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I hre Blicke trafen sich und er fühlte zum ersten Mal in seinem Leben die Liebe. Dieses Gefühl berauschte ihn so sehr, dass er Marina hochhob und im Kreis herumschwang. Sie lächelte und strahlte wie eine Prinzessin. Weshalb hatte er sie nicht sofort gesehen? Wie oft hatte er sie besucht, mit ihr geredet und trotzdem gezweifelt? Er hatte an die Liebe auf den ersten Blick geglaubt, doch die schien es nicht zu geben. Das Herz brauchte länger, um zu sehen. Er verstand überhaupt nicht mehr, wieso er ausgerechnet bei ihr gezögert hatte. Er stellte sie vorsichtig auf die Füße, so als wäre sie eine kostbare, zerbrechliche Vase.
Marina löste sich ein wenig von ihm und schaute ihn an.
»Warum schließt du mich ein?«, fragte sie plötzlich und verwandelte sein Herz schlagartig in einen Eisklumpen.
»Ich behüte dich«, flüsterte er unsicher. Er wollte das Thema nicht vertiefen. Er musste sie einschließen, sonst würde sie davonlaufen.
»Ich würde mir gerne das schöne Haus ansehen, wenn ich darf. Ich verspreche auch, nicht rauszugehen. Ich fühle mich hier wohl. Du bist so gut zu mir, viel besser als Sascha.«
Ihre Worte entfachten ein neues Hochgefühl in seinem Bauch. Jetzt wusste er, warum so viele Menschen die Liebe mit Schmetterlingen gleichsetzten. Sein ganzer Körper vibrierte. Wie von selbst begann er zu nicken.
»Aber die Haustür bleibt verschlossen«, stieß er hervor, obwohl er genau das Gegenteil hatte sagen wollen. Sie sollte in ihrem Zimmer bleiben. Doch er brachte kein einziges Wort mehr heraus. Er hatte plötzlich Angst, sie zu enttäuschen. Sein Verstand glich einem verknoteten Wollknäuel. Verwirrt griff er sich an die Schläfen. Was machte diese Frau mit ihm? Auf einmal sah er seinen Vater vor sich. Er hatte seine Mutter auf dieselbe Art angesehen.
»Führst du mich herum?«
Sie riss ihn aus den Gedanken. Er wischte die Erinnerungen weg und konzentrierte sich wieder auf Marina.
»Gerne«, brachte er mühsam hervor und öffnete die Zimmertür. Marina umarmte ihn stürmisch und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Danke«, hauchte sie, und er fühlte sich, als würde er den Boden unter den Füßen verlieren.
Er schwebte beinahe über den Flur. Zum Glück steckte Eva im Keller, den würde er aussparen, aber alle anderen Räume durfte Marina sehen. Sie hakte sich bei ihm unter und ließ sich von ihm führen. Sein Herz schlug schnell und glücklich. Sein Hirn kannte nur noch einen Gedanken:
»Ich liebe dich, Marina!«