Berlin-Kreuzberg, Silkes Wohnung
In der Wohnung im ersten Stock wirft sich Silke unruhig von der einen auf die andere Seite. Für ihren schlechten Schlaf gibt es einen guten Grund: Wieder einmal hat sie es geschafft, Matthias aus der Wohnung zu vertreiben. Sie liebt ihn, das schon. Sie muss nur einen kurzen Augenblick nachdenken, dann ist sie sich ganz sicher, dass sie die Beziehung mit ihm will. Trotzdem, manchmal reitet sie der Teufel. Dann bohrt sie, dann nörgelt sie und kritisiert an ihm herum, bis dieser liebe, geduldige Mann sich nicht mehr zu helfen weiß und geht.
Dabei hatte der Abend gut angefangen. Matthias hatte eingekauft und gekocht, während sie ihren Zweitjob erledigte und die alte Dame im dritten Stock versorgte, sie wusch und frisch anzog. Tagsüber in der Klinik war es echt stressig gewesen. Eine Kollegin war auf die Intensiv abgezogen worden, weil dort zwei Kolleginnen krank geworden waren. Klar, die Intensiv ging vor, aber Silke hatte sich keine Minute ausruhen können. Dann im Eiltempo zur Tagesmutter, das Baby abholen. Nach Hause, kurz umziehen, dann hinauf in den dritten Stock zur alten Dame. Es war wirklich lieb, dass Matthias die Einkäufe schon erledigt hatte.
Pasta hatte er gekocht. Pasta mit Auberginen, Tomaten, Mozzarella und noch irgendetwas anderem. Auf dem Tisch eine Flasche Rotwein. Alles wirklich wahnsinnig lieb, aber sie war so schrecklich müde gewesen. Lena, das Baby, hielt sie die ganze Zeit auf Trab. Sie schrie ununterbrochen, und Silke musste mit ihr auf dem Arm den Flur auf und ab gehen, bis sie endlich ruhig wurde. Nach dem Essen war die Kleine wieder wach geworden, und sie streichelte Lenas Kopf, bis sie mit dem so süßen offen stehenden Babymund wieder eingeschlafen war. Währenddessen hatte Matthias den Abwasch gemacht.
Beim Sex war sie immer wieder für einen Moment eingeschlafen und überhaupt nicht bei der Sache gewesen. Für ihn war es bestimmt komplett langweilig. Danach hatte sie ihn gefragt, was er eigentlich von ihr wolle. Sie sei doch komplett endfertig. Schlafe beim Sex ein. Komme nicht. Er hatte sie sprachlos angeschaut, um Worte gerungen. Und keine gefunden. Weiß der Teufel, was sie geritten hatte. Sag mal echt, warum willst du mit mir zusammen sein? Sie hatte nicht aufgehört, hatte weitergebohrt, und je weniger er antwortete und je trauriger er wurde, desto schärfer wurde ihr Ton. Erst standen Tränen in seinen Augen, dann war er aufgestanden und hatte sich schweigend angezogen und war gegangen. Er war so leise gewesen, dass sie das Rascheln seiner Hose und seines Hemdes kaum hörte. Deshalb bekam sie seine Tränen nicht mit, die ihm übers Gesicht liefen, und sie bekam nicht mit, dass er in seiner Erschütterung die Wohnungstür nicht richtig hinter sich geschlossen hatte. Nun stand sie einen schmalen Spalt offen.