Um abzuschätzen, mit welcher Größenordnung von synthetischen Inhalten wir es zu tun bekommen werden, lohnt sich ein Blick auf die Ökonomie. KI-Systeme können Verbraucherdaten analysieren und darauf basierend zielgerichtete und personalisierte Anzeigen schalten. KI kann in Echtzeit deren Effektivität messen und eine Kampagne entsprechend anpassen. Im Online-Handel spricht generative KI Produktempfehlungen aus, die auf den bisherigen Käufen eines Kunden und seinem Online-Verhalten beruhen. Dadurch wird das Einkaufserlebnis persönlicher, und der Anbieter hofft: Der Kunde kauft mehr. Doch auch die Zeit standardisierter Produktbeschreibungen dürfte bald vorbei sein. Denn während mich die Sicherheitsfeatures eines Fahrradhelms interessieren, spielt für jemand anderen vielleicht das Design eine Rolle. Wir werden zukünftig komplett individualisierte Beschreibungstexte und unterschiedliche Kundenbewertungen im Online-Shop gezeigt bekommen.
Im Online-Handel in Deutschland wurden 2022 über 90 Milliarden Euro umgesetzt, allein Amazon bietet mehr als 250 Millionen verschiedene Produkte an. Und alle wollen noch mehr verkaufen. Mit personalisierten Texten und Bildern dürfte das besser funktionieren, sodass Werbung und E-Commerce ohne synthetisch angepasste Inhalte zukünftig nur noch in Nischen vorkommen; Amazon jedenfalls bietet seit 2023 KI-generierte Produktbeschreibungen an. Und womöglich steckt darin auch eine gute Botschaft: 80 Prozent der Verbraucher würden laut einer Umfrage eher bei Unternehmen kaufen, die personalisierte Erfahrungen bieten – vermutlich weil sie sich erhoffen, dadurch nur relevante Dinge angeboten zu bekommen.
Eine Spezialdisziplin der Werbung (und auf meiner persönlichen Ekelliste ganz oben) sind automatisch generierte Websites, die ausschließlich dazu dienen, automatisiert bei Google geschaltete Werbung auf hilflose User zu kippen. Nach einer Untersuchung des Bewertungstools Newsguard werden diese Websites fast komplett von den großen werbetreibenden Konzernen finanziert. Solche Seiten haben Hunderte neue Artikel pro Tag und werden allein von generativen KI-Systemen erstellt. Der Inhalt reicht von How-to-Beschreibungen, Frage und Antwort zu populären Themen bis hin zu komplexeren Inhalten wie Blog-Artikeln und News-Updates zu durchaus schweren Themen – allerdings ohne Anspruch auf Korrektheit. Darüber hinaus sollen Clickbait-Seiten so viel CO2 generieren wie 1,35 Millionen Passagiere, die von London nach Paris fliegen, so hat Scope3 ermittelt, eine Website, die Kohlenstoffemissionen von digitalen Produkten misst. Es ist davon auszugehen, dass nahezu 100 Prozent dieser Inhalte von Algorithmen stammen, da Menschen schlicht zu teuer sind, um eine derartige Masse an Contentfallen zu bauen, die sich schon nach wenigen Werbeaufrufen amortisiert haben.