Im Zentrum des Wegekreuzes: Das kleine formale Wasserbecken.
Naturnah, überraschend, ideenreich – all diese Attribute passen zu diesem Garten, den Landschaftsarchitektin Christina Schnelting für sich und ihre Familie auf einfühlsame Art gestaltet hat. Wie schön, dass sie ihn sogar einmal im Jahr für Besucher öffnet. So kann man sich selbst davon überzeugen, wie sehr ein naturnah gestalteter Garten Bestandteil einer sensiblen Landschaft sein und gleichzeitig allen Bedürfnissen einer Familie mit Kindern genügen kann.
Das verwilderte große Grundstück mit einem zu Beginn des letzten Jahrhunderts errichteten Verwaltungsgebäude für die ehemalige Schloßmühle sowie mehreren Nebengebäuden an der Bocholter Aa bot ein großes naturräumliches und geschichtliches Potenzial. Dieses wurde mit Einfühlungsvermögen, zurückhaltend und gestalterisch sicher, in eine atmosphärisch dichte, naturnahe und ästhetisch anspruchsvolle Gartenanlage umgesetzt. Die Feuchtwiesen an der Aa prägen im Osten den natürlichen Rahmen. Eine weich geschwungene Rasenfläche bildet den Übergang in den 1,5 m höher gelegenen Garten. Unterschiedlich tiefe Rasenstufen führen zur Scheune und, fast „versteckt“, zum Hof zwischen Scheune und Wohnhaus. Der zentrale West-Ost verlaufende 45 m lange Steg entlässt einen direkt auf eine Rasenfläche; am anderen Ende führt er auf eine kleine Holzplattform. Die große Schattenterrasse unter den alten Buchen setzt am nordöstlichen Ende des Gartens einen Schwerpunkt mit Blick auf die Feuchtwiesen und zurück zum Haus. Sie liegt an dem zentralen Erschließungsweg, der vom Haus kommt und den langen Steg kreuzt. Klassische Gestaltungsprinzipien bilden so die Grundstruktur für eine aktuelle Interpretation naturnaher Gartengestaltung.
Mit Hecken werden klare Grenzen zwischen "innen und außen" gezogen. Die Öffnung des Gartens nach Osten und Westen und die Schließung mit Hecken nach Süden und Norden, inszenieren geschickt die Bezüge zwischen innerem Garten und umgebender Landschaft. Nur der Wirtschaftsgarten liegt funktional konsequent außerhalb des inneren „Ziergartens“. Elemente wie eine Schaukel, ein Sandkasten, eine Feuerschale und eine Hängematte werden räumlich so integriert, dass sie den natürlichen Charakter des Gartens nicht stören. Naturstein, Pflasterklinker, Einfassungen aus Holz und Cortenstahl unterstreichen den sich in die Umgebung einfügenden Charakter der Gartenanlage. Die Nähe zum Wasser wird durch die sorgfältig komponierte Pflanzung von Stauden und Gräsern hervorgehoben. Insektenschutz und Winteraspekt sowie der regionale Bezug aller Pflanzen und eingesetzten Materialien waren bestimmend.
Der Anspruch „In Harmonie leben – mit und in der Natur“, verbunden mit dem Wunsch „Ruhe und Natürlichkeit“ im Garten erleben zu können, wurde mit dieser Anlage überzeugend verwirklicht.
Irene Burkhardt
Landschaftsarchitekten Stadtplaner Part mbB
Die zentral stehende alte Blutbuche war elementar für die Planung.
Altes Holzboot als Sandkasten – es erinnert an den Starkregen im Jahr 2016 als die Wiese unter Wasser stand.
Naturnahe Staudenbepflanzung entlang des Steges mit u. a. Phlomis russeliana, Salvia nemorosa, Molinia caerulea 'Heidebraut' und Eupatorium fistulosum 'Riesenschirm'.
„Schwebendes“ Holzdeck unter alten Buchen.
Bepflanzung mit Wiesencharakter aus u. a. Gräsern, Cirsium rivulare 'Trevor's Blue Wonder', Echium vulgare, Succisa pratensis, Scabiosa ochroleuca 'Moon Dance' und Salvia nemorosa 'Caradonna Pink'.
Garten und Haus mit Scheune und kleinem Backhaus liegen im Münsterland, unweit der niederländischen Grenze am Entstehungsort der Bocholter Aa. Beweidete Wiesen und artenreiche Feuchtwiesen grenzen an das Grundstück, liegen aber deutlich niedriger. „Das 1911 erbaute Holzständerhaus war einst das Verwaltungsgebäude der nahen Schlossmühle auf der anderen Flussseite, daher zeigt der alte Baumbestand noch heute Parallelen zum Schlosspark“, erzählt Christina Schnelting. Von Anfang an begreift sie die alten Bäume, darunter eine ca. 120 Jahre alte Blutbuche nah am Haus, als Geschenk. So erhält jeder dieser Baumveteranen in ihrem Konzept seine besondere Rolle und ist integraler Bestandteil der Gestaltung.
Allerdings gleicht das Grundstück zu Baubeginn einem Wald aus hohen Fichten und Kirschlorbeer, die zunächst weichen müssen, um den genius loci herauszuarbeiten. „Durch die Lage am Fluss und den geschichtlichen Hintergrund des Hauses war es wichtig, die Aspekte Wasser und Feuchtwiesen in das Konzept zu integrieren. Da Holz und Wasser gut harmonieren, war die Idee der Stege, die durch Staudenbeete führen, schnell geboren“, erklärt die junge Landschaftsarchitektin. Statt organischer Formgebung entschied sie sich für klare Linien, um der naturnahen, „wilden“ Bepflanzung einen starken Kontrast entgegenzusetzen.
So geben der 45 m lange Steg, sowie die Wege und Beete mit ihrer Linearität der ungezügelten Welt der Stauden und Gräser einen wohltuenden Rahmen. Der Steg und die „schwebende“ Holzterrasse stellen eine Verbindung zwischen Garten und Feuchtwiese her. Der Blick wird in Richtung Feuchtwiese gelenkt, und ein Übergang vom Garten in die ursprüngliche Natur entsteht. So ergibt sich eine Raumaufteilung, die mit der üblichen Gliederung in Rasenfläche, Terrasse, Kinderspielbereich etc. bricht und einzelne Elemente wie Schaukel, Feuerschale, Hängematte und Sandkasten unauffällig integriert. Dabei geht die ruhige Atmosphäre des Gartens nicht verloren. Dazu tragen auch die regionalen Materialien bei, die mit den Gebäuden harmonieren: Herdecker Ruhrsandstein für den Hauptweg, die Trittplatten und Beeteinfassungen sowie Stadtlohner Riemchen für die Terrasse, übrigens ein Abfallprodukt aus der Tonproduktion in der Region (Upcycling). Holzdeck und Steg sind aus naturbelassenem Lärchenholz.
Passend zum Thema Wasser ist auch die Bepflanzung am Steg mit u. a. Blutweiderich (Lythrum salicaria) oder dem eindrucksvollen, bis zu 2 m hohen Wasserdost (Eupatorium fistulosum 'Riesenschirm') gewählt. Beide Arten lieben einen feuchten Standort und sind sehr gute Insektenweiden. In den weiter oben liegenden Beeten zwischen Blutbuche und Wildblumenwiese dominiert der Wiesencharakter mit zahlreichen Gräsern und Stauden wie Kratzdistel (Cirsium rivulare 'Trevor's Blue Wonder'), Natternkopf (Echium vulgare) oder Teufelsabbiss (Succisa pratensis). Die insektenfreundlichen Stauden sind so gruppiert, dass sie mit den eingestreuten Gräsern den natürlichen Charakter des Gartens prägen.
In Richtung Scheune fangen Rasenstufen aus Cortenstahl in unregelmäßigen Tiefen den Höhenunterschied zwischen Feuchtwiese, Garten und angrenzender Holzscheune ab. „Am Ende der Stufenanlage liegt ein altes Holzboot, das als Sandkasten genutzt wird. Nach einem Starkregen im Jahr 2016 stand die ganze Wiese unter Wasser und der heutige „Grüne Hafen“ soll daran erinnern“, erzählt Christina Schnelting. Und welcher Spielplatz könnte wohl besser zu dieser vom Fluss und seiner Ökologie geprägten Landschaft passen?
Velen, Nordrhein-Westfalen
3 000 m2
Naturwohnraum
Eigenleistung
Ferdinand Graf Luckner
„In Harmonie leben – mit und in der Natur – ein gelungenes Gestaltungskonzept sollte mit seiner Umgebung harmonieren und vorhandene Strukturen in Form von Landschaft und Architektur integrieren.“
PLAN
1Wohnhaus
2Holzsteg
3Blutbuche
4"Schwebendes" Holzdeck
5Feuchtwiese
6Grüner Hafen