KAPITEL 24

Die mit dem Teufel tanzt

Payton

»Ich hasse es hier«, flüsterte ich Donny zu, während wir unsere Jacken an der Garderobe von Darlington House abgaben.

»Ich weiß«, erwiderte er besänftigend. »Denk einfach an unseren Plan. Wir werden den Abend durchstehen und dann zurück zu mir fahren. Okay?«

»Okay«, sagte ich seufzend und hakte mich bei ihm unter. »Du siehst übrigens toll aus.«

Ein schiefes Lächeln erschien auf seinen Lippen, und er drückte meine Hand an seinem Arm. Die frischen Verbände und Pflaster um meine wunden Finger hatten in den vergangenen Tagen Wunder bewirkt. Ich konnte mich nicht erinnern, wann meine Hände zuletzt nicht geschmerzt hatten – und dank der Pflaster über meinen Fingerspitzen hatte ich nichts angeknabbert oder abgerissen.

»Ebenfalls. Komm«, sagte Donovan. Er stieß mich spielerisch an, bis ich nicht anders konnte, als ihm auch ein kleines Lächeln zu schenken. Und nicht zum ersten Mal blieb mein Blick dabei an ihm hängen und saugte das Bild von ihm regelrecht auf. Ich liebte es, wenn Donovan Smokings trug und dermaßen herausgeputzt war. Es lag bestimmt an der Fliege und der maßgeschneiderten Jacke, die seine große Gestalt und die breiten Schultern so gut zur Geltung brachten. Sein markantes Gesicht war zudem glatt rasiert, und er roch nach seinem Lieblingsparfum und Aftershave. In diesem Aufzug sah er noch hinreißender aus als sonst. Wobei mir seine schwarzen Haare zerzaust besser gefielen als mit diesem ordentlichen Mittelscheitel. Die ganze Zeit schon fantasierte ich darüber, meine Hände in seinen Haaren zu vergraben und sie durcheinanderzubringen, bis sie aussahen wie sonst. Aber ich verkniff es mir. Bei Veranstaltungen der High Society war er angespannter als sonst, und das wollte ich nicht steigern. Immerhin hatten ihm seine und Hollys Eltern von klein auf eingebläut, sich in der gehobenen Gesellschaft von der besten Seite zu zeigen.

Wir liefen den Gang zur Haupthalle entlang, und ich betrachtete mit angespannter Miene die Deko aus drapierten weißen und rosafarbenen Tüchern und die Pfingstrosen, die den halben Raum zu füllen schienen. Ich hatte wirklich keine Lust gehabt, zu Sarahs Verlobungsparty zu gehen. Allein der Gedanke, wieder in Darlington House zu sein, löste tiefen Widerwillen in mir aus. Und trotzdem hatte ich mich in das ausgestellte beigefarbene Abendkleid von Dior gezwungen, mir die Haare hochgesteckt und dezenten Schmuck aus Silber und Perlen angelegt.

Denn heute war endlich der Tag, an dem wir Peter an den Kragen gingen.

Ein Streichquartett spielte ein Cover von Ellie Gouldings Lights , und es waren mehr Gäste anwesend, als ich erwartet hatte. Mehr noch – es war so dicht bevölkert, dass ich kaum etwas anderes als teure Abendgarderobe und schwere, süße und herbe Parfums wahrnehmen konnte.

»Hat Monroe ganz Manhattan eingeladen?«, murmelte ich, während ich mich auf der Suche nach den anderen umsah.

»Mit Sicherheit«, sagte Donny und schnaubte. »Gott, sieh mal. Selbst der Bürgermeister ist hier.«

Ich gab mein Bestes, die Kellner und Kellnerinnen zu ignorieren, die Tabletts voller gefüllter Champagnerflöten durch die Menge manövrierten.

Es juckte mir in den Fingern, mir eins zu nehmen und den Inhalt in einem Zug hinunterzustürzen. Aber ich wollte keinen Schluck trinken. Ich wusste nicht, ob ich die Selbstbeherrschung aufbringen konnte, ein Glas abzulehnen, sollte einer der Bediensteten mir früher oder später etwas anbieten.

Glücklicherweise musste ich das auch nicht, denn als ein Kellner in weißem Frack auf uns zukam und uns lächelnd etwas anbot, lehnte Donny sofort dankend ab.

Er beugte sich zu mir und küsste meine Wange. »Holen wir uns Saft oder Wasser an der Bar.«

Tiefe Dankbarkeit erfüllte meine Brust, und ich blickte zu ihm auf. »Ich liebe dich.« Die Worte kamen mir so natürlich und selbstverständlich über die Lippen, dass ich erst nach einem Moment bemerkte, wie lange es her war, dass wir uns diese besonderen Worte auch in kleinen alltäglichen Momenten gesagt hatten. Doch es schien ihn nicht zu verblüffen oder zu irritieren. Stattdessen zog er mich bloß an sich und küsste mich. Es ließ mein Herz Pirouetten drehen.

»Und ich dich erst«, flüsterte er mich zu. Dann ergriff er meine Hand und zog mich an die Bar. Wir stießen mit Orangensaft an, und obwohl es nur eine kleine Geste war, bedeutete sie mir die Welt.

Eine Weile taten wir nichts anderes, als nach Celia und Sarah Ausschau zu halten. Dass Cam nicht hier war, war nur allzu verständlich. Keine zehn Pferde würden sie erneut auch nur in die Nähe von Darlington House bringen. Zumal sie es noch nicht über sich brachte, sich auf derselben Party wie Peter, Monroe und ihre Eltern zu befinden.

Sarah war vermutlich von allerlei Leuten umringt und musste oberflächliche Gespräche führen, mit Celia aber hatten wir verabredet, uns zu treffen, um mit unserem Plan zu starten.

Doch von ihr fehlte jede Spur.

Dafür entdeckten wir Sarah und Monroe – das Paar des Abends. Sarah sah traumhaft aus. Wie eine Prinzessin aus einem verwunschenen Garten – und passend zur heutigen floralen Dekoration. Sie trug ein schulterfreies bodenlanges Kleid in einem gedeckten Beerenton, mit einem schmalen Ausschnitt, der zwar unaufdringlich wirkte, aber doch bis fast zu ihrem Bauchnabel reichte. Das Kleid war voller aufgestickter Tüllblumen in den verschiedensten Pastelltönen, mit je einem funkelnden Kristall in der Mitte. Die Blumen bedeckten den gesamten oberen Teil des Kleides, samt der langen, wogenden Ärmel, und verloren sich im Tüll des leicht ausgestellten Rocks. Das i-Tüpfelchen bildete die rosafarbene lange Schleife um ihre Taille, als sei sie ein adrettes Geschenk, einzig und allein für Monroe zum Auspacken bestimmt. Ihre Haare waren aufwendig hochgesteckt, mit vereinzelten Kristallen und Perlen darin. Corinne hatte darauf bestanden. Sie hatte nicht nur Darlington House hergerichtet, sondern Sarah gleich mit dazu, als wäre sie eine Anziehpuppe. Das Zehntausend-Dollar-Kleid konnte sich aber sehen lassen. Nach der Feier würden wir es einfach spenden. Das hatten wir in der Sekunde beschlossen, als wir herausgefunden hatten, wie wertvoll es war. Der einzige Schmuck, den Sarah sonst trug, war der riesige funkelnde Verlobungsring an ihrem Finger. Monroe verblasste neben ihr. Sein maßgeschneiderter schwarzer Smoking war vielleicht teuer, aber zu durchschnittlich und gewöhnlich neben ihrer ätherischen Erscheinung.

Der Anblick von Monroe ließ Wut und Abscheu in mir aufsteigen. Es war so falsch, sie zusammen zu sehen. Mit diesem Scheinbild von Verliebtheit. Noch viel wütender, als sie nur miteinander zu sehen, machte mich allerdings die Tatsache, dass Monroe meine Schwester herumzeigte und von Gast zu Gast reichte, um Hände zu schütteln, als wäre sie eine Trophäe. Das Einzige, was mich beruhigte, war zu sehen, dass Sarah offenbar vor Wut kochte. Es war ganz subtil, aber ich sah es an der Art, wie verzerrt und künstlich ihr Lächeln war und wie sie immer wieder frustriert die Lippen kräuselte.

Wilson und Corinne konnte ich bisher nirgendwo entdecken, aber ich wusste, dass sie ebenfalls hier waren.

»Da ist Celia«, sagte Donovan und atmete auf. Ich sah zu ihm, dann folgte ich seinem Blick und atmete ebenfalls erleichtert durch. Celia entdeckte uns im selben Moment und kam auf uns zu. Sie sah aus wie eine Todesgöttin. Ihr langärmeliges Abendkleid war schwarz, dramatisch und extravagant, als wäre das hier eine prunkvolle Beerdigung und keine Verlobungsparty. Ich liebte diesen kleinen Seitenhieb. Der Unterrock war voluminös, außerdem bestand fast das gesamte Kleid aus transparentem schwarzem Netzstoff. Nur Stickereien aus schwarzen Blumen und ein schwarzes kleines Unterkleid bedeckten die nötigen Stellen. Ihr Make-up ließ ihre markanten Züge noch schärfer erscheinen und war genauso dramatisch: tiefdunkler Lippenstift, ein langer schwarzer Lidstrich und halb hochgesteckte, glänzend schwarze Haare.

»Hey ihr zwei«, sagte sie, als sie uns erreichte, und klemmte sich ihre funkelnde dunkelrote Clutch unter den Arm.

»Wow, Cee«, sagte ich mit großen Augen. »Du hast dich selbst übertroffen. Du siehst umwerfend aus, wie eine heiße Vorbotin des Sensenmannes.«

Sie schenkte mir ein Grinsen. »Danke, Pay. Peters Untergang muss immerhin gebührend gefeiert werden. Ihr seht übrigens auch toll aus. Ich habe Peter eben in der Nähe des Streichquartetts herumstehen sehen. Seid ihr bereit? Sollen wir anfangen?«

Mein Magen verkrampfte sich, und ich stellte hastig das Glas mit Orangensaft auf die Theke der Bar. Dabei schwappte mir etwas über die Hand. »Verdammt«, zischte ich.

Die Barkeeperin reichte mir sofort eine rosafarbene Serviette.

Ich fühlte Donnys besorgten Blick auf mir. Ich schüttelte den Kopf, noch bevor er die Frage stellen konnte. »Es geht mir gut. Ich bin bereit. Legen wir los.«

»Sicher?«, fragte Celia und berührte leicht meinen Arm. »Hey, es ist in Ordnung, wenn du aussetzen möchtest.«

»Sollen wir Sarah dazuholen?«, fragte Donny. »Ich glaube, sie könnte eine Pause von Monroe gebrauchen.«

Ein Beben breitete sich in meiner Brust aus, doch diese Schwäche, diese verdammte Nervosität, machte mich so wütend, dass ich sie mit klopfendem Herzen in eine Truhe sperrte und sie fest verschloss. Ich wollte stark sein, verdammt! Ich wollte das hier durchstehen. Ich wollte dafür sorgen, dass Peter die Fassung verlor. Ich wollte diejenige sein, die dazu beitrug, dass er sein Gesicht verlor. Er hatte Cam und mir so übel mitgespielt; es war nur gerecht, wenn ich es heute Abend war. Es war nicht fair, dass ich zu zittern begann, dass mir bei der bloßen Vorstellung, vor ihn zu treten und das Wort an ihn zu richten, schlecht wurde.

»Holen wir Sarah«, sagte ich durch zusammengebissene Zähne und drückte Donnys Hand. »Ich schaffe das. Aber sie … sollte dabei sein. Holen wir sie.«

Wir bahnten uns einen Weg zu ihr durch. Die hohen Schuhe drückten bei jedem Schritt unangenehm, aber ich lief weiter.

Je näher wir Sarah und Monroe kamen, desto mehr sah ich, wie gequält ihr aufgekleistertes Lächeln mittlerweile war. Eine reich aussehende kleine weiße Frau mit goldblonder Kurzhaarfrisur, Perlenschmuck und grellem roten Lippenstift redete mit ihr und drückte und schüttelte dabei immer wieder ihre Hand, um ihre Worte zu unterstreichen. Wäre ich nicht so nervös gewesen, hätte ich Sarahs ständiges Nicken zum Totlachen gefunden. Es machte der Frau überhaupt nichts aus, dass Sarah ständig versuchte, ihr die Hand zu entziehen, sie hielt sie weiter fest und tätschelte sie immer wieder.

Mir entging nicht, wie Monroe konstant die Hand auf ihrem Kreuz ließ. Ich hasste es. Ich hasste es, dass er sie berührte, als dürfte er das einfach.

»Sorry!«, trällerte Celia und trat zu ihnen. »Wir müssen Sarah kurz entführen. Darf ich?«

»Nicht vergessen, Liebes«, sagte die fremde reiche Frau und tätschelte noch einmal Sarahs Hand.

»Nein, ich werde es beherzigen, danke«, sagte Sarah mit einem Zähnefletschen. Sie bekam gerade noch die Kurve, indem sie einen Herzschlag später die Lippen zu einem angestrengten Lächeln zusammenpresste.

Dankbar warf sie Celia, Donny und mir einen Blick zu und ergriff Celias Arm.

»Moment noch«, sagte Monroe und drehte sie zu sich herum.

»Was …«, begann sie, doch da küsste er sie.

Donny neben mir fluchte leise, und ich verzog das Gesicht. Sarah riss die Augen auf, als er eine Hand in ihren Nacken schob. Die Dame und noch ein paar andere Gäste, die sie beobachteten, wirkten hingegen verzückt.

Er beendete den Kuss und streichelte ihre Wange. »Lass mich nicht zu lange allein. Vermisse dich jetzt schon.«

»Ich bin bald wieder zurück«, sagte sie und presste die Lippen zusammen. Dann gab er sie endlich frei, und wir ergriffen die Flucht.

»Dieses Arschloch«, zischte sie, kaum dass wir außer Hörweite waren, und fuhr sich mit dem Handrücken über den Mund, was ihren rosigen Lippenstift von den Lippen wischte und Streifen auf ihrer Hand hinterließ, aber das schien sie nicht zu stören.

»Alles okay?«, fragte ich besorgt.

»Ja, alles bestens. Ich hasse dieses Theater hier nur und würde am liebsten alles in Schutt und Asche legen. Ernsthaft, ich bin kurz davor, an die Decke zu gehen, wenn Monroe mich auch nur eine Sekunde länger wie eine gottverdammte Trophäe herumreicht.« Mit einem frustrierten Grollen nahm sie sich das nächstbeste Glas Champagner vom Tablett eines Kellners und trank es in einem Zug leer.

Donny drückte meine Hand.

Wir schoben uns zum Streichquartett durch, das soeben ein Cover von Simple Minds Don’t You (Forget About Me) anstimmten.

Und dort stand er.

Peter.

Ich krallte mich an Donovan fest und hatte das Gefühl, der Boden unter mir würde ins Schwanken geraten. Mein Atem beschleunigte sich zusammen mit meinem Puls. Ich musste etwas tun. Meine Haut war zu eng, jede einzelne verdammte Zelle war zu eng, und das verdammte Verlangen nach Oxys oder selbst Xanax war so stark, dass ich lautlos nach Atem rang. Ich konnte das hier nicht. Nicht nüchtern. Auf keinen Fall nüchtern.

»Nicht«, murmelte Donny, noch bevor ich überhaupt anfangen konnte, an meinen heilenden Handrücken zu kratzen.

Er verschränkte unsere Finger miteinander und drückte sie fest. »Atme, Pay. Wir sind alle bei dir. Du bist nicht allein. Du schaffst das.«

Ich spürte, wie Sarah meine andere Hand ergriff. Mein Kopf zuckte in ihre Richtung. Sie sah nicht zu mir, sondern hielt den Blick auf Peter gerichtet. Doch auch sie drückte meine Hand.

Celia nickte mir bestärkend zu.

Hastig blinzelte ich das heiße Brennen in meinen Augen fort.

Sie hatten recht. Ich war nicht allein. Ich musste mich ihm nie wieder allein stellen. Musste das mit ihm und Fairfax nie wieder geheim halten.

Für einen Moment drehte sich alles vor meinen Augen, aber diesmal nicht aus Angst, sondern weil der Gedanke mich befreite.

Erneut fokussierte ich Peter.

Ich straffte die Schultern und holte tief Luft, fühlte, dass die anderen diesen Funken Kraft in mir befeuerten. Mich stützten. Mir den Rücken stärkten.

Zeit, mutig zu sein, Payton.

»Peter!«, rief ich.

Er blickte von seinem Handy auf und drehte sich um. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er zwischen Sarah und mir hin und her. Dann blickte er zu Donny und Celia.

Ein spöttisches Lächeln erschien auf seinen Lippen. Er steckte das Handy in die Innentasche seines Smokings und vergrub die Hände in den Hosentaschen.

»Wenn das nicht meine geliebten Stiefschwestern sind.«

»Vorsicht«, säuselte Sarah mit einem kalten Lächeln. »Sonst hört dich noch jemand. Du willst sicher nicht, dass es die Runde macht. Nicht dass Wilson dir bei seiner nächsten Tracht Prügel vielleicht noch einen Milzriss beschert.«

Sein Lächeln verrutschte kaum merklich, und Wut flammte in seinen blauen Augen auf. »Was beschert mir denn eure überaus angenehme Gesellschaft?«

»Wir wollten nur plaudern«, sagte ich mit rasendem Herzen und zuckte mit den Schultern. »Und wir dachten, du hast vielleicht Durst.«

Auch Celia lächelte ihn an. »Sprich mit einem der Kellner. Ich habe extra eine Wasserschale für dich neben der Tür aufstellen lassen.«

Ein paar der umstehenden Gäste beobachteten uns mehr auffällig als unauffällig. Ja, das war perfekt. Sollten sie nur lauschen.

Adrenalin schoss durch meine Adern, und ich gab mir jede Mühe, mich nicht klein zu machen, hinter Donny zu treten oder nervös zu kichern.

»Nur die Leckerlis fehlen«, stieg ich mit ein. »Aber die hast du dir auch nicht verdient, oder? Du warst ja kein sonderlich braver Hund.«

»Sarah, sag mal, wie lautet eigentlich sein Hundename?«, fragte Celia und tat so, als würde sie scharf nachdenken.

Sarah tippte sich ans Kinn. »Hm, lass mich überlegen. Nein, ich weiß es nicht. Peter, wie nennt Rosie dich, wenn du für sie Schoßhündchen spielst? Vielleicht Bello? Fiffi? Rex?«

»Oder einfach Köter?«, schlug Donny vor.

Wir lachten ausgelassen und zogen damit noch mehr Blicke auf uns.

»Köter! Der ist gut«, rief ich.

Peter lief noch roter an, als ich erhofft hatte. Er durchbohrte mich mit einem solch hasserfüllten Blick, dass mein erster Impuls war, zurückzuweichen. Doch das tat ich nicht. Ich zwang ein Lächeln auf meine Lippen und hob das Kinn an. Mein Herzschlag dröhnte mir in den Ohren.

Sarah setzte eine selbstzufriedene Miene auf. Sie ließ mich los und trat mit verschränkten Armen näher zu Peter. »Ich weiß schon«, sagte sie mit erhobener Stimme. Aber sie musste gar nicht laut sein. Wir hatten längst die Aufmerksamkeit der Herumstehenden auf uns gelenkt, und sie machten nicht gerade eine gute Figur dabei, so zu tun, als spitzten sie nicht allesamt die Ohren.

»Erniedrigungen dieser Art gefallen dir nur, wenn du in einem Sexclub bist. Auf allen vieren, in nichts als einem Lederhöschen und einer Leine um den Hals. Nicht wahr?«

Seine Augen weiteten sich, als könnte er nicht glauben, was er da hörte. Als könnte er nicht fassen, was sie da gesagt hatte. Dass sie davon wusste.

»Schlampe«, zischte er und machte einen Schritt auf sie zu. Er war puterrot und sein Gesicht eine Grimasse aus rasender Wut. Er senkte noch weiter die Stimme, bis sie über den Klang des Quartetts kaum mehr zu hören war.

»Ihr miesen, niederträchtigen Fotzen. Glaubt ihr wirklich, ihr könnt mich bloßstellen? Mich

Ich hatte keine Ahnung, wie Sarah es schaffte, diese entspannte Miene beizubehalten. Ein so ruhiges Lächeln, das jeden provozieren musste, dem es gewidmet war. Sie sah nach links und rechts und zuckte dann mit den Schultern. »Weißt du, Peter … Ich glaube das nicht nur. Ich weiß es. Und solltest du deine geliebte Schwägerin und ihre Zwillingsschwester nicht mit netteren Spitznamen betiteln? Ich bin die Frau des Abends. Ich werde deinen Bruder heiraten, und wir sind schon bald eine große, glückliche Familie.«

Ich gab mir einen Schubs. »Keine Sorge«, sagte ich und versuchte, mir an Sarah ein Beispiel zu nehmen und breit zu lächeln. Doch mit Sicherheit wirkte es nicht so entspannt, dafür war ich zu sehr durch den Wind. »Du wirst das Ganze nur aus der Ferne mitbekommen. Die nächsten Jahre verbringst du nämlich mit Sicherheit …«

Wie aus dem Nichts tauchte plötzlich Monroe auf und packte Sarah am Arm.

Erschrocken sprang ich zurück.

Sarah keuchte, als er sie zu sich herumwirbelte. »Sarah, was zum Teufel treibt ihr hier?«, zischte er ihr zu, laut genug, dass Donny, Celia und ich ihn hören konnten. Rote Flecken bedeckten sein Gesicht, und seine blauen Augen wirkten beinahe schwarz, so aufgebracht war er. Sarah funkelte ihn an, doch ich hielt die Luft an. Mein ach so entspanntes Lächeln war in sich zusammengefallen. Mein Schreck war zu groß. Ich konnte es nicht wieder heraufbeschwören.

Peter nutzte den Moment, um davonzurauschen, und stieß Donny dabei so hart zur Seite, dass er stolperte. Es scherte ihn wohl einen Dreck, dass zwei Blondinen, die ich schon öfter am Campus und auf diversen Partys gesehen hatte, dabei die Köpfe zusammensteckten und mit aufgeregten Mienen zu tuscheln begannen.

»Hör auf, mich kontrollieren zu wollen!«, fauchte Sarah, was meine Aufmerksamkeit zu ihr und Monroe zurücklenkte. »Und lass mich gefälligst los!«, schob sie hinterher.

Das Gemurmel um uns herum wurde deutlicher.

Mein Herz machte einen Satz. Das war nicht gut.

Ohne darüber nachzudenken, trat ich neben sie. »Monroe, ist es beabsichtigt, die Aufmerksamkeit eurer Gäste auf euch zu lenken?«, fragte ich unschuldig. »Ein Streit vor Publikum kommt nicht gut an.«

Blinzelnd sah er mich an. Dann sah er sich um, und ihm entglitt seine Miene. Er fluchte leise.

»Verdammt, Sarah«, sagte er deutlich ruhiger und ließ sie los. Er sah uns der Reihe nach tadelnd an, als wären wir bloß Kinder, die nicht wussten, wie man sich benahm. »Ich werde mich um meinen Bruder kümmern. Was auch immer ihr hier treibt, hört sofort auf damit. Das ist weder der richtige Ort noch die richtige Zeit dafür.«

»Aber …«, begann Sarah, doch Monroe schnitt ihr mit einem warnenden Blick das Wort ab. Er legte ihr eine Hand an die Wange, was auf die anderen Gäste vermutlich liebevoll wirkte, aber ich konnte genau sehen, wie bedrohlich er sich zu ihr lehnte. »Das meine ich ernst, mein Liebling. Ihr rührt keinen Finger mehr. Ich habe doch gesagt, ich kümmere mich um Peter. Der Abend heute ist wichtig, außerdem sind Wilson und meine Mom hier irgendwo.«

Ich ergriff Sarahs Hand und zog sie mit mir, wollte weg, Hauptsache weg von ihm . Am besten zur entgegengesetzten Seite des Raumes. Doch sie und Monroe sahen sich noch immer an. Als wäre es ein Blickduell unter Raubtieren, die um die Dominanz kämpften.

»Ich hasse dich«, flüsterte sie.

Er lächelte, doch es erreichte seine Augen nicht. Er war durch und durch Peters Bruder. Durch und durch ein Darlington.

Er lehnte sich vor und küsste sie noch einmal, viel zu innig und viel zu lang. Sein Finger verharrte noch einen Moment unter ihrem Kinn, ehe er zurücktrat. »Das macht das Ganze zwischen uns doch nur noch aufregender, findest du nicht?«

Damit drehte er sich um und lief davon.