Von wegen Waffenstillstand. Monroe war ein manipulativer, verschlagener Dreckskerl. Es hätte mir klar gewesen sein müssen, dass er Donovan erst schreiben würde, nachdem er fertig damit war, mich in seine Pläne einzuweihen. Dumm von mir, ernsthaft zu glauben, mich auch nur eine Sekunde auf sein Wort verlassen zu können. Es wäre ja auch zu schön gewesen, wenn er Donovan sofort geschrieben hätte. Natürlich geschah so ein Deal nur unter seinen verdammten Bedingungen.
Deshalb kochte ich nun vor mich hin. Hauptsächlich aber wegen meiner Naivität.
Ich fühlte mich so hinters Licht geführt, dass ich ihn nicht einmal eines Blickes würdigte und aus den großen Sprossenfenstern auf die Dünen starrte.
Wir waren im Erdgeschoss, in einem viel zu dekadenten Esszimmer, das Platz für mindestens zwanzig Personen bot. Mittlerweile war es im Haus nicht mehr kühl, sondern wohlig warm, und die Luft war erfüllt vom Geruch nach Kaffee, frischem Brot und Feuerholz aus einem knisternden Marmorkamin. Ich fühlte mich kostümiert und mir war furchtbar unwohl zumute, denn mir war nichts anderes übrig geblieben, als wieder in das Kleid von letzter Nacht zu schlüpfen. Monroe hatte mir zwar einen Strickpullover von sich angeboten, aber nach dem, was geschehen war, ertrug ich es nicht, etwas von ihm anzuziehen. Es war zu intim. Nachdem ich sein Zimmer verlassen hatte, hatte ich mich, so gut ich konnte, gesammelt, meine Mauern hochgezogen und alles, was keine Wut war, runtergeschluckt und verdrängt. Denn ich würde mir ganz sicher keine weitere Blöße erlauben. Das schwor ich mir.
Um uns herum wuselte noch immer Personal, stellte Dinge auf dem gewaltigen Esstisch ab und ging mir mit jedem weiteren duftenden Servierteller noch mehr auf die Nerven. Sie hatten ein Frühstück aufgetischt, das für eine ganze Footballmannschaft gereicht hätte. Es war verschwenderisch und maßlos und trieb meine Laune noch weiter in den Keller.
»Das ist lächerlich, Sarah«, sagte Monroe genervt vom Kopfende des Tisches.
Mit verschränkten Armen saß ich am anderen Ende der langen Tafel, während eine der Angestellten Teller und Besteck vor mir ablegte. Zuletzt hatte sich beides auf dem Platz zu Monroes Rechten befunden, aber ich weigerte mich, neben ihm zu sitzen. Deshalb wurden nun auch einige andere Dinge an mein Ende des Tisches verlegt: Porzellanteller voller angerichtetem Obst, Körbe voller Croissants, Bagels und Toasts, Pancakes, frische Säfte und eine Etagere mit Sandwiches.
»Ist es nicht«, erwiderte ich spitz.
»Ich kann dich kaum hören, weil du verfluchte vier Meter von mir entfernt sitzt.«
Ich lächelte schmal. »Ach, wäre mein Handy doch nur nicht aus dem Fenster geworfen worden, dann könntest du mich jetzt anrufen.«
Stöhnend kniff er sich in die Nasenwurzel. »Du treibst mich in den Wahnsinn.«
»Ebenfalls.«
Ich goss mir Orangensaft in ein Kristallglas und trank es in einem Zug aus. Es war vermutlich kindisch, aber es verschaffte mir eine tiefe Befriedigung, seine Nerven zu strapazieren.
»Dann erzähl mal von deinem Masterplan «, sagte ich und begann, einen Pancake auf meinem Teller zu zerpflücken.
»Na schön«, sagte er frustriert und winkte mit einer knappen Handbewegung eine Angestellte fort, die ihm gerade Kaffee in die Tasse goss. Seine Haare waren noch immer feucht, aber mittlerweile trug er wenigstens eine graue Stoffhose und einen schweren schwarzen Wollpullover mit hohem Kragen. Er ließ sein weißes Gesicht noch markanter aussehen.
Soweit ich das über die üppig beladene Frühstückstafel hinweg ausmachen konnte, verschränkte er die Hände auf dem Tisch.
»Wilson stirbt bald«, sagte er auf eine Art und Weise, als redete er über das Wetter.
»Ist mir bewusst«, sagte ich bloß und nahm mir den nächsten Pancake, um ihn auf meinem Teller zu zerpflücken.
»Was?«
»Das ist mir bewusst!«, rief ich.
Monroe wartete, bis sämtliches Personal das Esszimmer verlassen und die hohe Flügeltür hinter sich zugezogen hatte. Erst dann, als wir allein waren, wandte er sich mir wieder zu.
»Ich sagte bereits, dass ich das Unternehmen übernehmen möchte. Du und Payton stellt ein Risiko dar bezüglich der Anteile, und der einfachste Weg, an das Erbe und die Mehrheit der Firmenanteile zu kommen, ist eine Heirat mit dir. Wenn mein Vater sieht, dass wir beide verheiratet sind, wird das jede Eventualität aus dem Weg räumen, dass euch etwas vermacht wird, was mir zusteht.«
Ungläubig lachte ich auf. »Und wieso, um alles in der Welt, sollte ich dir dabei irgendwie behilflich sein?«
Er nahm sich in aller Seelenruhe Pancakes und Obst und goss Sirup drüber. »Du hättest einige Vorteile. Peter würde dich und Payton ein für alle Mal in Ruhe lassen. Es gäbe keine weiteren Spielchen mehr, keine List, keine Intrigen. Die absolute Waffenruhe. Nach Wilsons Tod würden wir uns scheiden lassen, vielleicht ein oder zwei Jahre ins Land ziehen lassen, falls er irgendwelche Vorkehrungen trifft und wegen unserer Verbindung misstrauisch wird. Bei der Scheidung würdest du mehrere Millionen Dollar bekommen, wir würden uns nie wiedersehen, und alle wären glücklich und zufrieden. Kein unnötiges Drama. Mein Plan sah von Anfang an eine friedliche Lösung vor, aber Peter hat alles in den Sand gesetzt.«
Meine Augenbrauen schossen hoch. Ich klopfte die Finger ab und lehnte mich zurück. »Woher willst du überhaupt wissen, dass Payton und ich ins Testament aufgenommen werden? Wieso sollte Fairfax das tun? Für Kinder, die er gar nicht kennt? Und die Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben müssen, damit ja nicht rauskommt, dass sie seine leiblichen Kinder sind?«
»Wieso sollte er Payton als Kennenlerngeschenk ein Siebzehn-Millionen-Dollar-Apartment überschreiben und ein Treuhandkonto für sie eröffnen? Ihr eine Kreditkarte ohne Limit zur Verfügung stellen?«
Ich öffnete den Mund, schloss ihn jedoch wieder. Der Punkt ging an ihn. Fairfax war viel zu weit gegangen, und das, noch bevor er Payton richtig kennengelernt hatte. Aber würde er uns tatsächlich einen Teil seines Vermögens vererben? Obwohl er uns mit NDA s zur Geheimhaltung zwingen wollte?
Angestrengt dachte ich nach und sah wieder zu Monroe. »Wenn es dir nur darum geht, so viel vom Erbe wie nur möglich rauszuschlagen, könnten wir auch eine Vereinbarung treffen. Schriftlich oder so. Das mit der Verlobung ergibt überhaupt keinen Sinn.«
»Für dich vielleicht nicht. Aber ich kenne Wilson. Wenn wir eine Einheit werden, eine Familie, wird er darin das ultimative Potenzial für das Weiterbestehen seines Imperiums sehen. Eine Vereinigung, von der er noch nicht weiß, dass er sie sich wünscht. Keine gierigen Leute, die in die Familie einheiraten, keine Außenstehenden.«
Ich verzog angewidert das Gesicht. »Du hörst schon, was du da sagst, oder? Das klingt total inzestuös.«
»Ist es aber nicht.« Er grinste. »Das ist ja das Besondere an der Geschichte. Wir sind nicht im Entferntesten miteinander verwandt. Sobald er unsere Verlobung anerkennt, wird er uns praktisch alles vererben, weil er in uns die Zukunft sehen wird. Wäre ich davon nicht überzeugt, wäre ich das Risiko nicht eingegangen und hätte einen ganz anderen Plan verfolgt.«
Ich verkniff es mir, ihn zu fragen, ob diese anderen Pläne etwas mit Leichenzerstückelung und Fischfutter zu tun hatten.
»Das heißt also, wir heiraten, lassen uns nach seinem Tod scheiden, und du würdest mir eine Art Abfindung zahlen und dir das restliche Geld unter den Nagel reißen?«, fragte ich.
»Und das Unternehmen und unsere Immobilien, ja.« Er legte den Kopf schief. »Seit wann machst du dir etwas aus Geld? Oder war diese Anti-Materialismus-Haltung von dir auch nur ein Teil deines Bluffs?«
Ich biss die Zähne zusammen und nahm mir eine Erdbeere aus einer der Porzellanschüsseln. »Nein, ich mache mir nichts aus Luxus, das war keine Lüge«, räumte ich ein. »Das heißt aber nicht, dass ich dich und Peter gewinnen lassen will. Nicht nach alldem, was Peter getan hat.«
Er besaß die Frechheit, allen Ernstes die Augen zu verdrehen. »Du sollst ja auch mich und nicht meine Schande von einem Bruder heiraten. Ich möchte Peter auch nicht gewinnen sehen, Sarah. Genauer gesagt wäre es mir sogar am liebsten, ihm jeden Cent abzunehmen und ihn nach dem Studium in einen Firmenzweig im Ausland zu verfrachten. China oder Russland oder London. Weit, weit weg, wo er dann deren und nicht mehr unser Problem ist.« Er blinzelte, als realisierte er erst jetzt, wie inbrünstig sein Ton geworden war. Seine Lippen pressten sich aufeinander.
»Du meinst das wirklich ernst, oder?«, fragte ich ungläubig.
Er schien nachzudenken, lehnte sich zurück und trank von seinem Kaffee. »Jahrelang habe ich mich reingehängt«, sagte er und zögerte dann. »Ich war schon fünfzehn, als meine Mutter Wilson geheiratet hat. Es hat lange gedauert, bis wir eine Art Vater-Sohn-Beziehung hatten. Er hat mir ständig das Gefühl gegeben, dass ich mich ins Zeug legen muss, damit das auch so bleibt. Ich wollte ihm immer gerecht werden, deshalb habe ich auch angefangen, Wirtschaftspsychologie zu studieren, anstatt etwas, was wirklich mein Ding ist.« Selbst aus der Entfernung sah ich den angespannten Zug um seinen Mund herum. »Seit meine Mom Wilson geheiratet hat, will ich nichts mehr, als das Imperium zu übernehmen«, fuhr er fort und betrachtete seinen Finger, der Kreise über den Rand seiner Kaffeetasse zog. »Ich bereite mich schon seit Jahren darauf vor. Ich habe alles dafür gegeben, um Wilson der Sohn zu sein, den er nie hatte. Ich habe es verdient, die Geschäfte vollumfänglich zu erben. Es ist mir egal, wenn ich dir nach der Scheidung zehn oder auch zwanzig oder dreißig Millionen überlasse. Im Verhältnis zu dem, was ich dadurch bekomme, ist es mir das wert. Also, ja, Sarah«, er sah mir durchdringend in die Augen, »Ich meine das absolut ernst.«
Ich biss mir auf die Wange und schüttelte fassungslos den Kopf. Gott, das alles war doch lächerlich. Die ganze Situation – dass ich mich hier befand und dass wir überhaupt über ein Erbe sprechen mussten! Meine Mom hätte etwas sagen sollen. Sie war an allem schuld. Sie hatte uns unser ganzes Leben lang belogen und nicht einmal dann etwas gesagt, als Payton nach New York gezogen war. Sie hätte uns sagen müssen, dass Wilson Fairfax unser leiblicher Vater war.
Die Vorstellung von Fairfax und Mom war absurd; sie war dermaßen weit weg und unrealistisch, dass mein Hirn sich schlichtweg weigerte, sich zu fragen, wie es dazu hatte kommen können, dass Payton und ich gezeugt worden waren.
Meine Wut kehrte zurück und schnürte mir die Brust ab. Mom, Fairfax, Monroe. Sie alle trugen Schuld. Nicht nur Mom. Sie alle hätten verhindern können, dass es so weit gekommen war – Traumata, Schmerz, Verrat und bei Payton sogar eine Drogensucht. Wieso redeten Menschen verdammt noch mal nicht miteinander?
Tiefe Erschöpfung überkam mich, und ich rieb mir über das Gesicht. Eine Frage bohrte sich in mein Bewusstsein; ich konnte sie mir einfach nicht verkneifen.
»Wieso hast du Payton letztes Jahr nicht eingeweiht? Oder mich, als wir uns kennengelernt haben? Wir hätten uns … keine Ahnung, zusammensetzen können.«
Er schnaubte. »Es wäre ein Risiko gewesen. Payton hat diese Unschuldsrolle gespielt, genau wie du. Ich wusste, dass ihr irgendetwas vorhattet, ich wusste nur nicht, was und …«
»Das hättest du herausfinden können, wenn du den Mund aufgemacht hättest!«, fuhr ich ihn an.
Er verschränkte die Arme vor der Brust. »Es hätte mir schaden können. In deiner Welt ist es vielleicht ritterlich, zu jeder Zeit mit offenen Karten zu spielen, aber nicht in meiner. In meiner Welt stehen Dinge auf dem Spiel, und sich dermaßen angreifbar zu machen, ist das Dümmste, was man tun kann. Vor allem dann, wenn es um die eigene Zukunft, das eigene Leben geht.«
»Du hättest mit Fairfax reden können! Du hättest ihm einfach von deinen Sorgen erzählen sollen!«
»Und ihm damit sagen, dass Peter und ich ihn haben beschatten lassen?« Er hob die Brauen.
Mit einem genervten Stöhnen verdrehte ich die Augen. »Einem ach so großen Genie wie dir wäre schon was eingefallen. Irgendetwas, was nicht beinhaltet hätte, dass Payton oder ich zu Schaden kommen. Er ist dein Stiefvater. Du hast selbst gesagt, dass du für ihn der Sohn bist, den er nie hatte. Er hätte dir bestimmt den Wind aus den Segeln nehmen können!«
Seine Lippen verzogen sich zu einer schmalen Linie. »Du kennst ihn nicht, Sarah. Du weißt nicht, wie er tickt.«
»Bitte«, schnaubte ich. »Dann erleuchte mich. Wieso war es keine Option, auf Fairfax zuzugehen?«
»Mein Vater ist … kein mutiger Mann. Und er hat einen ausgeprägten Kontrollwahn.« Er zögerte, wägte seine Worte ab, als wäre er nicht sicher, was er mir gegenüber preisgeben sollte. Vielleicht überlegte er ja sogar, ob er gegen seine Natur handeln und diesmal wirklich alle Karten auf den Tisch legen sollte. Ich ließ ihn nicht aus den Augen, wartete auf jede Regung und jede Veränderung in seiner Mimik, die mir etwas verraten würde, was sein Mund nicht tat. Doch Monroe war nahezu unlesbar.
Dann schob er die Brauen zusammen und dachte nach. Befeuchtete seine Lippen. »Nichts ist Wilson so wichtig wie sein Ruf«, sagte er langsam. »Seit Jahrzehnten tut er sein Bestes, um unsere Familie aus jeglichen Medien rauszuhalten, und wenn wir öffentliche Auftritte haben, haben wir in Reih und Glied zu stehen. Selbst Peter reißt sich dann zusammen, weil er weiß, wie Wilson ausrastet, wenn wir ihn öffentlich blamieren. Er kann alles kontrollieren, aber seinen Ruf … Über den hat er nur bis zu einem gewissen Grad Kontrolle. Er weiß, dass er jegliche Kontrolle verliert, sobald er tot ist, und ihm ist auch klar, dass früher oder später rauskommen wird, dass ihr seine leiblichen Töchter seid. Wenn er tot ist, wird das die Leute verblüffen, zu Lebzeiten aber wäre es ein Skandal. Er wird dafür sorgen wollen, dass er als Legende die Welt verlässt. Unbefleckt und geheimnisvoll, so wie all die großen Männer in der Geschichte, über deren Leben erst Jahre nach ihrem Tod Details ans Licht kamen.« Ein bitteres Lächeln erschien auf seinen Lippen. »Der große Wilson Fairfax, der sein Privatleben so vor der Öffentlichkeit versteckt hat, dass diese nicht einmal etwas von seinen erwachsenen Zwillingstöchtern weiß. Damit niemand auf die Idee kommt, du und Payton könntet doch ein schmutziges Geheimnis sein, wird er mit Sicherheit dafür sorgen wollen, dass ihr ein beachtliches Erbe erhaltet. Das würde nämlich den Eindruck erwecken, als hätte er euch anerkannt und euch bloß aus der Öffentlichkeit herausgehalten. Das Erbe wird eine klare Botschaft senden: Ihr seid seine Töchter, er steht zu euch, und es gibt keinen Skandal. Nur eine Riesenüberraschung, wie nicht anders zu erwarten vom großen Wilson Fairfax. Er will die volle Kontrolle.«
Angewidert und mit offenem Mund starrte ich Monroe an. »Das … Also, das klingt ja total abgefuckt.«
»Ich finde, es klingt genial, auch wenn es mir nicht gefällt«, erwiderte er und zuckte mit den Schultern. »Wäre mir mein Ansehen so wichtig wie ihm und wäre ich an seiner Stelle, würde ich es vermutlich auch so lösen. Es ist das letzte bisschen Kontrolle, das er noch nach seinem Ableben ausüben kann.«
»Da hat wohl jemand schon sehr oft drüber nachgedacht.«
»Ich hatte über ein Jahr Zeit, um mir etwas Plausibles zusammenzureimen.«
Wenn Monroe recht hatte … Aber war das möglich? Konnte Monroe mit seiner Vermutung tatsächlich richtigliegen? Es erklärte zumindest die Verschwiegenheitserklärung, die Payton unterschrieben und die er auch mir aufgetischt hatte. Oder hätte er sie uns auch so unterschreiben lassen? Um einen Skandal zu verhindern?
Mein Kopf rauchte. »Das … das ist doch total abgedreht.«
»Aber du verstehst es, oder?«, fragte Monroe.
Ich verzog das Gesicht und wedelte mit der Hand. »Natürlich verstehe ich es. Ich finde es trotzdem absurd.«
»Also. Was sagst du zu meinem Vorschlag?«
»Vorschlag?«, fragte ich verwirrt.
»Mein Plan. Die Hochzeit.«
Egal wie oft er es sagte, es wurde nicht weniger wahnsinnig. Eine Hochzeit . Nur so lange, bis Wilson starb. Payton und ich würden in Ruhe gelassen werden, ich würde mit einem zweistelligen Millionenbetrag aus der Sache hervorgehen und müsste Monroe nie wiedersehen …
»Was, wenn Fairfax erst in ein paar Jahren stirbt?«, fragte ich. »Ich will keinen zehnten Hochzeitstag mit dir feiern müssen, um aus der Sache rauszukommen.«
Wieder verdrehte Monroe die Augen. Doch ich sah, wie sich ein angespannter Zug um seinen Mund bildete. Als hätten meine Worte den gleichen Effekt auf ihn wie das Beißen in eine saure Zitrone. »Er hat keine zehn Jahre mehr, Sarah. Wir bezweifeln, dass er überhaupt noch ein Jahr hat. Der Krebs wächst und streut, und es geht ihm von Tag zu Tag schlechter, auch wenn er es aktuell mit seiner Medikation noch einigermaßen verstecken kann. Wir bleiben einfach eine Weile verlobt. Wir müssen noch nicht heiraten, wir können das Warten einfach auf die Hochzeitsplanung schieben, das machen viele Paare. Eine Verlobung wird auch Peter schon ruhigstellen. Als ich zuletzt mit ihm gesprochen hatte, meinte er, dass er etwas ausheckt, um dich loszuwerden. Das wird seinen Plänen einen Riegel vorschieben, was auch immer er im Sinn hat.«
Ein kalter Schauder erfasste mich. Ich musste daran denken, was Peter zu mir gesagt hatte, nachdem ich Monroe und Cameron zusammen gesehen hatte. Nachdem sich seine Hand um meine Kehle geschlossen und er mir ins Ohr gebissen hatte. »Meine Spielchen sind ein wenig spezieller als die meines Bruders, Süße. Also hör lieber auf mich, sonst wirst du dir wünschen, nie geboren worden zu sein, sobald ich mit dir fertig bin.«
Verdammt, vielleicht war Monroes Plan ja wirklich der beste Weg. Der vernünftigste und sicherste. Aber irgendwo gab es einen Haken, das roch ich förmlich. Eine Falle. Ein Schlupfloch. Er würde mich erneut verraten, ich wusste es einfach. Mein Vertrauen war immerhin nicht nur beschädigt, er hatte es vaporisiert. Aber Monroe schien sich auf der anderen Seite wirklich etwas bei seinem Plan gedacht zu haben, oder nicht? Ich konnte nicht abstreiten, dass es nicht vollkommen furchtbar klang. Das würde ich ihm natürlich nicht sagen, das ließ mein Stolz nicht zu. Mein Stolz und mein Misstrauen.
Ich griff nach der Kaffeetasse und trank einen Schluck. »Ich werde darüber nachdenken. Keine Ahnung, Monroe. Ich kann das nicht einfach beschließen.«
Sofort erschien ein hoffnungsvolles Lächeln auf seinen Lippen. Er sah aus, als hätte er gerade im Lotto gewonnen – oder zumindest so, wie ein Normalsterblicher auf einen Lottogewinn reagieren würde. »Kein Problem. Schlaf eine Nacht drüber oder zwei. Solange du es dir überlegst, bin ich glücklich.«
In meiner Vorstellung hatte ich eine Hochzeit und eine Ehe immer nur mit Liebe verbunden. Mit Familie. Mir war nie auch nur in den Sinn gekommen, jemanden aus zweckdienlichen Gründen zu heiraten. Das war doch wahnwitzig!
Ich biss die Zähne zusammen. »Sollte ich zusagen, würde ich einen Vertrag wollen. Einen sehr ausführlichen Vertrag.« Ich würde nicht mit mir spielen lassen, sollte ich darauf eingehen. Und wenn ich es irgendwie schaffte, Holden die Situation zu erklären, wenn er mir glauben würde, wäre er vielleicht bereit, mir dabei zu helfen, nicht ins offene Messer zu rennen … auch wenn das womöglich zu weit ging. Allein die Vorstellung, Holden gegenüberzutreten, sollte ich mich auf den Deal mit Monroe einlassen, ließ meinen Magen vor Widerwillen und Scham krampfen. Konnte ich das wirklich tun? Konnte ich das durchziehen? Ich … spürte echte Angst, sie verknotete mir den Bauch. Nicht nur die große Angst, Holden zu verletzen, sondern auch die Angst, mir selbst damit wehzutun. Ich würde alles kaputt machen.
Ich hasste die Zufriedenheit, die sich bei meinen Worten auf Monroes Miene breitmachte.
»Rein hypothetisch«, fügte ich deshalb nachdrücklich hinzu.
»Natürlich. Rein hypothetisch«, wiederholte er nickend. »So oder so würde es einen Ehevertrag geben. Wir würden ihn einfach nach unseren Vorlieben erweitern.«
Ehevertrag. Das Wort war wie ein Fremdkörper, der durch meine Gehörgänge kroch und sich in meinem Kopf festkrallte. Ehe. Sollte ich zusagen, würde ich mit Monroe Darlington verheiratet sein. Fuck.
Ich dachte an Holden, dachte an die Nacht nach dem Maskenball, das Auge des Sturms – oder, wie sich nun herausgestellt hatte, wohl eher die Ruhe vor dem Sturm. Wir verlieben uns gerade ineinander, Sarah.
Ein elendes Gefühl ließ meinen Mund staubtrocken werden. Würde er mich hassen? Würde er enttäuscht sein? Was, wenn Monroe doch nur ein Spiel spielte, in das ich alles andere als eingeweiht war?
Das Chaos in meinem Kopf ließ die Welt schwanken. Aber was ist mit den Vorteilen? , wisperte eine leise Stimme in mir. Monroe zu heiraten würde bedeuten, dass Payton und ich nicht länger eine Zielscheibe sein würden. Niemand würde mehr versuchen, uns zu schaden. Aber es würde eben auch bedeuten, dass ich verheiratet wäre. Dabei war ich in Holden verliebt. Ich wollte auf das Date gehen, auf das er mich eingeladen hatte. Ich wollte ihn weiter kennenlernen, ich wollte mich noch mehr in ihn verlieben und herausfinden, was das zwischen uns war. Aber wie sollte das möglich sein, wenn ich Monroe heiratete?
… Doch es stand so viel auf dem Spiel. Mein Herz hatte in diesem Fall nichts zu melden, wenn es um Paytons und meine Sicherheit ging. Peter hätte sie beinahe vergewaltigt. Er hatte Cameron dazu gezwungen, gegen ihren Willen zu Monroe zu gehen, um sich an ihn ranzumachen. Monroe hatte es ausgenutzt, um Cameron zu erniedrigen, hatte mich hinters Licht geführt, war für den Einbruch verantwortlich und hatte mir falsche Nachrichten geschickt – nachdem er Payton in der Klinik hatte bestehlen lassen. Von bezahlten Leuten. Sie hatten sogar Privatdetektive angesetzt. Peter und Monroe hatten klare Ziele, und wir waren im Weg, wenn wir nicht auf irgendeine Weise kooperierten. Zudem waren sie es gewohnt, Menschen nach ihrer Pfeife tanzen zu lassen. Sie zu ihren Marionetten zu machen.
Meine Nackenhaare richteten sich auf. Was ich wollte oder nicht wollte, spielte keine Rolle. Nur wenn ich mitspielte, kamen Payton und ich aus dieser abgedrehten Nummer wieder raus, die plötzlich unser Leben war. Und wenn Fairfax tatsächlich schon bald sterben würde, würde die Farce auch keine Ewigkeit dauern … Aber konnte es wirklich das Richtige sein, nur weil es sich anfühlte, als hätte ich keine anderen Optionen?
Ich leerte meinen Kaffee und strich den Stoff meines Kleides auf meinem Schoß glatt. Ich würde noch keine Entscheidung treffen. Aber es würde nicht schaden, die möglichen Details für mein hypothetisches Einlenken zu besprechen … oder nicht?
Ich hob den Blick und sah Monroe wieder an. »Wenn wir das wirklich durchziehen sollten, würde ich alles von Anwälten prüfen lassen«, sagte ich bestimmt und reckte das Kinn. »Ich weiß nicht, was du für Hintergedanken hast, aber ich weiß, dass du welche hast. Und sollte es dazu kommen, dass ich mich auf diesen Wahnsinn einlasse, werde ich mich nicht schon wieder von dir verarschen lassen. Du wirst mich nicht noch einmal verarschen.«
Monroes Miene hellte sich noch weiter auf. »Natürlich würde das über Anwälte laufen. Wir würden es auch im Ehevertrag festhalten«, sagte er und ignorierte ganz offensichtlich den letzten Teil meiner Worte.
Ich dachte nach. Wenn es tatsächlich dazu käme, könnte ich ja vielleicht etwas bewirken. Mehr verlangen und damit Gutes tun – ich wurde nämlich das Gefühl nicht los, dass ich es der Welt schuldig war, wenn ich schon ein so absurdes Spiel spielte. »Ich möchte mehr als ein paar Millionen nach der Scheidung. Nach der hypothetischen Scheidung.«
Ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich habe mir schon gedacht, dass du verhandeln wollen würdest.«
Sofort verengte ich die Augen. »Dann wusstest du also, dass ich es in Betracht ziehen würde?«
»Nein, aber ich bin alle Variablen durchgegangen. Was willst du noch außer Geld?«
»Ich will, dass du regelmäßig spendest.«
»Das macht das Unternehmen sowieso.«
Ich verzog das Gesicht. »Ich rede von deinem Privatvermögen. Wer Milliarden besitzt, sollte jährlich mindestens ein paar Millionen spenden. Fang in New York an, sorg dafür, dass Obdachlose und arme Familien bessere Chancen haben. Lass Häuser renovieren und all sowas. Du könntest dich dafür einsetzen, das Schulen in Problemvierteln modernisiert werden und es dort gesünderes Essen in den Kantinen gibt. Keine Ahnung, wieso es dir bisher noch nie in den Sinn gekommen ist, aber dein riesiger Geldhaufen ist überall besser aufgehoben als auf deinen Konten.«
Ein Muskel an Monroes Kiefer zuckte. Er sah aus, als wollte er widersprechen, doch dann tat er etwas, womit ich nicht im Traum gerechnet hätte. Einfach so.
Er nickte. »Deal.«
»Ehrlich?«, fragte ich verblüfft.
»Ich sagte doch, dass es mir ernst ist, Sarah. Und wenn es das ist, was du brauchst, damit du auf den Deal eingehst, dann ist es mir das wert.«
»Und was ist mit Peter?«, fragte ich, noch nicht überzeugt. »Er wird doch mit Sicherheit irgendwas versuchen, um die Hochzeit zu verhindern.«
»Wird er nicht. Dafür werde ich sorgen und entsprechende Vorkehrungen treffen. Meine Eltern werden das auch. Ich kenne Peter, und ich weiß, wie ich mit ihm umgehen muss.«
Ich schnaubte und verschränkte die Arme vor der Brust. »Das klingt zu einfach, Monroe. Du könntest mir genauso gut versprechen wollen, dass Peter zukünftig zu einem Golden Retriever mutiert. Nicht gerade glaubwürdig.«
»Sarah, wie gesagt, ich kenne meinen kleinen Bruder. Und ich bin neben Wilson der Einzige, der es schafft, ihn zurechtzuweisen. Peter wird nicht hier sein, wenn wir das durchziehen – durchziehen sollten. Ich werde mit ihm reden.«
»Reden«, wiederholte ich ungläubig. Allmählich kochte Wut in mir auf. Hielt er mich für derart naiv, oder war er es selbst? Würde Peter auf Monroe hören, wäre Payton niemals von ihm erpresst worden, sie wäre nicht süchtig geworden, und das, was er auf Donovans Party versucht hatte, wäre auch nicht geschehen. Peter war unberechenbar, größenwahnsinnig und gefährlich.
Ein Schatten legte sich auf Monroes Gesicht. »Ich werde es so oft wiederholen, wie es nötig ist, um dein Vertrauen zurückzugewinnen. Ich garantiere dir, dass Peter weder dir noch Payton je wieder auch nur ein Haar krümmen wird. Das werde ich nicht zulassen. Du hast mein Wort.«
»Du bekommst mein Vertrauen nicht zurück«, erwiderte ich bitter. »Schlag dir das also schon mal aus dem Kopf. Was du getan hast, ist irreparabel.«
Seine Lippen wurden schmal. Er schien nach Worten zu suchen, also nutzte ich den Moment der Stille, um fortzufahren.
Ein Stein legte sich auf meine Brust. Ich dachte an alles, was geschehen war. Den Abend, der mir so zugesetzt hatte.
Game Over, Sarah.
»Bevor ich irgendeine Entscheidung treffe, muss ich wissen, was nach der Party im St. Regis passiert ist«, sagte ich leise. »Der Einbruch. Und dann noch die Nachrichten von Payton. Du hast mir letzte Nacht gedroht und angedeutet, dass du Payton in deiner Gewalt hast, und du hast Game over, Sarah gesagt. Also wusstest du davon.«
Er fluchte leise und erhob sich von seinem Stuhl. Mit energischen Schritten lief er die lange Tafel entlang und setzte sich rechts von mir auf den Stuhl.
»Sarah«, sagte er eindringlich. »Ich habe keine Ahnung, wo Payton steckt. Das schwöre ich. Ich wollte dir nur Angst einjagen. Und ich habe gelogen. Ich war das nicht mit dem Einbruch, das ist auf Peters Mist gewachsen. Er weiß von meinem Plan mit der Hochzeit, und es hat ihm überhaupt nicht gepasst, als ich ihn im St. Regis vor versammelten Gästen bloßgestellt habe. Während du mit deinen Freunden auf dem Revier warst, hat er jemanden zu deinem Apartment geschickt und es verwüsten lassen. Es war Peter, der die Zettel dort hat verteilen und die Aufnahmen auf den Überwachungskameras löschen lassen, nicht ich . Er hatte mal angedeutet, dass er etwas in die Richtung vorhatte, um dir einen Schrecken einzujagen, weil mein früherer Plan es vorsah, Payton aus der Stadt zu jagen. Außerdem war er wütend. Und dann ist er irgendwie an mein Handy gekommen und hat dich zu mir gelockt. Und er hat Cameron …« Er verstummte, und ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. »Er wollte uns auseinanderbringen, Sarah. Das war ein Schlag gegen mich, weil er mir ans Bein pissen wollte, als Rache für die Bloßstellung auf der Party.«
»Und das mit Cameron?«, fragte ich kalt. »Weißt du eigentlich, was du ihr angetan hast?«
Ein gequälter Ausdruck trat in seine Augen. »Zunächst wusste ich doch gar nicht, was Sache war.«
»Du hättest es bemerken müssen!«
»Hätte ich? Sie war weder betrunken, noch stand sie unter Drogen. Sie hat nüchtern gehandelt, Sarah. Cameron ist einfach bei mir aufgetaucht und hat versucht, mich zu küssen. Ich habe sie von mir gestoßen, ich war angewidert . Dann wollte sie sich ausziehen, und auch daran habe ich sie gehindert. Ich habe sie daran gehindert«, wiederholte er inbrünstig. »Sie hat mich angebettelt, mit ihr zu schlafen, es war vollkommen durchgeknallt. Sie hat mich betatscht und hat mir an den Schwanz gegriffen. Ich war total vor den Kopf gestoßen. Und ich war wütend, weil ich nur daran denken konnte, was sie und Rosie mit Celia getan hatten, und was das mit dir gemacht hat.« Er presste eine Handfläche auf den Tisch. »Frag Cameron nach ihrer Version der Ereignisse. Ich verspreche dir, dass sie mit meiner Version übereinstimmen wird.«
»Wieso hast du sie nicht einfach rausgeschmissen?«, fragte ich aufgebracht.
»Ich habe ihr gesagt, was ich von ihr halte«, sagte er mit rauer Stimme. »Und sie … hat wieder versucht, mich zu küssen. Sie sagte, dass ich Peter eins reinwürgen könnte, wenn ich mit ihr schliefe.«
Ich schluckte schwer. Das konnte unmöglich die Wahrheit sein.
»Und dann?«, fragte ich angespannt.
Monroe öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Fahrig fuhr er sich durch die Haare. Wenn diese aufgewühlte, reuevolle Miene gespielt war, dann war er ein verdammt guter Schauspieler. Aber war er das nicht sowieso? Hatte er mir nicht unendlich viele bedeutungsvolle Blicke und gefühlvolle Küsse vorgespielt?
»Ich … Ich hatte diese Idee«, sagte er heiser. »I-ich dachte, dass es vermutlich gegen ihren Stolz ginge, wenn sie mir einen bläst. Also habe ich mir einige Drinks reingehauen und ihr dann gesagt, dass sie auf die Knie gehen soll.« Er stieß hart den Atem aus. »Mehr musste ich nicht sagen. Sie hat es sofort getan.«
»Das klang noch ganz anders, als du mir die Geschichte das erste Mal erzählt hast. Du hast von sexueller Bestrafung und Erniedrigung gesprochen.« Ich dachte daran, wie er schluchzend vor mir auf die Knie gesunken war, wie er mich unter Tränen angefleht hatte, ihn nicht zu verlassen. War das auch Schauspielerei gewesen? Hatte er diesen Zusammenbruch und diese Panik nur gespielt? Die Tränen und die Panik hatten sich echt angefühlt. Echt ausgesehen. Er musste ziemlich durchgeknallt sein, um mir das vormachen zu können.
Doch auch jetzt sah ich die Panik in seinen Augen. Wieder fuhr er sich fahrig durch die Haare und stützte die Ellbogen auf die Knie. »Fuck, Sarah, das war es ja auch! Ich habe es dir schon mal gesagt.« Er ergriff meine Hand – doch ich entzog sie ihm sofort wieder. Ich wollte ihn nicht berühren. Nicht, wenn er mir etwas so Grausames erzählte.
Er starrte auf meine Hände, dann schüttelte er den Kopf und befeuchtete seine Lippen. »Wenn du alles hast – Geld, Status und Macht –, dann gibt es kaum noch Angriffsfläche«, flüsterte er. Worte, die ich so ähnlich schon einmal von ihm gehört hatte. »Cameron zu erniedrigen und ihren Stolz anzukratzen, war alles, was mir eingefallen ist. Ich konnte nur daran denken, dass du völlig durch den Wind warst und sie Celia abgeführt haben. Ich konnte es nicht auf mir sitzen lassen, dass dir jemand wehtut. Jeder, der dir wehtut, sollte es bereuen. Aber ich weiß, dass es falsch war. Fuck, wenn ich könnte, würde ich es rückgängig machen. Ich hasse mich dafür, und ich bereue es jeden Tag. Jeden. Einzelnen. Tag.« Er senkte den Blick.
Doch ich schüttelte den Kopf. Ich würde es nicht an mich heranlassen. Ich würde ihm nie wieder auch nur ein verdammtes Wort glauben.
Wieder dachte ich daran, wie tief die Ringe unter Camerons Augen gewesen waren, wie sie auf dem Klo auf der Uni geweint hatte.
»Dir ist doch sogar in den Sinn gekommen, dass Peter etwas damit zu tun haben könnte«, sagte ich leise. »Es ist dir in den Sinn gekommen. Dass er sie gezwungen haben könnte, bei dir aufzuschlagen.«
»Ja«, sagte er heiser und starrte mich an.
»Und du hast es trotzdem durchgezogen.«
Er schluckte schwer und befeuchtete sich die Lippen. »Ja«, flüsterte er wieder.
Mein Magen fühlte sich an wie ein schwerer, harter Klumpen, und ich ballte in meinem Schoß die Hände zu Fäusten. »Willst du immer noch behaupten, dass du kein Monster bist?«, flüsterte ich.
Stöhnend rieb er sich die Augen. »Bitte, Sarah. Es hat definitiv einen Konsens gegeben. Sie hat mir an den Schwanz gegriffen, sie hat versucht, mich zu küssen. Und wir wissen beide nicht, ob Peter sie wirklich zu irgendwas gedrängt hat oder nicht. Das ist nichts weiter als eine Vermutung von dir. Oder irre ich mich?«
Ich öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Es … lag doch auf der Hand.
»Er hat vor dem Haus gewartet«, sagte ich protestierend. »Peter hat mich zu euch gelockt, damit ich es sehe. Und er hat mich gefragt, ob ich euch beim Sex beobachtet hätte.«
»Fuck«, stieß Monroe hervor. »Aber das wusste ich nicht!«
»Dann hat das nicht zu deinem Plan gehört?«
»Natürlich nicht!«, sagte er aufgebracht. »Denk doch mal nach, ich habe dir eben erzählt, wie mein Plan aussieht. Ich wollte dich dazu bringen, dich in mich zu verlieben. Wieso zur Hölle sollte ich an dem Abend, als du mir endlich deine Liebe gestanden hast, dafür sorgen wollen, dass du mich mit einer anderen siehst? Wieso sollte ich dich verletzen oder dir das Herz brechen wollen, wenn es die ganze Zeit mein Ziel war, dich zu heiraten? Es hätte alles kaputt gemacht, worauf ich hingearbeitet habe! Das hätte ich niemals riskiert, dafür steht zu viel auf dem Spiel.«
Ich zuckte zusammen. Hingearbeitet. Worauf er hingearbeitet hatte. Obwohl ich es bereits wusste, stachen die Worte zu und ließen Empörung in mir aufsteigen. Die unverblümte Wahrheit war hässlich und grausam.
Aber der Rest? Verdammt noch mal, diese Worte ergaben Sinn. Ich wollte nicht, dass sie Sinn ergaben.
»Es war definitiv Peters Rache für die Sache auf der Party«, sagte er inbrünstig. »Er wollte uns auseinanderbringen, und das hat er auch geschafft.«
»Verspürst du gar keine Reue für das, was du Cameron angetan hast?«, fragte ich mit zugeschnürter Kehle.
»Ich hatte ja keine Ahnung, dass … ich meine … Fuck. Natürlich«, sagte er leise. »Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, wieso Cameron plötzlich mit mir schlafen wollte. Und ich habe mich schlecht gefühlt, weil wir zusammen waren und ich auf körperliche Weise … Es war ein Blowjob. Es war intim. Und auch wenn ich es aus Rache getan habe, wollte ich nicht …« Er stieß hart den Atem aus. »Ich bereue es, mit einer anderen Frau als mit dir intim gewesen zu sein, aus welchen Gründen auch immer. Ich habe sie vielleicht bestraft, aber ich habe Cameron zu nichts gezwungen. Sie hat sich mir an den Hals geschmissen. Peter ist also derjenige, der Cameron das angetan hat, nicht ich. Wer weiß, womit er ihr gedroht hat, um sie dazu zu bringen, dass sie mich angebettelt hat.«
Ich würde ihm nicht glauben. Nicht, solange ich Camerons Version noch nicht gehört hatte. Gut möglich, dass Monroe die Wahrheit sagte oder dass er seine Worte tatsächlich für die Wahrheit hielt. Aber es änderte nichts daran, dass ihm der Gedanke gekommen war, dass Peter seine Finger im Spiel gehabt haben könnte. Das hätte genügen sollen, um es nicht durchzuziehen. Er hätte es verhindern können. Er hätte all das verhindern können.
Monroe stützte einen Ellbogen auf den Tisch und bedeckte mit einer Hand die Augen. »Das alles hier … alles, was passiert ist … Ich hasse es, wie die Dinge gerade stehen. Ich wünschte, Peter würde nicht existieren. Alles wäre anders, wenn es ihn nicht gäbe. Er hätte niemals einen Keil zwischen euch getrieben und …«
»Was?«, fragte ich atemlos. »Er hat … Ihr habt was?«
Er stieß hart die Luft aus. »Peter hat Paytons Handy in der Entzugsklinik stehlen lassen. Unsere Kontaktperson hat es ihm gebracht. Du hast dich so gesträubt, dich auf mich einzulassen, und Peter hat mir in den Kopf gesetzt, dass ich dich und deine Schwester unbedingt auseinanderbringen sollte … Er hat mir eingeredet, dass ich dich mithilfe des Handys manipulieren sollte, um Payton als die Böse hinzustellen. Sie hat dir Dinge vorenthalten, und das wollten wir ausnutzen.«
Meine Ohren klingelten. Ich dachte an die Male, als Payton mir die furchtbaren Textnachrichten geschickt hatte, die Rooftop-Party mit Monroe …
Dieses Arschloch. Er hatte mir die Nachrichten geschrieben? Sie hatten Payton bestehlen lassen?!
Tränen schossen mir in die Augen, ich konnte nichts dagegen tun. Meine Stimme bebte vor Zorn, als ich fauchte: »Wo ist Payton, Monroe? Haltet ihr sie irgendwo fest? Was habt ihr Bastarde mit ihr gemacht?«
»Nichts«, schoss er inbrünstig zurück. »Das schwöre ich, ich weiß wirklich nicht, wo sie steckt. Wir haben nichts mit ihrem Verschwinden zu tun, das schwöre ich bei allem, was mir heilig ist. Ich denke, dass sie sich versteckt. Ehrlich gesagt hoffe ich es, und ich hoffe, dass Peter sie niemals finden wird. Wer weiß, was er ihr antun würde.«
Ich zuckte zusammen. »Wieso sollte ich dir auch nur ein Wort glauben?«
»Wieso sollte ich dich anlügen? Jetzt, wo alle Karten auf dem Tisch liegen? Welchen Grund hätte ich?«
»Aber was ist mit Peter?«, fragte ich aufgebracht. »Kannst du mit absoluter Sicherheit sagen, dass er oder wer auch immer für euch arbeitet, nichts mit Paytons Verschwinden zu tun hat?«
»Ja, dafür lege ich meine Hand ins Feuer«, erwiderte er ernst. »Von ihr fehlt jede Spur, seit sie untergetaucht ist. Unsere Kontaktperson arbeitet in erster Linie für mich, nicht für Peter. Ich weiß, was er weiß, und er hat auch keine Ahnung. Sarah, wir haben nichts damit zu tun, das musst du mir glauben. Ich habe nichts damit zu tun.« Er versuchte, nach meiner Hand zu greifen, aber ich zog sie so schnell weg, als wären seine Finger heißes Eisen.
Ein gequälter Ausdruck trat auf sein Gesicht. Seine Stimme wurde leiser, fast so, als wollte er mir ein Geheimnis anvertrauen. »Ich hätte niemals wissentlich dafür gesorgt, dass dir oder deiner Schwester ernsthafter Schaden zugefügt wird. Was Peter und Rosie mit Payton gemacht haben, die Drogen …«
»Willst du wirklich alles auf Peter abwälzen, um als unschuldiger Engel aus der Sache hervorzugehen?«, fiel ich ihm genauso leise ins Wort. »Ist dir eigentlich bewusst, was ihr getan habt?«
»Natürlich möchte ich mich nicht als unschuldig darstellen«, sagte er ernst. »Ich weiß, ich habe auch Fehler gemacht. Aber ich habe niemals etwas getan, was euch schadet. Das war zu einhundert Prozent Peter. Das kam niemals von mir.«
»Dann erzähl mir, was du getan hast, wenn du angeblich nichts mit Paytons Drogensucht zu tun hast.« Ich starrte ihn in Grund und Boden.
Er nahm eine aufrechte Haltung ein, und ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. »Wirklich aktiv bin ich erst geworden, als du in Paytons Rolle geschlüpft bist. Ich habe dir die Nachrichten von Paytons Handy aus geschrieben, um einen Keil zwischen euch zu treiben. Und ich habe den Einbruch organisiert. Damit wollte ich dich weiter in meine Arme locken. Ich hatte gehofft, dass du anschließend bei mir einziehst und dass das mit uns … intensiver wird. Schneller und größer. Hätten Peter und ich uns auf der Party am selben Abend nicht den Krieg erklärt, hätte er mich nicht sabotiert und meine Pläne durchkreuzt. Ich denke, deshalb hat er Cam zu mir geschickt. Um sich an mir zu rächen und uns auseinanderzubringen. Was ja auch funktioniert hat.«
»Du Psychopath«, flüsterte ich. »Ich fasse es nicht. Ist dir eigentlich klar, was du getan hast? Was du Payton und mir damit angetan hast?«
Er atmete tief durch. »Es tut mir leid. Das war definitiv nicht richtig, aber …«
»Da gibt es kein Aber, Monroe! Ich war zu Tode verängstigt wegen des Einbruchs! Ich konnte nicht schlafen, konnte kaum denken! Ich dachte … Ich dachte, dass Payton dahintersteckt. Wegen dir und dieser Psychospielchen habe ich sogar angefangen, meine unschuldige, arme Schwester zu hassen! Dazu hattest du kein Recht!«
»Ich weiß«, sagte er leise. »Und es tut …«
»Wag es nicht«, fiel ich ihm wieder ins Wort und hielt ihm drohend einen Finger vors Gesicht. »Wag es ja nicht, dich zu entschuldigen, nachdem du mit Kalkül vorgegangen bist. Es tut dir überhaupt nicht leid. Das war ein Kollateralschaden, den du in Kauf genommen hast. Wag es nicht, mir in die Augen zu sehen und zu behaupten, es täte dir leid, wenn du es mit vollem Bewusstsein getan hast.«
Schmerz flackerte in seinen Augen auf. »Na schön. Du hast recht. Trotzdem bedauere ich es, Sarah. Ich wollte dir oder Payton nie wehtun, und ich habe keine Freude dabei empfunden, so mit dir zu spielen, das schwöre ich. Letztendlich hat alles, was ich getan habe, dazu geführt, dass du dich auf mich eingelassen und dich in mich verliebt hast. Und das bereue ich nicht, denn das war mein Ziel. Ich bin nicht im Entferntesten stolz darauf, aber ich stehe zu meinen Taten.«
Ich schnaubte empört. »Ich habe mich ganz bestimmt nicht in dich …«
Der Blick, mit dem er mich bedachte, ließ mich verstummen. Hitze kroch meine Wirbelsäule hinauf, und ich biss die Zähne zusammen, als sie auch in meine Wangen stieg. Scheiße, er wusste es. Es nützte nichts, ihm etwas vorzumachen.
Er überraschte mich erneut, denn es trat kein triumphaler Ausdruck auf sein Gesicht. Stattdessen wurden seine Züge weich.
»Ist schon okay«, sagte er. Zu sanft, zu vorsichtig. »Denn ich …« Er schluckte schwer und ballte die Hände zu Fäusten. »Es ist okay, weil ich mich auch in dich verliebt habe, Sarah. Obwohl ich das nicht wollte.«
Ich sprang auf. Atmete flach, bekam nicht genug Luft in meine Lunge, während Adrenalin durch meine Adern rauschte. »Wehe«, zischte ich. »Versuch gar nicht erst, mir so einen Bullshit einzureden, Monroe. Ich warne dich. Ich bin fertig mit deinen Psychospielchen. Was auch immer du hier machst, ich bin nicht so dumm, um wieder drauf reinzufallen.«
Er stand ebenfalls auf, doch wesentlich ruhiger als ich. Seine Hand umschloss meine und drückte sie.
Ich konnte mich nicht rühren, konnte nicht einmal meine Hand aus seiner ziehen, obwohl die Berührung mich verbrannte.
»Ich sage die Wahrheit«, beharrte er mit brüchiger Stimme und sah mir tief in die Augen. »Ich liebe dich. Und ich hasse es, dass ich es tue, weil ich es nie vorhatte.«
»Nein«, stieß ich panisch hervor. Blitzartig zog ich meine Hand zurück, wirbelte herum und verließ das Esszimmer mit schnellen Schritten.
»Sarah!«
Ich beschleunigte meine Schritte und versuchte panisch, Luft in meine Lunge zu bekommen. Monroe hatte den Verstand verloren. Er liebte mich nicht! Wieso zur Hölle sagte er so was? War das noch eines seiner Spiele? Wollte er bloß sehen, wie weit er noch gehen konnte?
Orientierungslos rauschte ich durch das Anwesen, ohne Ziel vor Augen, doch das war nicht wichtig, da es sowieso keine Möglichkeit gab, von hier wegzukommen. Wichtig war bloß, von ihm wegzukommen.
Doch natürlich war mir das nicht vergönnt, denn hinter mir ertönten schnelle Schritte.
Fahrig sah ich mich um. Vermutlich war ich irgendwo im linken Teil des Gebäudes – wobei man den Mist ja sogar Flügel nannte.
Hastig lief ich einen lichtdurchfluteten Flur entlang, voller bodentiefer Sprossenfenster zu meiner Linken, durch die ich Sanddünen mit verwaschenen Gräsern und das dunkle Meer sah. Die Schritte hinter mir wurden lauter, kamen näher.
Monroes Hand schloss sich um meinen Oberarm, gerade als ich eine Flügeltür erreichte, und hielt mich fest. »Warte«, keuchte er. »Bitte, Sarah.«
Er drehte mich zu sich herum und nahm mein Gesicht in die Hände. Die brodelnden Gefühle in seinen blauen Augen waren zu viel für mich. Ich ertrug es nicht und mein Herz erst recht nicht.
»Ich wusste, dass du mir etwas vorgemacht hast«, sagte er mit schneller, eindringlicher Stimme. »Aber ich konnte nicht anders. Ich wollte mich nicht in dich verlieben, doch ich habe es getan. Ich wünschte wirklich, es wäre nicht so, das hätte alles viel einfacher gemacht.«
Ich schlug seine Hände weg. Ich wusste nicht, was ich denken, was ich fühlen sollte. Nichts war mehr klar und einfach, so wie es meine Wut gewesen war.
Er hob meinen Kopf an, damit ich ihn ansah, damit ich ihm trotz seiner Größe noch ins Gesicht schauen konnte. Ich drehte den Kopf weg, bis er seine Hand wieder fallen ließ.
Sein Blick wurde traurig. »Sarah, so vieles war eine Lüge«, flüsterte er. »Aber das hier ist keine. Das habe ich überhaupt nicht mehr nötig, weil du jetzt meine Wahrheit kennst und ich deine. Ich liebe dich. Und ich wollte dir nicht das Herz brechen, das wollte ich nie. Ich möchte, dass wir von jetzt an ehrlich miteinander sind. Das müssen wir auch, damit das zwischen uns funktioniert. Von jetzt an keine Lügen mehr. Ich gebe dir mein Wort.«
Mein Kopf versuchte irgendwie, seine Worte zu verarbeiten. Sie zu begreifen. Es tat so verdammt weh. Hätte er doch nur nicht all diese beschissenen Fehler begangen. Diese furchtbaren Dinge getan. Ich wollte so sehr, dass sich die Kluft schloss und ich ihm verzeihen konnte, aber die Vergangenheit war in Stein gemeißelt, und daran ließ sich nichts mehr ändern.
»Es gibt kein zwischen uns mehr, Monroe«, flüsterte ich.
»Bitte«, flehte er heiser und trat noch dichter an mich heran. »Tu das nicht. Verschließ dich nicht vor mir. Ich weiß, dass du genauso fühlst wie ich. Wir lieben uns, und ich glaube, dass wir das schon von dem Moment an getan haben, als wir uns zum ersten Mal begegnet sind. Ich weiß, dass ich unverzeihliche Dinge getan habe, aber … bitte. Lass wenigstens den Gedanken zu. Wir zwei könnten alles haben. Wir könnten glücklich werden. Wir … wir müssen uns nur von allem erholen. Und uns verzeihen. Zieh es zumindest in Erwägung. Denk an das, was wir hatten, bevor ich es in den Sand gesetzt habe. Das zwischen uns war echt, trotz der Lügen. Die Liebe war echt.«
Eine Träne rann meine Wange hinab. Ich musste die nächsten Worte aussprechen, es führte kein Weg dran vorbei. Anders würde er niemals aufgeben.
»Ich kann das nicht. Ich könnte es nicht mal, wenn du das mit Payton, mit Cameron oder dem Einbruch wie durch Zauberhand ungeschehen machen könntest«, sagte ich und trat weg von ihm. Brauchte dringend Abstand. »Denn ich …« Meine Stimme versagte.
Seine Augen glänzten vor Schmerz, und er befeuchtete sich fahrig mit der Zunge die Lippen. Er wartete darauf, dass ich fortfuhr, beobachtete mich.
»Ich habe mich verliebt, Monroe. Ich habe mich in jemand anderen verliebt.«