Amys Anruf erreicht mich, als ich gerade wieder das Haus betrete und über den blutigen Fleck hinwegsteige. Ich gebe mir Mühe, mir die Anspannung nicht anmerken zu lassen.

Ja! Morgen Abend sehe ich meine Frau. Ich werde sie überzeugen, zurück nach Hause zu kommen. Toll, klar, und wenn sie heute Abend schon hier gewesen wäre? Vielleicht ist sie da, wo sie ist, besser dran.

Als Detective MacPherson auftaucht, habe ich einen Teil des Bluts auf der Veranda und im Haus aufgewischt. Ich öffne die Haustür, noch ehe er klopfen kann.

Er mustert das restliche Blut. »Sieht aus, als hätten Sie jemanden richtig gegen sich aufgebracht.«

»Ja, sieht so aus. Kommen Sie rein. Wahrscheinlich haben Sie längst Feierabend. Möchten Sie ein Bier?«

»Kann ich stattdessen einen Tee bekommen?«

Er folgt mir in die Küche. Zwar habe ich im Wohnzimmer schnell ein bisschen aufgeräumt, aber das Chaos in der Küche sagt alles. Ich weiß nicht, warum, aber er soll nicht wissen, dass Amy mich verlassen hat.

»Ihre Frau ist weg?«

Seufzend knicke ich ein.

»Ja. Amy und Sasha wohnen im Moment bei ihren Eltern. Sie war nicht glücklich wegen der Sache mit dem Wohnzimmerfenster.«

»Was ist mit Ihrem Fenster passiert?«

»Irgendwer hat es am Mittwoch zerschossen. Am selben Tag wurde auch mein Jeep beschossen. Heute war der Hund der Nachbarn dran, wie ich am Telefon schon gesagt habe. Ich schätze, das alles hängt zusammen. Und dass Sie Bescheid wissen sollten. Milch und Zucker?«

Auf dem Weg zurück ins Wohnzimmer deute ich auf die Einschusslöcher in der Wand.

»Sie haben nichts davon gemeldet?«

»Ich bin eigentlich nicht der Typ, der zur Polizei rennt.«

»Was soll ich dann hier?«

Als ich mich setze, öffnet MacPherson einen Knopf an seinem Anzug und lässt sich seufzend auf dem Sofa nieder. Er trinkt einen Schluck Tee und wartet auf meine Antwort.

»Meine Nachbarn haben darauf bestanden, dass ich die Polizei rufe. Verständlich, schließlich ist es ihr Hund, der getötet wurde. Da hab ich an Sie gedacht, statt mich an irgendeinen Neuling zu wenden. Außerdem wissen Sie über Ivan Bescheid.«

»Es war richtig, dass Sie mich informiert haben. Was können Sie mir sonst noch sagen?«

»Die Schüsse, die auf unser Haus abgegeben wurden, kamen aus einem schwarzen Mercedes ML63, wie Sie ihn mir auf den Überwachungsbändern gezeigt haben. Ich habe den Wagen klar und deutlich gesehen, am helllichten Tag. Ich sollte ihn sehen.«

»Okay.« MacPherson lehnt sich zurück und schaut noch einmal zu den Einschusslöchern hoch. »Ich lasse die Spurensicherung kommen. Die Kollegen sollen das Blei aus den Wänden kratzen.«

Jetzt, wo ich ihn einmal gerufen habe, bleibt mir wohl keine Wahl. Verdammt, ich will keine Bullen im Haus herumlaufen haben. Bei dem Gedanken, dass Dad davon erfahren könnte, wird mir mulmig, aber ich zwinge mich zur Konzentration.

»Glauben Sie, die Schüsse wurden aus derselben Waffe abgegeben, mit der Ivan erschossen wurde?« Mein Blick wandert zum Fenster und der dunklen Straße. Als ich MacPherson wieder ansehe, mustert er mich nachdenklich.

»Es könnte dieselbe Waffe sein, wir werden sehen. Hat der Hund ein Halsband getragen?«

»Ja. Der Nachbar und ich haben es in eine Tüte gepackt, bevor wir ihn begraben haben.«

»Gut. Die Kollegen werden nach Fingerabdrücken suchen.« MacPherson zieht seine schwarze Kladde hervor, schlägt sie auf und beginnt zu schreiben. Wir gehen die Daten und Uhrzeiten sämtlicher Vorfälle durch.

»Was glauben Sie, worum es hier geht?«, fragt er dann.

»Verdammt, ich hab keine Ahnung. Die Schüsse auf Anto und mich, okay, so was kommt vor. Aber aufs Haus zu schießen, während meine Frau hier ist? Das geht einfach nicht. Mein Sohn hätte im Haus sein können. Und dem Hund der Nachbarn die Kehle aufzuschlitzen? Das ist einfach nur krank. Wer macht so was?«

»Jemand, der Sie wütend machen und zu einer Reaktion provozieren will. Haben Sie sich in letzter Zeit neue Feinde gemacht? Haben Sie sich aufs Territorium einer anderen Gang gewagt?«

»Meine Familie besitzt eine Reihe von Fischläden.«

»Und meine kommt vom Mars. Ich versuche, Ihnen zu helfen, also beantworten Sie meine Frage.«

Ich habe meine Zweifel, ob er mir wirklich helfen kann. Trotzdem muss ich jede sich bietende Chance nutzen.

»Nicht dass ich irgendetwas zugeben würde, aber um welche andere Gang sollte es gehen? Die Chinesen und Libanesen bleiben unter sich. Die Biker-Gangs bekriegen sich nur gegenseitig. Hier draußen gibt es uns, die Serben und die Italiener. Klar, zwischen den Serben und uns gibt’s eine Vorgeschichte, aber inzwischen hat es auf beiden Seiten einen Toten gegeben.«

»Ich hoffe, Sie denken nicht an Rache?«

Ich schüttele den Kopf und sehe Detective MacPherson geradewegs in die babyblauen Augen.

»Okay. Solange wir nicht mehr wissen, empfehle ich Ihnen, vorsichtig zu sein. Ihre Frau und Ihr Sohn sollten bei Ihren Schwiegereltern bleiben. Geben Sie mir doch die Adresse. Ich sorge dafür, dass die Streifenwagenbesatzungen die Augen aufhalten.«

»Mann, die ganze Anlage ist eingezäunt, mit Wachtposten und dem vollen Programm. Fort Knox sozusagen.«

»Es könnte sein, dass ich sie finden muss, Johnny. Im Fall, dass Ihnen etwas zustößt.«

Ich nenne MacPherson die Adresse.