KAPITEL 23

Unlautere Absichten

Payton

»Wer war das?«, fragte Donny, kaum, dass ich aufgelegt hatte.

Mein Mund stand noch immer offen, als ich mich blinzelnd zu ihm umdrehte. »Das war Sarah. Sie will sich mit uns treffen. Mit uns allen, Celia und Cam mit eingeschlossen.«

Er stand vom Sofa auf und trat mit gerunzelter Stirn zu mir ans Fenster. Seine dunklen Haare waren noch feucht und hingen ihm in die Stirn. Er trug meinen Lieblingspullover – ein grober, dicker Strickpullover aus grauer Wolle – und schwarze Jeans.

»Wann und wo?«, fragte er.

»Jetzt gleich. Sie wusste nicht, wo, also habe ich ihr deine Adresse geschickt. Ich hoffe, das ist okay.«

»Natürlich ist es das.«

»Was, glaubst du, will sie mit uns besprechen?«

Er kratzte sich am Kopf. »Keine Ahnung. Vielleicht hat es mit Monroe zu tun.«

»Ja«, sagte ich leise und rieb mir über die Stirn. Vielleicht sagte sie mir endlich, dass sie die Verlobung abgeblasen hatte. Besonders nach dem Dinner. Hoffentlich hatte es ihr die Augen geöffnet.

Der Morgen war anstrengend gewesen. Erst hatte ich Laurel ausführlich Bericht über die letzten Geschehnisse erstattet, dann hatte ich mir die Mailboxnachrichten von Mom angehört. »Payton, bitte redet mit uns. Euer Vater und ich halten es nicht mehr aus, bestraft uns nicht mit Schweigen.« Es hatte mir das Herz zerfetzt, Mom schluchzen zu hören. »Ihr seid das Wichtigste auf der Welt für uns. Bitte, Baby. Bitte ruf mich an. Ich halte das nicht mehr aus.«

Meine Augen waren noch immer geschwollen von dem Heulkrampf, der mich daraufhin erfasst hatte. Ich konnte noch nicht mit Mom sprechen. Ich war noch nicht bereit. Dann hatte ich mir Dads Mailboxnachrichten angehört, weil ich seine Stimme hören musste. Er hatte so besiegt geklungen. »Ich wollte nicht, dass das jemals passiert. Ich liebe euch. Ihr seid meine Töchter, und daran wird sich niemals etwas ändern, Payton. Bitte kommt nach Hause. Bitte … kommt einfach nach Hause. Und lasst uns reden. Oder gebt uns grünes Licht, und wir fliegen zu euch nach New York. Wir wollen euch bloß sehen. Bitte, mein Liebling.«

In der Sekunde, als ich zum Hörer hatte greifen wollen, hatte Sarah mich angerufen – und das Momentum war verflogen. Der kurze, impulsive Augenblick, in dem ich mich tatsächlich der Aussprache mit unseren Eltern hatte stellen wollen. Und dann hatten Sarahs Worte auch schon dafür gesorgt, dass kein Platz mehr für etwas anderes in meinem Kopf übrig gewesen war. »Pay, wir müssen uns sehen! Wo bist du? Es ist dringend!« Also hatte ich ihr Donnys Adresse geschickt, und wenige Sekunden später hatte sie auch schon aufgelegt.

Donovan zog mich an sich und küsste mich sachte. »Ich sage Cam und Celia Bescheid. Du musst dich um nichts kümmern, okay?«

»Okay«, erwiderte ich und ließ erleichtert die Schultern nach unten sacken. »Aber musst du nicht zu deinen Vorlesungen? Oder Celia?« Von Cam wusste ich, dass sie keinen Fuß mehr in die Columbia setzte, aber bei Donny und Celia wäre es mir neu.

Er schüttelte den Kopf. »Celia ist bei Holly. Ihr … geht es seit der Trennung von Rosie auf dem Maskenball nicht gut.«

»Oh«, sagte ich Anteil nehmend und legte mir eine Hand aufs Herz. »Ich wusste nicht, dass Holland und Rosie so richtig … War es so ernst?«

Er hob die Schultern. »Holly war ziemlich verliebt, ja. Oder ist es noch. Das zwischen ihnen lief nicht lange, aber es war wohl intensiv. Jetzt hat sie ein gebrochenes Herz. Die Sache mit den Drogen und dass unsere Eltern davon wissen, macht es nicht leichter für sie. Unsere Eltern überlegen sogar, Holly nach Spanien zu verfrachten, damit sie dort weiterstudiert.«

»Spanien?«, rief ich mit hoher Stimme. »Gott, Donny, das können sie doch nicht machen! Holly braucht nur Unterstützung, und die bekommt sie doch!«

»Ich weiß«, sagte er, und ein Schatten legte sich auf sein Gesicht. »Aber ich glaube, Celia hat das gut im Griff. Celia und ich. Wegen Holland werde ich später auch nicht hier sein können. Ich habe versprochen, den Abend mit ihr zu verbringen. Ist das okay für dich?«

»Klar«, sagte ich sofort und küsste seinen Mundwinkel. »Ich wollte nachher sowieso zu Cam fahren. Seit Sarah wieder da ist, kapselt sie sich von mir ab, das gefällt mir nicht. Ich möchte für sie da sein.«

Er seufzte schwer und fuhr sich durch die Haare. »Ja, das bereitet mir ehrlich gesagt auch Sorgen.«

Ich löste mich von ihm und trat einen Schritt zurück. »Dann, ähm, ziehe ich mir mal was an. Ich kann schlecht in deinem T-Shirt hier rumsitzen, wenn die anderen kommen.«

Seine Augen blitzten auf. Er ließ den Blick über meine entblößten Beine gleiten, ehe sich einer seiner Mundwinkel hob. »Ich hätte …«

»Nichts dagegen«, beendete ich seinen Satz und verdrehte belustigt die Augen. »Schon klar.«

»Das meine ich ernst!«, rief er mir hinterher, als ich die Treppe nach oben in sein Zimmer trabte. Ein Grinsen stahl sich auf mein Gesicht. Doch es konnte die kochende Aufregung nicht verscheuchen.

***

Cam saß Sarah an Donnys Esstisch gegenüber und bedachte sie mit einem kalten, abweisenden Blick. Es war der Blick, welcher ihr an der Columbia nicht grundlos den Spitznamen Eisprinzessin verliehen hatte. Ihre kinnlangen honigblonden Haare fielen glatt hinab, und sie hatte sie sich hinter die leicht abstehenden Ohren geklemmt. Sie trug einen schwarzen Rollkragenpullover mit langen, weiten Ärmeln, der ihr Gesicht noch spitzer und blasser wirken ließ, und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Außerdem waren die Schatten unter ihren dunklen Augen so erschreckend tief, dass es mir Angst einjagte.

Sarah sah aus, als wäre sie überall lieber als hier. Aber sie hielt das Kinn oben und umfasste neben mir mit beiden Händen ihre Kaffeetasse. Es war ihr anzumerken, dass sie sich unwohl fühlte, von Cam, Donny, Celia und mir angestarrt zu werden.

»Also, was willst du?«, fragte Cam schroff. »Wieso hast du uns herbeordert?«

Sarah wich ihrem Blick aus und sah uns der Reihe nach an. »Ich … möchte euch in meinen Plan einweihen. In alles. Ich denke, ihr solltet … alles wissen.«

»Na endlich«, murmelte Celia gegen ihre Tasse und trank einen Schluck.

Ich atmete auf und konnte nichts dagegen tun, als ich vor Erleichterung lächelte. Ja! »Was hat deine Meinung geändert?«, fragte ich aufgeregt.

»Ähm, ich habe doch erwähnt, dass ich gestern zu Holden gefahren bin. Oder so. Und … Na ja …«

»Er hat deine Meinung geändert?«, half Donny ihr ungeduldig auf die Sprünge.

Sie nickte. »Er hat mir Dinge über Monroe und Fairfax erzählt, die für mich alles in ein neues Licht gerückt haben. Außerdem sind Holden und ich … Also, ich bin … wir haben …« Ihre Wangen wurden feuerrot. Und obwohl es vermutlich unangebracht war, musste ich grinsen.

Du bist total verliebt , wollte ich flüstern.

Sie warf mir einen verstohlenen Blick zu, fast so, als könnte sie meine Gedanken hören. Doch sie ging nicht darauf ein, und niemand von uns stellte Fragen. »Wie dem auch sei, ich werde versuchen, die Verlobung aufzulösen. Aber das kann ich nicht einfach so machen, es steht zu viel auf dem Spiel.«

Cam stöhnte. »Jetzt hör schon auf, um den heißen Brei herumzureden, und rück raus mit der Sprache.«

Und das tat Sarah. Sie erzählte uns alles : vom Plan, den Monroe ihr in den Hamptons unterbreitet hatte, und das, was Holden ihr über Monroes Ex verraten hatte. Während sie sprach, breitete sich mit jeder Sekunde mehr Entsetzen in mir aus. Großer Gott. Seine Ex war tot? Seinetwegen? ! Kein Wunder, dass in Sarahs Augen Panik stand. Selbst ich war kurz davor, mich vor Angst zu übergeben! Was, wenn er ihr auch etwas antun wollte? Verflucht. Sarah hatte recht. Es änderte wirklich alles . Ich hatte ja gewusst, dass Monroe Darlington ein Monster war, aber … das schoss den Vogel ab.

Sie legte den Diamantring vor sich auf den Tisch. »Deshalb kann ich die Verlobung nicht so einfach auflösen. Nicht, wenn Monroe dazu imstande ist, so weit zu gehen. Ich weiß nicht, was er oder Peter uns sonst antun werden. Das wird komplizierter als gedacht. Holden hat mir auch erzählt, dass …« Sie stockte und schloss den Mund. Dann schüttelte sie den Kopf. »Er hat mir noch andere Dinge erzählt. Private Dinge, die ihn und Monroe betreffen. Es steht mir nicht zu, sie euch zu erzählen, aber sie sind ziemlich krass.«

Selbst aus Camerons Miene verschwand jegliche Härte.

»Wir können sie nicht damit durchkommen lassen!«, sagte Celia aufgebracht. »Wir müssen doch irgendetwas unternehmen können. Auch für Ingrid. Ich kannte sie. Wir alle kannten sie. Die Darlingtons können nicht machen, was sie wollen, und du sollst nicht die Nächste sein!«

»Holden sieht sich gerade den Ehevertrag an. Wir werden versuchen, nach legalen Wegen zu suchen, wie wir uns vor ihnen schützen können, aber ich habe das Gefühl, dass es nicht gerade leicht wird, einem Darlington ans Bein zu pissen.«

Ich blinzelte. Cameron und ich tauschten einen Blick aus. Dann Donny und ich. Celia und ich.

»Was ist?«, fragte Sarah angespannt. »Wieso seht ihr euch so an? Was wisst ihr, was ich nicht weiß?«

»Sarah, wir … haben etwas beschlossen«, begann Cam und sah fragend zu Donny und mir. Ich ahnte, worauf sie hinauswollte, und nickte ihr hastig zu.

Sie sah wieder zu meiner Schwester. »Wir werden Peter vor Gericht zerren. Peter und Rosie. Und wenn wir es richtig anstellen, kommt er vielleicht sogar ins Gefängnis.«

»Das wäre das Idealszenario«, fügte Donny an. »Und diese Information über seine Ex … Auch wenn der Fall schon durch ist, Monroe sich aus der Affäre ziehen konnte und nicht involviert wurde, könnte uns das in die Karten spielen. Es ist weiteres belastendes Material.«

Sarah sah aus, als würden ihr fast die Augen aus dem Kopf fallen. Doch das Misstrauen, die Skepsis standen ihr ins Gesicht geschrieben. »Wie genau wollt ihr das bewerkstelligen?«

»Es gibt genug, um sie dranzukriegen«, sagte ich, atemlos vor Aufregung. »Cam und ich werden Peter anzeigen, und wir haben Beweise gegen Rosie, was ihr Dealen angeht. Wir werden alles vorbringen und so viele Zeugen und Opfer wie nur möglich zur Aussage überreden.«

»Und wir werden nicht aufgeben, ehe sie hinter Gittern sind. Besonders Peter. Und natürlich Monroe und Rosie, aber allen voran Peter«, sagte Cam leise. Obwohl Peter nicht mit uns im Raum war, klangen ihre Worte nach einer Drohung.

Mein Herz machte einen Satz, als mir plötzlich eine Idee kam. Ich setzte mich aufrechter hin. »Ähm, Sarah, würde es dir etwas ausmachen, wenn wir deine und Monroes Verlobungsfeier nehmen, um Peter zu einem öffentlichen Fehltritt zu bringen?«

»Die Verlobungsfeier?«, wiederholte sie erschrocken. Unsicherheit blitzte in ihren Auen auf. »Ich weiß nicht«, sagte sie stirnrunzelnd. Sie winkelte ein Bein an und zog es hoch auf ihren Stuhl. »Meint ihr, das ist eine gute Idee? Und ist es wirklich der richtige Zeitpunkt? Was, wenn es schiefgeht und Monroe herausfindet, dass wir etwas vorhaben? Er wird ausrasten. Und ich glaube, dass er zu allem fähig ist, wenn es darum geht, dieses Erbe zu schützen.«

»Wir müssen das ja nicht gleich zu Anfang machen«, stieg Celia mit ein. »Vielleicht gegen Ende der Feier, sodass es noch nicht so spät ist, dass alle nach Hause fahren, sondern eher kurz vor Aufbruchszeit oder so. Ich bin mir sicher, dass Monroe und auch Wilson darauf bestehen werden, dass ganz Manhattan für diese Party antanzen wird, egal wie kurzfristig sie ist.«

Sarah schnaubte. »Ja, so was Ähnliches hat Monroe auch gesagt. Er nannte es ein gefundenes Fressen, weil ein Darlington sich verlobt.«

»Das ist es auch«, sagte Cam. In ihrer Stimme schwang Bitterkeit mit. »Es ist ein großes Ding. Du hast vermutlich immer noch keine Vorstellung davon, wie bedeutungsvoll die Namen Darlington und Fairfax sind. Nicht nur in Manhattan.«

»Wie dem auch sei«, sagte ich schnell und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Hecken wir etwas aus.« Ein aufgeregtes Lächeln stahl sich auf meine Lippen. »Und dann lasst uns dafür sorgen, dass Peter Hören und Sehen vergeht.«