Berlin, Friedrichstraße
Kröger sitzt neben ihm im 5er-BMW
. Sein Mund steht offen. Er atmet flach. Dengler beobachtet ihn aus dem Augenwinkel. Kröger sieht nicht gut aus.
»Ich habe gute Nachrichten für Sie«, sagt Dengler, dem Kröger plötzlich leidtut. »Ich weiß, wer die Ratten ausgesetzt hat. Es ist ein
Krimineller, der vermutlich solche Verbrechen berufsmäßig begeht. Es wird nicht mehr lange dauern, dann kenne ich auch seinen Auftraggeber.«
Dengler wartet auf die Reaktion Krögers. Er wird panisch oder hektisch reagieren, wenn er den Auftrag erteilt hat. Er wird dann außerdem versuchen, Dengler nach Einzelheiten auszufragen. Wenn er nichts damit zu tun hat, wird er erleichtert reagieren.
Doch zu seiner Überraschung reagiert Kröger kaum. Nur seine Augenlider heben sich für einige Millimeter, wie unter großer Anstrengung. Dann wendet er den Kopf nach rechts und schaut teilnahmslos aus dem Wagenfenster.
»Haben Sie gehört, was ich gesagt habe?«
Kröger reagiert nicht.
»Geht es Ihnen gut?«, fragt Dengler. »Kann ich etwas für Sie tun? Sie sind total blass.«
Kröger dreht sich langsam zu ihm um. »Auch wenn es so aussieht: Ich bin keine Maschine. Ich stecke auch nicht einfach weg, wenn ich niedergebrüllt und ausgelacht werde. Man sieht es mir vielleicht nicht an, aber … Es ist nicht immer einfach.«
Doch, denkt Dengler: Man sieht dir die Blamage an.
»Weißt du, was das Schlimmste ist?«, fragt Kröger fahrig.
»Keine Ahnung.«
»Die Investoren, die sind am schlimmsten.« Er schweigt.
Dann fährt er fort: »Das sind junge Kerle, irgendwo zwischen dreißig und irgendwas, kaum geschlechtsreif. Fondsmanager. Verwalten riesige Geldmengen. Wir treffen sie auf der Immobilienmesse in Cannes. Jedes Jahr. Kannst du dir das vorstellen – jedes Jahr? Für mich ist es die Hölle. Sie suchen Anlagemöglichkeiten für ihr Geld. Wir bekommen den Zuschlag nur, wenn wir eine höhere Verzinsung nachweisen können als andere. Weißt du, wie ich mich da fühle?«
Dengler sieht geradeaus auf die Fahrbahn. »Keine Ahnung.«
»Wie eine alte Stripperin, die sich vor jungen Kerlen auszieht und nicht weiß, ob ihre Titten noch straff genug sind. Ob sie die
Typen noch begeistert. Mir geht es so gegen den Strich, denen unsere Projekte vorzustellen und dabei ihr Gesicht zu mustern, ob es Zustimmung zeigt oder Ablehnung. Es ist eklig, wie wir vor denen buckeln und …«
Er macht eine wegwerfende Handbewegung.
Dengler sagt: »Sie sind doch ein richtiger Baulöwe. Ein Tycoon. Sie haben einen Privatjet. Kommen Sie nicht ohne diese Typen aus?«
Kröger schaut wieder zum Fenster hinaus. »Schon lange nicht mehr«, sagt er leise. »Schon sehr lange nicht mehr.«
Als sie die Friedrichstraße entlangfahren, sagt er plötzlich: »Stopp.« Und dann: »Du brauchst nicht auf mich zu warten.«
Dengler hält am Straßenrand. Kröger steigt mühsam aus dem Wagen und geht mit gebeugtem Rücken auf den Eingang eines großen Bürohauses zu. Er drückt eine Klingel. Die Tür öffnet sich automatisch, und Kröger verschwindet dahinter.
Dengler parkt trotz wütenden Hupens in der zweiten Reihe, schaltet die Warnblinkanlage an und steigt aus. Er geht zu dem Eingang und liest die Klingelaufschrift: Dr. Herbert Glowalla, Psychiater und Psychotherapeut.
Interessant, denkt Dengler, fotografiert das Klingelschild, geht zurück und setzt sich in den BMW
.