2 — Schulen des Denkens: Von Aristoteles bis Augustinus

Im vierten Jahrhundert kam es zu einer Verschiebung der politischen Macht von den Stadtstaaten des klassischen Griechenlands zum Königtum Makedonien im Norden. Ebenso war der nächste bedeutende Philosoph, nach den Athenern Sokrates und Platon, ein Makedonier. Aristoteles wurde 15 Jahre nach Sokrates’ Tod in der kleinen Kolonie Stagira auf der Halbinsel Chalkidiki geboren. Er war der Sohn des Nikomachos, des Leibarztes von König Amyntas, der der Großvater von Alexander dem Großen war. Nach dem Tod seines Vaters ging er im Jahre 367 im Alter von 17 Jahren nach Athen und trat in Platons Akademie ein. Er blieb 20 Jahre lang Platons Schüler und Mitarbeiter, und man wird mit Sicherheit behaupten dürfen, dass es in der Geschichte kein zweites Mal vorkam, dass in einer Institution so viel geistige Kraft konzentriert war.

Aristoteles in der Akademie

Viele von Platons späten Dialogen stammen aus diesen Jahrzehnten, und einige der darin enthaltenen Argumente geben möglicherweise Gedanken wieder, mit denen Aristoteles die Diskussionen in der Akademie bereichert hat. Durch einen schmeichelhaften Anachronismus lässt Platon im Parmenides, demjenigen Dialog, der die schärfste Kritik der Ideenlehre enthält, einen Aristoteles genannten Gesprächsteilnehmer auftreten. Auch einige von Aristoteles’ eigenen Schriften fallen in diesen Zeitraum, obwohl viele dieser frühen Werke nur in Form von Fragmenten erhalten geblieben sind, die spätere Autoren zitiert haben. Wie sein Meister schrieb auch er zunächst in Dialogform, und auch inhaltlich zeigen seine Dialoge einen starken platonischen Einfluss.

In dem verloren gegangenen Dialog Eudemus entwickelt Aristoteles zum Beispiel eine Konzeption der Seele, die derjenigen Platons im Phaidon sehr ähnlich ist. Er argumentiert entschieden gegen die These, dass die Seele eine Stimmung oder Harmonie des Leibes ist, und behauptet, dass sie in einem Leichnam gefangen gehalten ist und nach ihrer Zeit in einem Körper fähig ist, ein glücklicheres Leben zu führen. Die Toten sind seliger und glücklicher als die Lebenden und sind größer und besser geworden: „Es ist für alle Männer und Frauen besser, nicht geboren zu werden; und das Zweitbeste für die Menschen, nachdem sie geboren wurden, ist es, so schnell wie möglich zu sterben“ (Frag. 44). Durch den Tod kehrt man in seine wahre Heimat zurück.

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Die Lage der philosophischen Schulen von Athen.

Ein weiteres platonisches Werk aus der Jugend des Aristoteles ist sein Dialog Protreptikos, eine Ermahnung zur Philosophie. Auch dieser Dialog ist verloren gegangen, doch wurde er in der späteren Antike so ausgiebig zitiert, dass einige Philologen glauben, sie könnten ihn vollständig rekonstruieren. Aristoteles erklärt darin, jeder sei gezwungen, sich mit Philosophie zu beschäftigen, denn selbst wer gegen die Beschäftigung mit der Philosophie argumentiere, philosophiere schließlich. Doch die beste Form der Philosophie sei das Nachsinnen über das Universum oder die Natur. Anaxagoras wird für seine Behauptung gelobt, dass dasjenige, was das Leben lebenswert mache, die Beobachtung der Sonne, des Mondes und der Sterne am Himmel sei. Aus diesem Grund habe uns Gott geschaffen und uns einen gottähnlichen Geist gegeben. Alles Übrige – Stärke, Schönheit, Macht und Ehre – seien wertlos (Barnes, 2416).

Der Protreptikos enthält eine lebhafte Darstellung der platonischen Ansicht, dass die Gemeinschaft der Seele mit dem Körper in gewisser Weise eine Strafe für in einem früheren Leben begangene Missetaten ist. „Wie man von den Etruskern behauptet, dass sie Gefangene damit foltern, dass sie sie an Leichen ketten, Gesicht zu Gesicht und Arm an Arm, Bein an Bein, so scheint die Seele über den Körper verteilt und an seine einzelnen Organe genagelt zu sein“ (Barnes, 2416). All dies unterscheidet sich sehr von den Auffassungen, die Aristoteles in seinen reiferen Jahren vertrat.

Es ist wahrscheinlich, dass einige der von Aristoteles überlieferten Werke über Logik und die Kunst der Disputation, die Topik und die Sophistischen Widerlegungen, in diese Schaffensphase gehören. Hierbei handelt es sich um Werke, die in einem vergleichsweise informellen Stil verfasst sind, von denen das eine erläutert, wie man Argumente für eine Position entwickelt, zu deren Verteidigung man sich entschlossen hat, und das andere, wie man Schwächen in den Argumenten anderer ausfindig macht. Obwohl die Topik den Keim von Auffassungen enthält, wie zum Beispiel über die Kategorien, die in der späteren Philosophie des Aristoteles wichtig werden sollten, ist keines der beiden Werke eine systematische Abhandlung über formale Logik, wie wir sie später in der Ersten Analytik erhalten. Dennoch kann Aristoteles am Ende der Sophistischen Widerlegungen sagen, dass er die Wissenschaft der Logik aus der Taufe gehoben hat: Als er sich damit zu beschäftigen begann, konnte er sich auf keine Vorarbeiten anderer stützen. Er sagt, dass es viele Abhandlungen über Rhetorik gibt, doch:

„Vor der hier geschehenen Untersuchung war aber nicht etwa schon Manches vorgearbeitet und Anderes nicht, sondern es war durchaus nichts vorhanden; […] Wenn ihr nun bei näherer Betrachtung meint, daß meine Darstellung, für welche nur solche Anfänge vorlagen, sich so ziemlich neben die Bearbeitungen jener Wissenschaften stellen kann, welche durch Überlieferung von Einem zu dem Anderen gewachsen sind, so bleibt für Euch und für die, welche meine Lehre gehört haben, nur übrig, daß wegen des in der Darstellung Übergangenen Nachsicht geübt, für das aber, was ich aufgefunden habe, mir viel Dank bewahrt bleibe.“ (SE 34. 184a9–b8)1

Tatsächlich kann Aristoteles beanspruchen, Begründer der Logik gewesen zu sein. Seine wichtigsten Werke über das Thema sind die Kategorien, die Schrift De Interpretatione und die Erste Analytik. Er legt darin seine Auffassungen über Aussagen und logische Schlüsse in einfachen Worten dar. Sie werden mit den zwei anderen bereits erwähnten Werken und einer Abhandlung über wissenschaftliche Methode, der Zweiten Analytik, zu einer als Organon, oder „Werkzeug“ des Denkens bezeichneten Sammlungen zusammengefasst. Die meisten von Aristoteles’ Nachfolgern sahen die Logik nicht als eigenständige wissenschaftliche Disziplin an, sondern als eine propädeutische Kunst, die in jedem Fach verwendet werden konnte, woraus sich der Titel erklärt. Man ging zwei Jahrtausende lang davon aus, dass das Organon das Kernwissen des Faches enthält, obwohl schon in der Antike gezeigt wurde, dass es als System der Logik unvollständig war.2

Während Aristoteles in der Akademie war, betrieb König Philipp II von Makedonien, der die Herrschaft im Jahre 359 von seinem Vater übernahm, jedoch eine Expansionspolitik und führte Krieg gegen eine Reihe griechischer Stadtstaaten, darunter auch Athen. Trotz der kriegerischen Eloquenz von Aristoteles’ Zeitgenossen Demosthenes, der den mazedonischen König in seinen „Philippika“ anprangerte, haben die Athener ihre Interessen nur halbherzig verteidigt. Nach einer Reihe demütigender Zugeständnisse ließen sie es zu, dass Philipp im Jahre 338 zum Herrn der griechischen Welt wurde. Für einen Mazedonier in Athen kann dies keine einfache Zeit gewesen sein.

Innerhalb der Akademie blieben die Beziehungen jedoch scheinbar freundlich. Spätere Generationen stellten Platon und Aristoteles gern als Widersacher dar, und einige antike Autoren verglichen Aristoteles mit einem undankbaren Fohlen, das seine Mutter tritt (D.L. 5.1). Doch Aristoteles hat immer anerkannt, wie viel er Platon verdankt, den er bei seinem Tod als Besten und Glücklichsten der Sterblichen bezeichnete, „den schlechte Männer noch nicht einmal loben dürfen“. Er übernahm einen großen Teil seiner philosophischen Themen von Platon, und seine eigenen Auffassungen sind häufiger Änderungen als Widerlegungen von Platons Lehren. Die philosophischen Ideen, die beiden Denkern gemeinsam sind, sind wichtiger als die Fragen, die sie trennen – ebenso wie die im 17. und 18. Jahrhundert rivalisierenden Schulen der Rationalisten und Empiristen miteinander wesentlich mehr gemeinsam hatten, als mit den Philosophen, die ihnen vorangingen und die auf sie folgten.

Doch bereits in seiner Phase in der Akademie begann Aristoteles sich von Platons Ideenlehre zu distanzieren. In seiner Streitschrift Über Ideen behauptete er, dass die Argumente in den mittleren Dialogen Platons lediglich zeigen, dass es zusätzlich zu den Einzeldingen bestimmte allgemeine Objekte der Wissenschaften gibt. Dies mussten jedoch keine Ideen sein. Gegen die Ideen setzte er eine Version des Arguments ein, dem wir bereits in Platons eigenen Dialogen begegnet sind: das „Argument vom dritten Menschen“ (Barnes, 2435). In seinen überlieferten Werken greift Aristoteles die Ideenlehre häufig an. Manchmal auf eher höfliche Weise, wie in der Nikomachischen Ethik, wo er eine Reihe von Argumenten gegen die Idee des Guten mit der Bemerkung einleitet, dass er eine schwierige Aufgabe vor sich habe, weil die Ideen von seinen guten Freunden eingeführt worden seien, dass es jedoch seine Pflicht als Philosoph sei, die Wahrheit mehr zu ehren als die Freundschaft. In der Zweiten Analytik verwirft er die Ideen jedoch verächtlich als „leeres Gerede“3 (APo. 1. 22. 83a33).

In seiner Metaphysik erhebt er dann den ernsthaften Vorwurf gegen die Ideenlehre, dass sie die Probleme, zu deren Lösung sie eingeführt wurden, nicht löse. Sie verleihe den Einzeldingen keine Erkennbarkeit, denn unveränderliche und ewige Urbilder könnten nicht erklären, wie Einzeldinge entstehen und sich verändern. Darüber hinaus trügen sie zur Erkenntnis oder zum Sein anderer Dinge nichts bei (Metaph. A 9. 991a8ff.). Die Theorie führe für die zu erklärenden Dinge lediglich ebenso viele zusätzliche Entitäten ein: Als könne man ein Problem lösen, indem man es verdoppele (Metaph. A 9. 990b3).

Der Biologe Aristoteles

Als Platon im Jahre 347 starb, übernahm sein Neffe Seusippos die Leitung der Akademie, und Aristoteles verließ Athen. Er ging nach Assos an der Nordwestküste der heutigen Türkei. Die Stadt wurde von Hermias regiert, der selbst an der Akademie studiert und zuvor bereits einige andere Akademiker eingeladen hatte, um dort ein neues philosophisches Institut zu gründen. Aristoteles und Hermias wurden Freunde und er heiratete Pythias, eine enge Verwandte von ihm, mit der er zwei Kinder hatte. Im Jahre 343 fand Hermias ein tragisches Ende: Nachdem er mit Aristoteles’ Hilfe ein Bündnis mit Makedonien ausgehandelt hatte, wurde er auf verräterische Weise festgenommen und schließlich vom persischen Großkönig gekreuzigt. Aristoteles ehrte sein Andenken mit der „Ode an die Tugend“, seinem einzigen überlieferten Gedicht.

Während seiner Zeit in Assos und während der nächsten paar Jahre, in denen er in der Nähe von Mytilene auf der Insel Lesbos lebte, unternahm Aristoteles umfangreiche wissenschaftliche Forschungen, insbesondere auf den Gebieten der Zoologie und Meeresbiologie. Die Ergebnisse wurden später in Buchform zusammengefasst, irreführend unter dem Titel Historia animalium (Geschichte der Tiere), der er zwei kürzere Abhandlungen hinzufügte, De partibus animalium (Über die Teile der Lebewesen) und De generatione animalium (Über die Entstehung der Tiere). Aristoteles erhebt nicht den Anspruch, die Wissenschaft der Zoologie gegründet zu haben, und seine Bücher enthalten zahlreiche Zitate früherer Autoren, verbunden mit einem auf reifer Urteilskraft basierenden Maß an Skepsis gegenüber einigen ihrer unplausiblen Berichte. Seine detaillierten Beobachtungen von Organismen höchst unterschiedlicher Art waren jedoch beispiellos und wurden in vielen Fällen erst im 17. Jahrhundert durch neuere Untersuchungen abgelöst.

Obwohl er sich nicht für den ersten Zoologen hielt, ist es offensichtlich, dass sich Aristoteles als Pionier sah, und er hielt es sogar für erforderlich, sein Interesse an diesem Fach zu rechtfertigen. Frühere Philosophen hatten der Himmelsbeobachtung einen privilegierten Platz eingeräumt: Er hingegen beobachtete die Berührungsreaktionen von Schwämmen und das Ausschlüpfen von Maden. Zu seiner Verteidigung führt er an, dass die Himmelskörper zwar wunderbar und prachtvoll, jedoch nur schwer zu untersuchen seien, weil sie sich in so großer Ferne befänden und so verschieden von uns seien. Die Tiere hingegen lägen uns direkt vor Augen und seien mit uns wesensverwandt, sodass wir sie wesentlich genauer studieren könnten. Es sei kindisch, bei der Beobachtung der niederen Lebewesen ängstlich und zaghaft zu sein. „Wir sollten bei der Untersuchung jeder Tierart ohne Scheu vorgehen, denn jede von ihnen wird uns etwas Natürliches und Schönes zeigen“ (PA 1. 5. 645a20–5).

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Titelblatt des Manuskripts einer Übersetzung von Aristoteles’ Historia animalium aus dem 15. Jahrhundert.

Der Umfang von Aristoteles’ Forschungen ist höchst erstaunlich. Ein Großteil seiner Arbeit besteht in der Klassifikation nach Gattungen (z.B. Testacea) und Arten (z.B. Seeigel). In seinen Abhandlungen kommen mehr als 500 Arten vor, von denen viele detailliert beschrieben sind. Es wird deutlich, dass Aristoteles mit reiner Beschreibung nicht zufrieden ist: Wie ein Anatom präpariert er die untersuchten Tiere auch. Er gesteht, dass er das Sezieren nur widerwillig durchgeführt habe, besonders im Falle von Menschen. Doch um die Struktur des Ganzen verstehen zu können, sei es unerlässlich, die Teile eines jeden Organismus zu untersuchen (PA 1. 5. 644b22–645a36).

Aristoteles fügte in seine Abhandlungen erläuternde Zeichnungen ein, die leider verloren gegangen sind. Wir können uns vorstellen, von welcher Art die bereitgestellten Zeichnungen waren, wenn wir Abschnitte wie den folgenden lesen, in dem er das Verhältnis zwischen den Hoden und dem Penis erläutert.

„Man mache sich dies aus der beigegebenen Zeichnung klar. A markiert den Anfang der aus der Aorta stammenden Stränge, KK markiert die Hodenköpfe und die von ihnen herabführenden Stränge. Die sich von den Hodenköpfen durch die Hoden ziehenden Stränge sind mit OO markiert, die umgekehrt verlaufenden Stränge, in denen sich die helle Flüssigkeit befindet, sind mit BB, der Penis mit D, die Blase mit E und die Hoden mit PP markiert.“ (HA 3. 1. 510a30–4)4

Nur ein Biologe kann die Genauigkeit der zahllosen Informationen überprüfen, die uns Aristoteles über die Anatomie, die Nahrung, die Umwelt, das Paarungsverhalten und das Reproduktionssystem der Säugetiere, Vögel, Reptilien, Fische und Insekten mitteilt. Der Biologe Sir D’Arcy Thompson, der im 20. Jahrhundert die definitive Übersetzung der Historia animalium ins Englische verfasst hat, macht ständig auf die, mit Spuren von Aberglauben verbundene, Detailliertheit von Aristoteles’ Untersuchungen aufmerksam. Es führt einige spektakuläre Fälle an, in denen unwahrscheinliche Berichte von Aristoteles über seltene Fischarten sich viele Jahrhunderte später als zutreffend herausstellten.5 An anderen Stellen werden biologische Probleme, die erst Jahrtausende später gelöst wurden, von Aristoteles offen und ehrlich benannt. Einer dieser Fälle betraf die Frage, ob bei der Embryonalentwicklung zu Beginn bereits sämtliche Teile des späteren Tieres in Miniaturform vorhanden sind, oder ob während der Entwicklung des Embryos völlig neue Strukturen entstehen (GA 2.1. 734a1–735a4). Der moderne Laie kann nur raten, welche Teile von Passagen wie den folgenden zutreffend sind und welche auf Fantasie beruhen.

„Alle vierfüßigen Säuge- und Bluttiere haben Zähne, wobei zunächst einmal bei den einen in beiden Kiefern Zähne sind, bei den anderen hingegen nicht. Alle Hörnertiere haben ein unvollständiges Gebiss, da ihnen im Oberkiefer die Vorderzähne fehlen. Es gibt solche Tiere auch ohne Hörner, z.B. das Kamel. Manche haben Hauer, wie der Eber, manche nicht. Ferner haben manche spitze Zähne, wie Löwe, Panther und Hund, andere gleichmäßige ohne Lücken, wie Pferd und Rind. Im Gebiss mit scharfen Zähnen wechseln die spitzen Zähne miteinander ab.“ (HA 2. 1. 501a8ff.)6

„Die Eier bilden sich bei den sich paarenden Fischen nach der Befruchtung, aber sie legen auch ohne Paarung Eier. Man sieht es bei manchen Flußfischen. Sozusagen gleich nach der Geburt und noch ganz klein legen nämlich die Elritzen schon Eier. Sie streuen die Eier aus und die Männchen verschlucken die meisten, wie schon gesagt wurde, während die anderen im Wasser verkommen. Nur die bleiben erhalten, die an Stellen abgelegt sind, die sich zur Aufzucht eignen. Wenn nämlich alle erhalten blieben, wäre jede Gattung unermeßlich zahlreich. Und selbst von diesen werden die meisten nicht befruchtet, sondern nur diejenigen, die das Männchen mit der Samenflüssigkeit besprengt. Bei der Ablage der Eier folgt das Männchen nach und sprengt auf die Eier die Samenflüssigkeit. Aus denen, die befruchtet sind, werden durchweg kleine Fischchen, aus den anderen nur, wenn es der Zufall will.“ (HA 6. 3. 567a29–b6)7

Leichter ist es dagegen, zu einem schnellen Urteil über Aristoteles’ Versuche zu gelangen, anatomische Merkmale des Menschen mit Charaktereigenschaft in Verbindung zu bringen. So sagte er uns beispielsweise, dass Menschen mit Plattfüßen sehr wahrscheinlich Schurken sind und dass Menschen mit großen, hervorstehenden Ohren eine Tendenz zum Schwätzen über triviale Dinge haben (HA 1. 11. 492a1). Obwohl Ammenmärchen darin enthalten sind, müssen uns Aristoteles’ biologische Schriften als ungeheure Leistung erscheinen, wenn wir uns klar machen, unter welchen Bedingungen er gearbeitet hat: ohne irgendwelche der Hilfsmittel der Forschung, die Naturwissenschaftlern seit der Neuzeit zur Verfügung standen. Er selbst und seine Assistenten müssen ein extrem gutes Sehvermögen besessen haben, da einige der von ihnen genau beschriebenen Merkmale von Insekten erst nach der Erfindung des Mikroskops erneut beobachtet wurden. Seine Nachforschungen wurden in einem genuin wissenschaftlichen Geist durchgeführt, und er ist jederzeit bereit, sein Nichtwissen einzugestehen, wenn die vorhandenen Beweise für eine definitive Aussage nicht ausreichen. Bezüglich des Fortpflanzungsmechanismus der Bienen hat er beispielsweise Folgendes zu sagen:

„Die Fakten sind noch nicht ausreichend erkannt. Sollten sie jemals erkannt werden, müssen wir der Beobachtung mehr als der Theorie vertrauen und Theorien nur Glauben schenken, wenn ihre Ergebnisse mit den beobachteten Phänomenen zusammenpassen.“ (GA 3. 10. 760b28–31)

Das Lykeion und sein Lehrplan

Etwa acht Jahre nach Hermias’ Tod wurde Aristoteles von König Philipp II in die mazedonische Hauptstadt bestellt, um die Erziehung seines 13jährigen Sohnes, des späteren Alexander des Großen, zu übernehmen. Wir wissen nur wenig über den Inhalt dieses Unterrichts: Die Rhetorik für Alexander, die in die gesammelten Werke des Aristoteles Eingang gefunden hat, gilt im Allgemeinen als Fälschung. Antike Quellen geben an, Aristoteles habe für seinen Schüler Essays über das Königtum und über Kolonisation geschrieben und ihm eine eigene Homer-Ausgabe geschenkt. Alexander soll mit diesem Buch unter dem Kopfkissen geschlafen haben, und als er im Jahre 366 König wurde und seine spektakuläre militärische Laufbahn begann, sorgte er dafür, dass seinem Lehrer aus allen Teilen Griechenlands und Kleinasiens Präparate biologischer Exemplare geschickt wurden. Innerhalb von zehn Jahren hatte sich Alexander zum Herren eines Reiches gemacht, das von der Donau bis zum Indus reichte und zu dem Libyen und Ägypten gehörten. Während Alexander Asien eroberte, befand sich Aristoteles wieder in Athen, wo er im Lyzeum, einer Sportstätte direkt außerhalb der Stadtgrenze, seine eigene Schule gründete. Er war mittlerweile 50 Jahre alt und stellte eine beachtliche Bibliothek zusammen. Er versammelte eine Gruppe brillanter junger Forscher um sich, die sogenannten „Peripatetiker“. Der Name geht auf eine Allee (peripatos) zurück, entlang der sie bei ihren Gesprächen wandelten. Das Lyzeum war im Gegensatz zur Akademie keine private Institution. Zahlreiche Vorlesungen waren öffentlich und konnten von jedem Interessierten kostenlos besucht werden.

Aristoteles’ anatomische und zoologische Forschungen hatten seiner Philosophie eine neue und definitive Richtung gegeben. Obwohl er sein Leben lang ein Interesse an der Metaphysik bewahrte, ist sein reifes Denken ständig mit der empirischen Wissenschaft verknüpft. Sein Philosophieren war insgesamt durch biologische Denkformen bestimmt. Die meisten Werke, die uns erhalten geblieben sind, mit Ausnahme der zoologischen Abhandlungen, sind wahrscheinlich während dieses zweiten Aufenthalts in Athen entstanden. Ihre chronologische Reihenfolge lässt sich nicht mit Sicherheit angeben, und es ist wahrscheinlich, dass die wichtigsten Abhandlungen – über Physik, Metaphysik, Psychologie, Ethik und Politik – ständig umgeschrieben und aktualisiert wurden. In ihrer überlieferten Form finden sich Spuren verschiedener Entstehungsebenen, obwohl keine Einigkeit darüber erzielt werden konnte, wie diese verschiedenen Schichten genau zu unterscheiden oder zu datieren sind.

Aristoteles’ Stil in seinen Hauptwerken ist von demjenigen Platons oder irgendeines anderen seiner philosophischen Vorgänger sehr verschieden. In der Zeit zwischen Homer und Sokrates schrieben die meisten Philosophen in Gedichtform, und Platon, der in der Blütezeit der athenischen Tragödie und Komödie schrieb, verfasste dramatische Dialoge. Aristoteles, dessen Lebensdaten mit denen des größten griechischen Redners Demosthenes fast deckungsgleich sind, bevorzugte einen monologischen Prosastil. Die von ihm verfasste Prosa ist im Allgemeinen weder klar noch ausgefeilt, obwohl er, wenn er wollte, Passagen von ergreifender Eloquenz schreiben konnte. Es kann sein, dass es sich bei den Texten, die wir besitzen, um die Notizen handelt, die seinen Vorlesungen zugrunde lagen. Vielleicht sind es in einigen Fällen auch die Notizen von Studenten, die an den Vorlesungen teilnahmen. Alles, was Aristoteles schrieb, ist voll fruchtbarer Ideen und voller Energie. Jeder Satz hat großes intellektuelles Gewicht. Doch es verlangt große Anstrengung, die volle Bedeutung seiner schroffen Sätze zu entschlüsseln. Was uns von Aristoteles über die Jahrhunderte überliefert wurde, gleicht eher einem Satz von Telegrammen als Briefen.

Die Werke des Aristoteles sind auf eine Weise systematisch, wie es die Werke Platons nie gewesen sind. Selbst in den Nomoi, demjenigen Text Platons, der einem Lehrbuch am nächsten kommt, springen wir auf verwirrende Weise von Thema zu Thema und sogar von Fach zu Fach. Keiner der anderen wichtigen Dialoge lässt sich einem einzelnen Gebiet der Philosophie eindeutig zuordnen. Wenn wir bei der Besprechung Platons von bestimmten „Disziplinen“ reden, so ist dies natürlich unzeitgemäß, allerdings nicht sehr, denn der Begriff einer Disziplin, im modernen akademischen Sinn dieses Wortes, wird von Aristoteles in der Schaffensperiode seines Lykeions sehr klar erläutert.

In der Metaphysik unterscheidet Aristoteles drei Arten von Wissenschaft (Metaph. E 1. 1025b25): hervorbringende, handelnde und betrachtende Wissenschaften. Die hervorbringenden Wissenschaften sind, wie es ihr Name sagt, diejenigen Wissenschaften, die ein Produkt haben. Hierzu gehören das Ingenieurwesen und die Architektur mit Produkten wie Brücken und Häusern, jedoch auch Fachgebiete wie Strategie und Rhetorik, deren Produkte manchmal weniger konkret sind, wie zum Beispiel der Sieg auf dem Schlachtfeld oder vor Gericht. Handelnde oder praktische Wissenschaften sind solche, die dem Handeln die Richtung geben, vor allem die Ethik und Politik. Betrachtende oder theoretische Wissenschaften sind diejenigen, die weder ein Produkt noch ein praktisches Ziel haben, sondern in denen Wissen und Verständnis um seiner selbst willen gesucht wird.

Es gibt drei theoretische Wissenschaften: die Physik, die Mathematik und die Theologie (Metaph. E 1. 1026a19). In dieser Trilogie ist nur die Mathematik das, was sie zu sein scheint. Physik ist gleichbedeutend mit Naturphilosophie oder dem Studium der Natur (physis). Es ist ein wesentlich breiteres Studienfach als die Physik im heutigen Sinne. Zu ihr gehören die Chemie, die Meteorologie und sogar die Biologie und Psychologie. Als „Theologie“ bezeichnet Aristoteles das Studium von Wesen mit einer den Menschen überlegenen Seinsweise, d.h. der Himmelskörper sowie derjenigen Gottheiten, die im bestirnten Himmel wohnen mögen. Seine Schriften zu diesem Thema gleiche mehr einem Lehrbuch der Astronomie als einer Abhandlung über natürliche Religion. Es mag überraschen, dass die Metaphysik, eine theoretische Disziplin par excellence, in Aristoteles’ Liste der theoretischen Wissenschaften nicht vorkommt, da so viele seiner Schriften sich damit befassen, und da eine der längsten Abhandlungen den Titel Metaphysik trägt. Tatsächlich kommt das Wort in Aristoteles’ eigenen Schriften nicht vor und taucht erstmals in einem nach seinem Tod erstellten Katalog seiner Werke auf. Es bedeutet einfach „nach der Physik“ und bezieht sich auf diejenigen Werke, die nach seiner Physik aufgelistet sind. Tatsächlich hat er jedoch den Zweig der Philosophie, den wir heute Metaphysik nennen, als eigenständig anerkannt: Er bezeichnete ihn als erste Philosophie und definierte sie als diejenige Wissenschaft, die das Seiende als Seiendes studiert.8

Aristoteles über Rhetorik und Dichtkunst

Auf dem Gebiet der hervorbringenden Wissenschaften schrieb Aristoteles zwei Werke: die Rhetorik und die Poetik. Sie waren dazu bestimmt, Anwälten und Autoren von Theaterstücken bei ihren jeweiligen Aufgaben zu helfen. Die Rhetorik ist nach Aristoteles diejenige Disziplin, die in einem beliebigen gegebenen Fall die möglichen Mittel der Überredung angibt. Sie ist nicht auf ein bestimmtes Feld beschränkt, sondern thematisch neutral. Es gibt drei Grundlagen der Überredung durch das gesprochene Wort: den Charakter des Sprechers, die Stimmung der Zuhörer und die Gründe (triftige oder schlechte) des Gesagten selbst. Der Student der Rhetorik muss daher in der Lage sein, logisch zu denken, Charaktere zu beurteilen und Gefühle zu verstehen (Rh. 1.2.1358a1–1360b3).

Über Logik und Charaktereigenschaften hat Aristoteles in anderen Abhandlungen Aufschlussreicheres geschrieben, doch gibt er uns im zweiten Buch der Rhetorik eine umfassende Darstellung der Gefühle des Menschen. Gefühle sind für ihn Emotionen, die die Urteile der Menschen ändern, und sie sind von Schmerz und Lust begleitet. Er geht alle wichtigen Gefühlen der Reihe nach durch, bietet für jedes eine Definition und listet seine Objekte und Ursachen auf. Wut definiert er beispielsweise als einen von Schmerz begleiteten Wunsch nach etwas, das wie Rache für eine scheinbar unverdiente Kränkung der eigenen Person oder der eines Freundes aussieht (Rh. 2.2.1378a32–4). Er gibt eine Liste derjenigen Personen an, die uns wütend machen: zum Beispiel diejenigen, die sich über uns lustig machen, oder solche, die uns am Trinken hindern, wenn wir durstig sind, oder Personen, die uns bei unserer Arbeit im Wege sind. Ferner zürnen wir

„denjenigen, die über das, was wir mit besonderem Eifer betreiben, lästern und es verachten, so sind z.B. die, die in der Philosophie Ehrgeiz an den Tag legen, zornig, wenn jemand etwas gegen ihre Philosophie sagt, die, welche sich viel auf ihre Schönheit zugute halten, wenn jemand sich abschätzig über sie äußert, und so ist es auch in den anderen Fällen. Der Zorn ist aber umso größer, wenn man annehmen muss, die entsprechenden Qualitäten nicht zu besitzen – entweder zur Gänze, oder nicht gerade in übermäßigem Ausmaß – oder nicht diesen Eindruck zu erwecken. Sobald man aber der Meinung ist, darin, worin man verspottet wird, bei weitem überlegen zu sein, so kümmert man sich nicht darum.“ (Rh. 2.2.1379a32–b1)9

Aristoteles gibt uns eine detaillierte Erörterung der Gefühle Wut, Hass, Angst, Scham, Mitleid, Entrüstung, Neid und Eifersucht. Seine Behandlung ist in jedem Fall klar und systematisch und zeigt – wie im soeben zitierten Text – häufig eine scharfe psychologische Beobachtungsgabe.

Die Poetik war, im Gegensatz zur Rhetorik, ein im Laufe der Geschichte viel gelesener Text. Nur das erste Buch ist überliefert, eine Abhandlung über Epik und tragische Dichtung. Das zweite Buch, über die Komödie, ist verloren gegangen. Umberto Eco hat in seinem Roman Der Name der Rose eine dramatische Dichtung über ihre fiktive Überlieferung und anschließende Zerstörung in einer Abtei des 14. Jahrhunderts geschrieben.

Um das Anliegen des Aristoteles in seiner Poetik würdigen zu können, muss man etwas über Platons Verhältnis zur Dichtkunst wissen. Im zweiten und dritten Buch der Politeia wird Homer dafür gerügt, die Götter falsch dargestellt und entwürdigende Gefühle erregt zu haben. Auch die dramatischen Darstellungen der Tragiker werden als irreführend und erniedrigend angegriffen. Im zehnten Buch dient die Ideenlehre als Grundlage für einen weiteren, grundsätzlicheren Angriff auf die Dichter. Materielle Gegenstände sind unvollkommene Kopien der allein wahrhaft wirklichen Ideen. Daher sind künstlerische Darstellungen materieller Gegenstände, als Nachahmungen von Nachahmungen, von der Wirklichkeit gleich doppelt weit entfernt (Pol. 597e). Dramen haben einen verderblichen Einfluss, da sie die niederen Teile unserer Natur ansprechen und uns zum Weinen und Lachen bewegen (Pol. 605d–6c). Dichter von Dramen müssen aus der idealen Stadt ferngehalten werden: Sie sollen mit Myrrhe gesalbt, mit Lorbeer gekrönt, dann aber ihres Weges geschickt werden (Pol. 398b).

Eines von Aristoteles’ Zielen bestand darin, den Streit zwischen Dichtkunst und Philosophie zu schlichten. Nachahmung ist für ihn – weit davon entfernt, die erniedrigende Aktivität zu sein, als die Platon sie beschrieb – ein für Menschen von Kindesbeinen an natürliches Verhalten. Sie ist eines der Merkmale, die Menschen den Tieren überlegen sein lässt, da sie den Umfang dessen, was Menschen lernen können, ungeheuer erweitert. Außerdem ist jegliche Form von Darstellung Anlass einer ihr eigentümlichen Freude: Wir freuen uns an Gemälden von Objekten, die wir an sich ärgerlich oder abstoßend finden, und bewundern sie (Po. 4. 1448b5–24).

Aristoteles bietet eine detaillierte Analyse des Wesens tragischer Dramen. Er definiert eine Tragödie auf folgende Weise:

„Die Tragödie ist die Nachahmung einer edlen und abgeschlossenen Handlung von bestimmter Größe in gewählter Rede, derart, daß jede Form solcher Rede in gesonderten Teilen erscheint und daß gehandelt und nicht berichtet wird und daß mit Hilfe von Mitleid und Furcht eine Reinigung von derartigen Affekten bewerkstelligt wird.“ (Po. 6. 1449b24ff.)10

Niemand weiß, was Aristoteles mit katharsis, oder Reinigung, genau gemeint hat. Vielleicht wollte er uns Folgendes lehren: Die Betrachtung einer Tragödie hilft uns, unsere eigenen Sorgen und Nöte zu relativieren, da wir sehen, welches Unglück anderen, uns deutlich überlegenen Menschen, widerfuhr. Mitleid und Angst, die Gefühle, von denen wir gereinigt werden sollen, werden nach seiner Meinung am stärksten erregt, wenn die Tragödie Menschen als Opfer von Hass und Mord in solchen Situationen darstellt, in denen sie am meisten hätten erwarten können, geliebt und geschätzt zu werden. Das ist der Grund, warum so viele Tragödien von Feindschaften innerhalb einer einzigen Familie handeln (Po. 14. 1453b1–21).

Nach Aristoteles sind für eine Tragödie sechs Elemente erforderlich: eine Handlungsfolge, Charaktere, Sprache, Erkenntnisfähigkeit, Inszenierung und Melodik (Po. 6.1450a11 V.). Die ersten beiden Elemente interessieren ihn am meisten. Ein Bühnenbild und musikalische Begleitung gehören zum Zubehör, auf das man verzichten kann: Was an einer Tragödie großartig ist, kann man allein beim Lesen des Textes erfassen. Sprache und Erkenntnisfähigkeit sind wichtiger. Was die Gefühle des Zuhörers erregt, sind die von den Charakteren ausgedrückten Gedanken. Wenn die Aufwühlung der Gefühle zustande kommen soll, müssen die Gedanken von den Schauspielern auf überzeugende Weise vorgetragen werden. Was jedoch das Genie des tragischen Dichters ausmacht, sind die Charaktere und die Handlung. Aristoteles widmet den Charakteren ein langes Kapitel und der Handlung ganze fünf Kapitel.

Der zentrale Charakter oder tragische Held muss entweder äußerst edel oder abgrundschlecht sein: Es sollte sich dabei um eine Person von Rang handeln, die im Prinzip gut ist, jedoch aufgrund eines großen Fehlers (hamartia) scheitert. Eine Frau kann die charakterliche Größe besitzen, die für eine tragische Heldin erforderlich ist, und selbst ein Sklave kann eine tragische Person sein. Wer immer der Protagonist ist: Es ist wichtig, dass er oder sie die Eigenschaften hat, die zu ihm oder ihr passen, und sie müssen im Verlauf des gesamten Dramas konsistent sein (Po. 15. 1454a15ff.). Jede der handelnden Personen sollte über einige gute Charaktereigenschaften verfügen. Was sie tun, muss sich aus ihrem Charakter ergeben, und was ihnen zustößt, sollte die notwendige oder wahrscheinliche Folge ihres Verhaltens sein.

Die Handlung ist das wichtigste Element von allen: Die Charaktere werden um der Handlung willen erdacht, nicht umgekehrt. Bei der Handlung muss es sich um eine abgeschlossene Geschichte mit einem deutlich markierten Anfang, einer Mitte und einem klaren Ende handeln. Sie muss so kurz und einfach sein, dass sich die Zuschauer alle ihre Einzelheiten vergegenwärtigen können. Die Tragödie muss eine Einheit aufweisen. Man kann keine Tragödie schreiben, indem man einfach eine Folge von Episoden aneinanderreiht, die lediglich durch den gemeinsamen Held zusammengehalten wird. Stattdessen muss sie eine einzige bedeutsame Tat enthalten, die über den gesamten Verlauf der Handlung entscheidet (Po. 8. 1451a21–9).

In einer typischen Tragödie wird die Geschichte allmählich immer komplizierter, bis ein Wendepunkt erreicht wird, den Aristoteles als „Umkehrung“ (peripeteia) bezeichnet. Dies ist der Moment, in welchem dem scheinbar glücklichen Held das Unglück zustößt, vielleicht durch eine „Offenbarung“ (anagnoresis), wie zum Beispiel die Entdeckung ihm bislang unbekannter Tatsachen (Po. 15. 1454b19). Auf die Umkehrung folgt die Auflösung, in der sich die zuvor eingeführten Komplikationen allmählich entwirren (Po. 18. 1455b24ff.).

Diese Behauptungen werden durch ständige Hinweise auf wirkliche griechische Dramen veranschaulicht, insbesondere auf die Tragödie König Ödipus von Sophokles. Zu Beginn des Stückes genießt Ödipus Wohlstand und allgemeines Ansehen. Er ist im Wesentlichen ein guter Mann, doch hat er einen fatalen Charakterfehler: Er ist zu impulsiv. Diese moralische Schwäche führt dazu, dass er in einem Streit einen Fremden tötet und ohne die erforderliche Besonnenheit eine Ehe eingeht. Die Offenbarung, dass es sich bei dem getöteten Mann um seinen Vater handelt, und dass die Frau, die er geheiratet hat, seine Mutter ist, führt zur Umkehrung seines Schicksals. Er wird aus seinem Königreich vertrieben und nimmt sich aus Scham und Reue selbst das Augenlicht.

Aristoteles’ Theorie der Tragödie erlaubt es ihm, auf Platons Vorwurf einzugehen, die Dramatiker ahmten, wie andere Künstler, lediglich das alltägliche Leben nach, das selbst nur eine Nachahmung der realen Welt der Ideen sei. Er gibt seine Antwort, indem er die dramatische Dichtkunst mit der Geschichtsschreibung vergleicht.

„Es ergibt sich auch aus dem Gesagten, daß es nicht die Aufgabe des Dichters ist, zu berichten, was geschehen ist, sondern vielmehr, was geschehen könnte, und was möglich wäre nach Angemessenheit oder Notwendigkeit. Denn der Geschichtsschreiber und der Dichter unterscheiden sich nicht dadurch, daß der eine Verse schreibt und der andere nicht (denn man könnte ja auch die Geschichte Herodots in Verse setzen und doch bliebe es gleich gut Geschichte, mit oder ohne Verse); sie unterscheiden sich vielmehr darin, daß der eine erzählt, was geschehen ist, der andere, was geschehen könnte. Darum ist die Dichtung auch philosophischer und bedeutender als die Geschichtsschreibung. Denn die Dichtung redet eher vom Allgemeinen, die Geschichtsschreibung vom Besonderen.“ (Po. 9. 1451b5–9)11

Was Aristoteles über Poesie und Dramen schreibt, könnte natürlich auch über andere Arten des kreativen Schreibens gesagt werden. Vieles von dem, was den Menschen im Laufe ihres alltäglichen Lebens zustößt, ist eine Sache reinen Zufalls; nur in der Dichtung können wir sehen, wie sich aus einem Charakter und seinen Handlungen die notwendigen Konsequenzen entwickeln.

Die ethischen Schriften des Aristoteles

Wenden wir uns von den herstellenden nun den handelnden Wissenschaften zu. Aristoteles’ Beitrag zu diesen Wissenschaften besteht in seinen Schriften zur Moralphilosophie und zur politischen Theorie. Im Corpus Aristotelicum finden sich drei Abhandlungen zur Moralphilosophie: die Nikomachische Ethik (NE) mit zehn Büchern, die Eudemische Ethik (EE) in sieben Büchern und die Magna Moralia in zwei Büchern. Für jeden, der an der Entwicklung des aristotelischen Denkens interessiert ist, sind diese Texte von höchstem Interesse. Während man in den Abhandlungen zur Physik und Metaphysik Spuren der Revision und Umarbeitung finden kann, liegen uns, allein auf dem Gebiet der Ethik, Aristoteles’ Auffassungen zum selben Thema in drei unterschiedlichen, mehr oder weniger vollständigen Durchführungen vor, ohne dass es hierfür eine allgemein akzeptierte Erklärung gibt.

In den ersten Jahrhunderten nach Aristoteles’ Tod wurden seine ethischen Abhandlungen von den nachfolgenden Autoren nur wenig verwendet, doch wird die EE häufiger zitiert als die NE, die in den frühesten Verzeichnissen der aristotelischen Schriften nicht eigens aufgeführt wird. Tatsächlich gibt es geringfügige Zweifel daran, ob es sich bei der NE um ein von Aristoteles selbst verfasstes Werk oder vielleicht um eine Schrift seines Sohnes Nikomachos handelt. Seit der Zeit des Kommentators Aspasius im zweiten Jahrhundert n. Chr. herrschte allgemeine Übereinstimmung darüber, dass die NE nicht nur von Aristoteles selbst verfasst wurde, sondern auch das wichtigste der drei Werke ist. Während des gesamten Mittelalters und seit des Wiederauflebens der klassischen Philologie wurde das Werk als die Ethik des Aristoteles behandelt, ja sogar als das beliebteste aller von ihm überlieferten Werke.

Die anderen Werke wurden sehr unterschiedlich eingeschätzt. Während die NE schon seit langer Zeit bei einer breiten Leserschaft Anklang gefunden hat, gefiel die EE, selbst unter Aristoteles-Forschern, nie mehr als einer Handvoll von Fanatikern. Im 19. Jahrhundert hielt man sie für unecht, und sie wurde unter dem Namen von Aristoteles’ Schüler Eudemos von Rhodos neu herausgegeben. Im 20. Jahrhundert haben sich die Forscher im Allgemeinen der Auffassung von Werner Jaeger12 angeschlossen, der die EE für ein echtes, aber noch unreifes Werk hielt, das durch die in der Schaffensphase des Lyzeums geschriebene NE abgelöst wurde. Was die Magna Moralia betrifft, so wurde sie von einigen Gelehrten, Jaeger folgend, als nach-aristotelisch verworfen, während andere glühende Verfechter der These waren, es handele sich um ein authentisches Werk, um die früheste der drei Abhandlungen.

Ein weiteres Problem betrifft die Beziehung zwischen der NE und der EE. Unter den überlieferten Manuskripten tauchen drei Bücher doppelt auf: einmal als die Bücher 5, 6 und 7 der NE, und einmal als die Bücher 4, 5 und 6 der EE. Es wäre falsch, die Frage nach der Beziehung zwischen der NE und der EE zu beantworten, ohne vorher zu entscheiden, wohin diese drei Bücher ursprünglich gehören. Mit philosophischen und stilometrischen Argumenten lässt sich zeigen, dass diese Bücher der EE wesentlich näher stehen als der NE. Wenn sie in die EE aufgenommen werden, wird die Einschätzung, die die EE als unreifes Werk von geringerem Wert ansieht, unhaltbar: Jaegers Argument, dass die EE Platon näher stehe und damit früher als die NE sei, fehlt dann jegliche Stütze. Darüber hinaus legen interne historische Anspielungen die Vermutung nahe, dass die strittigen Bücher, und damit die EE, in die Schaffensphase des Lyzeums gehören bzw. gehört.

Die Konsistenz der NE selbst ist ebenfalls problematisch. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts behauptete der Aristoteliker Thomas Case in einem berühmten Artikel in der 11. Ausgabe der Encyclopaedia Britannica, dass „es sich bei der Nikomachischen Ethik wahrscheinlich um eine Sammlung separater Vorträge handelt, die zu einer halbwegs systematischen Abhandlung zusammengefasst wurden.“ Dies bleibt auch weiterhin sehr wahrscheinlich. Die Unterschiede zwischen der NE und der EE widersetzen sich einer einfachen chronologischen Lösung: Es kann sein, dass einige der in die NE aufgenommenen Vorträge älter und andere jünger sind als die EE, die selbst ein zusammenhängendes Ganzes bildet. Die stilistischen Unterschiede, die die NE nicht nur von der EE, sondern auch von fast allen anderen von Aristoteles’ Werken trennen, mögen anhand der antiken Überlieferung erklärbar sein, die behauptet, dass die NE von Nikomachos, die EE, zusammen mit einigen anderen Werken des Aristoteles, jedoch von Eudemos überarbeitet wurde. Was die Magna Moralia betrifft, so lehnt sie sich zwar eng an den Gedankengang der EE an, enthält aber eine Anzahl von Missverständnissen ihrer Lehre. Dies lässt sich sehr einfach erklären, wenn man annimmt, dass sie aus Mitschriften eines Studenten am Lyzeum besteht, die dieser aufgezeichnet hat, während Aristoteles eine Reihe von Vorlesungen hielt, die der EE inhaltlich glichen.13

Der Inhalt der drei Abhandlungen weist im Allgemeinen jeweils große Ähnlichkeit mit den beiden anderen auf. Die NE behandelt so ziemlich denselben Themenumfang wie Platons Politeia, und mit ein wenig Übertreibung könnte man sagen, dass die Moralphilosophie von Aristoteles diejenige Platons ohne die Idee des Guten ist. Die Idee des Guten kann Aristoteles zufolge nicht das höchste Gut sein, von dem die Ethik handelt, und dies schon allein aus dem Grunde nicht, dass die Ethik eine praktische Wissenschaft über dasjenige ist, was mit menschlicher Kraft erreichbar ist, während eine ewige und unveränderliche Idee des Guten bestenfalls von theoretischem Interesse sein könne.

An die Stelle der Idee des Guten setzt Aristoteles als höchstes Gut, um das es in der Ethik geht, die Glückseligkeit (eudaimonia), denn wie Platon sieht auch er einen engen Zusammenhang zwischen einem tugendhaften und einem glücklichen Leben. In allen ethischen Abhandlungen ist ein glückliches Leben ein von tugendhafter Aktivität bestimmtes Leben, und jede von ihnen bietet eine Analyse des Begriffs der Tugend und eine Einteilung der Tugenden in verschiedene Arten oder Klassen. Eine Klasse ist die der moralischen Tugenden, wie zum Beispiel Mut, Mäßigung und Freizügigkeit, die in Platons ethischen Diskussionen ständig behandelt werden. Die andere Klasse ist die der intellektuellen Tugenden: Hier unterscheidet Aristoteles, wesentlich schärfer als Platon es je getan hat, zwischen der intellektuellen Tugend der Weisheit, die das ethische Verhalten bestimmt, und der intellektuellen Tugend des Verstehens, die sich in wissenschaftlichen Bemühungen und Betrachtungen ausdrückt. Der Hauptunterschied zwischen der NE und der EE besteht darin, dass Aristoteles in der NE die vollständige Glückseligkeit ausschließlich durch die Aktivitäten der philosophischen Kontemplation für erreichbar hält, während sie in der EE in der harmonischen Ausübung aller Tugenden besteht, der intellektuellen und der moralischen.14

Die politische Theorie des Aristoteles

Selbst in der Eudemischen Ethik ist es „der Dienst und die Kontemplation Gottes“, die den Maßstab für die angemessene Ausübung der moralischen Tugenden vorgeben, und in der Nikomachischen Ethik wird diese Kontemplation als übermenschliche Aktivität eines göttlichen Teils unserer Selbst beschrieben. Aristoteles letztes Wort in dieser Sache ist, dass wir uns, obwohl wir sterblich sind, soweit wir können unsterblich machen sollen. Kommen wir von der Ethik zu ihrer Folgeabhandlung, der Politik, so haben wir wieder festen Boden unter den Füßen. „Der Mensch ist ein politisches Lebewesen“, wird uns gesagt: Menschen sind Kreaturen aus Fleisch und Blut, die in Städten und Gemeinschaften aufeinanderstoßen.

Wie in seinen zoologischen Werken sind auch in Aristoteles’ politischen Untersuchungen Beobachtung und Theorie miteinander verbunden. Diogenes Laertius berichtet, dass er die Verfassungen von 158 Staaten gesammelt habe, zweifellos mit Unterstützung von Assistenten im Lyzeum. Eine von diesen, Der Staat der Athener, obwohl sie nicht als Teil des aristotelischen Corpus überliefert ist, wurde 1891 auf Papyrus entdeckt. Trotz einiger stilistischer Unterschiede zu anderen Werken gilt sie heute im Allgemeinen als echt. In einem Nachtrag zur NE, der sich wie ein Vorwort zur Politik liest, sagt Aristoteles, dass er – nachdem er die früheren Schriften über politische Theorie studiert habe – im Lichte der gesammelten Verfassungen untersuchen wolle, worin eine gute und worin eine schlechte Regierung bestehe, welche Faktoren der Bewahrung einer Verfassung zuträglich und welche hier abträglich seien, und welche Verfassung der beste Staat übernehmen solle (NE 10.9.1181b12–23).

Die Politik wurde wahrscheinlich nicht in einem Zug niedergeschrieben, und wie in anderen Schriften überlappen und ergänzen sich wahrscheinlich auch hier Beobachtungen und theoretische Versuche. Die Gliederung des Buches in seiner jetzigen Form entspricht in etwa derjenigen des Programms der NE: Die Bücher 1–3 enthalten eine allgemeine Theorie des Staates sowie eine Kritik an früheren Autoren. Die Bücher 4–6 enthalten eine Darstellung der verschiedenen Verfassungsreformen: drei annehmbare (Monarchie, Aristokratie und Politie) und drei (Tyrannis, Oligarchie und Demokratie), die nicht toleriert werden können. Die Bücher 7 und 8 handeln von der idealen Verfassungsform. Auch in diesem Fall ist die Reihenfolge der Vorträge im Corpus wahrscheinlich nicht deckungsgleich mit derjenigen ihrer chronologischen Entstehung, doch besteht in der Forschung hierüber keine Einigkeit.

Aristoteles beginnt mit der Feststellung, dass der Staat die höchste Form der Gemeinschaft ist, die sich das höchste der Güter zum Ziel setzt. Die einfachsten Gemeinschaften sind Familien aus Männern und Frauen, Herren und Sklaven. Er scheint den Unterschied zwischen Herr und Sklave als nicht weniger natürlich als denjenigen zwischen Mann und Frau anzusehen, obwohl er beklagt, dass es barbarisch sei, Frauen und Sklaven gleich zu behandeln (Pol. 1.2.1252a25–b6). Mehrere Familien machen ein Dorf aus und mehrere Dörfer einen Staat, bei dem es sich um die erste eigenständige Gemeinschaft handelt, die so natürlich ist wie die Familie (Pol. 1.2.1253a2). Obwohl der Staat jünger ist als die Familie, ist er ihr, als ein organisches Ganzes, seinem Wesen nach vorgeordnet, wie auch der menschliche Körper seinen Teilen, wie Händen und Füßen, vorgeordnet ist. Ohne Recht und Gesetz ist der Mensch das wildeste Tier. Wer nicht in einem Staat leben kann, ist ein wildes Tier, jemand, der keinen Staat benötigt, muss ein Gott sein. Die Gründung des Staates war die größte aller Wohltaten, da der Mensch seine Möglichkeiten nur innerhalb eines Staates entfalten kann (Pol. 1.2.1253a25–35).

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Aristoteles hielt Frauen für minderwertiger als Männer. Die Legende hat sich an an ihm gerächt, wie in dieser Illustration eines Textes von Petrarca, in der Aristoteles’ Frau Phyllis auf ihm reitet und ihn schlägt.

Unter den Autoren, die Aristoteles zitiert und kritisiert, nimmt Platon natürlicherweise eine wichtige Stellung ein. Ein großer Teil des zweiten Buchs der Politik beschäftigt sich mit der Kritik der Dialoge Politeia und Nomoi. Wie es in der Ethik keine Idee des Guten gibt, gibt es in der Politik keine Philosophenkönige. Aristoteles ist der Auffassung, dass der platonische Kommunismus zu nichts anderem als Streit führen wird.

Eigentum sollte zwar gemeinsam genutzt werden, sich aber dennoch in Privatbesitz befinden. So können Eigentümer auf ihren Besitz stolz sein und die Freude erfahren, ihn mit anderen zu teilen oder zu verschenken. Aristoteles verteidigt die traditionelle Familie gegen den Vorschlag der Weibergemeinschaft und er missbilligt selbst die eingeschränkte militärische und offizielle Rolle, die den Frauen in den Nomoi zugewiesenen wird. Immer wieder beschreibt er Platons Vorschläge als undurchführbar. Er glaubt, sein Grundirrtum bestehe darin, dass er versuche, den Staat zu einheitlich zu gestalten. Die Vielfalt verschiedener Arten von Mitbürgern ist unerlässlich, und das Leben in einer Stadt sollte nicht wie das Leben in einer Kaserne sein (Pol. 2.3.1261a10–31).

Wenn Aristoteles jedoch seine eigene Darstellung politischer Verfassungen gibt, macht er reichlichen Gebrauch von Platons Vorschlägen. Ein ständig wiederkehrender Unterschied zwischen beiden Autoren ist, dass Aristoteles zur Veranschaulichung seiner theoretischen Auffassungen häufig auf konkrete Beispiele verweist. Doch die begriffliche Struktur ist oft sehr ähnlich. Im folgenden Abschnitt aus Buch 3 ist der Widerhall der späten Bücher des Staates nicht zu überhören.

„Da nun die Staatsverfassung und die Staatsregierung dasselbe meinen und die Staatsregierung das ist, was den Staat beherrscht, so wird dieses Beherrschende eines oder einige oder die Mehrheit sein müssen. Wenn nun der eine oder die einigen oder die vielen im Hinblick auf das Gemeinwohl regieren, dann sind dies notwendigerweise richtige Staatsformen, verfehlte aber jene, wo nur der eigenen Nutzung des eigenen, der einigen oder der vielen bezweckt wird. Denn entweder dürfen diejenigen, die nicht am Nutzen teilhaben, nicht Bürger genannt werden, oder sie müssen als Bürger am Nutzen teilhaben. Wir nennen nun von der Monarchie jene, die auf das Gemeinwohl schaut, das Königtum, von den Regierungen einiger, also mehrerer als eines, die entsprechende die Aristokratie (entweder weil die Besten regieren, oder weil sie zum Besten des Staates und der Gemeinschaft regieren). Wenn aber die Menge zum allgemeinen Nutzen regiert, so wird dies mit den gemeinsamen Namen aller Verfassungen, nämlich Politie genannt. Dies mit Recht: denn daß sich einer oder einige an Tugend auszeichnen, ist wohl möglich, daß dagegen viele in jeder Tugend hervorragen, schwierig; am ehesten noch in der kriegerischen, denn diese besitzt die Masse, und darum ist auch in einer solchen Verfassung das kriegerische Element das maßgebende, und es haben diejenigen an ihr teil, die Waffen tragen. Verfehlte Formen im genannten Sinne sind für das Königtum die Tyrannis, für die Aristokratie die Oligarchie und für die Politie die Demokratie. Denn die Tyrannis ist eine Alleinherrschaft zum Nutzen des Herrschers, die Oligarchie eine Herrschaft zum Nutzen der Reichen und die Demokratie eine solche zum Nutzen der Armen. Keine aber denkt an den gemeinsamen Nutzen aller.“ (Pol. 3.6.1279a26–b10)15

Im Anschluss daran gibt Aristoteles eine detaillierte Bewertung dieser verschiedenen Verfassungsformen. Er legt dabei seine Ansichten über das Wesen des Staates zugrunde. Ein Staat ist nach seiner Auffassung eine Gemeinschaft von Menschen, die eine gemeinsame Sicht dessen besitzen, was gut und schlecht, gerecht und ungerecht ist. Sein Zweck ist es, seinen Bürgern ein gutes und glückliches Leben zu ermöglichen. Gibt es in einer Gemeinschaft ein Individuum oder eine Familie von überragender Vortrefflichkeit, so ist die Monarchie die beste Verfassung. Doch dies ist nur selten der Fall, und das Risiko, dass diese Verfassung missrät, ist groß, denn die Verfallsform der Monarchie ist die Tyrannis, die schlechteste aller Verfassungen. Rein theoretisch ist die Aristokratie nach der Monarchie die nächstbeste Verfassungsform, in der Praxis favorisiert Aristoteles jedoch eine Art konstitutioneller Demokratie, denn was er als „Politie“ bezeichnet, ist ein Staat, in dem die Reichen und Armen gegenseitig ihre Rechte respektieren, und in dem die hierzu qualifizierten Bürger mit der Zustimmung aller Bürger regieren (Pol. 4.8.1293b30ff.). Der Verfall dieser Regierungsform ist dasjenige, was Aristoteles als „Demokratie“ bezeichnet, nämlich eine anarchistische Herrschaft des Pöbels. So schlecht die Demokratie ist, nach Aristoteles ist sie die am wenigsten schlechte der Verfallsformen der Herrschaft.

Die Aufteilung der Regierung in drei Gewalten, in Legislative, Exekutive und Judikative, ist uns heute vertraut. Die Grundlagen dieses Systems werden von Aristoteles dargelegt, obwohl er die Gewalten etwas anders verteilt als zum Beispiel die Verfassung der USA. Alle Verfassungen haben nach seiner Meinung drei Elemente: das deliberative, das ausführende und das richterliche. Das deliberative Element hat Macht in den Angelegenheiten von Krieg und Frieden und im Eingehen von Bündnissen. Es verabschiedet Gesetze, überwacht die Durchführung der gerichtlichen Urteile und überprüft die Konten der den Staat führenden Beamten. Das ausführende Element ist für die Benennung der Minister und Beamten zuständig, angefangen von den Priestern über die Botschafter bis zu den Aufsichtsbeamten für Frauenangelegenheiten. Das richterliche Element besteht aus den zivilen und strafrechtlichen Gerichten (Pol. 4.12.1296b13–1301a12).

Zwei Aspekte der politischen Lehren des Aristoteles haben die politischen Institutionen über viele Jahrhunderte beeinflusst: seine Rechtfertigung der Sklaverei und seine Verurteilung des Wuchers. Einige Leute, sagt uns Aristoteles, glauben, dass die Gewalt von Herren über Sklaven naturwidrig und daher ungerecht sei. Diese Auffassung ist jedoch völlig falsch: Ein Sklave ist jemand, der von Natur aus nicht sich selbst gehört, sondern Eigentum eines anderen Mannes ist. Die Sklaverei ist ein Beispiel für die allgemeine Wahrheit, dass einige Menschen von Geburt an dazu bestimmt sind zu herrschen, andere hingegen beherrscht zu werden (Pol. 1.3.1253b20–3; 5. 1254b22–4).

Aristoteles gibt zu, dass in der Praxis die Sklaverei häufig ungerecht ist. Es gibt einen Brauch, nach dem die Kriegsbeute den Siegern gehört, und hierzu gehört das Recht, aus den Besiegten Sklaven zu machen. Doch viele Kriege sind ungerecht, und Siege in solchen Kriegen erteilen nicht das Recht, die Unterlegenen zu versklaven. Es gibt jedoch einige Menschen, die so minderwertig und animalisch sind, dass es besser für sie ist, von einem gütigen Herren beherrscht, als sich selbst überlassen zu werden. Sklaven sind für Aristoteles lebende Werkzeug – und darum ist er bereit zuzugestehen, dass es keinen Bedarf an Sklaven gäbe, wenn nichtlebende Werkzeuge denselben Zweck erfüllen könnten. „Wenn nämlich jedes einzelne Werkzeug auf einen Befehl hin, oder einen solchen schon voraus ahnend, seine Aufgabe erfüllen könnte, wie man das von den Standbildern des Dädalus […] erzählt […], wenn also auch das Weberschiffchen so webte und das Plektron die Kithara schlüge, dann bedürften weder die Baumeister der Gehilfen, noch die Herren der Sklaven.“ (Pol. 1.4.1253b35–54a1) In einem Zeitalter der Automatisierung würde Aristoteles daher die Sklaverei nicht länger verteidigen.

Obwohl er selbst kein Aristokrat war, hatte Aristoteles eine aristokratische Verachtung für kommerzielle Aktivitäten. Besitz hat seiner Meinung nach zwei Zwecke: einen angemessenen und einen unangemessenen. Die angemessene Verwendung eines Schuhs besteht zum Beispiel darin, ihn zu tragen. Ihn für andere Güter oder Geld einzutauschen, ist eine unangemessene Verwendung (Pol. 1.9.1257a9–10). Gegen Tauschgeschäfte mit dem zum Leben Notwendigen ist nichts einzuwenden, doch der Handel mit Luxusgütern ist, im Gegensatz zur Landwirtschaft, keine naturgemäße Beschäftigung. Beim Handel mit einzelnen Gütern spielt das Geld eine wichtige Rolle, und auch für Geld gibt es eine angemessene und eine unangemessene Verwendung.

„So ist erst recht der Wucher hassenswert, der aus dem Geld selbst den Erwerb zieht, und nicht aus dem, wofür das Geld da ist. Denn das Geld ist um des Tausches willen erfunden worden, durch den Zins vermehrt es sich aber durch sich selbst. Daher hat es auch seinen Namen: das Geborene ist gleicher Art wie das Gebärende, und durch den Zins (tokos) entsteht Geld aus Geld. Diese Art des Gelderwerbs ist also am meisten gegen die Natur.“ (1.10.1258b5–7)16

In Aristoteles’ hierarchischer Stufenfolge des Erwerbslebens stehen Bauern ganz oben, Bankleute ganz unten und Händler in der Mitte. Seine Haltung zur Erhebung von Zinsen war eine der Quellen ihres Verbotes während des gesamten christlichen Mittelalters, in dem es untersagt war, Zinsen auch nur in bescheidener Höhe zu erheben. „Wann hat die Freundschaft“, fragt Antonio Shylock im Kaufmann von Venedig, „jemals einem Freund einen Goldbarren abgenommen?“

Was an der Politik des Aristoteles am meisten auffällt, ist das fast völlige Fehlen jeglicher Hinweise auf Alexander oder auf Mazedonien. Wie ein moderner Vertreter von Amnesty International kommentiert Aristoteles, was in anderen Ländern an Gutem und Schlechtem geschieht, nur nicht in seinem eigenen. Sein eigener Idealstaat sollte aus nicht mehr als 100.000 Bürgern bestehen, und damit noch klein genug sein, dass sich alle Bürger gegenseitig kennen und ihren Beitrag zu den gerichtlichen und politischen Ämtern leisten können. Er ist sehr verschieden von Alexanders Imperium. Wenn Aristoteles sagt, dass die Monarchie die beste Form der Verfassung ist, wenn es in einer Gemeinschaft außerordentlich vortreffliche Personen oder Familien gibt, so fällt überdeutlich auf, dass jeglicher Hinweis auf die mazedonische Königsfamilie fehlt. Tatsächlich scheinen sich die Beziehungen zwischen dem Welteroberer und seinem früheren Lehrer während der Jahre des Lyzeums abgekühlt zu haben. Alexander wurde immer größenwahnsinniger und verkündete schließlich, er sei göttlicher Natur. Aristoteles’ Neffe Callisthenes leitete im Jahre 327 den Widerstand gegen die Forderung des Königs, dass sich Griechen als Ausdruck der Anbetung vor ihm niederwerfen sollten. Er wurde auf lügenhafte Weise mit einer Verschwörung in Zusammenhang gebracht und hingerichtet. Der großmütige und hervorragende Mann, der der Held der ersten Bücher der NE ist, hat einige der grandiosen Eigenschaften Alexanders. In der EE werden die angeblichen Tugenden der Großmütigkeit und Prachtentfaltung jedoch abgewertet, und im Mittelpunkt stehen nunmehr Milde und Erhabenheit.17

Die Kosmologie des Aristoteles

Die Mehrzahl der überlieferten Werke des Aristoteles behandelt nicht hervorbringende oder praktische, sondern theoretische Wissenschaften. Seine biologischen Werke haben wir bereits besprochen. Es ist Zeit, etwas über seine Physik und seine Chemie zu sagen. Seine Beiträge zu diesen Wissenschaften sind sehr viel weniger beeindruckend als seine Forschungen in den Lebenswissenschaften. Während noch Darwin von seinen zoologischen Schriften beeindruckt war, wurde seine Physik bereits im sechsten Jahrhundert überholt.

In seinen Schriften De generatione et corruptione und De caelo übergibt Aristoteles seinen Nachfolgern ein Bild der Welt, das viele Merkmale enthält, die von den Vorsokratikern übernommen wurden. Er übernahm die vier Elemente des Empedokles, d.h. Erde, Wasser, Luft und Feuer. Jedes von ihnen zeichnet sich dadurch aus, dass es ein ihm eigentümliches Paar der Eigenschaften warm, kalt, feucht und trocken besitzt: Die Erde ist kalt und trocken, die Luft warm und feucht, usw. Jedes Element hatte im geordneten Kosmos seinen natürlichen Platz sowie eine ihm wesentliche Tendenz, sich zu diesem Platz hinzubewegen. Daher fallen die erdigen Festkörper nach unten, während das Feuer, wenn es ungehindert ist, in immer größere Höhen steigt. Jede dieser Bewegungen ist seinem Element natürlich. Andere Bewegungen sind möglich, können aber nur mit Gewalt herbeigeführt werden. (Ein Relikt dieser aristotelischen Unterscheidung ist unsere Rede von einem natürlichen oder gewaltsamen Tod.)

In seinen naturwissenschaftlichen Abhandlungen bietet Aristoteles Erklärungen einer großen Anzahl natürlicher Phänomene anhand der Elemente, ihrer grundlegenden Eigenschaften und ihrer natürlichen Bewegung. Die philosophischen Begriffe, die er zur Formulierung dieser Erklärungen verwendet, umfassen ein Spektrum verschiedener Formen von Ursachen (materiale, formale sowie Wirk- und Endursachen) sowie eine Analyse der Veränderung als Übergang von der Möglichkeit zur Wirklichkeit, sei es (bei einer substanziellen Änderung) von Stoff zu Form oder (bei einer zufälligen Änderung) von einer Qualität einer Substanz zu einer anderen. Diesen technischen Begriffen, die er in einer so erstaunlichen Vielzahl von Kontexten verwendet, werden wir uns in späteren Kapiteln noch ausführlicher zuwenden.

Aristoteles’ Sicht des Kosmos verdankt viel seinen vorsokratischen Vorgängern und Platons Dialog Timaios. Die Erde befindet sich im Mittelpunkt des Universums. Sie ist von einer Reihe konzentrischer Kristallsphären umgehen, die den Mond, die Sonne und die Planeten auf ihrer Reise über den sichtbaren Himmel tragen. Die Himmelskörper waren nicht aus den vier Elementen der Erde zusammengesetzt, sondern bestanden aus einem höheren fünften Elemente bzw. der Quintessenz. Sie hatten einen Körper und eine Seele, d.h. eine lebende, übernatürliche Intelligenz, die ihre Reise durch den Kosmos lenkte. Diese Intelligenzen waren Beweger, die sich selbst in Bewegung befanden, und hinter ihnen, argumentierte Aristoteles, musste es eine Quelle der Bewegung geben, die sich selbst nicht in Bewegung befand. Die einzige Weise, auf die ein unveränderlicher, ewiger Beweger in anderen Wesen eine Bewegung verursachen konnte, bestand darin, dass er sie als ein Liebesobjekt anzieht, und dass sich diese Anziehungskraft in ihrer vollkommenen Kreisbewegung ausdrückt. So findet Dante, in den letzten Zeilen des Paradieses, seinen eigenen Willen wie ein gleichmäßig sich drehendes Rad in die Liebe verfangen, die die Sonne und alle anderen Sterne bewegt.

Selbst die besten naturwissenschaftlichen Arbeiten von Aristoteles sind heute nur noch von historischem Interesse. Der bleibende Wert von Abhandlungen wie seiner Physik besteht in der philosophischen Analyse einiger grundlegender Begriffe, die sich durch die Physik verschiedener Zeitalter ziehen, wie zum Beispiel Raum, Zeit, Kausalität und Determinismus. Wir werden sie in Kapitel 5 noch genauer untersuchen. Für Aristoteles waren Biologie und Psychologie nicht weniger Teile der Naturwissenschaft als Physik und Chemie, da auch sie verschiedene Formen der Physis beziehungsweise der Natur studierten. Die biologischen Werke haben wir bereits betrachtet; auf die psychologischen Werke werden wir in Kapitel 7 genauer eingehen.

Zum aristotelischen Corpus gehört, zusätzlich zu den systematischen wissenschaftlichen Abhandlungen, eine riesige Sammlung von Gelegenheitsnotizen über wissenschaftliche Themen, die sogenannten Problemata. Seiner Struktur nach scheint dies ein gewöhnliches Buch gewesen zu sein, in das Aristoteles vorläufige Antworten auf Fragen schrieb, die ihm von Studenten oder Korrespondenten gestellt wurden. Da diese Fragen eher wahllos gruppiert sind und oft mehrfach auftauchen – und manchmal unterschiedlich beantwortet werden – scheint es unwahrscheinlich, dass sie von Aristoteles selbst verfasst wurden, sei es als einzelne Fragenreihe oder im Laufe seines Lebens. Doch diese Sammlung enthält zahlreiche faszinierende Details, die einen Einblick in die Arbeitsweise dieses alles verschlingenden Geistes erlauben.

Manche dieser Fragen sind von der Art, wie sie ein Patient seinem Arzt stellen könnte. Sollten Geschwüre in den Achseln oder der Leistengegend mit Medikamenten behandelt oder chirurgisch entfernt werden? (Prob. 1. 34. 863a21) Ist es wahr, dass sich mit einer Mischung aus Portulak und Salz eine Gaumenentzündung behandeln lässt? (Prob. 1. 38. 863b12) Ist Kohl wirklich ein Heilmittel gegen einen Kater? (Prob. 3. 17. 873b1) Warum es so schwer, den Geschlechtsverkehr unter Wasser auszuführen? (Prob. 4. 14. 878a35) Andere Fragen und Antworten zeigen uns Aristoteles eher in der Rolle einer Kummerkastentante. Was tut man am besten gegen die unerwünschten Folgen von Knoblauchgenuss? (Prob. 13. 2. 907b28–908a10) Wie kann man verhindern, dass Gebäck hart wird? (Prob. 21. 12. 928a12) Warum küssen betrunkene Männer alte Frauen, die sie im nüchternen Zustand niemals küssen würden? (Prob. 30. 15. 953b15) Ist es richtig, Diebstähle von einem öffentlichen Ort härter zu bestrafen als Diebstähle aus einem Privathaus? (Prob. 29. 14. 952a16) Eine ernstere Frage lautet: Warum ist es schlimmer, eine Frau als einen Mann zu töten, obwohl das Männliche dem Weiblichen von Natur aus überlegen ist? (Prob. 29. 11. 951a12)

Ein ganzes Buch der Problemata (26) ist im Wesentlichen der Wettervorhersage gewidmet. Andere Bücher enthalten Fragen, die einfach eine allgemeine Neugier zum Ausdruck bringen. Warum geht uns das Geräusch, das beim Schärfen einer Säge entsteht, durch Mark und Bein? (Prob. 7. 5. 886b10) Warum haben Menschen keine Mähne? (Prob. 10. 25. 893b17) Warum niest von allen Tieren allein der Mensch, und warum schielte nur er? (Stimmt das?) (Prob. 10. 50. 896b5; 54. 897a1) Warum zählen Barbaren und Griechen bis 10? (Prob. 15. 3. 910b23) Warum eignet sich eine Flöte besser zur Begleitung einer Solostimme als eine Leier? (Prob. 19. 43. 922a1) Häufig stellen die Problemata Fragen der Art „Warum ist dies und das der Fall?“, wenn es passender gewesen wäre zu fragen: „Ist dies und das der Fall?“ Zum Beispiel: „Warum haben Fischer rote Haare?“ (Prob. 37. 2. 966b25) Warum kann ein großer Chor den Takt besser halten als ein kleiner? (Prob. 19. 22. 919a36)

Die Problemata zeigen uns einen Aristoteles, der seine Seele baumeln lässt, ähnlich wie spätere Autoren in ihren Tischgesprächen. Eine seiner Fragen wird besonders denjenigen gefallen, denen seine schwierigeren Werke einen größeren Lesewiderstand entgegengesetzt haben: „Warum werden manche Leute, wenn sie beginnen, ein ernsthaftes Buch zu lesen, gegen ihren Willen vom Schlaf überwältigt?“ (Prob. 18. 1. 916b1)

Das Vermächtnis von Aristoteles und Platon

Als Alexander der Große im Jahre 323 starb, wurde es im demokratischen Athen selbst für einen anti-imperialistischen Makedonier unbehaglich. Aristoteles sagte, er wünsche nicht, dass die Stadt, die Sokrates hingerichtet hatte, „ein zweites Mal gegen die Philosophie sündigt“. Er floh nach Chalkis, wo er im Jahr darauf starb. Sein Testament, das uns erhalten geblieben ist, trifft fürsorgliche Vorkehrungen für eine große Anzahl von Freunden und für von ihm abhängige Personen. Seine Bibliothek vererbte er Theophrast, seinem Nachfolger in der Leitung des Lyzeums. Seine eigenen Schriften und Aufzeichnungen waren von enormem Umfang und einer ungeheuren intellektuellen Spannweite. Was davon überliefert ist, umfasst etwa eine Million Wörter, und man sagt, dass wir nur ein Fünftel seines Gesamtwerks besitzen. Wie wir gesehen haben, gehörten hierzu, außer den philosophischen Abhandlungen über Logik, Metaphysik, Ethik, Ästhetik und Politik, auch historische Arbeiten über Verfassungen, Theater und Sport sowie wissenschaftliche Werke über Botanik, Zoologie, Biologie, Psychologie, Chemie, Meteorologie, Astronomie und Kosmologie.

Seit der Renaissance ist es üblich, die Akademie und das Lyzeum als zwei gegensätzliche Pole der Philosophie zu betrachten. Nach dieser Tradition war Platon idealistisch, utopisch und weltfern, Aristoteles hingegen realistisch, utilitaristisch und ein Anhänger des gesunden Menschenverstandes. In Raffaels Schule von Athen trägt Platon daher die Farben der flüchtigen Elemente Luft und Feuer und zeigt gen Himmel, während Aristoteles, im Blau des Wassers und Grün der Erde gekleidet, mit beiden Beinen fest auf der Erde steht. „Jeder Mensch wird als Aristoteliker oder Platonist geboren“, schrieb S. T. Coleridge. „Dies sind die beiden Klassen der Menschen, und es ist so gut wie unmöglich, sich außer diesen eine dritte vorzustellen.“ Der Philosoph Gilbert Ryle traf die Sache im 20. Jahrhundert besser als Coleridge. Er meinte, man könne die Menschen nach vier Dichotomien in zwei Klassen unterteilen: grün/blau, süß/herzhaft, Katzen/Hunden und Platon/Aristoteles. „Nenne mir deine Präferenz in einem dieser Paare“, so pflegte er zu sagen, „und ich nenne dir deine Präferenz in den anderen drei.“18

Wie wir jedoch bereits gesehen haben, und im Folgenden noch genauer sehen werden, sind die Lehren, die Platon und Aristoteles gemeinsam sind, wichtiger als diejenigen, die sie voneinander unterscheiden. Vielen Philosophiehistorikern seit der Renaissance war dies weniger klar als den zahlreichen Kommentatoren der Spätantike, die es als ihre Pflicht ansahen, einen harmonischen Einklang zwischen den beiden größten Philosophen der alten Welt herzustellen.

Es wird manchmal behauptet, dass ein Philosoph nach der Wichtigkeit der von ihm gestellten Fragen beurteilt werden sollte, nicht nach der Richtigkeit der von ihm gegebenen Antworten. Wenn dies zutrifft, hat Platon einen unanfechtbaren Anspruch darauf, der Philosoph von höherem Rang gewesen zu sein. Er war der erste, der Fragen von großer Tiefgründigkeit stellte, von denen viele auch für die heutige Philosophie nach wie vor offene Fragen sind. Doch auch Aristoteles kann beanspruchen, einen beträchtlichen Beitrag zum intellektuellen Erbe der Welt geleistet zu haben. Denn er hat den Begriff der Wissenschaft erfunden, wie wir ihn heute verstehen und wie er seit der Renaissance verstanden worden ist.

Zum einen ist er der Erste, dessen überlieferte Schriften detaillierte Beobachtungen von Naturphänomenen enthalten. Zweitens war er der erste Philosoph, der über ein solides Verständnis der Beziehung zwischen Beobachtung und Theorie in der wissenschaftlichen Methode verfügte. Drittens unterschied und klassifizierte er die verschiedenen wissenschaftlichen Fächer und untersuchte die Beziehungen zwischen ihnen: Ihm verdanken wir den Begriff einer gesonderten wissenschaftlichen Disziplin. Viertens ist er der erste Professor, der seine Vorlesungen in Kurse gegliedert und sich die Mühe gemacht hat zu entscheiden, welches der ihnen angemessenste Platz in einem Lehrplan ist (vgl. Pol. 1.10.1258a20). Fünftens war sein Lyzeum das erste Forschungsinstitut, über das wir genaue Kenntnis haben, in dem eine Reihe von Gelehrten und Forschern bei gemeinsamen Untersuchungen und Dokumentationen zusammenarbeiteten. Sechstens, und nicht weniger wichtig, war er die erste Person in der Geschichte, die eine Forschungsbibliothek aufgebaut hat – nicht nur eine Handvoll Bücher für seine eigene Nutzung, sondern eine systematische Sammlung, die zur Nutzung durch seine Kollegen und für die Nachwelt bestimmt war.19 Aus all diesen Gründen steht jeder akademische Wissenschaftler der heutigen Welt in Aristoteles’ Schuld. Den Titel, den Dante ihm gab, hat er mehr als verdient: „der Meister derer, die wissen“.

Die Schule des Aristoteles

Theophrast (372–287), Aristoteles’ genialer Nachfolger als Leiter des Lyzeums, führte die Forschungen seines Meisters in mehrfacher Hinsicht fort. Er verfasste umfangreiche Schriften zur Botanik, einem Wissensgebiet, das Aristoteles kaum berührt hatte. Er verbesserte Aristoteles’ Modallogik und sah einige Neuerungen voraus, die von der Stoa später vorgenommen wurden. Er widersprach einigen Grundprinzipien von Aristoteles’ Kosmologie, wie zum Beispiel über das Wesen der Orte im Raum und die Notwendigkeit eines unbewegten Bewegers. Wie sein Meister war er schriftstellerisch ungeheuer produktiv. Allein die Liste der Titel seiner Werke nimmt in der Loeb-Ausgabe seiner Biografie von Diogenes Laertius 16 Seiten ein. Sie umfassen Essays über Schwindel, Honig, Haare, Witze und den Ausbruch des Ätna. Das bekannteste der von ihm überlieferten Werke ist ein Buch mit dem Titel Charaktere. Sein Inhalt ist an Aristoteles’ Darstellung der individuellen Tugenden und Laster in der Ethik angelehnt, seine mit Witz und Scharfsinn verfassten Skizzen der verschiedenen Charaktere sind jedoch präziser und lebhafter. Er war ein sorgfältiger und fleißiger Philosophiehistoriker, und ein Teil der von ihm überlieferten Darstellung früherer Lehren, Über die Sinne, ist unsere Hauptquelle für vorsokratische Theorien der Empfindung.

Demetrios von Phaleron, ein Schüler Theophrasts, war ein Berater von Ptolemäus, eines Generals von Alexander, der sich im Jahre 305 selbst zum König von Ägypten ernannte. Möglicherweise war er es, der vorschlug, in der neuen Stadt Alexandria eine Bibliothek aufzubauen, die sich an Aristoteles’ Vorbild orientierte. Das Projekt wurde schließlich von Ptolemäus’ Sohn Ptolemäus’ II Philadelphos realisiert. Die Geschichte von Aristoteles’ eigener Bibliothek ist von Dunkel umhüllt. Nach dem Tod von Theophrast scheint sie nicht vom nächsten Leiter des Lyzeums, dem Physiker Strato, sondern von Theophrasts Neffen Neleos von Skepsis geerbt worden zu sein, einem der letzten überlebenden Schüler von Aristoteles. Man sagt, Neleos’ Erben hätten die Bücher in einer Höhle versteckt, damit sie nicht von den Agenten des Königs Eumenes konfisziert würden, der in Pergamon eine Bibliothek aufbaute, die diejenige in Alexandria übertreffen sollte. Nachdem sie von einem Bücherfreund gerettet und nach Athen gebracht worden waren, so geht die Geschichte weiter, sollen die Bücher von dem römischen General Sulla konfisziert worden sein, als er die Stadt im Jahre 86 v. Chr. einnahm. Sie sollen dann nach Rom gebracht worden sein, wo sie schließlich Andronikos von Rhodos um die Mitte des ersten Jahrhunderts v. Chr. redigiert und herausgegeben haben soll (Strabo 609–9; Plutarch, Sulla 26).20

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Eine venezianische Darstellung von König Ptolemäus und seiner Bibliothek in Alexandria.

Sämtliche Einzelheiten dieser Geschichte wurden von dem einen oder anderen Gelehrten infrage gestellt,21 wenn sie wahr ist, würde sie jedoch erklären, warum die Schriften des Aristoteles in der Zeit zwischen Theophrast und Cicero in Vergessenheit gerieten. Sehr treffend hat man festgestellt: „Hätte Aristoteles im Jahre 272 v. Chr., 50 Jahre nach seinem Tod, nach Athen zurückkehren können, würde er die Stadt kaum als das intellektuelle Milieu wiedererkannt haben, in dem er für einen Großteil seines Lebens gelehrt und geforscht hatte.“22

Es war nicht so, dass sich in der Philosophie zu diesem Zeitpunkt in Athen nichts ereignete, ganz im Gegenteil. Obwohl das Lyzeum unter Strato nur noch ein Schatten seiner selbst war, und die platonische Akademie unter ihrem neuen Leiter Arkesilaos die Metaphysik aufgegeben und sich stattdessen einem engen Skeptizismus verschrieben hatte, gab es zwei neue blühende philosophische Schulen in der Stadt. Die bekanntesten Philosophen in Athen waren weder Mitglieder der Akademie noch des Lyzeums, sondern die Gründer dieser neuen Schulen: Epikur, der eine als Der Garten bekannte Schule gegründet hatte, und Zenon von Kitium, dessen Anhänger Stoiker genannt wurden, weil sie in der Stoa, einer bemalten Säulenhalle, lehrten.

Epikur

Epikur wurde in Samos in eine aus Athen ausgewanderte Familie geboren. In Aristoteles’ letztem Lebensjahr kam er für einen kurzen Besuch nach Athen. Während früherer Reisen hatte er bei einem Anhänger von Demokrit studiert, und auf den griechischen Inseln mehr als eine Schule gegründet. Im Jahre 306 zog er dauerhaft nach Athen und lebte dort bis zu seinem Tod im Jahre 271. Zu seinen Anhängern im Garten gehörten Frauen und Sklaven. Sie führten ein von der übrigen Welt abgeschirmtes Leben und ernährten sich von einfachen Speisen. Es wird berichtet, er habe über 300 Bücher geschrieben, doch alles, was von ihm intakt überliefert wurde, sind drei Briefe und zwei Maximensammlungen. Seine Naturphilosophie ist in einem Brief an Herodot und einem an Pythokles dargestellt. Im dritten Brief, an Menoecos, fasst er seine ethischen Lehren zusammen. Die erste Sammlung der Maximen, vierzig an der Zahl, wurde uns, wie die drei Briefe, im Leben des Epikur von Diogenes Laertius überliefert. Sie hat den Titel Kyriai Doxai, oder wichtigste Lehren. Einundachtzig ähnliche Aphorismen wurden 1888 in einer Handschrift im Vatikan gefunden. Fragmente von Epikurs verlorener Abhandlung Über die Natur wurden beim Ausbruch des Vesuvs im Jahre 79 in Herculaneum von Vulkanasche begraben. Mühsame Versuche, die Fragmente zu entrollen und zu entziffern, die im Jahre 1800 begannen, werden bis heute fortgesetzt. Das Meiste, was wir über seine Lehren wissen, verdanken wir jedoch den überlieferten Schriften seiner Anhänger, insbesondere einem wesentlich späteren Autor, dem lateinischen Dichter Lukrez.

Das Ziel von Epikurs Philosophie besteht darin, ein glückliches Leben zu ermöglichen, indem die Angst vor dem Tod beseitigt wird, dem größten Hindernis der Geistesruhe. Die Menschen kämpfen um Reichtum und Macht, um den Tod verzögern zu können. Sie stürzen sich in fieberhafte Aktivitäten, um seine Unausweichlichkeit vergessen zu können. Die Angst vor dem Tod wird durch die Religion geschürt, indem sie uns die Möglichkeit des Leidens nach dem Tod vor Augen hält. Dies ist jedoch eine Illusion. Die von der Religion angedrohten Schrecken sind Märchen, die wir aufgeben und uns stattdessen eine wissenschaftliche Sicht der Welt aneignen müssen.

Die wissenschaftliche Sicht der Welt ist hauptsächlich vom Atomismus Demokrits übernommen. Nichts kann aus nichts entstehen: Die Grundbausteine der Welt sind ewige, unveränderliche und unteilbare Einheiten oder Atome. Diese Atome, von denen es unendlich viele gibt, bewegen sich im Leeren, das mit dem leeren und unendlichen Raum gleichgesetzt wird: Wenn es das Leere nicht gäbe, wäre Bewegung unmöglich. Diese Bewegung hatte keinen Anfang, und anfänglich bewegten sich alle Atome mit konstanter und gleicher Geschwindigkeit nach unten. Von Zeit zu Zeit wichen sie doch von ihrer geraden Bahn ab und stießen zusammen, und aus diesen Zusammenstößen der Atome ist alles im Himmel und auf Erden entstanden. Die Abweichung der Atome schafft Raum für die menschliche Freiheit, obwohl ihre Bewegungen blind und zwecklos sind. Atome haben keine anderen Eigenschaften als Gestalt, Gewicht und Größe. Die Eigenschaften der wahrnehmbaren Körper sind keine Illusionen, doch basieren sie auf den grundlegenden Eigenschaften der Atome. Es gibt eine unendliche Anzahl von Welten, von denen einige der unseren ähnlich sind, andere hingegen unähnlich (Brief an Herodot, D.L. 10. 38–45).

Wie alles andere, so besteht auch die Seele aus Atomen, die sich von anderen Atomen nur dadurch unterscheiden, dass sie kleiner und feiner sind. Beim Tod verteilen sie sich, und die Seele hört auf wahrzunehmen (Brief an Herodot, D.L. 10. 63–7). Auch die Götter bestehen aus Atomen, doch sie leben in einer weniger turbulenten Region, in der es keine Auflösung gibt. Sie führen ein glückliches Leben, ungetrübt durch Sorgen um die Menschen. Aus diesem Grunde ist der Glaube an Vorbestimmung ein Aberglaube und sind religiöse Rituale eine Zeitverschwendung (Brief an Menoecos, D.L. 10. 123–5). Da wir, dank der Abweichung der Atome von ihrer Bahn, freie Wesen sind, liegt unser Schicksal in unserer eigenen Hand: Die Götter verhängen weder ein notwendiges Geschick, noch greifen sie in unsere Entscheidungen ein.

Epikur hielt die Sinne für zuverlässige Informationsquellen, deren Funktionsweise darin besteht, dass sie von den Körpern der Außenwelt abgegebene Bilder auf unsere Seelenatome übertragen. Die sinnlichen Eindrücke sind, an sich selbst, niemals falsch, sondern wir gelangen zu falschen Urteilen auf der Grundlage wahrheitsgemäßer Erscheinungen. Wenn die Erscheinungen sich widersprechen (zum Beispiel wenn etwas glatt aussieht, sich aber rau anfühlt), muss der Geist zwischen diesen widerstreitenden Zeugnissen zu einem Urteil gelangen.

Anfang und Ende eines glücklichen Lebens ist für Epikur die Lust. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Epikur ein Epikureer war. Sein eigenes und das Leben seiner Anhänger war alles andere als luxuriös: Ein gutes Stück Käse, sagte er, sei so gut wie ein Fest. Obwohl er in der Theorie Hedonist war, befolgte er in der Praxis eine Unterscheidung, die er zwischen verschiedenen Arten der Lust vornahm. Es gibt eine Art von Lust, die aus der Befriedigung unserer Wünsche nach Essen, Trinken und sexueller Betätigung stammt, doch ist dies eine minderwertige Art von Lust, da sie mit Schmerzen verbunden ist. Die Wünsche, die diese Lüste befriedigen, sind selbst mit Schmerzen verbunden, und ihre Befriedigung führt zu erneutem Verlangen. Die Freuden, denen man nachstreben sollte, sind ruhige Genüsse, wie es zum Beispiel der Genuss einer privaten Freundschaft ist (Brief an Menoecos, D.L. 10. 27–32).

Bis zum Ende seines Lebens bestand Epikur darauf, dass für einen Philosophen die Freude, unter welchen Umständen auch immer, den Schmerz überwiegen könne. Auf seinem Sterbebett schrieb er an seinen Freund Idomeneos den folgenden Brief: „Es ist der gepriesene Festtag und zugleich der letzte Tag meines Lebens, an dem ich diese Zeilen an euch schreibe. Harnzwang und Dysenterie haben sich bei mir eingestellt mit Schmerzen, die jedes erdenkliche Maß überschreiten. Als Gegengewicht gegen alles dies dient die freudige Erhebung der Seele bei der Erinnerung an die zwischen uns gepflogenen Gespräche.“ (D.L. 10. 22) Sterbend wurde er seiner Überzeugung gerecht, dass der Tod, obwohl ihm nicht zu entkommen ist, kein Übel darstellt, wenn wir ihn mit einer wahrhaft philosophischen Sichtweise betrachten.

Die Stoiker

Die Stoiker suchten, wie die Epikureer, nach der Ruhe des Geistes, aber auf einem anderen Weg. Der Gründer der Stoa war Zenon von Kitium (334–262 v. Chr.). Er wurde auf Zypern geboren, ging jedoch im Jahre 313 nach Athen. Für die Philosophie begeisterten ihn Xenophons Erinnerungen an Sokrates. Man sagte ihm, unter den Zeitgenossen käme Krates der Kyniker Sokrates am nächsten. Kynismus war kein Satz philosophischer Lehren, sondern eine Art zu leben, die Wohlstand verachtete und konventionelles Wohlverhalten gering schätzte. Sein Gründer war Diogenes von Sinope, der wie ein Hund lebte („zynisch“ bedeutet „hündisch“), in einem Fass statt in einem Käfig. Er trug anstößige Kleidung und hing für seinen Lebensunterhalt von Almosen ab. Diogenes war ein Zeitgenosse Platons, für den er wenig Respekt hatte. Berühmt war er dafür, dass er Alexander den Großen, als dieser ihn fragte: „Was kann ich für dich tun?“, mit den Worten „Geh’ mir aus der Sonne“ abfertigte (D.L. 6. 38). Krates war von Diogenes so beeindruckt, dass er sein Vermögen den Armen gab und Diogenes’ unkonventionellen Lebensstil nachahmte. Er war allerdings weniger menschenfreundlich und hatte einen ausgesprochenen Sinn für Humor, den er in poetischen Satiren zum Ausdruck brachte. Zenon war eine Zeit lang Krates’ Schüler, doch er wurde kein Kyniker und kein „Aussteiger“, obwohl er Festmahle mied und es liebte, sich zu sonnen. Nach einigen Jahren in der Akademie gründete er seine eigene Schule in der Stoa Poikile. Er führte einen systematischen Lehrplan in die Philosophie ein, der in drei Hauptdisziplinen unterteilt war: Logik, Ethik und Physik. Logik galt seinen Anhängern als das Skelett der Philosophie, die Ethik als ihr Fleisch und die Physik als ihre Seele (D.L. 7. 37). Zenon studierte unter dem bedeutenden Logiker Diodoros Kronos aus Megara und war ein Mitschüler von Philon, der die Grundlagen für eine Entwicklung der Logik legte, die – in einigen Bereichen – im Vergleich zu Aristoteles eine Verbesserung bedeutete.23 Er selbst war jedoch mehr an Ethik interessiert.

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Alexander steht Diogenes in der Sonne.

Es mag überraschen, dass ein Moralist wie Zenon der Physik den ersten Platz im philosophischen Lehrplan einräumte. Doch für Zenon und die späteren Stoiker war Physik das Studium der Natur, und die Natur war für sie Gott. Diogenes Laertius berichtet: „Zenon lehrt, dass die ganze Welt und der Himmel die Substanz Gottes sind.“ (D.L. 7. 148) Gott ist ein aktives Prinzip und die Materie ist ein aktives Prinzip. Beide sind körperlicher Natur, und gemeinsam machen sie ein alles durchdringendes, kosmisches Feuer aus (LS 45G).

Zenons Werke sind uns nicht überliefert: Sein Staat war in der Antike das wichtigste von ihnen. Er verband einen platonischen Utopianismus mit einigen kynischen Elementen. Zenon verwarf das herkömmliche Erziehungssystem und hielt es für eine Energieverschwendung, Sportstätten, Gerichtshöfe und Tempel zu bauen. Er empfahl die Weibergemeinschaft und war der Meinung, dass Männer und Frauen die gleiche, freizügige Kleidung tragen sollten. Geld sollte abgeschafft werden, und für die gesamte Menschheit, die wie eine grasende Herde durch ein gemeinsames Gesetz gehegt und erzogen werden sollte, nur ein einziges Rechtssystem existieren (LS 67A).

Trotz dieser kommunistischen Vorschläge, die viele seiner eigenen späteren Schüler schockierten, wurde Zenon zu Lebzeiten von den Athenern, die ihn zu einem ihrer Ehrenbürger machten, Hochachtung entgegengebracht. König Antigonos von Makedonien lud ihn ein, sein persönlicher Philosoph zu werden, doch Zenon erklärte, er sei hierfür zu alt, und schickte stattdessen zwei seiner begabtesten Schüler an den Hof des Königs. Nach Zenos Tod wurde seine Rolle als Leiter der Stoa von Kleanthes (331–232) übernommen, einem ehemaligen Boxer mit religiösen Neigungen. Kleanthes schrieb eine Hymne an Zeus, die später von Paulus in einer Predigt in Athen zitiert wurde, in der das stoische aktive Prinzip in Begriffen verherrlicht wurde, die für den jüdisch-christlichen Monotheismus akzeptabel waren. Die grundlegende Gottesvorstellung der Stoa ist von derjenigen der biblischen Religionen jedoch sehr verschieden. Gott ist nicht vom Universum getrennt, sondern ein materieller Bestandteil des Kosmos. In seinen Prosaschriften beschreibt Kleanthes auf detaillierte Art und Weise, wie das feurige göttliche Element allen lebenden Wesen in der Welt ihre Lebenskraft liefert (Cicero, ND 2. 23–5).24

Nach Kleanthes übernahm Chrysippos von Soli von 232 bis 206 die Leitung der Schule. Chrysippos war Kleanthes’ Schüler, doch scheint er für seinen Lehrer nicht viel Respekt gehabt zu haben. „Du teilst mir deine Theorien mit“, soll er gesagt haben, „und ich versehe sie mit Beweisen.“ Er verbrachte einige Zeit als Student der Akademie und impfte sich dadurch gegen den Skeptizismus. Er war der intelligenteste und fleißigste der hellenistischen Stoiker. Seine literarische Produktion war gewaltig: Sein Haushälter berichtete, dass er täglich 500 Zeilen schrieb. Er hinterließ 705 Bücher, überlebt haben jedoch nur Fragmente. Allerdings wird deutlich, dass er es war, der die Stoa zu einem System abgerundet hat. Man pflegte zu sagen: „Denn ohne den Chrysipp gäb’s auch die Stoa nicht“ (D.L. 7. 183).

Die einzelnen Beiträge der drei frühen Stoiker lassen sich nur schwer genau auseinanderhalten, da alle ihre Werke verloren gegangen sind. Es besteht jedoch kaum ein Zweifel daran, dass die bedeutenden Fortschritte in der Logik, denen wir uns im nächsten Kapitel zuwenden werden, hauptsächlich das Verdienst von Chrysippos gewesen sind. In der Physik ersetzte er als Lebensprinzip der Tiere und Pflanzen Kleanthes’ Feuer durch den Atem (pneuma). Er akzeptierte die aristotelische Unterscheidung zwischen Stoff und Form, doch als guter Materialist bestand er darauf, dass auch die Form körperlich sei, nämlich pneuma. Die Seele und der Geist des Menschen bestehen aus diesem Pneuma; ebenso Gott, der die Seele des Kosmos ist, der in seiner Gesamtheit ein vernünftiges Tier darstellt. Wären Gott und die Seele nicht selbst körperlich, so argumentierten die Stoiker, wären sie nicht in der Lage, auf die materielle Welt einzuwirken.

Das vollständig entwickelte physikalische System der Stoa lässt sich folgendermaßen zusammenfassen. Es gab einmal eine Zeit, in der nichts existierte außer Feuer. Allmählich tauchten die anderen Elemente und die uns vertrauten Gegenstände und Objekte des Universums auf. Zu einem späteren Zeitpunkt wird die Welt in einer kosmischen Feuersbrunst wieder zum Feuer zurückkehren, und dann wird sich der ganze Zyklus ihrer Geschichte immer und immer wieder von neuem vollziehen. All dies geschieht in Übereinstimmung mit einem System von Gesetzen, die man als „Schicksal“ (da die Gesetze keine Ausnahmen zulassen) oder als „Vorsehung“ (weil die Gesetze von Gott zu wohltätigen Zwecken eingerichtet wurden) bezeichnen kann. Das göttlich gestaltete System wird Natur genannt, und das Ziel unseres Lebens sollte darin bestehen, in Übereinstimmung mit der Natur zu leben.

Chrysippos war außerdem der Hauptautor des ethischen Systems der Stoa, die auf dem Prinzip der Unterwerfung unter die Natur basiert. Nichts kann den Gesetzen der Natur entkommen, doch trotz des Determinismus des Schicksals sind die Menschen frei und verantwortlich. Gehorcht der Wille der Vernunft, so lebt er in Übereinstimmung mit der Natur. Das Wesen der Tugend besteht in dieser freiwilligen Annahme der Gesetze der Natur, und die Tugend ist sowohl notwendig als auch hinreichend für ein glückliches Leben.25

Alle Stoiker waren sich darin einig, dass ein tugendhafter Mensch, da die Gemeinschaft dem Menschen natürlich ist, in seinem Bestreben in Harmonie mit der Natur zu leben, eine Rolle in der Gemeinschaft übernehmen und soziale Tugenden kultivieren wird. Chrysippos hatte jedoch einige ethische und politische Ansichten, die ihn von den anderen Stoikern unterschieden. Wie Zenon schrieb er eine Abhandlung über den Staat, in der er Inzest und Kannibalismus verteidigt haben soll (LS 67f.). Chrysippos unterschied sich von einigen seiner Gefährten darin, dass er darauf bestand, ein Philosoph müsse sich nicht der Gelehrsamkeit widmen: Es sei für einen Stoiker akzeptabel, ja sogar lobenswert, am politischen Leben aktiv teilzunehmen (LS 67w).

Skeptizismus in der Akademie

In der zweiten Hälfte des dritten Jahrhunderts wurde die stoische Lehre von der Akademie angegriffen. Die akademischen Erben Platons begannen, sich von Platons alles infrage stellendem Meister Sokrates inspirieren zu lassen, und wendeten sich einer Form des Skeptizismus zu. Von 273 bis 242 wurde die Akademie von Arkesilaos, einem Schüler Pyrrhons von Elis geleitet, den man häufig als Gründer des philosophischen Skeptizismus ansieht. Pyrrhon, der ein älterer Zeitgenosse Epikurs war und als Soldat in Alexanders Armee gedient hatte, lehrte, dass man nichts wissen könne, und schrieb demzufolge keine Bücher. Es waren Arkesilaos und Timon, ein anderer von Pyrrhons Schülern, die den Skeptizismus in den frühen Jahren des dritten Jahrhunderts nach Athen brachten. Timon bestritt die Möglichkeit, dass irgendwelche selbstevidenten Prinzipien gefunden werden könnten, die als Grundlage der Wissenschaften dienen könnten. Ohne solche Axiome müsse jede Argumentation letztlich zirkulär und endlos sein.

Der Skeptizismus von Timon und Arkesilaos kam im Werke von Karneades, der der Akademie von 155 bis 137 vorstand, in einer veränderten und differenzierteren Form zur Vollendung. Wie Pyrrhon hinterließ Karneades keine Schriften, seine Argumente wurden jedoch von einem Schüler aufgezeichnet, der seine äußerst beliebten Vorlesungen besuchte. Sie sind uns hauptsächlich durch die guten Dienste von Cicero überliefert worden, der einmal von Karneades Schüler Philon unterrichtet wurde. Im Jahre 155 wurde Karneades, zusammen mit einem stoischen und peripatetischen Philosophen, von Athen in einer diplomatischen Angelegenheit nach Rom geschickt. Während dieses Aufenthalts stellte er seine rhetorischen Fähigkeiten unter Beweis, indem er an aufeinanderfolgenden Tagen zunächst für und dann gegen die Gerechtigkeit argumentierte. Der römische Zensor Cato, der diese Veranstaltung miterlebte, schickte ihn aufgrund seines subversiven Einflusses wieder nach Hause (LS 68M).

Arkesilaos kritisierte die Stoiker, da sie behaupteten, ihre Wahrheitssuche auf geistige Eindrücke zu gründen, die unmöglich falsch sein konnten: Er bestritt, dass es solche Eindrücke gebe. Auch Karneades griff die stoische Erkenntnistheorie an und lehrte, dass nicht die unerreichbare Wahrheit, sondern Wahrscheinlichkeit als Leitfaden der Lebensführung dienen sollte, und obwohl er selbst kein Atheist war, verspottete er sowohl den traditionellen Götterhimmel als auch den stoischen Pantheismus auf gnadenlose Weise. Seine Argumente gegen die stoische Theorie der Weissagung wurden von Cicero übernommen und geschickt weiterentwickelt.26

Lukrez

Kein Philosoph des zweiten Jahrhunderts war so intelligent oder überzeugend wie Karneades, und im ersten Jahrhundert ging die philosophische Vorrangstellung von griechischen auf lateinische Autoren über. Die lateinische Philosophie begann, wie die griechische, zunächst in Versform und wurde erst später in Prosa verfasst. Das erste vollständige lateinische philosophische Werk, das uns überliefert ist, ist ein langes und großartiges Gedicht in Hexametern: Über das Wesen der Dinge von Lukrez.

Über das Leben von Lukrez ist so gut wie nichts bekannt: Wir können über die ungefähre Entstehungszeit seines Gedichts mutmaßen, indem wir feststellen, dass es von Cicero im Jahre 54 gelesen wurde und einem Mann namens C. Memmius, der sich im Jahre 53 um das Amt des Konsuls bewarb, gewidmet war. Lukrez war ein bewundernder Verehrer Epikurs, und die sechs Bücher des Gedichts legen das epikureische System in Gedichtform dar – wie Cicero bemerke: immer mit großer Kunstfertigkeit und manchmal mit genialen Geistesblitzen. Lukrez selbst beschreibt seine dichterischen Fähigkeiten als Honig, der den Wermutsgeschmack der Philosophie überdeckt (RN 1. 947). Teile des Gedichts wurden von John Dryden ins Englische übersetzt. Hätte er seine Arbeit vollendet, wäre seine Version ein würdiger Rivale von Popes Essay on Man.

Lukrez beginnt sein Gedicht, indem er den Mut Epikurs lobt, mit dem dieser die Angst der Religion von sich geworfen habe. Die Menschen könnten der Tyrannei der Priester nicht die Stirne bieten, weil sie Angst vor ewigen Strafen hätten; doch diese Angst hätten sie nur, weil sie das Wesen der Seele nicht verstünden. In seinem ersten Buch entfaltet Lukrez den epikureischen Atomismus: Die Natur besteht aus einfachen Körpern und dem Leeren. Die Körper werden von den Sinnen wahrgenommen und das Leere durch vernünftige Schlüsse erwiesen. Körper bestehen aus Atomen, wie Wörter aus Buchstaben bestehen: Die Wörter „ignis“ und „lignum“ bestehen aus fast denselben Buchstaben, ebenso wie die von ihnen bezeichneten Dinge, nämlich Feuer und Holz, aus fast denselben Atomen bestehen (RN 1. 911–14). In einer berühmten Passage zu Anfang des zweiten Buches beschreibt Lukrez wie der Philosoph, aus der Höhe der Tugend, auf die kleinlichen Streitereien der Menschheit herabschaut. Er rühmt das epikureische Streben nach einfachen Freuden und der Vermeidung unnötiger Wünsche:

„O wie arm ist der Menschen Verstand, wie blind ihr Verlangen!

In welch finsterer Nacht und in wieviel schlimmen Gefahren

Fließt dies Leben, das bißchen, dahin! Erkennt man denn gar nicht,

Daß die Natur nichts andres erheischt, als daß sich der Körper

Wenigstens frei von Schmerzen erhält und der Geist sich beständig

Heiteren Sinnes erfreut und Sorgen und Ängsten entrückt ist?

Weniges ist’s demnach, was im ganzen für unseres Körpers

Wesen erforderlich scheint: Fernhalten jeglichen Schmerzes!“ (RN 2. 16–28)27

Das dritte Buch erläutert die epikureische Theorie der Seele und den Mechanismus der Empfindung. Wenn wir die materielle Natur der Seele verstanden haben, erkennen wir, dass die Angst vor dem Tod kindisch ist. Ein toter Körper kann nichts fühlen, und der Tod lässt kein Selbst zurück, das leiden könnte. Es sind die Überlebenden, die das Recht auf Trauer haben. „Gib die Angst vor dem Tod auf“, sagt Lukrez seinem Gönner:

„Du wirst so, wie du jetzt im Tode entschlummerst, auch künftig

Ruhen, erlöst von allen dich kränkenden Schmerzen und Nöten;

Doch wir standen dabei, als du auf dem schaurigen Holzstoß

Wurdest zu Asche verbrannt. Wir beweinten dich bitterlich; nie wird

Kommen der Tag, der den ewigen Gram aus den Herzen uns nähme.

Hier nun darf man wohl fragen: ‚Was ist denn so Bittres geschehen?‘

Wenn doch die Sache auf Schlaf und auf ewige Ruhe hinausläuft […]“ (RN 3. 90–6)

Selbst Epikur musste sterben, obwohl sein Genie im Vergleich zu den anderen Denkern so hell leuchtete, dass er sie völlig überstrahlt, wie auch die aufgehenden Sonne das Licht der Sterne unsichtbar macht (RN 3. 1042–4).

Das vierte Buch des Lukrez, über das Wesen der Liebe, ist voller lebensnaher Beschreibungen sexueller Aktivität sowie der atomistischen Erklärungen der zugrunde liegenden Physiologie. Zweifellos war es der Inhalt dieses Buches, was zu der – von St. Jerome berichteten und von Tennyson in ein Drama verwandelten – Legende führte, Lukrez habe dieses Gedicht in den geistesgegenwärtigen Zwischenzeiten eines Wahnsinns verfasst, der durch den übermäßigen Genuss eines Liebestranks hervorgerufen worden sei.

Von St. Jerome stammt auch die Überlieferung, dass das Gedicht unvollendet geblieben und nach dem Tod des Dichters von Cicero herausgegeben worden sei. Dies scheint unwahrscheinlich, da Cicero, nachdem er seine Bewunderung der ersten Lektüre dieses Gedichts zum Ausdruck gebracht hat, es in seinen eigenen philosophischen Schriften niemals erwähnt, obwohl er auf das epikureische System relativ ausführlich eingeht.

Cicero

Ciceros eigene Philosophie war eklektisch, was für den Historiker eine Wohltat ist, da seine Schriften Informationen über eine Vielzahl philosophischer Tendenzen enthalten. Er machte seine erste Bekanntschaft mit den verschiedenen philosophischen Schulen, als er in seinen späten 20er Jahren in Athen studierte. Später studierte er in Rhodos unter dem Stoiker Posidonios. Er wurde stark von Philon von Larisa beeinflusst, dem letzten Leiter der Akademie, der im Jahre 88 v. Chr. von Athen nach Rom kam. In seinem Haus lebte bis zu dessen Tod im Jahre 60 als sein persönlicher Guru der Stoiker Diodotos.

Lange Zeit blieb in Ciceros geschäftigem Leben in Politik und vor Gericht keine Muße für irgendwelche andere als politische Philosophie. In seinen späten 50er Jahren ahmte er Platon nach, indem er ein Buch über den Staat und eins über die Gesetze schrieb, die uns jedoch nur teilweise überliefert sind. Als jedoch Julius Cäsar nach einem Bürgerkrieg, in dem er auf der anderen Seite gestanden hatte, seine stärkste Machtstellung errungen hatte, zog er sich aus dem öffentlichen Leben zurück. Einen großen Teil der Diktatur Cäsars verbrachte Cicero mit literarischen Aktivitäten, und nach dem Tod seiner einzigen Tochter Tullia im Februar 45 schrieb er immer und immer mehr, um seinen Schmerz zu vergessen. Die meisten seiner philosophischen Werke wurden in den Jahren 45 und 44 geschrieben.

Die ersten beiden, eine Trostschrift über den Tod von Tullia, und der Hortensius, eine Ermahnung zum Studium der Philosophie, die im Leben des heiligen Augustinus eine dramatische Rolle spielen sollte, gingen verloren. Zehn weitere Schriften, deren thematische Breite und Eloquenz beeindruckend sind, blieben jedoch erhalten.

Cicero setzte es sich zum Ziel, ein lateinisches philosophisches Vokabular zu schaffen, damit die Römer Philosophie in ihrer eigenen Sprache studieren konnten. Tatsächlich leiten sich viele philosophische Ausdrücke der modernen Sprachen von seinen lateinischen Prägungen ab. Seiner eigenen Meinung nach nahm er Elemente verschiedener philosophischer Tendenzen auf. In der Erkenntnistheorie favorisierte er die gemäßigten skeptischen Auffassungen, die er bei Philon kennengelernt hatte: Er legt das akademische System und seine Varianten in seinem Buch Academica dar, das in zwei unterschiedlichen Versionen erschien. In der Ethik gab er der stoischen vor der epikureischen Tradition den Vorzug. Er suchte in der Moralphilosophie Trost und Beruhigung. In seinen Schriften De Finibus bonorum et malorum (Über das höchste Gut und das größte Übel) und den Tusculanae disputationes (Gesprächen in Tusculum) schreibt er, oft mit großer Leidenschaft und sprachlicher Schönheit, über die Beziehung zwischen Gefühl, Tugend und Glück. Seine Schriften über die Natur der Götter und über das Schicksal enthalten interessante Diskussionen aus der philosophischen Theologie und zur Frage des Determinismus. Seine Schrift über die Weissagung macht guten Gebrauch von Argumenten, die er – auf einem Umweg – bei Karneades kennengelernt hatte.28

Ciceros philosophische Arbeiten sind ohne Tiefe, aber seine Argumente sind häufig scharfsinnig, sein Stil ist immer elegant, und er kann große menschliche Wärme zum Ausdruck bringen. Seine Essays über Freundschaft und das Alter haben sich über die Jahrhunderte großer Beliebtheit erfreut. Sein letztes moralphilosophisches Werk, De officiis (Über die Pflichten), war, kurz nach der Ermordung von Julius Cäsar im März 44, an seinen Sohn gerichtet. Zu verschiedenen Zeiten der Geschichte galt es als unerlässliches Element in der Erziehung eines Gentlemans.

Nach Cäsars Tod kehrte Cicero mit bitteren Angriffen auf den cäsarischen Konsul Markus Antonius in die Politik zurück. Nachdem sich Antonius mit Cäsars Adoptivsohn Octavian zusammengeschlossen hatte, wurde Cicero in dem Putsch, den sie gemeinsam organisierten, hingerichtet. Den Streit zwischen den beiden, der dazu führte, dass Antonius bei Actium im Jahre 31 besiegt wurde, hat er nicht mehr miterlebt. Als Octavian, der seinen Namen zu Augustus änderte, erster römischer Kaiser wurde, war er bereits tot.

Judentum und Christentum

Das für die langfristige Entwicklung der Philosophie wichtigste Ereignis im ersten Jahrhundert des römischen Weltreichs war das Leben Jesu von Nazareth. Die Wirkung seiner Lehre auf die Philosophie war natürlich verzögert und indirekt und seine eigene Morallehre war nicht ohne Vorgänger. Wie Platons Sokrates vor ihm lehrte er, dass wir Böses nicht mit Bösem vergelten sollten. Er ermahnte seine Zuhörer, ihren Nächsten zu lieben wie sich selbst, doch damit zitierte er das alte jüdische Buch Levitikus29. Er lehrte uns, dass wir nicht nur schlechte Taten unterlassen, sondern auch von falschen Gedanken und Wünschen Abstand nehmen sollten. Auch Aristoteles hatte gesagt, dass ein wirklich tugendhafter Mensch niemals etwas moralisch Falsches tun möchte. Jesus lehrte seine Anhänger, die Vergnügungen und Ehrungen der Welt zu verachten, doch auf ihre eigene Weise lehrten dies auch die Epikureer und die Stoiker. Betrachtet man ihn als Moralphilosophen, war Jesus kein großer Neuerer: Doch das war natürlich überhaupt nicht die Rolle, in der er sich selbst und in der seine Jünger ihn sahen.

Der Rahmen der Lehre Jesu war das Weltbild der jüdischen Bibel, nach dem Gott der Herr, Jahwe, Himmel und Erde und alles, was darin ist, durch sein Wort geschaffen hat. Die Juden waren Gottes auserwähltes Volk, einzigartig privilegiert durch den Besitz des Moses offenbarten göttlichen Gesetzes. Wie Heraklit und andere griechische und jüdische Denker sagte Jesus voraus, dass es ein von einer kosmischen Katastrophe begleitetes, göttliches Gericht über die Welt geben werde. Im Gegensatz zu den Stoikern erwartete er diese kosmische Auflösung nicht in einer unbestimmten fernen Zukunft, sondern als unmittelbar bevorstehendes Ereignis, in dem er selbst als Messias eine wichtige Rolle spielen würde.

Um die Zeit der Kreuzigung Jesu (ca. im Jahre 30) wurden jüdische Ideen in Rom zunehmend stärker wahrgenommen. Da die heiligen Schriften der Juden in Alexandria zur Zeit Ptolemäus’ I ins Griechische übersetzt worden waren, gab es eine beachtliche, Griechisch sprechende jüdische Diaspora. Im ersten nachchristlichen Jahrhundert war Philon der herausragende Vertreter der hellenistischen jüdischen Kultur. Im Jahre 40 leitete er eine Delegation zum Kaiser Caligula, um gegen die Verfolgung der Juden in Alexandria und die Zumutung zu protestieren, den Kaiser anbeten zu müssen. Er schrieb einen Bericht über das Leben Moses’ sowie eine Reihe von Kommentaren über den Pentateuch, der die Absicht verfolgte, die heiligen Schriften der Juden für Menschen, die in der griechischen Kultur erzogen worden waren, verständlich und attraktiv zu machen.

In seiner Frühzeit verbreitete sich das Christentum durch die Griechisch sprechende Diaspora im römischen Weltreich, doch es kam schon bald in Kontakt mit der heidnischen Philosophie. Als Paulus in Athen das Evangelium predigte, führte er ein Streitgespräch mit epikureischen und stoischen Philosophen, und die Predigt gegen den Götzendienst, die ihm in der Apostelgeschichte in den Mund gelegt wird, ist kunstvoll komponiert und zeigt ein Bewusstsein von den Themen, um die es diesen philosophischen Sekten geht. Indem er sich vom Altar zu Ehren des unbekannten Gottes inspirieren ließ, unternahm es Paulus, den Philosophen den Gott zu zeigen, den sie unwissend verehrten.

„[Gott] ist nicht ferne von einem jeglichen unter uns. Denn in ihm leben, weben und sind wir; wie auch etliche Poeten bei euch gesagt haben: ‚Wir sind seines Geschlechts.‘ So wir denn göttlichen Geschlechts sind, sollen wir nicht meinen, die Gottheit sei gleich den goldenen, silbernen und steinernen Bildern, durch menschliche Kunst und Gedanken gemacht.“ (Apostelgeschichte, 17: 27–9)

Der „Poet“, den Paulus hier zitiert, war Kleanthes, der zweite Leiter der Stoa. Spätere Legenden stellten sich Paulus in philosophischen Gesprächen mit dem stoischen Philosophen Seneca vor. Die Geschichte ist zweifellos unwahr, doch war sie nicht vollständig aus der Luft gegriffen. Paulus erschien einmal vor Gericht vor Senecas Bruder Gallio, und er hatte Freunde im Palast von Senecas Herrn und Meister Nero.

Die Stoa der Kaiserzeit

Der bedeutendste Philosoph des ersten Jahrhunderts war Seneca. Er wurde zu Beginn des christlichen Zeitalters in Córdoba in Spanien geboren. Im Alter von 49 Jahren machte man ihn zum Lehrer des 12-jährigen Nero. Als Nero im Jahre 54 den Thron bestieg, wurde er zu einem seiner leitenden Berater, und er führte den Kaiser durch eine Zeit relativ erfolgreicher Regierung, die im Jahre 59 mit Neros Ermordung seiner eigenen Mutter endete. Nach 62 verlor Seneca sämtlichen Einfluss auf Nero, und er zog sich allmählich aus dem öffentlichen Leben zurück. Im Jahre 65 wurde er gezwungen, sich die Adern aufzuschneiden, da er angeblich an einer Verschwörung gegen den Tyrannen teilgenommen hatte, und er starb einen sokratischen Tod.

Seneca schrieb eine Reihe von Tragödien und hinterließ uns ein Notizbuch mit Fragen über Naturphänomene, doch sein Ruf als Philosoph basiert auf zehn ethischen Dialogen und auf seinen 124 Episteln über moralphilosophische Fragen, die hauptsächlich in der Zeit entstanden, in der er sich aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen hatte. Senecas Stil stützt sich stärker auf Ermahnungen als auf Argumente und er predigt lieber, als dass er argumentiert. An Logik zeigte er kein Interesse und er hatte eine philisterhafte Haltung zu den Freien Künsten: Er verglich jemanden mit einem übermäßigen literarischen Wissen mit einem Mann, der in seinem Haus zu viele Möbel hat (Ep. 88. 36). Er hatte ein mäßiges Interesse an den Naturwissenschaften und schrieb eine Abhandlung Über Fragen der Natur, doch liebte er es, aus natürlichen Phänomenen eine Moral zu ziehen, und von den drei Zweigen der stoischen Philosophie galt sein Hauptinteresse der Ethik.

Er ermahnt uns, eine immer größere Freiheit von unseren Affekten anzustreben. Im längsten und bekanntesten seiner Dialoge, De ira (Über den Zorn), besteht er auf dem entscheidenden Unterschied zwischen einem aufgewühlten Körper einerseits und falschen Auffassungen andererseits, die für ihn wesentlich zu den Dingen gehören, von denen wir uns reinigen und befreien müssen. Bezüglich dieser Frage waren sich die früheren Stoiker nicht einig gewesen. „Keine der Dinge, die den Geist zufällig treffen, sollten Leidenschaften genannt werden: Es sind nicht Dinge, die der Geist verursacht, sondern solche, die ihm zustoßen. Es ist nicht Leidenschaft, von den Erscheinungen der Dinge affiziert zu werden, die sich uns darstellen. Leidenschaft besteht darin, sich ihnen zu ergeben und dieser zufälligen Einwirkung zu folgen.“ (Ir. 2. 3. 1) Weinen, Erblassen, plötzliches tiefes Einatmen und sexuelle Erregung sind keine Leidenschaften, sondern lediglich körperliche Phänomene. Worauf es ankommt, sind die begleitenden Gedanken. Seneca gelingt sein Feldzug gegen die Affekte mit größerer Klarheit und Energie, nachdem diese Unterscheidung getroffen ist.

Seneca war Materialist. Er akzeptierte die stoische Lehre, dass der menschliche Geist ein materieller Teil einer materiellen, göttlichen Weltseele ist (Ep. 66. 12). Doch schreibt er häufig über das Verhältnis zwischen Seele und Körper auf eine Weise, die dezidiert jenseitig ist. „[Die Seele] ist niemals eher göttlich als dann, wenn sie an ihre Sterblichkeit denkt und weiß, dazu ist der Mensch geboren, daß er das Leben hinter sich bringe, und nicht ein Heim ist dieser Körper, sondern eine Herberge für kurze Zeit, die du verlassen hast, sobald du siehst, daß du dem Wirt lästig wirst.“ (Ep. 120. 14)30 Seneca erkennt die Schwierigkeit des stoischen Wegs zur Tugend. Er unterscheidet zwischen drei Stadien des moralischen Fortschritts. Es gibt Menschen, die einige Laster aufgegeben haben, jedoch nicht alle – sie sind ohne Habgier, jedoch nicht ohne Zorn; ohne Begierde, aber nicht ohne Leidenschaft, und so weiter. Dann gibt es solche, die alle Leidenschaften aufgegeben haben, jedoch noch rückfällig werden können. Die dritte Gruppe, die der Weisheit am nächsten kommt, besteht aus denjenigen, bei denen kein Rückfall möglich ist, die aber noch kein sicheres Selbstbewusstsein ihrer Tugend erlangt haben (Ep. 75. 8–14).

Außerdem machte Seneca die stoische Unterscheidung zwischen Lehrsätzen und Vorschriften populär. Die Lehrsätze stellen den allgemeinen philosophischen Rahmen bereit, während die Vorschriften es ermöglichen, den wahren Begriff des höchsten Guts in speziellen Ratschlägen an Einzelne auszudrücken (Ep. 94. 2). Mit dieser Unterscheidung gelang es den Stoikern, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen, dass ihr System zu abgehoben sei, um von praktischem Nutzen sein zu können, und es berechtigte den Philosophen, die Art seelsorgerlicher Ratschläge zu erteilen, von denen Senecas Briefe voll sind.

Von vielen wurde Seneca, in der Antike und der neueren Zeit, als scheinheilig angesehen: Er sei ein Mann gewesen, der die Barmherzigkeit lobe, sich aber an den Verbrechen eines Tyrannen beteilige; ein Mann, der die Wertlosigkeit irdischer Güter predige, aber ein riesiges Vermögen ansammle. Zu seiner Verteidigung kann man sagen, dass er auf Nero einen bremsenden Einfluss ausübte und dass er während seiner letzten Lebensjahre eine wirkliche Distanz zur Welt gesucht hat. Er gab sich, was seine eigene Fähigkeit betraf, den stoischen Maßstäben zu genügen, keinen Illusionen hin: „Ich bin nicht nur sehr weit davon entfernt, perfekt, sondern davon, ein halbwegs anständiger Mensch zu sein“, schrieb er (Ep. 57. 3).

Seneca war der Gründungsvater der Stoa der römischen Kaiserzeit. Zwei weitere bedeutende Vertreter der Schule zeigen, für wie breite Schichten die Stoa während der Kaiserzeit attraktiv war: der Sklave Epiktet und der Kaiser Marcus Aurelius. Die Stoiker waren während dieser Periode ihrer Geschichte wesentlich weniger an Logik und Physik interessiert als ihre Vorgänger in hellenistischer Zeit, und wie bei Seneca, ist es vor allem die Moralphilosophie von Epiktet und Marcus Aurelius, durch die sie in die Geschichte der Philosophie eingegangen sind.31

Die Lebensdaten Epiktets sind nicht genau bekannt. Wir wissen jedoch, dass er mit einigen anderen Philosophen durch den Kaiser Domitian im Jahre 89 aus Rom verbannt wurde. Aus der Sklaverei freigelassen, obwohl dauerhaft gelähmt, gründete er eine Schule in Epiros. Sein Bewunderer Arrian veröffentlichte vier Bücher mit seinen Abhandlungen und ein Handbuch seiner Hauptlehren (enchiridion). Epiktet gehört zu den lesbarsten Stoikern. Er hat einen rauen und scherzhaften Stil und bedient sich ständig der Einwürfe imaginärer Gesprächspartner. Aus diesem Grunde war er, außer für Philosophen, auch für viele andere Autoren interessant. Matthew Arnold zählt ihn, zusammen mit Homer und Sophokles, zu den drei Männern, die ihn am meisten erleuchtet haben:

„Er, dessen Freundschaft ich wenig später gewann,

Dieser humpelnde Sklave, der in Nikopolis

Arrians Lehrer war, als Vespasians brutaler Sohn

Rom von dem befreite, was ihn am meisten schämte.“32

Typisch für Epiktets Stil ist die folgende Passage über den Selbstmord, in der er sich vorstellt, dass unter Tyrannei und Ungerechtigkeit leidende Menschen sich an ihn wenden:

„Epiktet, wir ertragen es nicht länger, an diesen Leib gefesselt zu sein, ihm Speise und Trank geben zu müssen, ihn ausruhen zu lassen, ihn waschen, uns nach diesem und jenem richten zu müssen. Ist das alles nicht gleichgültig? Ist nicht der Tod für uns eine Erlösung? Sind wir nicht mit Gott verwandt und von ihm hergekommen? Laß uns dahin zurückkehren, woher wir gekommen sind“ (Disc. 1. 9. 12)33

Er antwortet auf folgende Weise:

„Ihr Menschen, wartet auf Gott. Wenn er euch ruft und vom Dienst ablöst, dann geht zu ihm; für jetzt aber bleibt ruhig auf eurem Platze, auf den er euch gestellt hat.“34

Statt im Selbstmord Rettung zu suchen, sollten wir erkennen, dass keine der Übel dieser Welt uns wirklich schaden können. Um dies zu zeigen, setzt Epiktet das Selbst dem moralischen Willen (prohairesis) gleich.

„Wenn mich der Tyrann bedroht und herbeizitiert, antworte ich: ‚Was ist es, was du mir androhst?‘ Wenn er sagt: ‚Ich lasse dich in Ketten legen‘, antworte ich: ‚Es sind meine Hände und meine Füße, die er bedroht.‘ Wenn er sagt: ‚Ich werde dich enthaupten lassen‘, antworte ich: ‚Es ist mein Hals, den er bedroht.‘ Bedroht er dich also überhaupt nicht? Nein, solange nicht, wie ich all dies als nichtig für mich erachte. Wenn ich jedoch zulasse, dass ich irgendwelche dieser Drohungen fürchte, dann ja, dann bedroht er mich. Wen gibt es sonst noch, vor dem ich Angst haben müsste? Ein Mann, der die Dinge beherrscht, die in meiner Macht stehen? – Einen solchen Mann gibt es nicht. Ein Mann, der die Dinge beherrscht, die nicht in meiner Macht stehen? – Warum sollte ich mir über ihn Gedanken machen?“ (Disc. 1. 29)

Menschen, die unter der Herrschaft von Tyrannen leben mussten, haben in den Schriften Epiktets immer wieder Trost gefunden. Doch in seinem eigenen Zeitalter war derjenige, der von ihnen am meisten beeindruckt war, selbst Herrscher der römischen Welt: Marcus Aurelius Antoninus. Er wurde 161 zum Kaiser ernannt und verbrachte einen großen Teil seines Lebens damit, die Grenzen des römischen Weltreichs zu verteidigen, das seine größte Ausdehnung erreicht hatte. Obwohl er selbst Stoiker war, gründete er in Athen Lehrstühle für die drei wichtigsten philosophischen Schulen: die platonische, die peripatetische und die epikureische.

Während seiner Feldzüge fand er Zeit, Eintragungen in ein philosophisches Notizbuch vorzunehmen, das heute als seine Selbstbetrachtungen bekannt ist. Es ist eine Sammlung von Aphorismen und Gesprächen zu Themen wie der Kürze des Lebens, der Notwendigkeit, für das Gemeinwohl zu arbeiten, die Einheit der Menschheit und den verderblichen Einfluss der Macht. Er versuchte, Patriotismus mit einer die gesamte Menschheit im Auge behaltenden Perspektive zu vereinbaren. „Meine Stadt und mein Land“, sagte er, „sofern ich Antonius bin, ist Rom; aber sofern ich ein Mensch bin, ist es die Welt“. Er redete vom Universum als von „Zeus’ geliebter Stadt“. Einer von Marcus Aurelius Freunden war der Arzt Galen, der nach Rom kam, nachdem er der Arzt der Gladiatoren von Pergamon gewesen war. Seine umfangreichen Schriften gehören eher zur Geschichte der Medizin als der Philosophie, obwohl er ein ernst zu nehmender Logiker war und eine Schrift mit dem Titel Dass ein guter Arzt ein Philosoph sein muss verfasste. Er korrigierte Aristoteles’ Physiologie in einem wichtigen Punkt, der für das korrekte Verständnis der Beziehung zwischen Leib und Seele von entscheidender Bedeutung war. Aristoteles hatte geglaubt, dass der Sitz der Seele das Herz sei, und er hielt das Gehirn lediglich für ein Organ, das zur Abstrahlung der Blutwärme dient. Galen entdeckte, dass Nerven, die vom Gehirn und vom Rückenmark ausgehen, zur Einleitung von Muskelkontraktionen notwendig sind, weshalb er das Gehirn und nicht das Herz als primären Sitz der Seele ansah.

Frühe christliche Philosophie

Mit Marcus Aurelius verabschiedete sich die Stoa von der Bühne der Philosophie. Der Epikureismus befand sich bereits im Ruhestand. Unter den Schulen der Philosophie, für die der Kaiser in Athen Lehrstühle einrichtete, fiel eine durch ihre Abwesenheit auf: das Christentum. Tatsächlich leitete Marcus eine grausame Verfolgung der Christen ein und verwarf ihre Märtyrertode als theatralisch. Einer von denen, die unter ihm hingerichtet wurden, war Justin, der erste christliche Philosoph, der ihm eine Apologia, eine Verteidigung des Christentums gewidmet hatte.

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Die Feldzüge von Marcus Aurelius, dargestellt auf einer Säule in Rom.

Beachtenswerte Versuche, die Religion von Jesus und Paulus mit der Philosophie von Platon und Aristoteles in Einklang zu bringen, unternahmen Christen erstmals zu Beginn des zweiten Jahrhunderts. Clemens von Alexandria veröffentlichte eine Reihe von Sammlungen (stromateis), die im Stil von Tischreden verfasst waren, in denen er dafür argumentierte, dass das Studium der Philosophie nicht nur erlaubt, sondern für einen gebildeten Christen sogar notwendig sei. Die griechischen Denker seien Erzieher für die Jugendzeit der Welt, von Gott dazu bestimmt, sie in ihrer Reife zu Christus zu bringen. Clemens nahm Platon als Verbündeten gegen dualistische, christliche Häretiker in Anspruch, er experimentierte mit aristotelischer Logik und lobte das stoische Ideal der Freiheit von den Affekten. Auf die Weise Philons erklärte er Aspekte der Bibel, und insbesondere des alten Testamentes, die gebildete Griechen abstoßend fanden, als allegorisch. Hiermit gründete er eine Tradition, die in Alexandria eine lange Geschichte haben sollte.

Clemens stellte Anthologien zusammen und betätigte sich als Popularisator, während sein jüngerer alexandrinischer Zeitgenosse Origenes (185–254) ein origineller Denker war. Obwohl er sich selbst hauptsächlich als Student der Bibel verstand, hatte Origenes zu Füßen des alexandrinischen Platonisten Ammonius Saccas gesessen, und er integrierte in sein System zahlreiche philosophische Ideen, die Christen mehrheitlich für häretisch hielten. Mit Platon glaubte er, dass menschliche Seelen bereits vor der Geburt oder Empfängnis existieren. Die menschlichen Seelen, die in einer früheren Existenz freie Geister gewesen waren, konnten in ihrem inkarnierten Zustand, unterstützt durch die Gnade Christi, ihren freien Willen dazu verwenden, eine himmlische Bestimmung zu erreichen. Er glaubte, dass am Ende aller Zeiten alle vernünftigen Wesen, Sünder ebenso wie Heilige, und Teufel ebenso wie Engel, gerettet werden und einen seligen Zustand erreichen würden. Es würde eine Auferstehung der Leiber geben, von denen er (laut einiger unserer Quellen) annahm, dass sie kugelförmig sein würden, da Platon erklärt hatte, dass die Kugel die vollkommenste aller Gestalten sei.

Origenes’ exzentrische Lehren brachten ihn in Konflikt mit den örtlichen Bischöfen, und seine Treue zum Christentum legte ihn unter den Bann des Reiches. Er wurde ins Exil nach Palästina verbannt, wo er, gegen seinen heidnischen Mitplatoniker Celsus, philosophische Argumente zur Verteidigung des christlichen Glaubens an Gott, der Freiheit und der Unsterblichkeit vorbrachte. Er starb im Jahre 254, nach mehrfachen Folterungen, während der Christenverfolgung durch den Kaiser Traianus Decius.

Das Wiedererwachen von Platonismus und Aristotelismus

Während die christliche Philosophie an ihrem Anfang stand und sich die Stoa und der Epikureismus im Niedergang befanden, kam es zu einer fruchtbaren Wiederbelebung der Philosophien von Platon und Aristoteles. Plutarch (etwa 46–120) wurde in Böotien geboren und verbrachte dort den größten Teil seines Lebens, doch er hatte in Athen studiert und gab mindestens bei einer Gelegenheit Vorlesungen in Rom. Am bekanntesten wurde er als Historiker für seine parallelen Biografien von 23 berühmten Griechen und Römern. In ihrer Übersetzung während des elisabethanischen Zeitalters durch Sir Thomas North gaben sie Shakespeare die Handlungsabläufe und einen Großteil der Inspiration für seine römischen Schauspiele, doch er schrieb außerdem etwa 60 kurze Abhandlungen über beliebte philosophische Themen, die unter dem Titel Moralia zusammengestellt wurden. Er war Platonist und schrieb einen Kommentar zum Timaios. Außerdem verfasste er eine Reihe polemischer Schriften gegen die Stoiker und Epikureer, die zum Niedergang dieser Systeme beitrugen. Sie haben parallele Titel wie zum Beispiel Über die Widersprüche der Epikureer und Über die Widersprüche der Stoiker, oder Über den freien Willen in Antwort auf Epikur und Über den freien Willen in Antwort auf die Stoiker. Einer der längsten der von ihm überlieferten Essays hat den Titel Dass Epikur ein angenehmes Leben in Wahrheit unmöglich macht, und ein anderer ist ein Angriff auf ein ansonsten unbekanntes Werk von Kolotes, eines der ersten Schüler Epikurs. Obwohl seine Schriften von Philosophen um ihrer selbst willen nur selten gelesen werden, haben ihnen Historiker seit Langem die Informationen entnommen, die diese Schriften über die von ihnen angegriffenen Gegner enthalten.

Zunächst noch wichtiger als die beginnende Wiederbelebung des Platonismus war der Beginn einer gelehrten Kommentierung von Aristoteles’ Schriften. Der älteste erhalten gebliebene Kommentar über einen Text ist ein Werk von Aspasius über die Ethik aus dem zweiten Jahrhundert. Es steht am Anfang der Tradition, die Nikomachische Ethik für kanonisch zu halten. Am Ende des Jahrhunderts wurde Alexander von Aphrodisias auf den peripatetischen Lehrstuhl in Athen berufen, und er verfasste umfangreiche Kommentare über die Metaphysik, über De Sensu, sowie einige der Werke zur Logik. In Pamphleten über die Seele und das Schicksal stellte er seine eigenen Entwicklungen aristotelischer Ideen vor. Aristoteles hatte, auf dunkler Weise, von einem aktiven Intellekt gesprochen, der in menschlichen Wesen für die Begriffsbildung verantwortlich sei. Alexander setzte diesen aktiven Intellekt mit Gott gleich. Diese Interpretation sollte später einen großen Einfluss auf die arabischen Anhänger von Aristoteles haben, während sie von den Christen abgelehnt wurde, die den aktiven Intellekt für ein Vermögen jedes einzelnen Menschen hielten.

Plotin und Augustinus

Es war jedoch Platon, nicht Aristoteles, der den größeren philosophischen Einfluss in der Abenddämmerung der klassischen Antike hatte. Plotin (205–270) war ein Zeitgenosse des Christen Origenes, wie er Schüler von Ammonius Saccas und der letzte der großen heidnischen Philosophen. Nach einer kurzen militärischen Karriere ließ er sich in Rom nieder und gewann die Gunst des kaiserlichen Hofes. Er spielte mit dem Gedanken, in Campania eine platonische Republik zu gründen. Seine Werke wurden nach seinem Tod von seinem Schüler und Biografen Porphyrios zu sechs Gruppen von neun Abhandlungen (Enneaden) zusammengefasst. Sie sind in einem knappen, schwer zugänglichen Stil verfasst und behandeln eine Vielzahl von philosophischen Themen: Ethik und Ästhetik, Physik und Kosmologie, Psychologie, Metaphysik, Logik und Erkenntnistheorie.

Von zentraler Bedeutung für Plotins System ist „das Eine“: Der Begriff ist, über Platon, von Parmenides abgeleitet, für den Einheit eine wesentliche Eigenschaft des Seins ist. Das Eine ist, auf mysteriöse Weise, mit der platonischen Idee des Guten identisch. Es ist die Grundlage allen Seins und der Maßstab aller Werte, selbst jedoch jenseits von Sein und Gutheit. Die nächsten Plätze unterhalb dieses höchsten und unaussprechlichen Gipfels werden von Intellekt (dem Ort der Ideen) und Seele eingenommen, die der Schöpfer von Raum und Zeit sind. Die Seele schaut nach oben zum Intellekt auf, und nach unten auf die Natur herab, die ihrerseits die materielle Welt erschafft. Auf der untersten aller Ebenen befindet sich der bloße Stoff, die äußerste Grenze der Wirklichkeit. Diese Ebenen der Wirklichkeit sind nicht voneinander unabhängig. Jede Ebene hängt ihrer Existenz und Aktivität nach von der Ebene über ihr ab. Alles hat seinen Platz in einer einzigen abwärtsgerichteten Reihe aufeinander folgender Emanation des Einen. Dieses beeindruckende und verblüffende metaphysische System wird von Plotin nicht als mystische Offenbarung, sondern auf der Grundlage von philosophischer Prinzipien dargestellt, die von Platon und Aristoteles abgeleitet sind. In Kapitel 9 werden wir noch genauer darauf eingehen.

Plotins Schule in Rom bestand über seinen Tod hinaus nicht fort, doch seine Schüler und deren Schüler trugen seine Ideen weiter. In Athen blühte eine neuplatonische Tradition, bis die dortigen heidnischen Schulen im Jahre 529 durch den christlichen Kaiser Justinian geschlossen wurden. Doch es waren Christen und nicht Heiden, welche Plotins Ideen in die nachklassische Welt weitertrugen. Der wichtigste unter ihnen war der heilige Augustinus von Hippo, der sich als der einflussreichste aller christlichen Philosophen erweisen sollte.

Augustinus wurde im Jahre 354 in einer kleinen Stadt im heutigen Algerien geboren. Als Sohn einer christlichen Mutter und eines heidnischen Vaters wurde er als Kleinkind nicht getauft, obwohl er eine christliche Erziehung in lateinischer Literatur und Rhetorik erhielt. Die meisten Einzelheiten über seine frühen Jahre kennen wir durch seine Autobiografie, die Bekenntnisse. Sie zeichnen ein Porträt, das von einem Biografen verfasst wurde, der fast so begabt war wie Boswell, und sind das Zeugnis eines Geistes noch umfassender als derjenige Johnsons.35

Nachdem er einige Grundkenntnisse im Griechischen erworben hatte, qualifizierte sich Augustinus im Fach Rhetorik und unterrichtete es in Karthago, einer Stadt die er als „Hexenkessel lasterhaften Liebestreibens“ beschrieb. Im Alter von achtzehn Jahren wurde er, beim Lesen von Ciceros Hortensius, von einer Liebe zu Platon ergriffen. Zehn Jahre lang war er ein Anhänger des Manichäismus, einer synkretistischen Religion, die lehrte, dass es zwei Welten gab: eine von Gott geschaffene Welt spiritueller Güte und des Lichts und eine vom Teufel geschaffene Welt der fleischlichen Dunkelheit. Das negative Verhältnis der Manichäer zur Sexualität hinterließ bei Augustinus eine dauerhafte Spur, obwohl er in seinen frühen Mannesjahren mehrere Jahre lang mit einer Geliebten zusammenlebte, mit der er einen Sohn namens Adeodatus hatte.

Im Jahre 383 überquerte er das Mittelmeer und ging nach Rom und von dort wenig später nach Mailand, das damals die Hauptstadt des westlichen Teils des nunmehr geteilten römischen Weltreichs war. Dort befreundete er sich mit Ambrosius, dem Bischof von Mailand, der gegen die skrupellose säkulare Machtentfaltung des Kaisers Theodosius für die Sache der Religion und Moralität eintrat. Der Einfluss von Ambrosius und seiner Mutter Monika lenkte Augustinus in die Richtung des Christentums. Nach einer Zeit des Zögerns wurde er im Jahre 387 getauft.

Einige Zeit nach seiner Taufe stand Augustinus noch unter dem philosophischen Einfluss von Plotin. Eine Reihe von Dialogen über Gott und die menschliche Seele bringt einen christlichen Neoplatonismus zum Ausdruck. Seine Schrift Contra Academicos legt eine detaillierte Reihe von Argumenten gegen den akademischen Skeptizismus dar. In De ideis legt er seine eigene Version der Ideenlehre Platons dar: Die Ideen haben keine extramentale Existenz, sondern sie existieren ewig und unwandelbar im Geist Gottes. Seine Schrift De libero arbitrio handelt von der Freiheit des menschlichen Willens, von der Willensentscheidung und dem Ursprung des Bösen. Der Text wird in einer Reihe philosophischer Seminare nach wie vor studiert.

Außerdem verfasste er einen professoralen Traktat, Die 83 verschiedenen Fragen. Ferner schrieb er sechs Bücher über Musik sowie eine schwungvolle Schrift, De magistro, in der er einfallsreiche Reflexionen über Wesen und Macht der Worte anstellt.

Alle diese Schriften verfasste Augustinus, bevor er seine endgültige Berufung fand und im Jahre 391 zum Priester geweiht wurde. Kurze Zeit später wurde er Bischof von Hippo in Algerien, wo er bis zu seinem Tod im Jahre 430 lebte. Er hatte zwar noch eine beachtliche Karriere als Autor vor sich und sein Meisterwerk, De civitate dei (Vom Gottesstaat), noch nicht geschrieben, doch das Jahr 391 markierte eine Epochenwende. Bis zu diesem Zeitpunkt zeigte sich Augustinus als letzte, schöne Blüte der klassischen Philosophie. Von nun an schreibt er nicht mehr als Schüler des Heiden Plotin, sondern als Vater der christlichen Philosophie des Mittelalters. In diese kreative Phase folgen wir ihm im nächsten Band dieses Werkes.

In seinen reifen Jahren war das Selbstbild des Augustinus nicht dasjenige eines philosophischen Neuerers. Er sah seine Aufgabe vielmehr darin, eine göttliche Botschaft zu verkündigen, die von Platon und Paulus, Männern wesentlich größer als er, und von Jesus, der mehr als ein Mensch war, auf ihn gekommen war. Doch die Art und Weise, auf die spätere Generationen die Lehren von Augustinus’ Meistern begriffen und verstanden haben, ist zu einem großen Teil die Frucht seines eigenen Werkes. Von allen Philosophen der Antike hatte nur Aristoteles einen größeren Einfluss auf das menschliche Denken.

 

 

 

   1 Zitiert nach: Aristoteles, Sophistische Widerlegungen, übersetzt von J. H. von Kirschmann (Leibzig: Dürr, 1882).

   2 Auf Einzelheiten von Aristoteles’ Logik wird in Kapitel 3 eingegangen.

   3 Anm. d. Übers.: wörtlich: „Geträller“ (teretismata).

   4 Zitiert in Anlehnung an: Aristoteles, Tierkunde, übersetzt und herausgegeben von P. Gohlke (Paderborn: Schöningh, 1949).

   5 Vergleiche G. E. R. Lloyd, Aristotle: The Growth and Structure of his Thought (Cambridge: Cambridge University Press, 1968), 74–81.

   6 Zitiert in Anlehnung an: Aristoteles, Tierkunde, übersetzt und herausgegeben von P. Gohlke (Paderborn: Schöningh, 1949).

   7 Ebd.

   8 Siehe Kapitel 5.

   9 Zitiert nach: Aristoteles, Rhetorik, übersetzt und herausgegeben von F. G. Krapinger (Stuttgart: Reclam, 1999).

 10 Zitiert nach: Aristoteles, Poetik, übersetzt und eingeleitet von O. Gigon (Stuttgart: Reclam, 1961).

 11 Zitiert nach: Aristoteles, Poetik, übersetzt und eingeleitet von O. Gigon (Stuttgart: Reclam, 1961).

 12 W. Jaeger, Aristoteles, Grundlegung einer Geschichte seiner Entwicklung (Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1923).

 13 Die hier für das Verhältnis zwischen den moralphilosophischen Abhandlungen des Aristoteles gegebene Erklärung ist umstritten. Erläutert und verteidigt habe ich sie in: A. Kenny, The Aristotelian Ethics (Oxford: Clarendon Press, 1978) und, mit einigen Korrekturen und Änderungen, in: A. Kenny, Aristotle on the Perfect Life (Oxford: Clarendon Press, 1992).

 14 Die Einzelheiten von Aristoteles’ Ethik werden in Kapitel 8 dargestellt.

 15 Zitiert nach: Aristoteles, Politik, übersetzt und herausgegeben von O. Gigon (München: dtv, 1984).

 16 Zitiert nach: Aristoteles, Politik, übersetzt und herausgegeben von O. Gigon (München: dtv, 1984).

 17 Vgl. A. Kenny, The Aristotelian Ethics (Oxford: Clarendon Press, 1978), 233.

 18 Die Bevorzugung eines Elements auf der linken Seite eines Paares sollte mit der Bevorzugung des linken Elements in den drei anderen einhergehen und umgekehrt.

 19 Siehe L. Casson, Libraries in the Ancient World (New Haven: Yale University Press, 2001), 28f.

 20 Rätselhafterweise scheint der beste antike Katalog der Ausgabe von Andronikus von einem Bibliothekar in Alexandria erstellt worden zu sein. Ist es möglich, dass Markus Antonius das Corpus Aristotelicum von einem Erben des geächteten Sulla erworben und dann zu Kleopatra gebracht hat, um die Lücken in ihrer erst kürzlich zerstörten Bibliothek aufzufüllen, ähnlich wie ihr früherer Geliebter Julius Cäsar die Bibliothek in Pergamon für sie plünderte?

 21 Siehe J. Barnes, in: J. Barnes and M. Griffin, Philosophia Togata, vol. ii (Oxford: Clarendon Press, 1997), 1–23.

 22 Einleitung zu LS, 1.

 23 Zu Diodorus und Philon vgl. Kapitel 3.

 24 Zu Kleanthes’ Theologie vergleiche Kapitel 9.

 25 Die Einzelheiten des ethischen Systems der Stoa werden in Kapitel 8 behandelt.

 26 Die Einzelheiten der Diskussion zwischen Stoikern und Skeptikern sind in Kapitel 4 dargestellt.

 27 Sämtliche Zitate aus De rerum natura stammen aus: Lukrez, De rerum natura, übersetzt von H. Diels (Düsseldorf: Artemis & Winkler, 1994).

 28 Siehe Kapitel 9.

 29 Anm. d. Übers.: Das dritte Buch Mose.

 30 Zitiert nach: L. Annaeus Seneca, Philosophische Schriften, Band IV, übersetzt und herausgegeben von M. Rosenbach (Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1984).

 31 J. Barnes hat in seinem Buch Logic and the Imperial Stoa (Leiden: Brill, 1997) eine brillante Darstellung der logischen Kompetenz Epiktets gegeben.

 32 „He, whose friendship I not long since won, that halting slave, who in Nicopolis taught Arrian, when Vespasian’s brutal son cleared Rome of what most shamed him.“

 33 Zitiert nach: Epiktet, Handbüchlein der Moral und Unterredungen, herausgegeben von H. Schmidt (Stuttgart: Kröner, 1966).

 34 Ebd.

 35 Anm. d. Übers.: James Boswell (1740–1795) war ein schottischer Schriftsteller. Seine Biografie seines Freundes Samuel Johnson (1709–1784) gilt als eine der bedeutendsten Biografien in englischer Sprache.