»
E
r will sich auf dem Teufelsberg treffen?«, fragte Laura ungläubig und fuhr mit dem Finger über den Stadtplan an der Wand in Becksteins Büro. Der Teufelsberg, die zweithöchste Erhebung Berlins, lag im Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf am Rande des Naturschutzgebietes Grunewald. Mehrere leer stehende und halb verfallene Gebäude befanden sich darauf. Die amerikanischen Streitkräfte hatten dort in den Fünfzigerjahren eine Flugüberwachungs- und Abhörstation errichtet. Das Gebiet war unübersichtlich und schwer zu überwachen.
»Das ist seine Bedingung, anscheinend hat Erik Krüger Wind davon bekommen, dass wir nach ihm fahnden«, bestätigte Joachim Beckstein und runzelte die Stirn. »Erschwerend kommt hinzu, dass er sich erst nach Sonnenuntergang mit dem Reporter treffen will.«
»Okay«, sagte Max, der neben Laura stand und sich nachdenklich das Kinn rieb. »Wir beschatten also diesen Journalisten und schnappen uns Erik Krüger, sobald er Kontakt zu ihm aufnimmt.«
Beckstein nickte. »So ist der Plan. Sie haben bis zum Abend Zeit, um ein Team zusammenzustellen und den Reporter zu briefen.«
»Und falls Erik Krüger gar nicht unser Mann ist?«, gab Max zu bedenken. »Wir haben in seiner Wohnung keine Hinweise auf eine Verbindung zu den Opfern gefunden. Sein Computer ist sauber. Was, wenn er nur die Handtasche von Eva Hengstenberg gestohlen hat, weil er Geld brauchte?«
Laura warf Max einen verständnislosen Blick zu. »Das sind Vermutungen. Er kannte beide Opfer aus dem Krankenhaus und er ist auf der Flucht. Wegen eines einfachen Handtaschendiebstahls wird er wohl kaum untertauchen. Falls Erik Krüger der Täter ist, dürfen wir ihn nicht davonkommen lassen, und das Treffen mit dem Reporter ist die Gelegenheit, ihn zu schnappen.«
»Das sehe ich auch so. Wir sollten uns natürlich nicht darauf versteifen und müssen alle anderen Spuren ebenso weiterverfolgen.« Joachim Beckstein klatschte in die Hände. »Also los, an die Arbeit!«
Laura und Max verließen Becksteins Büro.
»Was ist mit diesem Yoga-Guru?«, fragte Max. »Sollten wir uns den nicht noch schnell vorknöpfen?«
Laura sah auf die Uhr und schüttelte den Kopf. »Das schaffen wir nicht mehr. In drei Stunden geht die Sonne unter. Bis dahin brauchen wir ein Team, wir müssen diesen Reporter verkabeln und uns vorher auf dem Teufelsberg umblicken.«
»Du hast recht«, brummte Max und blieb vor dem Fahrstuhl stehen. »Dann sollten wir wohl zuerst Thomas Momberg einen Besuch abstatten.«
Momberg leitete eine Sondierungseinheit, die unter anderem auch bei Geldübergaben eingesetzt wurde. Sein Team kundschaftete vorab das Areal bei einer geplanten Übergabe aus.
Die Türen des Fahrstuhls öffneten sich surrend. Sie stiegen ein und fuhren ein paar Stockwerke zu Mombergs Einheit hinauf.
Thomas Momberg saß kerzengerade auf seinem Bürostuhl.
»Ich wollte gerade Feierabend machen«, erklärte er, als er Laura und Max bemerkte. »Aber daraus wird jetzt wohl nichts mehr.«
Unter Mombergs T-Shirt zeichneten sich deutlich die Bauchmuskeln ab. Seine Bizepsmuskeln hatten eine beeindruckende Größe. Selbst Max, der ebenfalls sehr durchtrainiert war, konnte da nicht mithalten.
»Tut uns leid. Wir brauchen Sie ziemlich dringend.« Laura erklärte Momberg den bevorstehenden Einsatz auf dem Teufelsberg.
Momberg verzog die Miene.
»Das Gelände dort ist extrem unübersichtlich. Wenn wir Pech haben, verschwindet der Täter im Wald, ohne dass wir ihn überhaupt zu Gesicht bekommen. Das Absperren eines so großen Gebiets ist in der kurzen Zeit nicht möglich. Deshalb sollten wir verstärkt auf Technik setzen und uns vor allem an die Fersen dieses Reporters heften. Am besten, Sie bringen den Mann auf der Stelle her. Ich schicke sofort zwei Leute los, um die Bedingungen vor Ort zu erkunden.«
Es dauerte eine geschlagene Stunde, bis Jonas Winkelmann endlich aufkreuzte. Laura lotste den kleinen, rundlichen Journalisten vom Empfang im Erdgeschoss nach oben in einen Besprechungsraum, wo bereits eine Mitarbeiterin aus Mombergs Team darauf wartete, ihn zu verkabeln.
»Das halte ich für keine gute Idee«, stieß Winkelmann aus, als er die vielen Geräte erblickte. »Erik Krüger ist für uns eine wichtige Quelle und ich kann unmöglich sein Vertrauen missbrauchen.«
Laura baute sich vor Winkelmann auf. Sie überragte den Reporter fast um einen ganzen Kopf.
»Wir fahnden hier nach einem Serientäter, der bereits zwei Frauen auf dem Gewissen hat. Wollen Sie, dass der Mann frei herumläuft und sich noch weitere Opfer schnappt?«
Jonas Winkelmann musterte Laura von oben bis unten. »Hören Sie, wir sind hier nicht in einem Spionagefilm. In Deutschland herrscht nach wie vor Demokratie, und wissen Sie, was das Wichtigste daran ist?« Er hob wie ein Oberlehrer den Zeigefinger und bewegte diesen auf ihre Stirn zu.
Laura wich nicht zurück, sondern stoppte ihn mit vorgehaltener Hand.
Winkelmann ließ den Arm sinken und sprach weiter: »Es geht jedenfalls um das zwischenmenschliche Miteinander und das wiederum lebt ausschließlich von Vertrauen. Sie können mich gerne begleiten und observieren, davon kann ich Sie wohl nicht abhalten. Aber verkabeln lasse ich mich nicht. Ich habe Herrn Krüger mein Wort darauf gegeben. Eigentlich habe ich ihm ebenso versprochen, die Polizei nicht zu informieren.«
»Haben Sie ja auch nicht«, entgegnete Laura ungehalten. »Wir haben erst durch Ihren Artikel erfahren, dass Sie mit einem Mann sprechen, der polizeilich gesucht wird.«
Winkelmann machte eine schnippische Handbewegung. »Ach, hören Sie schon auf, Frau Kern. Mein Job ist es auch, die Bevölkerung auf Gefahren hinzuweisen. Und wenn die Menschen im Krankenhaus nicht mehr sicher sind, weil sie von einem Serienkiller geholt werden, dann gehört das in die Zeitung – egal ob es Ihnen passt oder nicht.«
»Lieber Himmel. Ihnen ist also das Leben Unschuldiger völlig gleichgültig?« Laura hielt Winkelmann die Fotos der zwei Toten unter die Nase. »Erklären Sie das mal den Angehörigen, und denken Sie darüber nach, was für ein Licht ein dementsprechender Zeitungsartikel auf Sie werfen würde.«
Winkelmanns linkes Augenlid begann zu zucken. »Ich mache nur meine Arbeit«, sagte er etwas leiser und schielte auf die Kabel, die auf dem Schreibtisch bereitlagen.
»Kann Krüger davon Wind bekommen?«, fragte er nach einer Weile und rieb sich die Nase.
»Die Kabel werden unter Ihrem Hemd angebracht. Er wird es nicht merken, solange er Sie nicht abtastet«, erklärte Laura. »Bedenken Sie bitte, dass es dunkel ist, wenn Sie ihn treffen. Diese Maßnahme dient nicht zuletzt Ihrem eigenen Schutz.«
Winkelmann schürzte die Lippen und kniff die Augen zusammen. Sein Blick wanderte zwischen Laura, Max und der Mitarbeiterin des Sondierungsteams hin und her.
»Es ist wirklich besser, Sie lassen sich darauf ein.« Max sprach mit tiefer, ruhiger Stimme und griff nach einem Kabel. »Es ist keine große Sache und Sie würden uns sehr helfen.«
»Also gut«, brummte Jonas Winkelmann und schüttelte missmutig den Kopf. »Ich tue es nur wegen dieser armen Frauen. Bloß damit das klar ist.« Schon wieder wanderte sein Zeigefinger in Lauras Richtung.
Sie kämpfte eine Sekunde lang mit sich und verzichtete dann auf eine Verwarnung. Am liebsten wäre sie dem Mann an die Gurgel gesprungen, aber sie musste an die Opfer denken und daran, Erik Krüger zu fassen. Sie durfte sich nicht von solchen Leuten ablenken lassen. Jeder Mensch hatte eine andere Sicht auf die Dinge, und letztendlich wusste niemand, welche richtig war. Immerhin hatte sich Jonas Winkelmann einsichtig gezeigt, und das musste sie wirklich anerkennen. Sie schaute auf die Uhr. Ihnen blieb kaum mehr als eine Stunde für die letzten Vorbereitungen. Zwar hatten sie sich ausgiebig mit Satellitenbildern des Territoriums befasst, doch es machte immer noch einen gewaltigen Unterschied, selbst vor Ort zu sein.
»Wir sollten los«, sagte Laura deshalb und gab der Kollegin einen Wink, damit sie Winkelmanns Funkverbindung letztmalig überprüfte.
Als sie mit ihm auf dem Weg nach draußen waren, erklärte sie: »Wir machen am besten ein Codewort aus. Wenn Sie das sagen, greifen wir ein und stellen Krüger sofort ruhig. Wie wäre es mit Himmel
?«
Winkelmann betrachtete sie skeptisch. »Sie meinen Himmel
wie verdammt noch mal, zur Hölle
? Von mir aus. Aber ich denke, das wird nicht nötig sein. Ehrlich gesagt glaube ich nicht mal, dass Krüger wirklich über neue Informationen verfügt.«
»Und warum treffen Sie sich dann mit ihm?«, fragte Max und öffnete die hintere Tür des Dienstwagens, damit Winkelmann einsteigen konnte.
»Man weiß ja nie. Die Tatsache, dass er ein Serientäter sein könnte, ist für uns natürlich interessant. Leider hat er keine Andeutung gemacht, worum es dieses Mal geht. Er sagte einfach nur, er müsse mich dringend sprechen.«
»Und wie erfolgte die Kontaktaufnahme beim ersten Treffen?«, wollte Laura wissen. Sie setzte sich auf den Beifahrersitz und schloss die Tür.
»Er hat eine Nachricht mit dem Foto von Ihnen und dieser Oberärztin per E-Mail an die Redaktion geschickt. Ich habe über Sie recherchiert, und als mir klar wurde, dass das LKA in diesem Fall eingeschaltet ist, habe ich natürlich sofort einen Gesprächstermin mit dem Informanten vereinbart. Wir haben uns in einem Restaurant getroffen. Für das Interview hat er zweihundert Euro bekommen.«
»Zweihundert Euro?« Max pfiff durch die Zähne und startete den Motor. »Das ist kein schlechter Stundenlohn.«
Laura beobachtete Winkelmanns Reaktion durch den Rückspiegel.
Er zuckte mit den Schultern. »Katastrophen und Serienmörder verkaufen sich immer gut. In Zeiten des Internets haben Zeitungen es extrem schwer. Wir müssen nehmen, was kommt.«
Laura stieß einen stummen Seufzer aus. Sie konnte diesen Journalisten nicht ausstehen. Max steuerte den Wagen Richtung Westen. Sie würden noch ungefähr zehn Minuten bis zum Teufelsberg benötigen.
»Wie viel Geld will Krüger denn dieses Mal haben?«, fragte Max und hielt vor einer roten Ampel.
»Das Doppelte«, entgegnete Winkelmann und neigte den Kopf nach vorn. »Jetzt schauen Sie mich nicht so vorwurfsvoll an. Die Welt ist, wie sie ist. Er weiß, dass nach ihm gefahndet wird. Klar verlangt er dieses Mal mehr.«
Max murmelte etwas Unverständliches und gab Gas. Den Rest der Fahrt schwiegen sie. Laura ging den Einsatz in Gedanken durch. Sie und Max würden Jonas Winkelmann in einem gewissen Sicherheitsabstand folgen. Sie wollten den Journalisten nicht aus den Augen lassen, damit sie im richtigen Moment zugreifen konnten. Zuerst sollte Winkelmann jedoch versuchen, Informationen aus Erik Krüger herauszubekommen. Die Kollegen des Sondierungsteams hatten sich bereits auf dem Gelände verteilt. Max steuerte den Wagen über die Teufelsseechaussee und parkte am Straßenrand etwas abseits der leer stehenden Gebäude.
»Können wir aussteigen?«, fragte er Thomas Momberg per Funk.
»Ja. Zielperson bisher nicht gesichtet. Over.« Das Funkgerät knackte.
Max drehte sich zu Jonas Winkelmann auf der Rückbank um.
»Den Rest des Weges laufen wir. Sie gehen vor. Wir folgen im gebührenden Abstand. Denken Sie an das Codewort. Falls Krüger uns bemerkt und er aggressiv werden sollte, sagen Sie es – wir holen Sie sofort raus.«
Winkelmann wurde eine Spur blasser und nickte. Dann stieg er aus. Er machte ein paar unsichere Schritte und marschierte schließlich weiter die Straße entlang, hinauf zu den verfallenen Gebäuden der ehemaligen Luftabwehr. Der Journalist hatte sich mit Krüger am Fuße des höchsten Bauwerkes verabredet. Der mehrstöckige Turm mit weißer Kuppel wirkte wie aus einem Science-Fiction-Film. Winkelmann ging gemächlich. Laura und Max folgten mit großem Abstand und verbargen sich am Zielort hinter ein paar Bäumen, während der Reporter direkt vor dem Gebäude wartete. Unruhig trat er von einem Bein aufs andere. Laura warf einen Blick auf die Uhr. Es blieben noch ungefähr zehn Minuten.
Sie neigte den Kopf zu dem winzigen Mikrofon an ihrem Blusenkragen und fragte leise: »Gibt es Sichtkontakt zur Zielperson?«
Die Antwort kam prompt: »Bisher an keiner Position Sichtkontakt.«
Sie harrten schweigend hinter den Bäumen aus, ohne Winkelmann aus den Augen zu lassen. Genau drei Minuten vor dem geplanten Kontakt klingelte Winkelmanns Handy. Der Reporter hob ab, Laura konnte das Gespräch über ihren Kopf im Ohr mitverfolgen.
»Krüger hier. Ich grüße Sie. Gehen Sie jetzt nach links, fünfzig Meter den Hügel hinunter. Danach bekommen Sie weitere Anweisungen.« In der Leitung knackte es. Krüger hatte aufgelegt.
Laura sah Max alarmiert an. Es würde im Wald viel schwieriger werden, an Winkelmann dranzubleiben.
»Besser, wir teilen uns auf«, flüsterte Max. »Du gehst rechts, ich links.«
Sie sahen, wie Jonas Winkelmann seine Taschenlampe einschaltete und zwischen den ersten Bäumen verschwand. Sie folgten ihm. Ein schmaler Trampelpfad führte einen flachen Hügel hinunter. Der Journalist blieb stehen. Der Strahl seiner Taschenlampe durchdrang die Dunkelheit nur ein kurzes Stück weit. Er drehte sich einmal im Kreis und hielt an. Laura suchte Deckung hinter einem Strauch. Alles, was sie sehen konnte, waren Winkelmanns Umrisse und der Lichtstrahl. Sie hatte keine Ahnung, wo Max steckte.
Plötzlich knirschte der Lautsprecher in ihrem Ohr.
»Zielperson auf elf Uhr vorbeigekommen. Kein Sichtkontakt mehr.«
»Verstanden. Nummer drei übernimmt. Bitte bestätigen.«
»Bestätigt. Befinde mich auf elf, dreißig. Reporter hält Position. Noch keine Zielperson in Sicht.«
Auf einmal knackten trockene Äste neben Laura und sie zuckte zusammen. Jemand schlich an ihr vorbei. Sie konnte die Wärme eines fremden Körpers spüren. Vielleicht war es auch nur ein Luftzug, der durch die Bewegung ausgelöst wurde. Sie wich so weit wie möglich zurück. Wieder knackte es im Unterholz. Die Person entfernte sich. Jede Faser in Laura spannte sich an. Sie fixierte Jonas Winkelmann, der sich nicht mehr bewegt hatte.
Dann ertönte erneut die Stimme in ihrem Ohr.
»Sichtkontakt. Zielperson tritt aus dem Wald.«
Laura kniff angestrengt die Augen zusammen. Tatsächlich sah sie jemanden auf Winkelmann zugehen. Es war allerdings so dunkel, dass sie Krüger nicht erkennen konnte.
»Sind Sie allein?« Das war definitiv Krügers Stimme, Laura hörte die Übertragung von Winkelmanns Mikrofon.
»Ja, wie vereinbart. Was haben Sie für mich?«
»Erst das Geld. Ich musste untertauchen und brauche dringend Kohle.«
Lauras Herzschlag beschleunigte sich. Sie kroch näher an die beiden heran.
»Die Hälfte jetzt, die andere, nachdem Sie mir Ihre Neuigkeiten verkündet haben«, sagte der Journalist und reichte Krüger ein paar Scheine.
»Danke, Mann«, erwiderte Krüger und stieß die Luft aus. »Also ich habe ein Businessmodell im Krankenhaus am Laufen. Ich lasse hie und da Dinge von Notfallpatienten mitgehen oder manchmal auch ein paar Pillen, je nachdem, was gerade gefragt ist. Die Klinik hat ein megaschlechtes Controlling. Ist bis heute niemandem aufgefallen.« Krüger machte eine theatralische Pause, bevor er weitersprach: »Das alles kennen Sie vermutlich ebenso aus anderen Häusern. Es gibt viele Russen und so, die einem das Zeug haufenweise abkaufen. Ich kenne ein paar Apotheken-Servicefahrer, da geht einiges.«
»Was wollen Sie mir denn jetzt so Neuartiges mitteilen? Diebstähle sind gut und schön, die passieren aber auch woanders, und dass es um das Gesundheitssystem nicht sonderlich gut gestellt ist, damit kann ich bei meinem Chef keinen Blumentopf gewinnen.«
»Klar, Mann. Wusste nicht, wie gut Sie sich mit diesen Dingen auskennen. Jedenfalls habe ich auch diverse andere Handtaschen mitgehen lassen.« Er drückte Jonas Winkelmann irgendetwas in die Hand, was Laura nicht erkennen konnte. »Ich fand die Kleine süß. Ist von ihrem Kerl verprügelt worden und hat sich ins Frauenhaus geflüchtet. Ich habe sie während des Rettungsdienstes dort abgeholt. Ich dachte mir, da geh ich später mal vorbei und bringe ihr die Handtasche wieder. Sie wäre dann ganz dankbar, und Sie wissen schon, wir kämen uns näher und so. Aber die Kleine da auf dem Ausweis ist weg. Nicht im Frauenhaus, nicht in der Wohnung, nicht im Krankenhaus. Wie vom Erdboden verschluckt.«
»Und was soll ich jetzt damit anfangen?« Jonas Winkelmann klang gereizt.
»Verstehen Sie nicht?«, fragte Krüger, nachdem Laura längst begriffen hatte, worauf er hinauswollte.
»Die hat sich dieser Kerl auch geschnappt. Sehen Sie sich das Passbild an. Das sind durch die Bank scharfe Bräute. Der Typ entführt sie reihenweise. Das ist ein Serientäter. Das ist doch was für Sie, oder? Sie können den Bullen mal klarmachen, wie schlampig die arbeiten, wenn denen nicht auffällt, wie viele Patientinnen bereits verschwunden sind.«
Plötzlich knatterte es in der Leitung. Wie aus weiter Ferne hörte Laura Krüger fluchen.
»Sind Sie etwa verkabelt?«
Das reicht, dachte Laura und gab das Signal zum Zugriff.