Level 27
Teagan
In Gedanken verfluchte ich Parker, aber noch mehr verfluchte ich mich selbst dafür, diesem Treffen zugestimmt zu haben. Denn, ganz ehrlich? Was erhoffte ich mir bitte davon?
Nur weil wir einmal wieder zusammen gezockt hatten, war nicht wieder alles in Ordnung. Er würde sicher nicht vor mir auf die Knie fallen und um Verzeihung bitten, ich würde ganz bestimmt nicht zu ihm auf den Boden sinken und behaupten, alles wäre vergeben und vergessen und dann würden wir erst recht nicht zusammen in den Sonnenuntergang reiten. Definitiv nicht.
Zumal es elf Uhr an einem Sonntag war und damit noch eine Weile dauern würde, bis die Sonne unterging. Außerdem hatte ich Angst vor Pferden.
Aber ich wollte Klarheit. Ich wollte endlich erfahren, was passiert war und warum Parker entschieden hatte, mich von einem Tag auf den anderen so aus seinem Leben auszuschließen. Warum er wochenlang nicht mehr gestreamt hatte und auch nicht mehr in der WG gewesen war.
Aber auch wenn ich Antworten wollte, zwang ich mich dazu, keinerlei Erwartungen zu haben. Keine … Hoffnung. Nicht, nachdem ich wochenlang versucht hatte, Parker eine Antwort zu entlocken, und er mich einfach immer weiter ­ignoriert hatte. Aber ich musste die Wahrheit wissen. Und ein Teil von mir wollte ihm auch die Chance geben, sich zu erklären. Selbst wenn er sie vielleicht nicht verdient hatte.
Ich nippte an meinem Coffee-to-go, den ich mir in dem kleinen Café an der Strandpromenade gekauft hatte, vor dem wir uns treffen wollten, und kniff die Augen gegen die Helligkeit zusammen. Ich hätte wirklich daran denken sollen, meine Sonnenbrille mitzunehmen, aber die lag vermutlich irgendwo zwischen meinen mittlerweile ausgepackten Sachen in meinem WG-Zimmer. Oder meine Mitbewohnerin Gabriela hatte sie sich gekrallt, weil sie ihre eigene wieder mal im Hörsaal oder der Mensa oder an jedem beliebigen anderen Ort auf dem Campus hatte liegen lassen.
Abgesehen von ihrem ausgeprägten Talent, Dinge zu verlegen, hatte ich wirklich Glück mit meiner Mitbewohnerin. Gabriela und ich teilten uns nicht nur die Wohnung, sondern hatten einen ähnlichen Musik- und Filmgeschmack. Und als sie erfahren hatte, dass ich bis zu meinem Umzug live Videospiele gezockt hatte, war sie fast ausgeflippt und hatte sofort meinen Channel abonniert. Meine Warnung, dass ich vor allem abends und nachts streamte und es dabei schon mal laut werden konnte, hatte sie nur mit einem Lachen quittiert. Und so, wie ich Gabriela bisher einschätzte, würde sie wahrscheinlich zuschauen und mitfluchen, statt sich über den Lärm zu beschweren.
Beim Gedanken daran, dass ich schon bald wieder streamen würde, breitete sich eine Mischung aus Nervosität und Vorfreude in mir aus. Auch wenn in der Onlinewelt noch immer das reinste Chaos herrschte. Zumindest, was Parker und mich anging. Zuerst hatte es lediglich Fragen und Gerüchte darüber gegeben, wieso erst ich, dann Parker und dann wieder ich nicht mehr streamte. Irgendwann hatte irgendwer behauptet, wir wären zusammen gewesen und hätten uns getrennt. Ab dem Zeitpunkt war der Shitstorm losgegangen, der sich – Überraschung! – hauptsächlich gegen mich gerichtet hatte. Schließlich hatte ich dem armen, armen Parker das Herz gebrochen. Daran, dass er mein Herz gebrochen haben könnte, dachte natürlich niemand. Aber nach dem Stream gestern, den ich zufällig mitverfolgt hatte …
Ich starrte auf den Pappbecher in meiner Hand hinab, während mir der Wind ein paar Haarsträhnen ins Gesicht wehte. Ich hatte gehört, was Parker gesagt hatte. Ich hatte jedes einzelne Wort gehört und die Wahrheit in seinen Augen lesen können. Allein bei der Erinnerung daran zog sich alles in mir zusammen und gleichzeitig breitete sich eine kribbelnde ­Wärme aus, bis ich nicht mehr wusste, wohin mit all den Gefühlen.
Mit der Zeit hab ich TR besser kennengelernt und mich in sie verliebt.
Vor einer Weile habe ich einem Mädchen versprochen, sie niemals im Stich zu lassen, mich niemals einfach so von ihr abzuwenden. Aber genau das habe ich in den letzten Wochen getan.
Ich legte den Kopf in den Nacken, um gegen das Brennen in meinen Augen anzukommen und tat alles, um bloß nicht zu blinzeln. Denn wenn ich blinzelte, würde die Feuchtigkeit, die sich bereits in meinen Augen sammelte, über meine Wangen laufen und dann würde ich richtig weinen. Bisher war es nur … nur … keine Ahnung. Ein Systemfehler. Auf jeden Fall keine Tränen. Nicht wirklich, denn ich weigerte mich noch immer, wegen eines Kerls rumzuheulen. Selbst wenn dieser Kerl Parker war. Und auch wenn sein Geständnis vor rund sechzigtausend Menschen mir die Knie weich werden ließ und mich dazu brachte, ihm um den Hals fallen zu wollen. Gleichzeitig würde ich ihm für sein Verhalten diesen Hals am liebsten umdrehen. Ergab das einen Sinn?
Als ich wieder an meinem Kaffee nippte, bemerkte ich eine Gestalt, die in diesem Moment die Strandpromenade entlang auf mich zukam – und erstarrte.
Auf den ersten Blick hatte sich Parker kein bisschen verändert. Er war noch immer groß, breitschultrig, etwas schlaksig. Mit seinen dunklen Haaren und den intensiv blauen Augen zog er noch immer die Aufmerksamkeit aller Frauen und Mädchen auf der Promenade auf sich. Doch das typische lässige Lächeln fehlte, ebenso wie das humorvolle, fast schon herausfordernde Funkeln in seinen Augen. Stattdessen lag ein angespannter Zug um seinen Mund, den ich so nicht von ihm kannte. Weder online noch in echt.
Trotzdem stockte mir bei seinem Anblick der Atem. Und obwohl ich mich dagegen wehrte, kehrten mit einem Schlag all diese dämlichen Empfindungen zurück – das Kribbeln im Bauch, das unangenehme Ziehen in der Brust, getoppt nur von dem kleinen Salto, den mein Magen machte, als Parker immer näher kam.
Ich biss die Zähne zusammen und gab alles, um eine möglichst unbeteiligte Miene aufzusetzen. Genau das hatte ich schließlich in den letzten Jahren an der Highschool perfektioniert. Aber so ganz wollte mir das nicht gelingen. Nicht nach dem Stream gestern. Nicht nach den Nachrichten, die wir ausgetauscht hatten. Nicht nach allem, was er gesagt hatte.
Als er vor mir stehen blieb, mischte sich sein mittlerweile vertrauter Duft nach Rosmarin und grünen Äpfeln unter die salzige Meeresluft. Ich musste mich dazu zwingen, nicht einfach die Augen zu schließen, tief einzuatmen und an den Moment unserer allerersten Begegnung zurückzudenken. An die Umarmung mitten auf der RTX Convention in Texas, als er über das Absperrband geklettert und einfach zu mir gekommen war, statt weiter Autogramme an seine Fans zu verteilen.
»Hey.« Meine Stimme klang nur ein bisschen zu heiser, nur ein bisschen zu leise, aber größtenteils normal. Immerhin etwas.
»Hey …« Etwas Weiches trat in seinen Blick, etwas, das ich verdammt noch mal nicht dort sehen wollte. Gleichzeitig sehnte ich mich so sehr danach, dass ich mich am liebsten selbst kräftig durchgeschüttelt hätte.
Was um alles in der Welt war los mit mir?
Ohne zu fragen, setzte ich mich in Bewegung. Ich klammerte mich mit beiden Händen an meinem Kaffeebecher fest, um sie bloß nicht nach Parker auszustrecken. Ein romantischer Spaziergang am Strand war nicht gerade meine Intention gewesen, als ich diesen Treffpunkt vorgeschlagen hatte, aber alles war besser, als seltsam herumzustehen und nicht zu wissen, wohin mit sich. Alles war besser, als Parker direkt ins Gesicht sehen zu müssen.
»Du hast dich also für Florida entschieden«, stellte er nach einigen Minuten angespannten Schweigens fest und atmete tief durch, als wäre er genauso nervös wie ich.
Ich nickte langsam. »Obwohl ich auch eine Zusage aus Texas bekommen habe. Aber es war meine erste Wahl.«
Das schien ihn zu überraschen. »Wirklich? Warum?«
»Weil der Campus wunderschön ist, weil ich mich hier sofort wohlgefühlt habe und der Studiengang einer der besten des Landes ist. Außerdem hat mir Cole so viel darüber erzählt und mir lauter Tipps gegeben, dass es sich so angefühlt hat, als würde ich schon hierher gehören. Ich mag die Stadt und das Meer und … und die Stimmung hier«, fügte ich hinzu und trank einen großen Schluck von meinem Kaffee, um den Redeschwall zu stoppen.
Parker nickte und schwieg einen Moment. »Also hatte es nichts damit zu tun, dass Cole und die anderen auch hier sind?«, fragte er eine Spur leiser. »Oder … dass ich hier bin?«
»Dein Name stand ziemlich groß auf der Kontra-Seite«, gestand ich und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu. »Aber Cole und die anderen könnten ein Pluspunkt sein. Vielleicht. Mal sehen.«
Parker verzog das Gesicht, widersprach aber nicht.
Wir gingen schweigend weiter, schlenderten an Joggern und Familien mit kleinen Kindern vorbei, die sich schon jetzt einen Platz auf dem weichen Sandstrand gesichert hatten. Es war seltsam, wieder mit Parker hier zu sein. Seltsam und bittersüß, da sich die traurige Gegenwart mit einer Vergangenheit mischte, die so schön und unbeschwert war, dass ich sie um keinen Preis vergessen wollte. Und zugleich so schmerzhaft, dass ich nichts lieber getan hätte, als sie aus meinem Gedächtnis zu löschen.
»Es tut mir leid.«
Seine Stimme war so leise, dass ich sie über all die anderen Geräusche hinweg kaum wahrnehmen konnte. Dennoch war ich mir sicher, diese vier Worte aus seinem Mund gehört zu haben.
»Ich weiß«, erwiderte ich genauso leise und bohrte die Fingernägel in den Pappbecher. »Ich hab den Stream gesehen.« Ich zögerte einen Moment, sprach die Frage dann aber doch aus, auch wenn ich mich vor der Antwort fürchtete. »Hast du dich nur bei mir gemeldet, weil du erfahren hast, dass ich in der Stadt bin?«
Nach dieser Funkstille und der plötzlichen Bitte um ein Treffen wusste ich einfach nicht mehr, woran ich bei ihm war. Bis vor ein paar Wochen hatte ich geglaubt, Parker zu kennen. Nicht alles natürlich, denn dafür kannten wir uns zu kurz, aber er hatte mir Dinge über sich und sein Leben erzählt, von denen ich gedacht hatte … Ich hatte gedacht, wir wären uns nahe. Und ich war mir sicher gewesen, dass er mich nicht einfach fallen lassen würde. Dass er nicht so war wie alle anderen.
Konnte ich mich wirklich so sehr in ihm getäuscht haben?
»Nein«, sagte er sofort. »Ich wollte mich schon die ganze Zeit bei dir melden, aber …« Er hielt inne.
Ich blieb stehen und drehte mich zu ihm um. Wollte ich seinem Blick vorher um jeden Preis ausweichen, suchte ich ihn jetzt geradezu. »Was ist passiert? Warum … warum hast du dich dazu entschlossen, dich wie der letzte Arsch zu verhalten?«
Parker starrte aufs Meer hinaus. Allerdings nur zwei, drei Herzschläge lang, dann wandte er sich mir wieder direkt zu. »Erinnerst du dich noch an die Blutergüsse, die du an mir bemerkt hast?«, begann er rau.
Irritiert runzelte ich die Stirn, nickte aber.
»Meine Mom ist krank. Schon seit ein paar Jahren. Sie hat Frontotemporale Demenz – das bedeutet, dass sie langsam ihre Sprache und ihr Erinnerungsvermögen verliert und aggressive Anfälle hat. Wenn ich bei meinen Eltern daheim bin, bin ich normalerweise derjenige, der sie festhält, bis sie sich beruhigt hat, damit sie sich nicht selbst wehtut.«
Aber stattdessen tut sie dir weh … Die Worte lagen mir auf den Lippen, aber ich sprach sie nicht aus.
»Daher die blauen Flecken – so ziemlich jedes Mal, wenn ich zu Hause bei meinen Eltern war.« Parker vergrub die Hände in den Taschen seiner Jeans. »Die Diagnose kam vor sieben Jahren. Statistisch gesehen hat sie jetzt noch ungefähr ein Jahr zu leben. Manchmal erinnert sie sich noch an meinen Dad und an das Haus, in dem sie schon zusammen gelebt haben, bevor ich geboren wurde. Aber die meiste Zeit über ist sie … sie ist nicht mehr der Mensch, den ich gekannt habe.«
»Parker …«
Erst als er zurückwich, merkte ich, dass ich einen halben Schritt auf ihn zu gemacht hatte. Er schüttelte den Kopf und ich blieb stehen, auch wenn ich ihn trotz allem, was passiert war, einfach nur in den Arm nehmen wollte.
»Nicht«, stieß er hervor und schaute wieder Richtung Meer, als könnte er es nicht ertragen, mich anzusehen. Oder zu berühren.
»Hast du dort die letzten Wochen verbracht?«, hakte ich nach. »Zu Hause bei deiner Mom?«
Er nickte knapp. »Ich bin hingefahren, weil ich die gleichen Symptome gezeigt habe wie sie damals, ganz am Anfang.«
Mir wurde schlagartig kalt. Das konnte nicht … Das bedeutete doch nicht, dass er …?
»Eine Zeit lang dachte ich, ich würde dieselbe Form von Demenz haben wie sie«, gab er zu und sah mich wieder direkt an. »Normalerweise entwickelt sich das erst sehr viel später im Leben, aber die Übergänge bei dieser Krankheit sind fließend. Die Diagnose kann auch schon mit Mitte zwanzig kommen. Außerdem … außerdem kann die Krankheit in etwa zehn Prozent der Fälle auch vererbt werden. Und deshalb … deshalb bin ich einfach gegangen. Ich bin zurück nach Alabama gefahren und habe Moms Arzt kontaktiert.«
Ich starrte ihn an. Die Frage war da, sie brannte mir auf der Zunge, aber ich brachte sie nicht hervor. Denn plötzlich ergab alles, was in den letzten Wochen vorgefallen war, ein neues, ein angsteinflößendes Bild. Parker hatte den Kontakt nicht abgebrochen und sich zurückgezogen, weil er mich satt hatte oder weil ich nicht gut genug war, wie ich die ganze Zeit geglaubt hatte, sondern weil er befürchtet hatte, krank zu sein. Gott, hatte er etwa gedacht, auch nur noch die statistischen acht Jahre zu leben zu haben?
Er holte tief Luft. »Es hat ein paar Wochen gedauert, bis sich die Ärzte sicher waren, aber ich habe keine Frontotemporale Demenz. Und auch keine andere Form von Demenz«, ­fügte er schnell hinzu, sah aber nur kurz zu mir, als könnte er mir nicht ins Gesicht sehen, während er davon erzählte.
»Was dann?«, fragte ich leise, da er gerade eben noch von Symptomen gesprochen hatte und ich mich auf einmal daran erinnerte, dass er immer wieder von Kopfschmerzen erzählt hatte. Ich ignorierte das unangenehm schnelle Hämmern in meiner Brust, machte einen weiteren Schritt nach vorne, sodass ich direkt vor ihm stand, und suchte seinen Blick.
»Burn-out«, stieß er hervor, dicht gefolgt von einem harten Lachen. »Was völlig absurd klingt. Ich liebe meinen Job und meine Familie und studiere gerne hier. Aber es war wohl … zu lange zu viel.«
Ich legte die Hand auf seinen Arm, auch wenn er vorhin vor mir zurückgewichen war. Diesmal tat er es nicht, sondern blickte nachdenklich auf die Stelle hinunter.
»Es tut mir leid«, wisperte ich. »Das mit deiner Mom. Mit dir.«
Er nickte nur.
Ich holte tief Luft. Zwang mich dazu, die nächsten Worte auszusprechen, auch wenn sie sich wie Glassplitter in meiner Kehle anfühlten. »Ich kann nachvollziehen, warum du getan hast, was du getan hast. Okay? Ich verstehe es. Und es tut mir leid. Es tut mir schrecklich leid, dass du das durchmachen musstest, aber … Du hast Freunde, Parker. Du hättest jede Unterstützung von Cole, Lincoln und Sophie bekommen, die du gebraucht hättest. Das weiß ich. Sie wären für dich da gewesen und hätten das gemeinsam mit dir durchgestanden.« Kurz zögerte ich, weil ich mich nicht noch verletzlicher machen wollte, entschied mich dann jedoch dafür, die Wahrheit zu sagen. Auch wenn sie noch so wehtat. » Ich wäre für dich da gewesen, wenn du mich gelassen hättest. Aber du hast mir nicht mal eine Chance gegeben.«
»Ich weiß.«
»Du hast mir versprochen, mich nicht einfach fallen zu lassen. Du hast es mir genau hier versprochen!« Meine Stimme klang so erstickt, dass wir beide zusammenzuckten.
Parker verzog das Gesicht. Zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit begegnete er wieder meinem Blick. »Ich weiß. Und du glaubst gar nicht, wie leid es mir tut, Tea-Tea.«
Bei dem mittlerweile so vertrauten Spitznamen musste ich mir fest auf die Lippen beißen. Ich hatte nicht gelogen. Bis zu einem gewissen Grad konnte ich Parkers Entscheidungen tatsächlich nachvollziehen, schließlich war ich es ebenfalls gewöhnt, die Dinge allein und für mich zu klären. Der Unterschied zwischen uns war jedoch, dass ich Parker davon erzählt hätte. Ich hätte ihn einbezogen und meine Gedanken und Gefühle mit ihm geteilt, statt ihn ohne ein einziges Wort, ohne eine Erklärung auszuschließen und mit Funkstille zu bestrafen. Ich hätte dafür gekämpft, dass diese Sache mit uns beiden irgendwie funktionierte. Vor allem nach meinem Besuch hier bei ihm. Aber er hatte nichts davon getan.
Und genau das war es, was am meisten wehtat, wie ich jetzt realisierte. Nicht der Kontaktabbruch. Nicht das wochenlange Schweigen. Nicht die Geheimnisse. Sondern die Tatsache, dass Parker es nicht einmal versucht hatte. Dass ihm das zwischen uns nicht genug bedeutete, um wenigstens zu versuchen, über seinen Schatten zu springen. Er hatte einfach aufgegeben. Er hatte mich einfach aufgegeben.
»Ich wollte dir davon erzählen«, behauptete er und sah mich fest an. »Aber erst später. Ich dachte … Verdammt, ich dachte, es wäre für alle besser, wenn ich das Ganze erst mal für mich kläre, bevor ich irgendjemanden in Panik versetze. Außerdem wollte ich kein Mitleid oder gut gemeinte Worte und diesen ganzen Scheiß. Ich wollte die ganzen Untersuchungen nur so schnell wie möglich hinter mich bringen. Aber dann hat alles doch länger gedauert und mit jedem Tag, mit jeder Woche wurde es schwieriger, mich wieder bei dir zu melden. Ich wusste, dass du sauer auf mich bist, und wollte es dir erklären. Irgendwie. Dann hat Lincoln gesagt, dass du in der Stadt bist und … den Rest kennst du.«
Auf einmal lagen seine Hände an meinen Schultern und er suchte meinen Blick.
»Ich habe dich nicht fallen gelassen.« Parker betonte jede Silbe, als wollte er sichergehen, dass ich es auch verstand. »Ich weiß, dass es so ausgesehen hat, aber das stimmt nicht. Ich habe jeden Tag an dich gedacht, all deine Streams geschaut und war so oft so kurz davor, dir zu schreiben. Ich wusste bloß nicht wie. Aber ich hab dich nicht aufgegeben, Teagan. Das würde ich nie.«
Ich schüttelte den Kopf, brachte aber auch kein Wort hervor. Wie konnte ich ihn gleichzeitig verstehen, aber dennoch so wütend auf ihn sein? So … verletzt? Wie konnte ich ihn umarmen und küssen, ihn aber am liebsten auch ins Meer schubsen wollen?
»Ich mache es wieder gut«, beharrte er. »Ich will mit dir zusammen sein, Teagan. Bitte gib mir die Chance, es wiedergutzumachen.«
Ich zögerte. In meinem Kopf war ein einziges Chaos, und es fiel mir so verflucht schwer, die richtigen Worte zu finden. Vielleicht, weil ich selbst nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte.
»Das will ich auch«, gab ich nach einem Moment zu. »Und ich verstehe, warum du getan hast, was du getan hast. Aber du hast mich auch verletzt. Du hast mir wehgetan, obwohl du versprochen hast, es nicht zu tun. Obwohl ich dir von meiner Mom erzählt habe, und du …«
Das Leuchten in seinen Augen erlosch. »Ich weiß«, erwiderte er brüchig. »Wenn ich könnte, würde ich alles anders machen. Aber ich kann nicht. Ich kann es nicht mehr ändern.«
Ich nickte langsam. »Ich glaube«, begann ich und befeuchtete mir die Lippen. »Ich glaube, wir brauchen beide einfach … Zeit.«
Zeit zum Nachdenken. Zeit, um gesund zu werden. Zeit, um uns über die eigenen Gefühle klar zu werden.
Parker nickte, auch wenn er nicht glücklich dabei wirkte. »Das klingt … machbar.«
»Okay.« Ich atmete tief durch, dann setzte ich ein Lächeln auf, das sich sogar halbwegs ehrlich anfühlte. »Aber wehe, du schließt mich wieder aus.«
Parkers Mundwinkel wanderten in die Höhe. »Niemals. Versprochen.«
Vielleicht wäre es einfacher gewesen, die Sache hier und jetzt zu beenden oder Parker damit zu bestrafen, noch länger wütend auf ihn zu sein, aber das konnte ich nicht. Dafür war er mir trotz allem, was passiert war, zu wichtig. Dafür verstand ich seine Beweggründe zu gut. Und auch wenn er sich scheiße verhalten hatte, wollte ich ihm glauben. Ich wollte daran glauben, dass er so etwas nie wieder tun würde. Dass er mich nicht einfach aus seinem Leben aussperren und fallen lassen würde, sondern es ihm wirklich ernst mit mir war.
Ich konnte nur hoffen, dass das auch die richtige Entscheidung war.