Während ich Spiegeleier mit Bacon auf den Tisch stelle, fällt Sonnenlicht durchs Küchenfenster, auf der Fußmatte gibt uns ein Mangrovenmetzgervogel ein Konzert. Mum muss ihn gefüttert haben. Ich stelle ein Stück Bacon für später beiseite.

»Mum. Warum sind wir noch hier, obwohl Grandpa und Nanna verreist sind? Wann fahren wir nach Hause?«

Obwohl ich mit der Frage gerechnet habe, weiß ich keine Antwort, die mein Sohn mir abnehmen würde. Während ich noch auf eine Eingebung hoffe, klingelt das Telefon. Auf dem Display erscheint Lexys lächelndes Gesicht. Ich schnappe mir das Gerät wie eine Rettungsleine und gehe ein Stück vom Frühstückstisch weg, aber Sasha lässt mich nicht aus den Augen.

»Hi, Lexy. Wie geht’s dir?«

»Sie haben auf jeden Fall irgendwas vor.«

»Okay, erzähl.«

Sasha scheint sich auf sein Frühstück zu konzentrieren. Dass meins kalt wird, ist mir egal, ich habe keinen Hunger. Ich öffne die gläserne Schiebetür, der Vogel fliegt davon. Dann trete ich hinaus in den taschentuchgroßen Garten.

»Also, neulich war ich abends auf Facebook und hab die ganzen Fotos der Familien in Belgrad entdeckt. Ich hab sie Anto gezeigt, damit er sich das Baby meiner Cousine anschaut, aber anschließend ist er ganz still geworden. Zuerst dachte ich, es wäre wegen des Babys – du weißt ja, dass er auch unbedingt eins will –, aber letzte Nacht war er bis frühmorgens mit Johnny weg, jedenfalls hat er mir gesagt, er hätte Johnny begleitet. Wenn er mich angelogen hat, bringe ich ihn um.«

Ich bekomme einen Schrecken. Selbst wenn er wegen eines Jobs unterwegs ist, bleibt Johnny praktisch niemals die ganze Nacht weg. Was hatten sie vor? Er würde nicht fremdgehen, davon bin ich felsenfest überzeugt. Eine Party? Früher hat Johnny sich hin und wieder eine Line gegönnt, aber seit Sashas Geburt nimmt er keine Drogen mehr, also klingt auch das unwahrscheinlich.

»Amy? Bist du noch dran?«

»Ja, ich hab bloß nachgedacht. Hat Anto ausgesehen, als käme er von einem Besäufnis?«

»Nein, nur schrecklich müde, wie nach einer durchgemachten Nacht. Aber er hat nach Benzin gestunken.«

»Benzin?« Dafür fällt mir keine Erklärung ein, es sei denn, sie hätten ein Auto abfackeln müssen. Aber in der Regel spritzen sie ihre Autos um und verpassen ihnen einen ganz neuen Look, statt sie abzufackeln. Es würde höchstens dann einen Sinn ergeben, wenn der Wagen bei einem Mord oder für den Transport einer Leiche benutzt wurde. Die Angst schnürt mir die Kehle zu, meine Fantasie geht mit mir durch. Ich zwinge mich, ruhig und gleichmäßig zu atmen.

»Hat Anto dir sonst irgendwas gesagt?«

»Nada. Geht’s dir gut? Bist du noch im Haus deiner Eltern?«

»Ja, ich bin noch hier. Sasha und mir geht’s so weit gut, wir vermissen Johnny … Du weißt ja, dass er wegen der Arbeit verreisen musste.«

»Okay, Sasha hört also zu. Verstanden. Ich rufe dich an, wenn ich irgendwas rausfinde. Natürlich frage ich Anto geradeheraus, was er gemacht hat. Und natürlich wird er abstreiten, dass etwas Ungewöhnliches läuft. Aber ich schätze, unsere beiden Jungs hecken irgendwas aus, was mit den Serben zu tun hat. Ich weiß nur nicht, was.«

Nach dem Anruf vermisse ich Johnny noch mehr. Ich weiß, dass die anderen Frauen über die Familiengeschäfte im Dunkeln gelassen werden, aber ich habe immer gedacht, dass wir keine wirklichen Geheimnisse voreinander haben. Zugegebenermaßen hat mir das ein Gefühl der Überlegenheit gegeben, worauf ich nicht stolz bin. Aber jetzt bin ich völlig außen vor.

»Mum?«

Ich gehe wieder zu Sasha hinein.

»Ja, Schatz?«

»Du siehst ängstlich aus. Heute Nacht hab ich dich wieder weinen hören. Und die Nacht davor hast du geschrien. Nanna hat gesagt, du hättest einen Albtraum gehabt. Ist mit Dad alles in Ordnung? Ist ihm etwas Schlimmes passiert?«

Plötzlich fühlt mein Herz sich an wie in einem Schraubstock. Ich begreife, dass Sasha mehr sieht und hört, als ich gedacht habe. Er macht sich Sorgen um seinen Vater. Ich beuge mich über ihn und ziehe ihn an mich, sein Kopf lehnt an meiner Schulter.

»Deinem Vater geht es gut. Er arbeitet nur sehr hart, wie gesagt.« Ich höre selbst, wie lahm es klingt.

»Bist du böse auf ihn?« Sasha hebt den Kopf, seine Augen sind feucht.

Ich setze mich neben ihn an den Tisch und nehme seine Hände in meine. Ich muss ihm eine sinnvolle Erklärung geben.

»Manchmal brauchen die Erwachsenen ein bisschen Abstand, um nachzudenken. Ich war böse auf deinen Dad, das stimmt. Also brauchte ich ein bisschen Zeit ohne ihn.«

»Was hat er gemacht?«

»Er hat nichts falsch gemacht. Wegen dem, was mit Ivan passiert ist, muss er mehr arbeiten. Im Moment hat er zwei Jobs, seinen eigenen und den von Ivan.«

Ich schätze, dass ich damit nahe genug an der Wahrheit liege und dass Johnny wirklich nichts Schlimmes getan hat. Noch nicht.

»Okay. Wann hörst du denn auf, böse auf ihn zu sein, damit wir nach Hause fahren können?«

»Wenn er zurückkommt, setzen dein Vater und ich uns zusammen und sprechen alles durch. Und dann fahren wir drei zusammen weg. Das wäre doch schön, oder?«

»Mir ist egal, was wir machen, Mum. Ich will nur, dass du und Dad euch wieder lieb habt.«