Mir wird schwindlig, ich hocke mich hin. Welches kranke Arschloch tut einem Tier so etwas an? Molly. Ein Goldstück von einem Hund. Ich kann es nicht glauben. Noch einmal schaue ich mich um, diesmal gründlicher. Niemand zu sehen. Ich ziehe die Hündin ins Haus und schließe die Tür.
Dann wickle ich sie in zwei Strandtücher. Irgendwie wirken die fröhlichen Farben fehl am Platz. Ich werde Molly im Garten vergraben und das Blut wegwischen. Amy muss nichts davon erfahren.
Dann muss ich an Flynn denken, den Jungen von nebenan. Er wird in der ganzen Nachbarschaft Plakate mit der Aufschrift »Hund vermisst« aufhängen. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als es Doug und Kerry zu sagen, seinen Eltern.
Es ist neun Uhr durch. Flynn dürfte schon schlafen. Ich nehme Molly und trage sie über unseren Rasen hinweg zur Haustür von Doug und Kerry. Ich spüre die Wärme des Tiers auf meinen Armen, als würde es bloß schlafen. Aber ich registriere auch den metallischen Geruch des Blutes und den dunklen Fleck, der sich auf einem der Strandtücher ausbreitet.
Es ist meine Schuld. Ich habe die Gewalt in diese ruhige Straße geholt. Was soll ich ihnen erzählen? Ich lege Molly ab, öffne die Fliegengittertür und klopfe an. Auf der Stelle wird der Fernseher leiser gedreht, ich höre leise Schritte.
»Hi, Johnny. Alles in Ordnung?« Kerry ist eine kurvenreiche, immer perfekt zurechtgemachte Brünette. Sie ist eindeutig überrascht, mich zu sehen.
»Ich habe schlechte Neuigkeiten für euch. Darf ich reinkommen?«
Sie bittet mich ins Wohnzimmer, das ungefähr so groß ist wie unseres. Doug sieht mein Gesicht und schaltet den Fernseher aus. Ich bin erleichtert, dass er hier ist. Doug ist schlank und blond und denkt immer pragmatisch. Ich hoffe, er macht es mir ein bisschen leichter.
»Willst du einen Drink, Mann? Du siehst ein bisschen angeschlagen aus.« Doug legt mir eine Hand auf die Schulter, seine Besorgtheit ist nicht zu übersehen. »Oh, du hast da Blut auf deinem Hemd. Ist alles in Ordnung?«
Er deutet auf einen Sessel, ich frage mich, was er denkt. Ich setze mich, sie nehmen auf dem Sofa Platz.
»Es gibt leider keine schonende Art, es euch zu sagen: Molly ist tot.«
Kerry springt wieder auf, schlägt die Hand vor den Mund. Doug zieht sie sanft herunter und legt den Arm um sie.
»Ist sie überfahren worden?«, fragt Kerry.
»Nein, jemand hat sie getötet. Mit Absicht.«
»Warum zum Teufel tut ein Mensch so etwas?«, fragt Kerry.
»Was hat man mit ihr gemacht?«, fragt Doug.
»Ich weiß nicht, wer es war, aber sie lag vor meiner Haustür, also geht es um mich, nicht um euch. Ich vermute, es hat mit meinem Bruder zu tun. Übrigens danke ich euch, dass ihr letzte Woche zur Beerdigung gekommen seid.« Ich reibe mir übers Gesicht.
»Es muss eine schwere Zeit für dich sein.« Doug klingt, als versuche er, ein gefährliches Tier zu besänftigen, das irgendwie den Weg in ihr Wohnzimmer gefunden hat. »Du denkst also, dass das, was Molly zugestoßen ist, mit dem Tod deines Bruders zu tun hat?«
»Ja, das denke ich.« Die Schüsse auf unser Haus werde ich mit keinem Wort erwähnen, es sei denn, sie bringen das Thema von sich aus auf.
»Hast du die Polizei angerufen?«, fragt Doug.
»Noch nicht, aber wenn ihr wollt, mache ich das.«
»Natürlich, wir müssen die Polizei rufen!«, sagt Kerry mit schriller Stimme. Doug zieht sie zu sich heran, tröstend und besänftigend.
»Schsch, wir wollen Flynn doch nicht wecken, Schatz.«
Nein, verdammt. Der arme Junge.
»Ich hab Amy und Sasha seit Tagen nicht gesehen. Wo sind sie? Geht es ihnen gut?«
»Amy und Sasha sind im Haus meiner Schwiegereltern. Die beiden sind für eine Weile bei ihnen zu Besuch.« Ich merke, wie fadenscheinig das klingt, also wechsele ich schnell das Thema. »Natürlich würde ich sofort einen Ersatz für Molly besorgen, wenn ihr das wollt. Manchmal ist ein Welpe die beste Art, über den Verlust eines Hundes hinwegzukommen.« Als Kind habe ich meinen Lieblingshund draußen im Westen verloren, als er bei einem von Dads Jagdausflügen von einem Wildschwein angefallen wurde. Es ist einfach schrecklich, einem schwer verletzten Hund eine Kugel in den Kopf zu schießen.
»Ja, danke, Mann, das wäre prima, aber das soll im Moment nicht unsere Sorge sein.« Doug wirkt verunsichert. Er scheint nach den passenden Worten zu suchen. »Ich hab gehört, es gab Anfang der Woche schon mal ein Problem? Jemand hat durch euer Fenster geschossen?«
»Ja. Auch das dürfte damit zu tun haben.«
»Es scheint, als wäre es nicht besonders sicher, neben dir zu wohnen, hm?«
»Doug, das ist nicht gut, wir müssen etwas unternehmen. Offenbar schweben wir auch in Gefahr!« Kerry wird langsam hysterisch. Sie schüttelt Dougs Arm ab, steht auf und fängt an, im Zimmer auf und ab zu laufen.
Die Situation ist unerträglich. Ich muss sie irgendwie unter Kontrolle bekommen.
»Ich glaube wirklich nicht, dass ihr irgendwie in Gefahr seid, Kerry. Hier wollte mir jemand eine Warnung schicken, mir ganz allein. Wer immer es war, muss gesehen haben, wie Molly im Vorgarten mit Sasha und Flynn gespielt hat. Ich werde Detective Inspector Ian MacPherson anrufen. Das ist der Cop, der die Untersuchung zum Mord an Ivan leitet. Er weiß sicher, was zu tun ist. Ist das für euch beide in Ordnung?« Beide nicken. »Ist es euch lieber, wenn ich mich um Molly kümmere?«
Kerry steht mit dem Rücken zu mir, die Arme vor der Brust verschränkt. Jetzt dreht sie sich wieder zu mir um.
»Kann ich sie sehen?«
»Ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«
»Ja, Johnny hat recht, Kez. Überlass das uns. Komm, Mann, ich helfe dir. Bringen wir es hinter uns.«
Doug und ich tragen Molly ums Haus herum in ihren Garten. In der Ecke, unter einem Maulbeerbaum, graben wir ein großes Loch. Doug sucht einen großen Stein und legt ihn ans Kopfende des Grabs. Nachdem wir unser Werk noch einmal begutachtet haben, bietet er mir ein Bier an. Ich schätze, diese Geste kann ich nicht zurückweisen. Zusammen stehen wir auf dem Rasen und leeren so schnell wie möglich ein Carlton Draught. Dann rufe ich an Ort und Stelle MacPherson an, damit Doug sicher sein kann, dass ich mich darum gekümmert habe.
Im Stillen danke ich Gott, dass er in einem kleinen Punkt Gnade gezeigt hat, nämlich im Hinblick auf die Uhrzeit. Ich weiß nicht, wie ich das Ganze hätte durchstehen sollen, wenn Flynn noch wach gewesen wäre.
Dann sehe ich zu, dass ich aus diesem Garten verschwinde.