4
Daniel
»Du bist seit Monaten in sie verschossen, Mann. Heute ist ein großer Tag!«
Lorenzo hatte ihn in der Arbeit angerufen, obwohl Daniel ihn gebeten hatte, es nicht zu tun. Aber Lorenzo hasste seinen Job, langweilte sich schnell und mochte es, seinen Mitbewohner aufzuziehen, während er gleichzeitig an seinem eigenen Schreibtisch in einem Verlagshaus nördlich des Flusses so tat, als wäre er beschäftigt. Außerdem war er charmant genug, um den Empfangssekretär Percy zu beschwatzen, ihn durchzustellen. Und das, obwohl Daniel Percy mehrfach und ausdrücklich angewiesen hatte, es nicht zu tun. Lorenzo machte es Spaß, seinen Charme spielen zu lassen und seinen Willen durchzusetzen. Daniel in seinem Büro zu erreichen, war für ihn nur eine weitere Möglichkeit, eine Show abzuziehen.
»Aber verdammt, sie hat es nicht gesehen«, zischte Daniel durchs Telefon.
»Kannst du nicht die Adjektive ändern und es noch einmal abschicken, für irgendeine andere, die du gesehen hast? Wirf mit genug Dreck, dann wird schon etwas hängen bleiben«, sagte Lorenzo, und Daniel war sich zu ungefähr siebzig Prozent sicher, dass das kein Witz war. Lorenzo sagte , dass er eine Beziehung suchte, aber nach dem, was Daniel gesehen hatte, waren seine Anforderungen an ein Date, dass sie einen Puls hatte und nicht zu viel redete. Es war typisch Lorenzo, dass er ihm vorschlug, dieselbe Taktik einfach bei einer anderen Frau zu probieren.
»Verkauf mal lieber ein paar Bücher«, gab Daniel zurück.
»Geht mir im Moment am Arsch vorbei, Mann. Bin noch immer im Comedown.«
Daniel hasste es, dass Lorenzo von Donnerstag bis Sonntag kokste. Er tat es nie zu Hause, schwor Lorenzo, aber Daniel war trotzdem derjenige, der seine Stimmungsschwankungen ertragen musste, wenn er in der ersten Hälfte der Woche erst die Wände hochlief und dann auf dem Sofa vor sich hin vegetierte. Lorenzo war ein guter Typ, aber er traf einfach so viele Entscheidungen, die, wie Daniel unwillkürlich dachte, nicht unbedingt gesund waren. Es war so frustrierend mit an zu sehen. Sie hatten sich über Lorenzos Suchanzeige nach einem Mitbewohner kennengelernt, und Daniel hatte von Anfang an das Gefühl gehabt, dass sie so verschieden wie Tag und Nacht waren. Aber die Lage der Wohnung und die Miethöhe waren im Grunde perfekt, daher hatte Daniel entschieden, über ihre Differenzen mehr oder weniger hinwegzusehen, und sie waren zwar nicht wirklich Freunde geworden, aber doch mehr als nur Fremde, die zusammenlebten. Sie hatten ihr eigenes, sehr spezielles Zweiergespann gebildet, und bis Daniel eine eigene Wohnung fand, erfüllte es den Zweck.
»Ich mache jetzt Schluss«, sagte Daniel. »Ich habe Arbeit zu erledigen. Wir sehen uns zu Hause.«
Lorenzo redete noch immer, als er den Hörer auflegte. Keine Sekunde später blinkte auf Daniels Handy eine Nachricht. Es war Lorenzo.
Super, dass du die Eier hattest, Mann! Das war Lorenzos Art zu sagen: Ich weiß, du hasst es, wenn ich mich wie ein Idiot benehme, aber ich kann einfach nicht anders. Daniel kommentierte die Nachricht mit einem Daumen-hoch-Icon.
Dann widmete sich Daniel wieder seinen E-Mails. Er versuchte, sich auf den Tag, der vor ihm lag, zu konzentrieren und nicht auf den Morgen, der hinter ihm lag. Aber es klappte nicht wirklich. Er konnte nicht aufhören, an sie zu denken. Er konnte nicht aufhören, an den Tag zu denken, an dem sie sich das erste Mal begegnet waren.
Nachdem sein Vater gestorben war, es war kurz nach Ostern, hatte Daniel begonnen, sich zu zwingen, jedes Mal seinen Schreibtisch zu verlassen, wenn er Platzangst oder Unbehagen verspürte oder das Gefühl hatte, vielleicht gleich weinen zu müssen. Seine Therapeutin hatte gesagt, dass es ihm in der Trauerphase – das Wort »Depression« blieb ihm noch immer irgendwie in der Kehle stecken und klang ein bisschen klebrig – helfen würde, viel draußen in der Natur zu sein.
Oh Gott. Er konnte nicht glauben, dass er eine Therapeutin hatte.
»Bleiben Sie in Bewegung, stellen Sie sicher, dass Sie sich auf die Welt einlassen, gehen Sie wenigstens im nächstgelegenen Park spazieren, nur um die Energie in eine andere Richtung zu lenken«, hatte sie ihm bei einer ihrer ersten gemeinsamen Sitzungen gesagt. Er hatte ihr von den Panikattacken erzählt, die ihn an der Kehle packten und ihm die Luft abschnürten.
Er musste fünfundsechzig Pfund die Stunde bezahlen, um als Privatpatient zu kommen, da die Warteliste des staatlichen Gesundheitsdienstes zu lang und seine Situation zu schlimm war. Er konnte nicht länger warten, denn er funktionierte kaum noch. Er fragte sich, wenn auch ohne Groll, ob das die Art Rat war, die er für über zweihundert Pfund im Monat erwarten konnte. Egal. Er ging spazieren, um wenigstens das Gefühl zu haben, etwas für sein Geld zu bekommen, und da sah er sie, Nadia (damals wusste er natürlich noch nicht, dass das ihr Name war). Sie stand in dem versteckten Innenhof abseits des Borough Market. An einem x-beliebigen Freitag. Puff! An seinem Tiefpunkt, in einem Moment purer emotionaler Verzweiflung, war diese positive, engagierte, clevere Frau aufgetaucht, und ihre Ausstrahlung – ihr ganzes Wesen, ihre Aura – war wie Sonnenschein, der alle um sie herum mit Energie versorgte. Daniel war völlig hin und weg.
Daniel wusste genau, an welchem Tag er sie zum ersten Mal gesehen hatte, denn es war zwei Wochen nach der Beerdigung und fünf Wochen, nachdem er seinen sechsmonatigen Consulting-Job bei Converge, einem Erdölunternehmen, angefangen hatte. Es war der Tag, an dem seine Mutter angerufen hatte, als er in einem Meeting zu den Konstruktionsfehlern bei einem Tauchbohrer saß, und er hatte sich prompt entschuldigt, um abzunehmen, für den Fall, dass es dringend war.
Sie hatte gesagt: »Er ist hier.«
»Was meinst du damit, Mum?«, hatte Daniel erwidert. »Dad ist … Dad ist gestorben, erinnerst du dich?«
Er hatte mit angehaltenem Atem darauf gewartet, dass ihr klar wurde, dass sie das falsche Wort verwendet hatte, dass sie das Falsche gesagt hatte. Er gab den Typen auf der anderen Seite der Glastrennwand mit zwei erhobenen Fingern zu verstehen: zwei Minuten. Er brauchte nur zwei Minuten. Sie waren ungeduldig, brauchten sein Okay vor der Mittagspause, und sie waren misstrauisch gegenüber einem Außenstehenden, der erst so spät zu dem Projekt gestoßen war, und sauer, weil er auf einen Richtungswechsel bei den nächsten Schritten gedrängt hatte. Es war ihm egal. Er wollte sicherstellen, dass es seiner Mum gut ging. Er würde es nicht verkraften können, wenn sie an Demenz oder Gedächtnisverlust oder so litt. Er hatte eben erst seinen Dad verloren – er konnte nicht auch noch sie verlieren.
»Daniel«, hatte sie völlig vernünftig geantwortet. »Verdammt, ich weiß, dass er tot ist. Ich rede von seiner Asche. Sie ist eben geliefert worden.«
Daniel atmete erleichtert aus. Sie war nicht verrückt. Na ja. Nicht verrückter als sonst.
»Aber das ist so viel wie ein verdammter Müllsack! Er ist so verdammt schwer, dass ich ihn nirgends hinschaffen kann. Deshalb steht er jetzt einfach hier. Bei mir in der Küche, neben der Hintertür. Seine ganze Asche in einem strapazierfähigen Sack, und ich weiß nicht, was ich damit machen soll.«
Daniel schloss die Augen und kniff sich benommen in den Nasenrücken. Die Asche seines Dads. Weil sein Dad tot war.
»Ich trinke jetzt einen Kaffee und erzähle ihm, deinem Dad, von Janet Petersons neuem Vauxhall Mokka. Sie haben ihn in Gold bekommen, kannst du das glauben! Gold! Und weißt du, ich sage ›neu‹, aber es ist offensichtlich ein guter Gebrauchter. Autos verlieren an Wert, sobald man mit ihnen vom Hof fährt, aber wie auch immer, es ist ein bisschen unheimlich. Dein Dad. Kannst du nach der Arbeit vorbeikommen und mir helfen?«
Daniel musste fast lachen. Er lachte tatsächlich, und dann sagte er seiner Mum, er würde gegen sieben hinüber nach Ealing Broadway fahren, und sie solle sich in der Zwischenzeit stattdessen ins Wohnzimmer setzen und sich Loose Women ansehen. Sie war in der letzten Zeit so stark, dass er sich schämte, der »Schwache« zu sein. Er wollte gerade zurück in sein Meeting gehen – er hatte buchstäblich schon die Hand auf dem Türknauf, um wieder einzutreten –, aber dann schnürte sich seine Kehle zu, und sein Hemdkragen fühlte sich eng an, und er hatte das undeutliche Gefühl, sich vielleicht übergeben zu müssen, denn auf einmal erinnerte sich sein Körper wieder aufs Neue, dass sein Dad tot war. Sein bester Kumpel. Sein größter Fan. Tot durch ein gerissenes Hirnaneurysma.
Sie hatten vor dem Sonntagsessen ein paar Gläser im Pub getrunken, und sein Dad hatte Daniel gesagt, er könne ihm bei der Anzahlung für eine Wohnung unter die Arme greifen, und keine Sorge, es sei kein Darlehen, sondern ein Geschenk, er wolle ihn gut versorgt wissen, und die Londoner Immobilienpreise seien inzwischen so irrsinnig, dass er es allein niemals schaffen würde. Es sei doch seltsam für einen Dreißigjährigen, einen Mitbewohner zu haben, meinte sein Dad – er selbst hatte in dem Alter ein Kind und eine Ehefrau. Daniel hatte erwidert, er würde darüber nachdenken, er sei ein bisschen zu stolz, um ein Almosen anzunehmen, und in London sei es ganz normal, dreißig zu sein und einen Mitbewohner zu haben, es sei eben ein teures Pflaster, er mochte die Firma, und er lebte gern in Kentish Town, und an diesem Nachmittag, bevor er später akzeptieren und »Dad, ich liebe dich, danke, dass du auf mich aufpasst« sagen konnte, war sein zweiundsechzig Jahre alter Dad zu Hause einfach umgekippt und nie wieder aufgewacht. Binnen einer einzigen Stunde war alles anders und nichts mehr dasselbe, und Daniel hatte den Mann verloren, der ihn zu dem gemacht hatte, der er war.
Nach diesem Telefonat nahm Daniel Reißaus. Er machte auf dem Absatz kehrt, den Kopf gesenkt, um sein Gesicht zu verbergen, ein Gesicht, das aschfahl und tränenüberströmt war. Er nahm die Hintertreppe, alle dreiundzwanzig Stockwerke, bis hinunter ins Erdgeschoss, und stürzte durch einen Notausgang auf die Straße hinaus. Er lehnte sich keuchend mit dem Rücken gegen die Wand. Ihm war nicht bewusst, dass er sich in Bewegung gesetzt hatte, bis er sich schweißgebadet auf eine halbrunde Bank in der Sonne fallen ließ, irgendwo in der Nähe des Marktes. Er saß da, schloss die Augen und atmete tief durch, ließ die Tränen und den Schweiß trocknen, dachte an seinen Dad, dachte daran, wie einsam er war, wie schlecht er in letzter Zeit schlief und wie die Schlaflosigkeit das sein könnte, was ihn wirklich um den Verstand brachte.
Auf der Bank saß er anfangs mit dem Rücken zu ihr. Er hatte auf nichts Bestimmtes gestarrt, hatte sich einfach die Sonne ins Gesicht scheinen lassen und die Augen geschlossen, um ein paarmal tief durchzuatmen und sich in Erinnerung zu rufen, dass mit ihm alles gut werden würde. Er nannte es nicht ein »Mantra« in dem Sinn, aber wenn er seinen Dad über alles vermisste, sagte er sich im Stillen: »Sei am Leben und denk dran zu leben. Sei am Leben und denk dran zu leben. Sei am Leben und denk dran zu leben …«
Er nahm undeutlich eine Stimme genau über seiner linken Schulter wahr, die immer lauter wurde, und er stellte sein Ohr darauf ein, wie ein Autoradio, das auf einer Landstraße ein Signal findet, bis er klar die Stimme einer Frau hören konnte, die sagte:
»Weil sie sowieso aufgebaut werden wird, oder? Deshalb muss sie von Leuten aufgebaut werden, die aus der Unterschicht oder aus einkommensschwachen Familien kommen …«
Das war es, was Daniel aufhorchen ließ. Er war der Erste in seiner Familie, der auf die Universität gegangen war. Seine Familie war sehr bescheiden. Sein Dad hatte in vierzig Jahren, die er als Postbote gearbeitet hatte, nur drei Fehltage, und er hatte Daniel ein Studium fast ohne Schulden ermöglicht. Es war ihm wichtig gewesen, dass sein Kind die Möglichkeiten bekam, die er selbst nicht gehabt hatte. Die Stimme der Frau fuhr fort: »Künstliche Intelligenz wird sich nur dann um die ärmeren Leute kümmern, wenn es Leute aus diesen unterprivilegierten Schichten sind, die sie programmieren.«
Als Ingenieur wusste Daniel ein wenig über künstliche Intelligenz, aber nicht viel. »Die nächste industrielle Revolution«, hatte einer seiner Uni-Professoren erklärt, aber Daniel hatte sich mehr für die bekannten Größen von Mathematik und Gleichungen interessiert und dafür, Dinge für das Jetzt, nicht für die Zukunft zu bauen. Daniel reckte den Kopf ein wenig über die Schulter, um zu sehen, wer da redete. Da saß ein Typ: Anzughose ohne Gürtel, offensichtlich maßgeschneidert, um genau auf seiner Hüfte zu sitzen, schmale Nadelstreifen statt schlichtes Schwarz, die Schuhe so glänzend, dass man sich in ihnen spiegeln konnte. Er schenkte dem Mädchen einen irgendwie ironischen Blick. Ein Grinsen.
»Da bin ich mir nicht so sicher …«, meinte der Typ mit dem ironischen Lächeln.
Daniel fand ihn unsympathisch. Er sah aus wie einer dieser Typen auf der Uni, denen alles in den Schoß gefallen war. Die gut aussehenden Typen mit den athletischen Körpern, die nicht Fußball oder Rugby spielten, sondern Tennis oder Lacrosse. Sie hatten ziemlich durchschnittliche Noten, waren aber die Ersten, die überdurchschnittliche Jobs bekamen, weil ihre Familien andere Familien kannten, die ein gutes Wort für sie einlegen konnten. Daniel hatte Freunde auf der Uni gefunden, und er war immer noch mit ihnen befreundet, aber sie hatten alle schwer geschuftet. Sie waren Arbeiterkinder, deren Akzente in Gesellschaft der vornehmen Jungen seltsamerweise breiter wurden, als würden sie ihren Klassenunterschied als Schutzschild hochhalten, anstatt sich dem Druck zu beugen und ihre Herkunft zu verschleiern. Als würden sie »Fickt euch, Privilegien« sagen.
Die meisten vornehmen Typen amüsierten sich darüber, und ein paar versuchten sogar, sich mit Daniel anzufreunden, aber er hatte immer das Gefühl, dass es für sie nur ein Spiel war. Dass sie glaubten, wenn sie »keinen Klassenunterschied machten«, könnten sie einen Freund aus einer Arbeiterfamilie gewinnen, der anders sprach, und das würde Zeugnis von ihrem eigenen Charakter ablegen. Aber jeder, der aus ärmlichen Verhältnissen stammt, weiß, dass er niemals einem Typen trauen darf, der sagt, dass man sich mit Geld kein Glück kaufen kann. Mit Geld kann man sich Essen und Strom kaufen und einen Pullover ohne Löcher, damit man nicht ausgelacht wird. Ohne Geld kann man nicht glücklich sein.
Die Frau, die redete, blieb gelassen. Sie verlor nicht die Beherrschung, während sie diesem stinkreichen Typen ihre Theorie erklärte, aber sie war leidenschaftlich. Besorgt.
»Wir müssen dafür sorgen, dass junge Leute aus unterprivilegierten Schichten direkt eingestellt werden, damit sie diese Technologie in die richtige Richtung lenken. Andernfalls wird nur ein Haufen reicher Leute Entscheidungen für reiche Leute treffen, die weiterhin Millionen von Leuten übers Ohr hauen, weil sie nicht reich sind. Die Kluft zwischen Arm und Reich wird buchstäblich so groß werden, dass ein Mensch einen Mindestnettowert wird haben müssen, um überhaupt leben zu können. Es ist widerwärtig. Widerwärtig! Aber wir können auf jeden Fall etwas dagegen tun.«
Daniel gefiel sehr gut, was er hörte. Diese Frau mit ihren wuscheligen Haaren und wild rudernden Armen und ihrem Reisburrito und ihren hochfliegenden Ideen von sozialer Verantwortung war klasse. Er dachte: Mein Dad würde sie mögen . Er verlagerte seine Haltung noch ein wenig mehr, um sie besser sehen zu können.
Der reiche Typ riss die Hände hoch. »Okay, okay. Gott, Nadia, du kannst die Mittel haben. Wir werden etwas tun. Ich habe dich verstanden.« Er schüttelte lachend den Kopf. »Ich werde mit dem Vorstand reden. Gib mir einen Monat oder so.«
Nadia – das war also ihr Name  – lachte ebenfalls.
Daniel war aufgestanden. Seine Apple Watch summte an seinem Handgelenk, um ihn zu erinnern, dass er in zehn Minuten eine Telefonkonferenz mit dem Büro in Kapstadt hatte. Die Geologen hatten die Oberflächenstrukturen des neuen Standorts analysiert, und er brauchte ihren Input, um zu wissen, was er wegen des Bohrproblems unternehmen sollte. Er wusste, dass er es nicht versäumen durfte, wenn sie unter dem Budget bleiben wollten – und Daniels Devise war, dass er immer erst wenig versprach und später umso mehr hielt. Das war der Grund, weshalb er das Tageshonorar verlangen konnte, das er verlangte. Jetzt fühlte er sich ohnehin schon viel besser. Jetzt, wo er wusste, dass diese Frau existierte.
Er nahm Blickkontakt zu ihr auf, bevor er ging. Es fühlte sich an, als sei es das Mutigste, was er seit Monaten getan hatte. Sie war schön und ungezähmt. Er stolperte ein wenig und war unsicher auf den Beinen, als er sich von den beiden entfernte. Sie beobachtete ihn kurz, es war nicht länger als eine halbe Sekunde, aber Daniel kam es vor wie eine ganze Minute. Dann wandte sie sich wieder dem reichen Typen zu. Daniel fühlte sich, als hätten ihn die Liebesgötter geohrfeigt, und als er sein Büro erreichte, war es nicht sein Dad, an den er dachte, sondern diese Frau.
»Sie hatte einfach diesen … Geist «, erzählte er später Lorenzo. »Und auch keinen Ring am Finger. Ich habe hingeschaut.«
Lorenzo hatte gelacht. »Das ist das erste Mal seit der Sache mit deinem Dad, dass ich dich auch nur vage begeistert von etwas sehe, Mann. Ich freue mich für dich.« Und dann, in einem leiseren, ernsteren Ton, fügte er hinzu: »Aber du wirst sie natürlich nie wiedersehen. Lass dich nicht zu sehr hinreißen.«