zurückgekommen. Die, auf der du eigentlich auch hättest sein sollen«, sage ich zu seinem Rücken, während er zum anderen Sofa geht.
Er dreht sich zu mir um und wirkt sofort zerknirscht. »Mist, Bea, das tut mir leid. Ich hatte den ganzen Abend eine Telefonkonferenz mit New York. Wie war es?«
»Schön, nett, lustig«, erwidere ich knapp. »Man hat dich allerdings vermisst.«
Adam lässt sich stöhnend aufs Sofa fallen. Er nimmt noch einen Schluck Bier, dann schließt er die Augen und hält die Flasche auf seinem Bauch fest. Ich glaube nicht, dass er mir wirklich zugehört hat. »Abgesehen von dem ganzen Mist, um den ich mich in New York kümmern muss, erwartet Dad auch noch, dass ich mich um den Umzug vom Büro aus Soho nach Canary Wharf kümmere und die Architekten briefe. Außerdem müssen wir in New York neue Büroräume finden – was ein Albtraum ist. Ganz zu schweigen davon, dass wir an ein paar wichtigen Pitches dran sind und man von mir erwartet, in beiden Ländern mehr erfahrene Mitarbeiter einzustellen. Ich habe versucht, Dad zu sagen, dass ich das alles nicht allein schaffen kann, aber er zitiert nur irgendwelche Beispiele aus der Zeit, als er die Agentur gegründet hat. Redet von all den Sechzehn-Stunden-Tagen, die er gearbeitet hat, und dass unsere Generation nicht über dieselbe Arbeitsmoral verfügt. Ich weiß nicht, was er will – wahrscheinlich Blut sehen.« Adam seufzt tief, reibt sich die Stirn und steht auf. »Ich muss jetzt eigentlich noch etwas arbeiten.«
»Aber es ist fast Mitternacht … an einem Freitagabend!«, rufe ich. »Was willst du denn um diese Uhrzeit noch machen?«
»Dad hat mir die Aufgabe übertragen, die Landschaftsarchitekten zu briefen, die sich für die Außengestaltung unserer neuen Büroräume bewerben. Um ehrlich zu sein, habe ich keine Ahnung, wo ich anfangen soll. Das ist wirklich nicht mein Fachgebiet.«
»Na ja, warum fragst du nicht eine Expertin?«, sage ich, gehe zu ihm, stoße ihn sanft zurück aufs Sofa und setze mich auf seinen Schoß. Als ich zu ihm aufsehe, lächelt er müde. Gott, sieht er erschöpft aus.
»Wen denn?«, erwidert Adam und verändert seine Haltung. »Tut mir leid, Bea, kannst du ein bisschen rutschen, mir tut der Rücken weh …«
Ich stehe auf, sodass er sich aufrichten kann, und lasse mich neben ihn aufs Sofa gleiten. »Oh, vielleicht eine, die sich ihr ganzes Leben lang voller Leidenschaft mit Landschaftsarchitektur beschäftigt hat, die deine eigene Dachterrasse gestaltet hat, die wie besessen Gartenzeitschriften liest, die einen Abschluss – na ja, fast – in Landschaftsarchitektur hat und die, wie es das Schicksal will, auch noch die persönliche Assistentin von einem der besten Landschaftsarchitekten des Landes wird! Brauchst du noch mehr Hinweise?« Ich grinse breit und stupse ihn an. »Die Frau, die du liebst, die Frau, die du geheiratet hast, die Person, die du am besten auf der Welt kennst …«
Adam rutscht unruhig auf dem Sofa hin und her, und ich rücke etwas zur Seite, damit er mehr Platz hat. »Ach Bea, das ist wirklich süß von dir, aber darüber darf ich nicht mit dir reden.«
»Ah … schon okay. Verstehe.« Ich stehe auf. Aber eigentlich verstehe ich es nicht wirklich. Ich verstehe nicht, warum er über so etwas nicht mit mir reden darf, warum da diese Distanz zwischen uns ist und warum er das nicht zu merken scheint. Vielleicht reagiere ich über, weil ich heute Abend zu viel getrunken habe, aber plötzlich fühle ich mich haltlos – als würde ich driften, nein, als würden wir auseinanderdriften. Wir sollten uns näher sein als je zuvor – wir sind frisch verheiratet, Herrgott –, aber jedes Mal wenn ich ein bisschen von Adams Zeit beanspruche, scheint uns das weiter auseinanderzubringen. Ich dachte, dies wäre die perfekte Gelegenheit, ihm bei seiner Arbeit zu helfen – etwas, das ich normalerweise nicht kann –, aber selbst auf meinem Fachgebiet will er mich nicht teilhaben lassen. Ich gehe in die Küche, um mir einen Tee zu machen. Es ist, als würden wir uns auf zwei Seiten einer Linie gegenüberstehen und hätten keine Ahnung, wie wir sie überwinden sollen.
»Ich muss mit New York skypen«, durchbricht Adam einen Augenblick später die unangenehme Stille.
»Okay.«
Über meine Schulter hinweg beobachte ich, wie er mit seinem Laptop zum Schlafzimmer geht und die Tür öffnet. Dann bleibt er einen Augenblick stehen und dreht sich zu mir um, als wollte er noch etwas sagen, überlegt es sich jedoch anders und schließt fest die Tür hinter sich.