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» W ir fangen an«, erklärte Joachim Beckstein und hob die Hände. Sofort hörte das Gemurmel im Besprechungsraum auf. Mehr als zwanzig Augenpaare richteten sich auf den Leiter des Dezernats, der diesen Job bereits seit über fünfzehn Jahren innehatte.
»Zunächst möchte ich Ihnen Christoph Althaus vorstellen«, fuhr er fort und deutete mit einem Kopfnicken auf den Mann neben sich. »Er leitet die Polizeidirektion eins für die Bezirke Reinickendorf und Pankow. Es sieht so aus, als wären die Kriminalbeamten seines Reviers auf das erste Opfer unseres Täters gestoßen. Die Fälle hängen also zusammen. Das Team von Christoph Althaus wird uns alle bisherigen Erkenntnisse zuliefern und uns tatkräftig unterstützen. Die Leitung liegt nach wie vor bei Laura Kern und Max Hartung.« Becksteins Blick wanderte suchend durch den Raum und blieb an Laura und Max kleben. »Das grenzt echt an ein Wunder«, murmelte Max leise und machte eine Kopfbewegung in Althaus’ Richtung. »Schau dir unseren Schönling mal an, der sieht alles andere als enttäuscht aus, dass er seinen Fall abgeben muss.«
Laura nickte unauffällig und wartete, bis Joachim Becksteins Blick weiterschweifte. Dann erwiderte sie: »Er hat vermutlich keine Leute, und ein Fall, in dem seine Mannschaft bisher keinen Erfolg vorweisen kann, ruiniert am Ende seine Statistik.«
Laura betrachtete Althaus, der das genaue Gegenteil ihres Chefs war. Für sie war er jedoch eher ein Schnösel als ein Schönling mit akkuratem Seitenscheitel, bei dem kein Haar aus der Reihe tanzte. Christoph Althaus bedankte sich bei Beckstein für die Einführung und schilderte den Fall aus seiner Sicht. Für Laura gab es keine aufregenden Neuigkeiten. Sie kannte die Akte der unbekannten Toten seit heute Morgen in- und auswendig. Sie hoffte, dass Taylor als Unterstützung für das LKA arbeiten durfte, doch Althaus nannte ein paar andere Namen, mit denen sie nicht viel anzufangen wusste.
»Ich habe meine Mitarbeiter gebeten, alle Mordfälle des letzten Jahres auf den Ablageort der Leichen hin zu überprüfen. Leider gibt die Datenbank nicht allzu viel her, und so müssen wir die Akten manuell prüfen. Sobald sich Parallelen zu den aktuellen Taten abzeichnen, informieren wir Sie umgehend. Des Weiteren haben Joachim Beckstein und ich beschlossen, trotz aller Bedenken ein Foto des ersten Opfers an die Öffentlichkeit zu geben. Wir müssen die Identität so schnell wie möglich feststellen, damit die Ermittlungen wieder in Schwung kommen.« Er zählte noch eine ganze Reihe weiterer Punkte auf, die Laura mit ihrem Team jetzt in Angriff nehmen musste. Dann gab er das Wort zurück an Joachim Beckstein.
Der drückte auf die Fernbedienung des Beamers und warf die Fotos der drei Opfer an die Wand.
»Wir können uns vorstellen, dass Eva Hengstenberg noch lebt. Deshalb sollte die Priorität unserer Ermittlungen auf ihrem Verschwinden liegen. Vielleicht gelingt es uns, die Frau zu retten.«
Damit übergab er das Wort an Laura, die zunächst die einzelnen Teams von den neuen Erkenntnissen zu den Opfern berichten ließ. Martina Flemming machte den Anfang. Sie rieb sich etwas unsicher über das blasse Gesicht und fasste die wesentlichen Punkte zu Lena Reimann zusammen. Zu Eva Hengstenberg gab es bisher nicht viel zu sagen, die Durchsuchung ihrer Wohnung und die Befragung der nächsten Angehörigen standen für den heutigen Tag auf dem Programm.
Peter Meyer erhob sich und legte Laura eine Liste der Apotheken vor, die im Bezirk Charlottenburg und in der Umgebung des Supermarktes in den letzten vier Wochen Zyankali verkauft hatten.
»Wir konnten fünf der Apotheken ermitteln, eine davon befindet sich nur fünf Minuten von dem Krankenhaus entfernt. Diese Apotheke verkauft regelmäßig Zyankali an einen Juwelier. Eine Kollegin überprüft gerade die Lieferungen auf Unregelmäßigkeiten.«
»Könnten Sie den Zeitraum bitte auf die letzten sechs Monate ausweiten?«, bat Laura und bedankte sich für die Arbeit. Sie blickte in die Runde und forderte Dennis Struck, einen Mitarbeiter der Spurensicherung, auf, über die neuesten Ergebnisse zu berichten.
Der korpulente, ungefähr Vierzigjährige mit ausladendem Vollbart erhob sich gemächlich und sortierte erst einmal ein paar Seiten Papier.
»Ja, also, wir sollten die Parkplätze in der Umgebung des Krankenhauses absuchen. Der Rollstuhl, mit dem Eva Hengstenberg aus dem Krankenhaus entführt wurde, ist leider nicht auffindbar. Die Parkplätze sind extrem frequentiert, deshalb konnten wir leider auch keine Spuren sicherstellen. Selbst wenn der Wagen des Täters dort Reifenspuren hinterlassen hätte, könnten wir sie aufgrund der Vielzahl der Reifenabdrücke nicht finden. Wir haben uns natürlich auch nach Messern, der Baseballkappe oder sonstigen auffälligen Dingen umgesehen. Leider Fehlanzeige. Wir haben zudem gemeinsam mit Simon Fischer die Überwachungsaufnahmen der nächstgelegenen Tankstelle und eines Discounters analysiert, konnten aber auch hier in den relevanten Zeitpunkten kein Fahrzeug ausmachen, das wiederholt dort entlanggefahren ist. Es gibt so viele Möglichkeiten, zum Krankenhaus zu gelangen, dass es im Grunde genommen unmöglich ist, den Wagen des Täters auf diesem Weg ausfindig zu machen.« Dennis Struck zuckte mit den Schultern und setzte sich wieder.
Laura bedankte sich und verteilte neue Aufgaben. Martina Flemming, die das Rechercheteam eins leitete, sollte sich mit der Rechtsmedizin in Verbindung setzen und alle Todesfälle innerhalb der letzten sechs Monate analysieren, bei denen Zyankali im Spiel war. Simon würde prüfen, ob Milan Zapke, der Lebensgefährte von Lena Reimann, aufgrund seiner Körpergröße und Statur als Täter infrage kam. Dasselbe galt für den Aushilfsfahrer Erik Krüger, der immer noch untergetaucht war. Das Team von Peter Meyer sollte die Befragungen der Krankenhausmitarbeiter, die mit Lena Reimann und Eva Hengstenberg Kontakt hatten, zu Ende führen. Gerade als Laura die Einsatzbesprechung beenden wollte, flog die Tür auf und die Innensenatorin betrat den Raum. In der Hand hielt sie eine Zeitung, die sie wie ein Schild hochhielt.
»Guten Morgen«, sagte Marion Schnitzer und schritt durch den Raum, bis sie dicht vor ihr und Max stehen blieb. Sie deutete auf ein Foto auf der Titelseite der Tageszeitung.
»Haben Sie hierfür eine Erklärung?«, fragte sie streng und heftete ihren kühlen Blick auf Laura. Ihr hochgestecktes graues Haar saß akkurat wie immer.
Joachim Beckstein sprang sofort auf und eilte an Lauras Seite. Er öffnete den Mund, schloss ihn jedoch gleich wieder, als er das Foto sah. Laura und Max schwiegen ebenfalls. Laura brauchte ein paar Sekunden, bis sie die Aufregung der Innensenatorin begriff. Ein Foto auf der ersten Seite der Zeitung zeigte Dr. Christine Gebauer und sie, Laura, vor der Notaufnahme des Krankenhauses. Max war nur unscharf im Hintergrund zu erkennen. Darüber stand in fetten Buchstaben: Sind unsere Krankenhäuser noch sicher? Leiche auf dem Müllplatz des Krankenhauses gefunden, weitere Patientin vom Täter entführt.
Laura stockte der Atem. Sie sah Hilfe suchend zu Joachim Beckstein. Ihr Chef wirkte ein wenig verloren.
»Woher … woher haben Sie das?«, stotterte er überrascht.
Marion Schnitzer durchbohrte Beckstein mit ihrem Blick. »Das fragen Sie mich? Die Zeitung gibt es an jedem Kiosk. Ich war eigentlich auf dem Weg ins Büro. Aber dann bin ich über diesen Artikel gestolpert und direkt hierhergefahren. Liest von Ihnen denn keiner Zeitung?«
Joachim Beckstein räusperte sich. »Wir haben uns hier bereits vor anderthalb Stunden zur Einsatzbesprechung genau wegen dieser Vorfälle zusammengefunden. Es gibt ein weiteres Opfer, das vor drei Wochen an den Müllcontainern eines Supermarktes gefunden wurde. In dem Fall ermittelte bisher die Kripo.«
Er drehte sich zu den Einsatzteams herum und wedelte mit den Armen.
»Bitte, meine Herrschaften. Sie wissen, was zu tun ist. Lassen Sie uns jetzt mit der Innensenatorin allein.« Becksteins Stimme klang fest. Er hatte seine Beherrschung zurückerlangt.
Der Besprechungsraum leerte sich schlagartig. Als der letzte Mitarbeiter die Tür hinter sich schloss, fuchtelte Marion Schnitzer mit der Zeitung vor Joachim Becksteins Nase herum. Laura stand stumm daneben.
»Es gibt also ein weiteres Opfer? Na, dann hat die Presse für den nächsten Artikel ja gleich ein Thema! Wie konnten diese Informationen überhaupt an die Öffentlichkeit gelangen?« Marion Schnitzer wandte sich an Laura. »Und wieso muss ich Ihr Gesicht auf der ersten Seite erblicken?«
Laura konnte sich nicht daran erinnern, fotografiert worden zu sein. Sie kramte in ihrem Gedächtnis danach, bei welchem der Termine im Krankenhaus es passiert sein konnte.
»Darf ich?«, fragte sie und deutete auf die Zeitung.
»Natürlich. Sie können von Glück reden, dass der Reporter offensichtlich mindestens genauso im Dunkeln tappt wie Ihr Ermittlerteam. Es werden weder die Namen der Opfer noch sonstige Details genannt. Dem Klinikpersonal wird sogar Schlamperei bei der Aufnahme von Patienten vorgeworfen. Wenigstens ist das Ihnen und der Polizei erspart geblieben. Trotzdem. So etwas gehört beim derzeitigen Ermittlungsstand nicht an die Presse und sollte sich keinesfalls wiederholen. Der Täter bekommt jetzt die Chefermittlerin mit Foto und Namen präsentiert. Das darf doch nicht sein. Außerdem kann er sich anhand des Artikels ausmalen, dass wir mit leeren Händen dastehen.«
Laura nickte, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie sie die Presse von ihrer Arbeit abhalten sollte. Das Krankenhaus war ein viel besuchter öffentlicher Ort. Die Leiche hatte im Freien gelegen. Ganz sicher hatten etliche Patienten und Angestellte des Krankenhauses den Polizeieinsatz mitbekommen. Zwar hatten sie den Bereich um den Fundort abgesperrt, aber die Blaulichter der Einsatzwagen mussten weithin sichtbar gewesen sein.
»Ich rufe den Chefredakteur der Zeitung an und bitte ihn, sich zukünftig mit uns abzustimmen«, erklärte Joachim Beckstein und deutete auf die Leinwand, an der nach wie vor die Fotos der drei Frauen zu sehen waren.
»Wir haben es mit einem gefährlichen Serientäter zu tun. Er scheint es nach ersten Erkenntnissen auf Frauen abgesehen zu haben, denen von ihren Partnern Gewalt angetan wurde und die deshalb vielleicht für ihn leichter erreichbar sind. Es gibt bereits einen Verdächtigen, einen Aushilfsfahrer, nach dem wir fahnden. Wir geben selbstverständlich wie immer alles, um die Taten so schnell wie möglich aufzuklären.«
»Jaja. Das weiß ich doch«, blaffte die Innensenatorin. »Aber Sie müssen sich in Zukunft von Kameras fernhalten. Und wenn ein Artikel im Zusammenhang mit laufenden Ermittlungen erscheint, dann muss das im Vorfeld abgestimmt werden. Es kann nicht sein, dass ein Tageblatt uns in den Rücken fällt und unsere Ermittler mit Foto und Namen präsentiert. Das gefährdet die Ermittlungsergebnisse und unser Personal. Sie kennen meine Situation. Als Innensenatorin muss ich dafür sorgen, dass Berlin eine sichere Stadt ist und auch bleibt. Es darf auf keinen Fall der Eindruck entstehen, dass der Senat die innere Sicherheit nicht im Griff hat und irgendwelche Serientäter herumirren, die es auch noch auf Kranke und Schwache abgesehen haben.« Der letzte Satz der Innensenatorin klang etwas versöhnlicher. Sie blickte auf die Uhr und sagte: »Ich muss jetzt zu einer Konferenz. Halten Sie mich bitte auf dem Laufenden.« Marion Schnitzer verschwand genauso schnell, wie sie aufgetaucht war.
Beckstein, Laura und Max starrten ihr hinterher.
Max fand als Erster seine Sprache wieder.
»Was für ein schöner Mist«, fluchte er und schaltete den Beamer ab. »Ich schlage vor, dass wir uns sofort weiter an die Arbeit machen, bevor wir noch einen Satz heiße Ohren kassieren.«
»Tun Sie das«, entgegnete Beckstein zerknirscht. »Ich versuche jetzt mal, den Chefredakteur zu erreichen.« Er stürmte aus dem Besprechungsraum, steckte allerdings kurz darauf noch einmal den Kopf durch die Tür herein. »Heute Abend will ich über den neuesten Stand informiert werden«, rief er und verschwand endgültig.
»Lieber Himmel«, stöhnte Laura und setzte sich ebenfalls in Bewegung. »Die Innensenatorin hat uns gerade noch gefehlt.«
Max, der sich mit ihr auf den Weg zum Auto machte, nickte. »Hannah wird sich freuen, wenn ich ihr verkünde, dass es in den kommenden Tagen auf alle Fälle länger dauern wird, bis ich nach Hause komme.«
Laura warf Max einen vielsagenden Blick zu. »Du musst mit Hannah reden, wenn sie das nicht versteht. Erzähle ihr von den toten Frauen. Ich glaube nicht, dass sie danach noch ein Problem damit hat.«
Max verzog die Miene. »Ich will sie nicht beunruhigen. Sie ist nicht so wie du, Laura.«
Laura blieb stehen und funkelte Max an. »Was soll das denn jetzt heißen?«
»Komm schon, Laura. Ist nicht böse gemeint. Hannah lebt einfach in einer anderen Welt. In einer friedlichen. Sie kann sich überhaupt nicht vorstellen, was hier teilweise passiert.« Er seufzte gequält und drückte den Fahrstuhlknopf. Die Türen öffneten sich surrend.
»Ist okay«, murmelte Laura. »Kannst du mich gleich am Krankenhaus absetzen? Ich will noch mal mit Doktor Gebauer sprechen. Du kannst ja schon mal vorfahren. Ich komme zur Wohnung von Eva Hengstenberg nach.«
Sie waren in der Tiefgarage angekommen und stiegen in den Dienstwagen. Dieses Mal fuhr Max. Laura blickte grübelnd aus dem Fenster. Die Sonne stand bereits hoch am Himmel, bald brach die Mittagszeit an. Laura hoffte, dass Dr. Gebauer nicht allzu beschäftigt war.
Sie erreichten das Krankenhaus und Laura stieg aus.
»Ruf mich an, sobald ihr etwas Entscheidendes findet.« Sie hob kurz die Hand zum Abschied und steuerte dann auf die Notaufnahme zu. Vor einem Behandlungszimmer blieb sie diskret stehen. Durch den offenen Türspalt sah sie Dr. Gebauer, die gerade mit einer älteren Dame sprach, die sich ständig an die Brust fasste. Eine Schwester stürmte an ihr vorbei in den Raum und schloss die Tür. Es dauerte eine geraume Zeit, bis Dr. Gebauer endlich herauskam. Sie bemerkte Laura sofort.
»Haben Sie auch schon die Zeitung gelesen?«, fragte sie und zog Laura mit sich den Flur hinunter. »Ich habe Riesenärger, weil dieser verdammte Journalist sich über die angebliche Schlamperei in unserem Krankenhaus ausgelassen hat. Als wenn wir den Patienten verbieten würden, das Haus zu verlassen. Leider hat dieser Reporter auch angedeutet, dass die Patientendaten nicht erfasst wurden. Der Chefarzt hat mich fast einen Kopf kürzer gemacht. Wenn ich diesen Typen zu fassen bekomme, weiß ich echt nicht, was ich tun soll.«
Laura lächelte unwillkürlich. Bisher hatte sie Christine Gebauer gar nicht so impulsiv eingeschätzt, doch dieser Artikel schien ihr wirklich an die Nieren zu gehen.
»Fragen Sie mich mal«, erwiderte sie verständnisvoll. »Ich hatte heute Morgen schon die aufgebrachte Innensenatorin persönlich am Hals wegen der Fotos.«
»Die Innensenatorin? Ach du Schreck.« Dr. Gebauer stieß die Tür zum Arztzimmer auf. Es war leer. Sie setzte sich seufzend auf einen Stuhl.
»Ich erwäge wirklich, diesen Mistkerl anzuzeigen. Ich habe schließlich auch keine Zustimmung zu diesem Foto gegeben. Das dürfen die doch nicht einfach veröffentlichen, oder?«
Laura zuckte mit den Schultern. »Das ist vermutlich eine Abwägungsgeschichte. Ich habe jedenfalls überhaupt nicht mitbekommen, dass wir fotografiert worden sind.«
Dr. Gebauer nickte. »Ich auch nicht. Aber ich habe herausgefunden, wer der Presse diese Geschichte gesteckt hat. Sie werden es nicht glauben.«
»Wer denn?«, fragte Laura und wurde auf der Stelle hellhörig.
»Erik Krüger«, antwortete Dr. Gebauer in einem Tonfall, der keine Zweifel daran ließ, was sie mit dem Kerl anstellen würde, sobald sie ihn in die Finger bekam.
Laura blieb die Luft weg. »Erik Krüger? Sind Sie sicher? Wir fahnden nach dem Mann, weil er die Handtasche der entführten Frau bei sich in der Wohnung hatte. Das gibt es doch nicht.« Als Dr. Gebauer ihre Nachfrage bejahte, sprang Laura auf. »Ich muss sofort telefonieren. Können Sie einen kurzen Moment warten?«
Laura wandte sich ab und informierte Joachim Beckstein. Die Zeitung musste unbedingt ihre Quelle preisgeben, und falls es sich wirklich um Erik Krüger handelte, dann musste der Reporter auch dessen Aufenthaltsort verraten. Notfalls würden sie mit einem Richter sprechen.
»Woher wissen Sie, dass Erik Krüger mit der Presse gesprochen hat?«, fragte Laura, nachdem sie sich wieder zu Dr. Gebauer an den Tisch gesetzt hatte.
»Karsten Böhmer hat es mir erzählt. Er kam mit dieser Zeitung an und hat mir den Artikel gezeigt.« Dr. Gebauer seufzte. »Wissen Sie, Böhmer ist ein netter Kerl, aber vermutlich ein bisschen zu naiv. Er lässt sich auf die falschen Leute ein. Krüger hat ihn angerufen und um Geld gebeten. Bei dieser Gelegenheit hat er ihm von seinem Gespräch mit der Presse berichtet. Das war wohl schon gestern. Böhmer hat ihm nicht geglaubt, bis er heute Morgen das Foto in der Zeitung sah …« Dr. Gebauer zuckte müde mit den Schultern. »Was soll ich sagen? Hier ist die Hölle los und dieser Zeitungsartikel macht alles nur noch schlimmer.«
»Wenn es Ihnen hilft, könnte ich die Innensenatorin bitten, ein gutes Wort für Sie einzulegen. Sie ist auf mich im Augenblick nicht gut zu sprechen, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie nicht will, dass Ihnen wegen dieser Vorfälle Nachteile entstehen. Sie ist zwar ziemlich ruppig, aber immer fair.«
Dr. Gebauer winkte ab. »Nein, danke. Ich kann schon auf mich selbst aufpassen.« Sie grinste. »Glücklicherweise hat dieses Krankenhaus nicht genügend Personal. Auch wenn mein Chefarzt es wollte, würde er mich nicht vor die Tür setzen. Er ist manchmal etwas aufbrausend, doch im Grunde verstehen wir uns recht gut. Bis morgen hat er sich wieder beruhigt.«
Laura lächelte erleichtert. Sie mochte die Oberärztin, die so entschlossen für die Gesundheit ihrer Patienten kämpfte.
»Ich bräuchte noch einmal Ihre Hilfe.« Laura holte ein Foto des ersten Mordopfers aus der Tasche. »Kennen Sie diese Frau? Sie wurde schon vor drei Wochen auf dem Müllplatz eines Supermarktes gefunden. Wir gehen davon aus, dass sie vom selben Täter ermordet wurde wie Lena Reimann.«
Dr. Gebauers Augen weiteten sich überrascht. »Ach du Schande. Ich dachte schon, der Tag könnte nicht mehr schlimmer werden.« Sie nahm das Foto in die Hand und zog die Stirn kraus. Nach einer Weile schüttelte sie den Kopf.
»Tut mir leid, ich kann mich beim besten Willen nicht an sie erinnern. Lassen Sie mir das Foto doch hier, damit ich es im Kollegenkreis herumzeigen kann. Vielleicht erkennt sie jemand.«
»Das wäre sehr nett. Melden Sie sich jederzeit, wenn Sie Neuigkeiten haben.« Laura erhob sich und drückte Dr. Gebauer zum Abschied die Hand.
Dann machte sie sich auf den Weg zu Eva Hengstenbergs Wohnung.