30
Daniel
Daniel wusste nicht, was er tun sollte, außer sicherzustellen, dass er in dem Zug war, der um halb acht durch die Angel Station fuhr. Sie musste in diesem Zug sein. Wenn sie es war, hatte er sich geschworen, dann würde er einfach auf sie zugehen und sagen: »Es tut mir leid. Mein Vater ist vor ein paar Monaten gestorben, und meine Mutter war sehr aufgelöst, und ich wollte eigentlich nicht gehen. Aber ich musste. Ich bin alles, was sie noch hat. Mein Name ist Daniel, und ich bin der, der dir geschrieben hat. Du musst mir nicht verzeihen, dass ich dich versetzt habe, aber bitte, alles, worum ich dich bitte, ist, dass du mir eine zweite Chance für einen ersten Eindruck gibst.« Das würde er zu ihr sagen.
Tatsächlich hatte er sich eine ganze Rede im Kopf zurechtgelegt, und er war nervös und aufgeregt und entschlossen, sie zu halten. Er war gestern spätabends von seiner Mum nach Hause gekommen. Seine Mum zu halten, während sie weinte, war schwer – sie zu halten, während sie ihn hielt, weil sie beide weinten, war schwer –, und der späte Abend und die Sorge zeichneten sich auf seinem Gesicht ab. Aber er hatte geduscht und ein frisches, sauberes Hemd angezogen, sich rasiert und Mundwasser und Moisturizer benutzt, und als der Zug durch King’s Cross fuhr, holte er tief Luft, in dem Wissen, dass ihre Station die nächste war.
Bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, bitte, beschwor er sie im Stillen. Bitte sei da .
Als der Zug in die Station einfuhr, sah er gebannt aus dem Fenster, und da war sie, genau an ihrer üblichen Stelle. Strahlend und perfekt, und Daniels Magen schlug einen Purzelbaum, und er ballte triumphierend die Fäuste. Sie war da! Der Zug hielt so, dass die Türen, neben denen er stand, die waren, die sich für sie öffnen würden.
Okay, Kumpel , coachte er sich. Das ist es. Das ist dein Moment. Mach was draus .
Die Türen gingen auf, ein oder zwei Leute stiegen aus, und ihr wurde Platz gemacht, um einzusteigen. Daniel richtete sich auf und arrangierte seine Gesichtszüge zu einem aufmunternden Lächeln, bereit, ihren Namen zu sagen.
»Nadia?«
Der hochgewachsene, rothaarige Mann, der genau hinter ihr stand, kam ihm zuvor. Er trug eine Lederjacke und hatte Bartstoppeln, und er wies mit dem Kopf nach links und sagte: »Hier entlang, Süße.«
Im Zug war es ungewöhnlich still, und die beiden suchten sich zusammen Plätze ganz am Ende des Waggons, und der Typ legte ihr besitzergreifend einen Arm um die Schultern und zog sie an sich. Daniel änderte seine Haltung so, dass er sie besser sehen konnte. Nadia hatte die Beine übereinandergeschlagen, und der Mann hatte seine andere Hand auf ihr Knie gelegt. Daniel schob sich näher zu ihnen heran, versuchte angestrengt, zu hören, was der Mann sagte. Es ging um irgendwelche Pläne fürs Wochenende – ob sie mit ihm zum Blumenmarkt in der Columbia Road gehen wollte? Sie könnten an dem Ende mit den Cafés anfangen und sich Kaffee und Gebäck holen und dann hochschlendern und sich die Geschäfte ansehen und bei dem Pub am anderen Ende herauskommen und vielleicht über einen Lunch nachdenken. Er hatte ein ganzes Wochenendprogramm für sie beide ausgearbeitet, das jetzt aus ihm hervorsprudelte, und Daniel fühlte, genau an der Stelle zwischen Bauchnabel und Magengrube, allein von diesem kleinen Brocken, den er eben gehört hatte, dass sie ein gemeinsames Leben hatten. Er wusste nicht, wie er die Anzeichen hatte übersehen können – auch wenn es, zugegeben, das erste Mal war, dass er die beiden zusammen sah. Vielleicht war sie an all den anderen Tagen, an denen sie nicht im Halb-acht-Zug gewesen war, tatsächlich von seinem Haus zur Arbeit gependelt, von irgendwo anders in London. Er sah aus wie ein Typ, der südlich des Flusses wohnte. Peckham vielleicht, in einem dieser Neubauprojekte, von denen jeder gesagt hatte, sie würden sich nicht verkaufen, und wo jetzt eine Zweizimmerwohnung für eine halbe Million wegging. Das würde Sinn ergeben: Das war der Grund, weshalb er sie nicht jeden Tag sah.
Er verfolgte diesen Gedankengang weiter. Wenn Nadia einen Freund hatte, schoss es ihm durch den Kopf, dann konnte es sicher nicht sie gewesen sein, die ihm zurückgeschrieben hatte. Er war wie selbstverständlich davon ausgegangen, dass sie es war, aber jetzt kam er sich idiotisch vor: Es hätte irgendjemand sein können, der sich nach ein bisschen Aufregung sehnte und daher auf diese Nachrichten geantwortet hatte. Vielleicht war es wie mit den Horoskopen: Alle Details trafen zu, wenn man nur angestrengt genug suchte.
Irgendjemand anders hatte die Sache offensichtlich missverstanden, und er war irrtümlicherweise beeindruckt von dem, was jemand anders geschrieben hatte. Irgendwo dort draußen musste es eine Frau geben, die überzeugt war, dass Daniel ihr den Hof machte, und vielleicht war das die Frau, die er gestern Abend getroffen hätte, denn Nadia hätte gar nichts davon gewusst. Er kam sich wirklich verdammt idiotisch vor. Er hob den Kopf und sah sich im Waggon um, ob irgendwo in der Nähe eine blonde Frau mit einem Kaffee in der Hand war – eine Frau, die sich überzeugt hatte, dass Daniel sie gemeint hatte. Nicht weit von ihm war eine Frau in den Sechzigern mit rotblonden Haaren und einer Aktentasche, die über ihre Brille hinweg auf ihr Handydisplay äugte. Und eine Blondine in den Zwanzigern, die Haare zu einem französischen Zopf geflochten, der ihr bis zur Taille reichte, saß in Jogginghosen und Turnschuhen da, eine Sporttasche zu ihren Füßen, hörte Musik und schien die Frau ihr gegenüber abzuchecken. War es eine von ihnen?
Daniel sah wieder zu Nadia und ihrem Freund. Einen Moment lang fragte er sich, ob – und hoffte halb, dass – sie polyamourös waren. Das gab es in London in letzter Zeit immer häufiger, hatte er gehört. Er hatte es auch auf einigen der Apps gesehen. »Ethisch nichtmonogam«, hieß es in einigen der Bios. Aber danach zu urteilen, wie nah ihr Freund bei ihr saß, ihre Luft atmete, ihr ins Ohr flüsterte – ausgeschlossen. Für Daniel sah es nicht danach aus. Er verurteilte niemanden, der genug Liebe für mehr als eine einzige Person hatte, aber nein. Nadias Freund war keiner dieser Leute. Daniel spürte einfach nicht diesen Vibe.
Nadia schien nicht im Geringsten aufgewühlt oder verärgert. Nichts an ihr deutete darauf hin, dass sie gestern Abend auf einen Fremden gewartet hatte und versetzt worden war. Nicht ein bisschen.
Röte stieg Daniel in die Wangen. Auf einmal war ihm übel und heiß und schwindelig. Er fühlte sich lächerlich. Er hatte die ganze letzte Zeit damit verbracht, das hier zu planen und sich auszumalen, und jetzt stellte sich heraus, dass er eine imaginäre Beziehung zu einer Frau geführt hatte, die keine Ahnung hatte, dass er überhaupt existierte. Er zog ernsthaft die Möglichkeit in Betracht, dass er dabei war, den Verstand zu verlieren. Es war so beschämend. Wie sollte er das alles Romeo erklären, oder Lorenzo? Oder auch nur sich selbst? Er wünschte, ein Daniel-förmiges Loch würde sich vor ihm auftun, in das er steigen könnte, sodass er nie wieder mit diesem Zug fahren und an seine Wahnvorstellungen von Liebe erinnert werden würde. Was für ein trauriger, erbärmlicher Idiot er war.
Natürlich hatte er nicht an Nadia geschrieben!
Natürlich war sie nicht an ihm interessiert!
Nichts von alledem war echt!
Er war ein verdammter Idiot, der sich selbst etwas vorgemacht hatte. Als der Zug in die Station einfuhr, blieb er zurück, während Nadia und ihr Freund vorangingen, und er sah ihnen nach.
Du brauchst Hilfe, sagte er sich. Du durchgeknallter, verrückter Scheißkerl. Du hast dir diese ganze Sache nur eingebildet!
Daniel ging langsam zur Arbeit, während er in Gedanken auszurechnen versuchte, wie übergeschnappt er tatsächlich war. Er wollte am liebsten alte Zeitungsausgaben in die Finger kriegen, die, in denen er gedacht hatte, ihre Antworten zu lesen. Litt er unter solchen Wahnvorstellungen, dass er sich das alles nur eingebildet hatte? Auf einmal erschien ihm das durchaus möglich. Bei dem Gedanken fühlte sich sein Hemdkragen enger an und sein Nacken feucht. Er hasste ihren Freund. Hasste ihn wirklich. Dieser Hass ließ sich nicht genau bestimmen, aber er war da. Daniel konnte dieses, wie er fand, selbstgefällige und eigennützige Benehmen nicht aus dem Kopf bekommen. Für wen hielt er sich eigentlich, romantische Pläne zu schmieden und sich bei ihr zu vergewissern, ob es ihr auch recht war? Was zum Teufel bildete er sich ein, ihr beim Einsteigen den Vortritt zu lassen und liebevoll ihre Wange zu küssen und ganz allgemein ein Gentleman zu sein?
Zum Teufel mit dir , dachte Daniel.
»Mein Bruder, mein Freund! Wie ist es gelaufen?«, rief Romeo, als er Daniel durch die Lobby näher kommen sah. »Geht es dir gut?«, fragte er. Er spürte seine Stimmung prompt. »Du siehst nicht gut aus.«
Daniel fiel es schwer, sich zu konzentrieren.
»Ich bin ein verdammter Idiot«, sagte er. Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. »Ich habe mir das alles nur eingebildet. Alles!« Er lachte hysterisch auf. »Ich weiß nicht einmal, ob du echt bist!«, sagte er und streckte eine Hand aus, um Romeos Arme und Gesicht zu tätscheln. »Bist du echt?«
Romeo nahm die Hände seines Freundes und legte sie seitlich an seinen eigenen Körper.
»Gestern Abend muss entweder supertoll oder superschlimm gelaufen sein«, meinte er mit weit aufgerissenen Augen. »Und ich habe so meinen Verdacht, was von beidem.«
»Ich war so dumm«, sagte Daniel. »So dumm!«
»Ah«, sagte Romeo. »Und darin liegt die Antwort. Superschlimm?«
»Du wirst es nicht glauben«, sagte Daniel, außerstande, seinen Blick zu fokussieren. »Ich musste gehen. Meine Mutter hat angerufen, es war ein Notfall, und jetzt eben, heute Morgen, habe ich Nadia mit ihrem Freund gesehen! Sie hat einen Freund! Und wenn sie einen Freund hat, kann sie unmöglich gestern Abend dort gewesen sein, denn Frauen, die einen Freund haben, gehen nicht in Bars, um jemanden zu treffen, der nicht ihr Freund ist und den sie über eine anonyme Rubrik in der Zeitung kennengelernt haben!« Daniels Worte überschlugen sich, als könnte er sie nicht so schnell über die Lippen bringen, wie sie ihm in den Kopf kamen. »Und das heißt: Entweder habe ich einer völlig anderen Frau geschrieben, oder … und das ist es, was mir Angst macht, wirklich höllisch Angst macht, vielleicht habe ich mir diese ganze Sache nur eingebildet. Vielleicht bin ich wirklich übergeschnappt. Ich bin so dumm!«
Romeo schüttelte den Kopf. »Nein, Mann. Das glaube ich nicht. Du musst verwirrt sein oder so. Ich habe diese Anzeigen gesehen. Klar ist sie echt.«
»Ehrlich gesagt glaube ich gar nicht, dass sie gestern Abend überhaupt aufgetaucht ist. Wie hätte sie das denn tun sollen! Sie war mit ihrem Freund unterwegs! Scheiße. Ich hätte den ganzen Abend dort gesessen und auf sie gewartet. Ich weiß nicht, was schlimmer ist: dass vielleicht eine völlig andere Frau aufgetaucht wäre oder dass das alles für sie, oder irgendjemand anders, irgendein Witz war und ich eine Ewigkeit auf niemanden gewartet hätte.«
Romeo war sein typisches besonnenes Selbst; er hörte zu, wie Daniel schimpfte und tobte, und wünschte trotzdem jedem, der durch die Lobby kam, einen guten Morgen.
»Okay. Du, ich, Pub nach der Arbeit, okay?«
Daniel fing seinen Blick auf. »Pub nach der Arbeit«, wiederholte er wie in Trance.
»Holst du mich um sechs hier unten ab?«
»Okay«, sagte Daniel.
Romeo redete langsam, stellte sicher, dass Daniel sich hier vor ihm beruhigte. »Geh hoch und hol dir einen Kaffee und lies deine E-Mails und … Na ja, ehrlich gesagt, bin ich mir nicht ganz sicher, was dein Job eigentlich ist, aber geh hoch und mach ihn. Geh in der Mittagspause spazieren und iss ein Sandwich und … halt heute einfach den Kopf gesenkt, okay? Wenn ich dich nicht besser kennen würde, würde ich denken, du stehst unter Drogen.«
»Ich stehe nicht unter Drogen«, erwiderte Daniel.
»Ich weiß, Mann. Aber halt dich heute trotzdem im Hintergrund, okay?«
»Okay.«
»Und, Daniel? Es ist noch nicht alles verloren. Das verspreche ich dir.«
Daniel glaubte ihm nicht.
»Gegen einen Wetherspoons-Pub kann man einfach nichts sagen«, meinte Romeo, während er und Daniel sich durch das Freitagabend-Gedränge von Arbeitern auf den Gehsteigen schlängelten, alle eilig auf dem Weg in ihr Wochenende. »Diese Preise, Mann. Das ist nicht zu verachten.«
Sie suchten sich einen Tisch in der Ecke, und Romeo bestand darauf, die erste Runde auszugeben, wogegen Daniel entschieden protestierte, aber Romeo blieb eisern. Er verschwand in Richtung Bar, und Daniel saß da und wartete. Er hatte sich seit heute Morgen deutlich beruhigt. Er hatte so gut wie keine Arbeit erledigt und Percy gebeten, alle Anrufe abzublocken. Percy hatte sich genau an seine Anweisungen gehalten und nicht einmal Lorenzo durchgestellt, der herauszufinden versuchte, was bei dem Date passiert war. Percy konnte sehen, dass irgendetwas nicht stimmte, aber er fragte nicht nach. Er tat einfach, was ihm gesagt wurde, und brachte Daniel in der Mittagspause auch einen Cookie mit, ließ ihn wortlos lächelnd auf seinem Schreibtisch liegen und kehrte zurück zu seiner Arbeit.
Daniel hatte im Laufe des Tages eine Reihe von Nachrichten von Lorenzo bekommen, aber auf keine davon geantwortet:
Na ja, so gut kann es nicht gelaufen sein, denn ich habe dich gestern Abend allein nach Hause kommen hören, lautete die erste.
Die zweite: Auch wenn es ungefähr Mitternacht war, das heißt, ihr hattet euch eindeutig etwas zu sagen .
Nicht lange danach schickte er eine dritte: Ignorierst du mich etwa, weil du enttäuscht bist, dass sie nicht interessiert war?
Die vierte: Na ja, scheiß auf sie, Mann. Ich fand ja nie, dass sie so etwas verdammt Besonderes ist .
Später hatte er noch eine geschickt: Wann kommst du heute Abend nach Hause, Mann?
Während er auf Romeo wartete, zückte Daniel sein Handy, mit vagen Ideen, Lorenzo endlich zurückzuschreiben, aber er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Er hoffte, Lorenzo würde nicht da sein, wenn er nach Hause kam, und nach einem Gespräch mit Romeo und einer gut durchschlafenen Nacht konnte er vielleicht darüber nachdenken, was er ihm sagen würde. Er war sich ziemlich sicher, dass Lorenzo die ganze Geschichte zum Schreien komisch und erbärmlich finden und alles andere als eine Unterstützung sein würde. Daniel war sich nicht sicher, ob er es verkraften könnte, ausgelacht zu werden. Nicht bei dieser Sache.
Als Romeo mit ihren Getränken – zwei Gläsern Cider – wiederkam, sagte Daniel: »Ich fühle mich einfach wie ein Idiot.«
Romeo nahm einen Schluck. »Na ja, dann lass dir von mir ganz klar sagen, dass du kein Idiot bist. Dass du dich so fühlst, na klar. Aber du weißt, dass du nicht wirklich ein Idiot bist.«
»Ach nein?«, fragte Daniel.
»Nein.«
Die beiden nahmen ihre Getränke in Angriff.
»Jetzt hör mir mal gut zu«, sagte Romeo schließlich. »Ich bin mir ziemlich sicher, dass du mit ihr reden musst. Mit Nadia. Direkt. Ich glaube nicht eine Sekunde, dass du diese Sache einfach abhaken willst, ohne genau zu wissen, was die Wahrheit ist.«
»Ich habe schreckliche Angst vor der Wahrheit«, gestand Daniel. »Ich habe das Gefühl, ich bin verrückt. Ich habe das Gefühl, ich muss diese ganze Geschichte einfach vergessen. Ich muss anfangen, einen früheren Zug zu nehmen, und mich wieder auf die altmodische Art verabreden, mithilfe einer App.«
»Ist das wirklich das, was du willst?«
»Nein. Ja. Nein.«
Romeo verdaute diese Antwort. Er war ein interessanter Zuhörer, dachte Daniel. Er hörte wirklich auf das, was Daniel sagte, anstatt einfach nur den Mund zu halten, bis er mit Reden dran war. Lorenzo redete oft über Daniel hinweg und beherrschte das Gespräch. Romeo ähnelte weitaus mehr seinen Freunden von der Uni.
»Hör zu«, sagte er. »War das das erste Mal, dass du diesen anderen Typen gesehen hast?«
»Ja.«
»Das heißt … wer weiß schon, wer er ist. Ich habe es schon früher gesagt, und ich werde es noch einmal sagen: Wenn sie keinen Ring am Finger hat und sie wirklich die ist, die dir geschrieben hat, dann ist sie entweder mit ihm zusammen und nicht glücklich, oder sie ist nicht mit ihm zusammen, und du hast das alles völlig falsch verstanden.«
»Aber vielleicht ist sie gar nicht die, die mir geschrieben hat. Das ist der Punkt, an dem ich jetzt bin. Ich glaube nicht, dass sie es ist.«
»Na ja. Wenn du sie das nächste Mal siehst, musst du einfach von Angesicht zu Angesicht mit der Frau reden. Pass den richtigen Moment ab. Nimm ein bisschen Blickkontakt auf und sieh, ob du ein Lächeln kriegst, aber verdammt, rede mit ihr, Mann.«
»Und was soll ich sagen?«
»Ich denke, Hallo wäre ein ziemlich guter Einstieg.«
Daniel zog vor ihm die Augenbrauen hoch.
»Erfordert nicht unbedingt eine Antwort, könnte sein, dass du einfach nur höflich bist, aber wenn ihr gefällt, wie du aussiehst, wirst du es wissen. Sie wird irgendetwas erwidern. Es wird Signale geben, Mann. Glaub mir.«
»Meinst du, ich sollte noch einen Brief an die Zeitung schicken?«
»Ich denke, das habt ihr inzwischen hinter euch, oder? Dieses alberne Verwirrspiel ist doch wie aus irgendeiner beschissenen griechischen Tragödie, Mann. Sich Nachrichten über andere Leute zukommen zu lassen, lauter Täuschungsmanöver. Sprich von Angesicht zu Angesicht mit ihr, wie ein erwachsener Mann. Verpass deine Chance nicht so, wie ich es mit Juliet getan habe. Du kannst das! Es ist nur ein Gespräch! Aber ein Gespräch, das dir den Kopf zurechtrücken wird. Vielleicht hat sie fürchterlichen Mundgeruch oder ist unhöflich zu Fremden, und dann wirst du sehr schnell von deiner Schwärmerei geheilt sein. Ich weiß, ich kenne dich nicht besonders gut, Mann, aber ich weiß, dass du das Gefühl haben musst, dein Bestes getan zu haben. Du willst dich doch nicht ewig fragen, was passiert ist.«
Daniel schwenkte den letzten Rest Cider auf dem Boden seines Glases. »Was, wenn ich schreibe und einfach sage, tut mir leid, ich bin gekommen, musste aber gehen?«
»Das ist eine Option.«
»Ja«, meinte Daniel.
»Gib mir dein Handy.«
Daniel reichte ihm sein Handy. Romeo tippte ein paar Sekunden, dann gab er es Daniel wieder, und er starrte auf das Display. In die Notizen-App hatte er geschrieben:
Ich habe Mist gebaut, liebe Frau mit den Kaffeeflecken. Ich bin gegangen, und das hätte ich nicht tun sollen, und jetzt befürchte ich, dass ich es vermasselt habe. Ich weiß, für den ersten Eindruck bekommt man keine zweite Chance, aber wie wär’s mit einem ersten Treffen beim zweiten Versuch?
»Das ist gut«, meinte Daniel bedrückt. Er starrte auf sein Handy. Er wollte sich wirklich bei ihr entschuldigen. »Vielleicht werde ich das abschicken. Wenn sie heute allein gewesen wäre, hätte ich fast genau das zu ihr gesagt.«
»Na, dann los, wenn es sich richtig anfühlt. Aber ich habe das Gefühl, du wirst sie vielleicht früher sehen, als du glaubst.«
»Vielleicht«, sagte Daniel. »Vielleicht schicke ich es ab, nur für alle Fälle. Dann werde ich mich besser fühlen.«
Die beiden redeten ein bisschen über ihre Pläne fürs Wochenende, und beide waren sich einig, dass noch ein großes Bier zu viel wäre, aber sie würden beide noch ein kleines trinken und sich dann verabschieden. Daniel war erschöpft; seine Schultern waren angespannt, und seine Augen brannten. Er konnte spüren, dass sein Atem tiefer wurde, nachdem er etwas getrunken hatte, und er nahm sich vor, morgen früh lange joggen zu gehen, um seine Woche richtig abzuschütteln. Er würde sich die Guardian -Seelenverwandten herunterladen. Vielleicht war er zu alt für Apps und brauchte etwas mit einem monatlichen Zahlungsplan, damit er wusste, dass die Frauen dort es ernst meinten. Er musste aus sich herausgehen und mit einer Frau Verbindung aufnehmen, die tatsächlich echt war und ihn wirklich treffen wollte, bevor er sich einredete, dass es ihm niemals passieren würde. Gott. War es wirklich so weit gekommen? Zog er allen Ernstes die verdammten Guardian -Seelenverwandten in Betracht?
»Hey, weißt du, was du tun solltest?«, sagte Romeo, als Daniel zurück an den Tisch kam. »Du solltest dieser Frau, die dich verkuppeln wollte, eine Nachricht schicken. Als du zum Sky Garden gegangen bist.«
Daniel stöhnte auf. »Soll das ein Witz sein? Streng genommen wurde ich an dem Abend auch versetzt! Ich bin dorthin gegangen mit der Erwartung, eine Frau zu treffen, die verdammt noch mal nie aufgetaucht ist! Und die Frau, die uns miteinander bekannt machen sollte, ist auch verschwunden!«
Romeo lachte. »Okay, okay, mein Fehler, schlechte Idee. Dann versuch’s eben bei Hinge.«
»Hey, was macht eigentlich dein Liebesleben? Triffst du dich nicht mit jemandem?«
Romeo lächelte. »Ja, Boss, das tue ich. Date Nummer vier am Sonntag.«
»Date Nummer vier«, wiederholte Daniel und prostete ihm zu. »Das muss man sich mal vorstellen.«
Romeo fing seinen Blick auf. »Da draußen gibt’s noch jede Menge andere«, meinte er. »Du wirst auch bald ein viertes Date mit jemandem haben.«
Daniel seufzte tief auf. »Ich glaube dir«, sagte er.
»Soll ich mal schauen, ob Erika irgendwelche Freundinnen hat? Wir könnten uns zu einem Doppeldate verabreden!«
Daniel dachte darüber nach. »Ich meine, verdammt, vielleicht, ja. Ich gebe dir Bescheid.«