Privater Schwimmteichgarten mit mediterranem Flair.
Was für eine spannende Gestaltung! Sie macht die umliegende Berglandschaft mit ihrer rauen Schönheit zum Thema und interpretiert sie auf ihre Weise. Und sie wird gleichzeitig den vielen Funktionen des Winzerhofes gerecht, der einerseits Werkhof und Aufenthaltsort für Mitarbeiter sowie Gäste, andererseits privater Rückzugsort der Winzerfamilie ist.
Es sind nicht nur Lippenbekenntnisse auf der Website des Planungsteams: Dessen „Freude am Gestalten, die Passion für Pflanzen und Natur sowie die Neugier auf unkonventionelle Lösungen“ zeigt sich in diesem Werk besonders ausgefeilt.
Wir tauchen ein in einen Winzerhof mit zwei gegensätzlichen Nutzungen – der bewirtschaftete Innenhof mit Aufenthaltsbereich für Gäste und Mitarbeitende zum einen, der private Rückzugsort der Winzerfamilie zum anderen. Trotz unterschiedlicher Ansprüche und Nutzungen vereinen sich die beiden Freiräume in einem gemeinsamen Duktus. Der Innenhof vermittelt mit scheinbarer Leichtigkeit den nahtlosen Übergang vom Arbeitszum Aufenthaltsort. Dass er direkt darunter den Weinkeller bedeckt, ist diesem detailreichen multifunktionalen Platz nicht anzusehen.
Es ist das Spiel mit den Materialien, die Kunstfertigkeit, eine Neuanlage etabliert und gewachsen erscheinen zu lassen, welche die Handschrift der beiden Gartengestalter trägt. Mit viel Passion und Liebe zum Detail haben sie einen Ort geschaffen, der wild, dynamisch und romantisch ist und zugleich für eine klare Formensprache, zukunftsgerichtete Technik und Pflanzenverwendung steht.
Wir sehen Anleihen aus der Region, gestalterisch überhöht im Maßstabssprung: Der Entwurf inszeniert die Oberflächenentwässerung als schweizerische Rüfen, als Muren mit schwungvoll geschichteten Steinplatten. Die dynamische Pflanzung entlang des nachgestalteten Landschaftsraumes orientiert sich an den Ruderalpflanzen im dortigen Schwemmland. Gärtnerisch ergänzt wird diese geplante Dynamik mit mediterranen Gehölzen, die in der milden Weinbauregion wachsen. Das Gestein der umgebenden Berglandschaft zeigt sich kunstvoll-differenziert in den Oberflächenbelägen, Mauern und Baudetails.
Die Auszeichnung erfolgt zurecht: Dem Planungsteam ist hier ein vielschichtiger Ort gelungen, der sich je nach Witterung und Jahreszeit wandeln und immer wieder neu präsentieren kann.
Heike Vossen
Verantwortliche Redakteurin FREIRAUM GESTALTEN und GÄRTEN Verlag Eugen Ulmer
Privater Gartenteil und Werkhof sind gestalterisch durch das Material und die Bepflanzung verbunden.
Das Deck besteht aus Bündner Berglärche, der Holzboden im Schwimmbereich ist aus Weißtannenholz gefertigt.
Der Weg aus Flusswacken (regionaler Flusskiesel, roh gespalten) in diversen Größen und Farben passt in die Berglandschaft.
Der Innenhof wirkt wild und dynamisch und bietet einen Kontrast zu den neu entstandenen Gebäuden.
Nahtloser Übergang von Arbeitsflächen zu Aufenthaltsflächen im Innenhof.
Der Hof liegt in der Bündner Herrschaft, einem bekannten Weinbaugebiet, das sich durch sanfte Rebberge auf kalkreichen Schieferböden und einem weiten Blick auf die Bündner Alpen auszeichnet. „Das Tal ist geprägt von Rüfen. Es sind hochdynamische Taleinschnitte, welche im Frühjahr von wilden Bächen durchflossen werden, die im Sommer austrocknen“, beschreibt Anja Gut ihre Inspirationsquelle. Den Innenhof gestaltete die Schweizer Gartenplanerin als Abstrahierung dieser wild-romantischen Landschaft. Steine in Form einer großzügigen Pflasterung beherrschen den Platz, der von zwei Wasserrinnen durchzogen wird, die gleichzeitig der Entwässerungsführung dienen. Wenn nach Regenfällen Wasser in den Rinnen für eine Weile zurückbleibt, dann erinnert das an die Mulden der Rüfen.
Blickfang ist ein großer Findling, der auf die umliegende Berglandschaft verweist. Diese Dramatik und Wildheit bietet einen starken Kontrast zu den funktionalen Gebäuden, die den Hof umgeben. „Wir haben uns über den Mut der Auftraggeber gefreut, sich auf das Abbild einer solch dynamischen Landschaft einzulassen und das Wilde zu akzentuieren und konsequent umzusetzen“, sagt die Gartenplanerin. Da ist es nur folgerichtig, dass dazu eine Begrünung gewählt wird, die Sukzession sichtbar macht und sich an eine dynamische Ruderalflur anlehnt.
„Es sind die typischen Wildstaudenvertreter wie Rosmarin-Weidenröschen (Epilobium dodonaei) und markante Arten des Sanddorns, wie man sie in diesem Gebiet in Alluvionen vorfinden würde“, erklärt Anja Gut. Um für noch mehr Dynamik zu sorgen, wurde sogar Magerrasensaatgut mit Wildstauden wie Kartäusernelken, Wund- und Hornklee direkt in die Pflasterfugen gesät. Diese Pflanzengesellschaft wird die weniger stark beanspruchten Bereiche im Hof nach und nach besiedeln. An Gehölzen findet man neben dem Sanddorn (Hippophae rhamnoides) vor allem auch Mispeln (Mespilus germanica) und Zistrosen (Cistus), die sich mit wenig Schichtaufbau zufrieden geben und Trockenheit vertragen – denn ein Großteil des Innenhofes befindet sich auf dem Dach des Weinkellers.
In Richtung der Gebäude bzw. im Privatgarten wird die Bepflanzung mit Zistrosen, Oleander und Schmalblättriger Ölweide (Elaeagnus angustifolius) noch mediterraner und passt so zum Weinbauklima. Der Privatgarten ist ein in sich geschlossener Gartenteil, der Intimität garantiert. „Die Ausrichtung des Sitzplatzes fängt die Sonne ein. Vom Holzdeck aus bietet sich einem eine Aussicht über den Schwimmteich auf die Berge“, beschreibt Anja Gut den Rückzugsort der Winzerfamilie. Die Kiesgartenflächen um den Schwimmteich nehmen die Gestaltung des Innenhofes auf, sodass beide Bereiche gestalterisch verbunden sind. Dazu trägt auch die Verwendung ähnlicher Pflanzen bei, die im privaten Garten jedoch dichter gepflanzt wurden. So empfindet man den Winzerhof als Einheit, der eine wilde und doch romantische Atmosphäre vermittelt. „Der nahtlose Übergang von Arbeitsflächen zu Aufenthaltsflächen macht aus dem Ort ein wunderbares Miteinander“, resümiert Anja Gut. Eine Einschätzung, die von der Jury voll und ganz geteilt wird.
Jenins, Kanton Graubünden, Schweiz
1 800 m2
Hariyo Freiraumgestaltung GmbH
Salamander Naturgarten AG; Pflasterarbeiten Innenhof: Johannes Koch (www.bergsteingarten.ch)
Dittli Visuelle Gestaltung und Fotografie
„Ein mutiges Projekt! Ein multifunktional genutzter Winzerhof, welcher die raue Schönheit der Bergumgebung gestalterisch interpretiert. Dazu ein privater Schwimmteich-Garten mit mediterranem Flair.“
PLAN
1Wohnhaus
2Schwimmteich
3Innenhof
4Wasserrinnen
5Trockenstandort Dachbegrünung
6Nutz- und Obstgarten