Jeder kann sich irren, sogar eine Katze,
und nicht alles, was sich reimt, ist automatisch wahr.
von mir
Wie gesagt, wir führten ein angenehmes Leben, mein Frauchen Emma Schwert und ich, Kitty mit Ypsilon, wenn auch nicht ohne Missverständnisse. An eines erinnere ich mich besonders gut, weil ich erst sehr gekränkt war, dann aber eine wichtige Erkenntnis gewann.
Ich hatte damals gerade angefangen, das Jagen zu üben, was Emma mir natürlich nicht beibringen konnte. Doch der Jagdtrieb ist zum Glück in jeder Katze angelegt und bricht irgendwann aus, auch bei Hauskatzen, denen das Futter in einem Napf serviert wird. Nun ja, Trieb hin oder her, etwas habe ich nicht gewusst, obwohl ich es hätte wissen können, wenn ich vorher darüber nachgedacht hätte: Eine Katze jagt Mäuse grundsätzlich als Nahrungsmittel, selten nur zum Vergnügen, das tun nur Hauskatzen, die einen gefüllten Futternapf haben. Und nur Hauskatzen kommen auf die Idee, eine Maus als Geschenk für eine Nichtkatze zu fangen. Aber grundsätzlich ist so etwas in der Natur nicht vorgesehen und kann deshalb auch nicht gut ausgehen. Aber in diesem Punkt war ich ignorant.
Eines Morgens kauerte ich also gleich nach Sonnenaufgang ewig lange mit eingezogenen Pfoten und gesenktem Schwanz vor einem lächerlich kleinen Loch in der Erde, in das ich am Abend zuvor eine Maus hatte verschwinden sehen, und wartete darauf, dass sie endlich herauskommen würde. Dabei fiel mir ein besonders hübscher Reim ein, nämlich:
Ein Sommermäuschen,
sommerfett, schmeckt
sommerwarm besonders nett.
Ich gebe zu, ich war sehr stolz darauf und erwartete, von Emma gelobt zu werden. Doch es kam ganz anders.
Als ich diese dumme und unvorsichtige Maus endlich erwischt hatte, habe ich sie nicht gleich aufgegessen, was bestimmt viele Katzen an meiner Stelle getan hätten und was auch mich, ich gebe es zu, im ersten Moment gereizt hatte. Stattdessen trug ich die Maus, die noch appetitlich zappelte, in die Küche und legte sie Emma als Geschenk auf ihren Frühstücksteller.
Sie hat sich jedoch kein bisschen gefreut. Sie hat nur »igitt« gesagt, mit angeekeltem Gesicht den Teller geschnappt und ihn samt Maus durch das offene Küchenfenster bis in die Stockrosen gedonnert.
Ich verstand die Welt nicht mehr. Wie kann man sich vor Mäusen so ekeln? Ich fand Mäuse schon immer interessant und appetitlich, auch wenn sie keine besonders schönen Tiere sind. (Jedenfalls nicht so schön wie Katzen.)
Ich war dermaßen beleidigt, weil Emma mein Geschenk verschmäht hatte, dass ich mich hinter dem Kühlschrank verkroch.
Doch es dauerte nicht lange, da hatte Emma sich wieder gefasst. Sie bückte sich und lockte mich mit sanften Schnurrtönen aus meinem Versteck. Unbeholfen streichelte sie mir über den Kopf und sagte: »Nein, Kitty, nein! Mäuse musst du schon draußen fressen. Eine Maus hat im Haus nichts verloren.«
In diesem Moment begriff ich etwas, worüber ich vorher nie nachgedacht hatte, und das war eine wichtige Erkenntnis, die ich mir immer wieder mal vor Augen halten sollte: Nicht alle Geschöpfe sind gleich, das Gegenteil ist richtig.
Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mir eingebildet, in einer Welt zu leben, in der sich alles nur um Katzen dreht und in der nichts wichtiger ist als das Wohlbefinden einer Katze. Nach dem Vorfall mit Emma und der Frühstücksmaus wusste ich es besser: Katzen, Menschen und Mäuse sind verschiedene Geschöpfe, die in verschiedenen Welten leben, auch wenn sie manches verbindet, zum Beispiel essen und trinken und auch das Gegenteil davon. Nicht umsonst hatten wir, Emma und ich, getrennte Toiletten. Apropos: Wohin pinkeln eigentlich Mäuse? Vermutlich tun sie es einfach da, wo sie gerade stehen, unkultiviert, wie sie sind.
Und noch etwas wurde mir damals klar: Emma duldete in ihrem Haus keine Mäuse. Unter keinen Umständen. Genau genommen wollte sie nur ein einziges Tier um sich haben, eine Katze. Mich, Kitty mit Ypsilon. Mir konnte das nur recht sein. Deshalb habe ich ihr diesen Ausbruch auch verziehen.
Aber den Vers, auf den ich so stolz gewesen war, den Vers von den sommerfetten Sommermäuschen, habe ich ihr nie vorgetragen. Heute tut mir das leid.