Eine Gold-Gleditschie filtert die Blicke aus den oberen Etagen und setzt einen Blickpunkt vor der Brandmauer.
„Es ist tatsächlich möglich, einen Garten ohne einen Quadratmeter Versiegelung zu bauen. Mehr noch: Sämtliches pflanzliches Material, das bei der Pflege anfällt, verbleibt im Garten. Und dank der Schattierung des Innenhofes ist noch nicht einmal gießen notwendig. Das hat uns selbst überrascht!“, freut sich David Zimmerling. Der Pflanzplaner hat zusammen mit Jonas Reif, Professor für Pflanzenverwendung und Vegetationskonzepte an der Fachhochschule Erfurt, mit einer pflanzenbetonten Gestaltung einen düsteren Hinterhof im eng bebauten Stadtviertel zum Leben erweckt.
Mehr Licht: Pflanzen mit Blättern in leuchtenden Grüntönen oder mit weißen Blüten hellen den Hinterhof auf.
Texturen und Strukturen schaffen eine wildromantische Stimmung und lassen den Garten größer wirken.
Ein geschwungener Hackschnitzelweg führt durch die Bepflanzung zum Holzdeck an der Brandmauer.
Waldgesellschaft: Farne und Waldmeister kommen mit den Lichtverhältnissen gut klar.
Vor der Umgestaltung war von Hinterhof-Romantik keine Spur: Zwischen Neubauten und einer gewaltigen Brandmauer liegt der schmale Streifen Grün halb auf einer Tiefgarage, deren Lüftungsschacht aus der Hofmitte ragt. Wegen der Nachverdichtung dringt nur wenig Licht durch, sodass der Rasen kümmerte. Der Eindruck von Bedrängnis wurde durch eine streng geschnittene hohe Hecke noch verstärkt. Zu dieser Tristesse kam die fehlende Privatsphäre wegen der Blicke von den oberen Etagen des Mehrfamilienhauses. Kein Wunder, dass die Besitzer der Maisonette-Wohnung, zu der dieser kleine Innenhof gehört, kaum einen Schritt in ihr Grün setzten.
Diese lieblose Stimmung verkehrten die beiden Pflanzenexperten ins Gegenteil. „Oberstes Ziel war es, Helligkeit in den Hinterhof zu bringen. Da dies durch mehr Sonnenlicht von oben nicht möglich war, musste die Sonne am Boden aufgehen: Wir haben uns deshalb bei Pflanzen mit verschiedenen hellen Grüntönen sowie weißen Blüten bedient, in Kombination mit unterschiedlichen Texturen und Strukturen“, berichtet Jonas Reif. Dies macht den kleinen Gartenhof spannend und lässt ihn größer wirken.
Damit mehr Fläche für die Pflanzen bleibt, gibt es keinen Rasen. So lebt der Garten von seiner Pflanzenfülle, in der man auf den Holzdecks gefühlt mittendrin sitzt. Das Deck vor der Brandmauer wird von einer Gold-Gleditschie (Gleditsia triacanthos 'Sunburst') behütet, die Blicke aus den oberen Etagen filtert und gleichzeitig Lichtpunkt vor der Brandmauer ist. So kommt mehr Tiefe in den Hof. Den seitlich begrenzenden Hecken wurde mit einem Wellenschnitt die Strenge genommen.
Gehölze sowie bodendeckende und hohe Stauden zaubern eine verwunschene Atmosphäre und machen Lust, auf dem geschwungenen Holzhäcksel-Weg auf eine Erkundungsrunde zu gehen. Die Fülle der Gewächse mit ihren unterschiedlichen Texturen und Strukturen lenkt den Blick auf die Bepflanzung und weg von der Brandmauer. Es sind robuste Stauden, dicht gepflanzt und mit einer Mulchschicht versehen, um die Verdunstung und die Versamung von unliebsamen Kräutern zu reduzieren – Arten, die mit Trockenheitsphasen und den Lichtverhältnissen zurechtkommen wie Schaumblüte (Tiarella cordifolia 'Moorgrün'), Goldschuppenfarn (Dryopteris affinis), Waldaster (Aster divaricatus), Großes Wald-Windröschen (Anemone sylvestris) oder Herbst-Anemone (Anemone japonica-Hybride 'Honorine Jobert'). Aus der Pflanzung ragen große hellgelbe Blätter der Gold-Trompetenbäume (Catalpa bignonioides 'Aurea'), die in der Coppicing Methode („auf den Stock setzen“) regelmäßig geschnitten werden. Beim Austrieb erscheinen dann größere Blätter mit intensiver Färbung, die zusammen mit einer Rispenhortensie (Hydrangea paniculata 'Limelight') den Lüftungsschacht verdecken. Damit die Pflanzung handhabbar bleibt, ist der Pflegeaufwand gering gehalten: einfacher Rückschnitt, einfaches Jäten, keine künstliche Bewässerung. „Wir wollten zeigen, dass man auch auf kleinstem Raum Fülle schaffen kann, man muss sich aber auch trauen. Die Familie mit Kindern hat uns vertraut und uns machen lassen, auch ohne Rasen“, resümiert David Zimmerling.
Berlin-Friedrichshain
90 m2
Jonas Reif und David Zimmerling
David Zimmerling
Ferdinand Graf Luckner
„Helligkeit und Freude in den dunklen Innenhof zu bekommen, war die Hauptaufgabe des Projektes. Texturen und Strukturen brechen den Blick auf eine enorme Brandmauer und lassen den Garten größer wirken.“
PLAN
1Wohnhaus
2Holzterrasse
3Holzhäcksel-Weg
4Gehölze, hohe und bodendeckende Stauden
5Gold-Gleditschie
6Brandmauer