Zur Jahresabschlussaufführung ist die Schulaula rappelvoll. Lautstark stimmt das Orchester seine Instrumente. Ich suche mir einen Platz am Gang, für den Fall, dass ich raus muss. Chaz sitzt neben mir, die Kinder in ihren selbstgemachten Kostümen warten in den Kulissen. Zum Glück hatte Mum schon immer Talent, wenn es um das Wiederverwerten von leeren Klopapierrollen, Pappkartons und Alufolie geht.

Endlich werden die Lichter gedimmt, ein einzelner Trompeter steht auf und zittert sich durch drei langgezogene Noten. Die komplette Bläsersektion steigt ein, dann krachen Becken, ein Kind schlägt auf Kesselpauken ein – das Thema aus 2001: Odyssee im Weltraum. Als Astronauten und Aliens verkleidete Kinder verschiedener Altersgruppen betreten die Bühne. Sasha und Jenny stehen vorn in der Mitte. Nach einer kurzen, aber dramatischen Tanzeinlage verschwinden die Kinder und lassen eine mit Alufolie übersäte Bühne zurück. Das Orchester wechselt zu »Everything’s Alright«, eine sehr junge Maria Magdalena huscht über die Bühne, im Gefolge eine Reihe kleiner, als Engel verkleideter Mädchen.

»Soll das eine Weltraumversion von Jesus Christ Superstar werden?«, frage ich nach ungefähr zehn Minuten.

»Entweder das oder Raumfahrer erobern Jerusalem – Das Musical« erwidert Chaz und nimmt einen Schluck aus ihrer Wasserflasche. Als Sasha bei einer besonders energischen Drehung seinen Papphelm verliert, müssen wir uns beide beherrschen, nicht loszulachen.

Während ich das Geschehen filme, summt plötzlich mein Handy. Ein WhatsApp-Anruf von Lexy. Schnell gehe ich nach draußen, um ihn anzunehmen.

»Hi«, sagte Lexy. »Vor zwanzig Minuten sind hier alle zu einer Pokerpartie aufgetaucht, von der ich nichts wusste. Du kannst dir ja vorstellen, wie ich reagiert hab. Jedenfalls haben sie vor dem Haus geparkt und sind hier reinmarschiert. Ich rede von der ganzen Truppe, jeder einzelne Kerl. Nicht mal einen Drink haben sie angenommen! Dann sind sie in mehreren kleinen Gruppen durch den Garten wieder raus und hinten in die Gasse verschwunden.«

»Wo wollten sie hin?«

»Wie ich es verstanden hab, sind sie zum Lagerhaus. Ganz was Neues. Ich soll die Musik laut laufen lassen, bis Anto nach Hause kommt.«

»Sie basteln sich ein Alibi und hoffen, dass irgendein Nachbar sich beschwert.«

»Genau. Ich hab zum Fenster rausgeschaut und gesehen, dass ihre Autos sämtliche Parkplätze in der ganzen Straße blockieren. Die Anwohner werden nicht begeistert sein.«

»Hmm. Okay. Danke, Lex.«

»Hoffen wir nur, dass ihnen nichts passiert.«

»Das ist unsere Rolle, stimmt’s? Nichts zu wissen und uns Sorgen zu machen.« Wieder nehme ich die ungewohnte Bitterkeit in meinem Ton wahr. Ich atme tief ein und seufze schwer. »Danke jedenfalls, dass du mich auf dem Laufenden hältst. Schick mir eine Nachricht, wenn sie zurückkommen. Okay?«

»Klar. Bei dieser Scheißmusik kann ich nicht mal fernsehen. Ich bin extra in den Garten gegangen, um mit dir zu reden. Anto scheint zu glauben, dass zum Soundtrack einer Pokerpartie Alice in Chains, Red Hot Chili Peppers und eine kleine Prise Megadeath gehören. Grauenhaft. Ich hoffe, sie beeilen sich.«

Ich danke ihr, drücke mein Mitgefühl aus und verabschiede mich. Dann rufe ich Johnny an.