Anwendungen für den Alltag, die auf künstlicher Intelligenz beruhen, gibt es schon lange. Die Empfehlungsalgorithmen von YouTube, Spotify, Netflix oder Amazon gehören ebenso dazu wie Spamfilter ihres E-Mail-Programms, der Übersetzungsanbieter DeepL oder die personalisierte Auswahl von Meldungen in LinkedIn. Meist ist die KI im Hintergrund und fällt uns Usern gar nicht auf. Wir sehen sie erst, seit mit dem weltweiten Start von ChatGPT die Möglichkeiten von generativer künstlicher Intelligenz in unser Blickfeld gerückt sind, seither sprechen auch zurückhaltende Expertinnen und Experten vom Epochenwechsel und einer Revolution.

DeepL-Gründer Jarosław Kutyłowski beschreibt im Interview die Folgen für die Medienlandschaft: «Künstliche Intelligenz hat disruptives Potenzial, vielleicht das größte seit dem Aufkommen des Internets. Wir sehen darin eine großartige Chance: für die Medien wie auch für alle anderen Branchen. Auf redaktioneller Seite kann KI beispielsweise bei der Datenanalyse oder der Recherche helfen. Redaktionsteams können sich dank der Technik auf journalistische Kernaufgaben konzentrieren, wie etwa Beziehungsaufbau und -pflege sowie ausführliche Analysen. Übersetzungssoftware kann Medien auch helfen, eine internationale Zielgruppe zu erreichen.» Für die Nutzerinnen und Nutzer sieht er viele Erleichterungen, macht aber

Die neuen Werkzeuge generieren mehr oder weniger selbsttätig Inhalte auf der Basis von Prompts, also Aufforderungen. Solche Inhalte sind Texte, Programmcodes, Bilder, Videos, Stimmen, Musik, wie sie bis vor Kurzem eher aus menschlicher Kreativität und Fleiß geboren wurden. Noch haben wir es mit einer neuen Entwicklung zu tun. Doch sehen wir uns an, wie schnell sie sich verbreitet, so verwundert es nicht, dass öffentliche Organisationen wie Europol, das Norwegian Consumer Council oder das FBI schon wenige Monate nach dem Start von ChatGPT gewarnt und Reports mit Handlungsempfehlungen veröffentlicht haben. OpenAI soll binnen fünf Tagen die Schwelle von einer Million Nutzerinnen und Nutzern erreicht haben. Bei Twitter soll das zwei Jahre gedauert haben.

Neben der Verbreitungsgeschwindigkeit nehmen auch die Anwendungsgebiete sprunghaft zu. Frühere Systeme konnten vor allem eine Sache besonders gut, zum Beispiel Rechtschreibfehler erkennen oder Spam finden. Ich habe sie immer Fachidioten-KI genannt und ihre Begrenztheit als Grund dafür gesehen, dass KI nicht wirklich kreativ sein kann. Moderne multimodale KI-Modelle gehen allerdings schon deutlich in Richtung allgemeine künstliche

Tatsächlich vollzieht sich diese Entwicklung so schnell, dass sich während der Recherche an diesem Buch nicht nur einige der Modelle exponentiell verbessert haben, es kamen auch permanent neue Mitspieler und Möglichkeiten hinzu. ChatGPT als Vorreiter konnte schnell nicht nur Textantworten geben, sondern auch Bilder erstellen. Und eine recht frühe Limitierung – das Sprachmodell war zunächst nur mit Informationen bis zum September 2021 gefüttert worden, die Daten danach fehlten – wurde zuerst dadurch wettgemacht, dass durch Plug-ins jeder beliebige Dienst, jeder beliebige Inhalt und jede Website im Netz einfach verbunden werden konnten. Inzwischen wird mit jedem neuen Release die Datenbasis näher an die Gegenwart gebracht. Und dabei dürfen wir nie vergessen, dass wir uns immer noch am Anfang einer neuen Evolutionsstufe der künstlichen Intelligenz befinden. Die Grundlagen der Technologie sind zwar schon viele Jahrzehnte alt, dennoch können wir von einer neuen Epoche sprechen, weil nie zuvor KI-Anwendungen eine derart hohe Verbreitung hatten. Und obwohl die Geschwindigkeit dieser Evolution bereits am Anfang unglaublich hoch war, können wir davon ausgehen, dass durch neue Daten, intelligentere Modelle, größeres Interesse der Öffentlichkeit, mehr Investitionen und