Territorialstaaten
Das Gebiet, in dem Deutsch als Literatursprache durchgesetzt wird, umfasst im 18. Jahrhundert ein Agglomerat zahlloser unterschiedlicher politischer Einheiten. Das ‚Römische Reich deutscher Nation‘ (in der historischen Sichtweise als ‚Altes Reich‘ bezeichnet) zerfällt weiter und setzt über dreihundert kleine Territorien frei. Geprägt wird der politische Differenzierungsprozess von einem Streit um die Vormacht: In Wien herrscht de jure noch der Kaiser des Reiches, dem als Zentralmacht wichtige Befugnisse zustehen, in den Residenzstädten der kleinen und kleinsten Staatsgebilde aber herrschen Territorialherren vom Landgrafen bis zum König. Die mächtigeren unter den Kurfürsten und Fürsten etablieren eine weitgehend eigenständige Herrschaft, die die kaiserliche Zentralgewalt in Frage stellt und schließlich missachtet. Goethes literarisches Resümée im Götz von Berlichingen (1772) fasst die Problematik eindringlich zusammen.
Wenn von ‚deutschen Staaten‘ im 18. Jahrhundert die Rede ist, so werden damit zumeist die herausragenden großen Territorialstaaten gemeint. Im Zusammenhang mit dem im weitesten Sinne intellektuellen Leben der Zeit kommen exemplarisch zur Sprache: Preußen, Sachsen, Hessen-Darmstadt und Hessen-Kassel, Braunschweig-Lüneburg und gelegentlich andere. Die in der Tendenz nördliche und relativ östliche Lage dieser politischen Einheiten innerhalb des alten Reichsgebietes verweist darauf, dass die kulturelle Entwicklung in den protestantischen und nördlichen Ländern weiter fortgeschritten ist als in den eher katholischen und südlichen. Diese Tendenz gleicht sich im Laufe des 18. Jahrhunderts langsam aus, so dass nach 1770 auch südlichere Staaten zum Einflussbereich der Aufklärung gehören. Weitere politische Einheiten bilden die Reichs- und Hansestädte, die seit dem Mittelalter politisch unabhängig sind und keiner fürstlichen Gewalt unterstehen. Unter ihnen sind beispielsweise Nürnberg, Frankfurt, Leipzig oder Hamburg wichtige intellektuelle Zentren.
Absolutismus
Die Staatsform der fürstlichen Territorien ist absolutistisch. Die uneingeschränkte Herrschaft liegt beim regierenden Territorialherren, der seinerseits viele untergeordnete adlige Herren, die die ererbte Souveränität auf ihrem Land ausüben, beherrscht. Die durch Erbrecht seit dem Mittelalter gesicherte Vorherrschaft des Adels besteht uneingeschränkt, Gegenkräfte existieren nur in den Ständeversammlungen (Reichstage, Landtage und reichsfreien Magistraten), später zunehmend in einer sich politisierenden Öffentlichkeit. Die absolutistische Position des Fürsten, die oft genutzte Möglichkeit seiner despotischen Willkürherrschaft, führt unter den aufklärerischen Zeittendenzen zunehmend zu politischen und sozialen Spannungen. 1789 entlädt sich in der Französischen Revolution der Gegensatz zwischen uneinsichtiger politischer Elite und den Ständen, ein Ereignis, das die politischen Ansichten auch der deutschen Intellektuellen maßgeblich beeinflusst und die politischen Diskussionen intensiviert.
Das Ideal der Deutschen besteht von Anfang an eher in einem aufgeklärten Absolutismus, in dem der Territoralherr einer allgemeinen Vernunft zugänglich wäre. Friedrich der Große von Preußen (1712–1786), selbst ein Anhänger der französischen Aufklärung, gilt zeitweise als vernünftiger absoluter Monarch. Diesem Modell des Fridericianismus in Preußen tritt einige Jahre später der Josephinismus in Österreich zur Seite – benannt nach Kaiser Joseph II. (1741–1790). Beide sind weniger durch politischen Druck zustande gekommen, als vielmehr durch die aufgeklärte Gesinnung junger Herrscher, die neue Wege zur Modernisierung ihrer Reiche beschreiten wollen.
Bürgerliche Emanzipation
Das bestimmende Strukturmerkmal und der wichtigste Antrieb der politischen – wie auch ökonomischen, wissenschaftlichen, künstlerischen und allgemeinen sozialen – Entwicklung im Absolutismus aber ist eigentlich das wachsende Partizipationsbegehren des Bürgertums. Von ihm geht zunehmend politischer Druck aus, der sich im aufgeklärten Absolutismus mit den vernünftigen Interessen der Herrscher verbünden kann, in ‚tyrannischen‘ Herrschaftsformen aber Opposition erzeugt. Als ein vormals untergewichtiger Stand in der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft gewinnen die Bürger durch wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Erfolg an sozialem Gewicht, ohne an der Machtausübung und der Regelung öffentlicher Angelegenheiten offiziell beteiligt zu werden. Gleichzeitig aber wird das bürgerliche Kapital von Geld, Fleiß und Wissen für die Organisation der Staaten dringend benötigt, die Planung und Durchführung der öffentlichen Belange wird außerdem von bürgerlichen Hofbeamten bewerkstelligt. Aus der Erfahrung der eigenen Überlegenheit und Unentbehrlichkeit leitet das Bürgertum zunehmend den Anspruch auf Gleichberechtigung her, die Literatur des Zeitalters ist facettenreicher Ausdruck dieses wachsenden Selbstbewusstseins.
Reformbewegungen
Aufgeklärter Absolutismus stützt die staatliche Entwicklung auf kontinuierliche Reformen, weshalb unter seiner Ägide die gesellschaftlichen Interessenkonflikte nicht in revolutionären Auseinandersetzungen eskalieren, sondern reformerisch abgefedert werden. Zwar verzichtet kein Herrscher auf die Ausübung seiner Macht, doch wird der Verwaltungsapparat durchsichtiger und effektiver gestaltet und die Bevölkerung in den Genuss besser geregelter Lebens- und Arbeitsbedingungen gebracht. Die Entwicklung von Schulsystemen, die Förderung der Wissenschaften und die Befreiung des Wirtschaftslebens von meist dem Mittelalter entstammenden Hindernissen (Zunftregeln der Handwerke, Gewerbeverbote etc.) durch Gewährung von Gewerbefreiheit nebst ökonomischen Förderprogrammen gehören dazu. Alles dies erhält durch begründete, systematische und geltungssichere Rechtsnormen sukzessive verlässliche Strukturen: Die Willkürherrschaft des feudalen Machtsystems wird eingeschränkt und schließlich weitgehend abgeschafft. Auch in Preußen wird gegen Ende des 18. Jahrhunderts, vor allem unter dem Eindruck der napoleonischen Besatzung, ein umfassendes Reformwerk unternommen. Das Allgemeine Landrecht (1794) leitet die Einschränkung adliger Vorrechte ein, unter der Leitung der preußischen Minister vom Stein (1757–1831) und von Hardenberg (1750–1822) werden Bauernbefreiung, eine neue Ministerialverwaltung, Gewerbefreiheit und Judenemanzipation begonnen sowie unter Wilhelm von Humboldt (1767–1835) eine große Bildungsreform.
Gesellschaft
Einige zentrale Aspekte des gesellschaftlichen Wandels im deutschen Sprachgebiet sind bereits angeklungen: Der Gegensatz zwischen Adel und Bürgertum als konkurrierenden Trägerschichten der öffentlichen Belange, die Emanzipation des Bürgertums durch einen politischen Bewusstwerdungsprozess, der zu einer vernunftgetragenen bürgerlichen Öffentlichkeit führt, die Säkularisierung der Weltbilder und andere. In der Literatur der Zeit werden unter anderem soziale Dinge verhandelt, ihre Themen sind eng an die Alltagserfahrungen, kritischen Debatten und Utopien der Zeitgenossen angelehnt. Im Mittelpunkt steht dabei aber fast immer die innere Entwicklung des Bürgertums, die Herausbildung bürgerlicher Handlungsnormen und Werte. Interessant sind die gesellschaftlichen Bezüge der Aufklärungsliteratur seit der Moderne vor allem deshalb wieder geworden, weil die Problemlage des 18. Jahrhunderts in vielerlei Hinsicht an die Prägung einer Zivilgesellschaft und ihrer partizipativen politischen Formen erinnert, wie sie sich im Zuge von Demokratisierungsbestrebungen des 20. Jahrhunderts etabliert hat. Da die Probleme in den literarischen Konstellationen des 18. Jahrhunderts im Rückblick geradezu modern anmuten, muss man darauf achten, dass man bei der Sinnerschließung die wesentlichen historischen Differenzen nicht außer Acht lässt: Die bürgerlichen Zeitgenossen haben kein Mitbestimmungsrecht und riskieren für politische Äußerungen schwere Strafen; ausformulierte Gesetze im Sinne eines positiven Rechts existieren noch nicht, Rechtsstaatlichkeit oder Vertrauensschutz müssen erst erkämpft werden; soziale Sicherheit des Einzelnen ist eine Utopie; Gleichberechtigung der Geschlechter ist unbekannt; die niederen sozialen Stände (Dienstpersonal, leibeigene Bauern) sind von der Willkür ihrer Herrschaft abhängig; Krankheiten, Hungersnöte und Unwägbarkeiten des täglichen Lebens sind an der Tagesordnung.
Kriegserfahrung
Jegliche Gleichförmigkeit und Kontinuität der Entwicklung wird im 18. Jahrhundert immer wieder durch Kriege um die politische Vormachtstellung einzelner Territorien und Allianzen gestört. Das Aufklärungszeitalter ist eine Epoche der Kriege, die als zerstörerische Einschnitte die optimistische Erfahrung der Zeitgenossen unterminieren. Diese Kriege sind keine Nationalkriege, an denen die Bevölkerung als Staatsvolk militärisch beteiligt wäre, sondern werden von Söldnerheeren der Fürsten geführt. Dies prägt die Leiden der Zivilbevölkerung in mehrerer Hinsicht: Es führt erstens zu rücksichtslosem Gebaren der durchziehenden oder Quartier nehmenden Truppen, die kaum Anbindung an die lokalen Gegebenheiten haben und Land und Leute erbarmungslos ausplündern; zweitens führt der beständige Soldatenmangel zu laufender ‚Werbung‘, das heißt Rekrutierung in ganz Europa. Zwang und Verschleppung in fremde Söldnerdienste drohen jungen Männern als beständige Gefahr. Sie sind, neben dem Tod in der fernen Fremde an der Seite unbekannter Söldnerkameraden, oft verarbeitete Themen der Literatur. Doch der literarische Diskurs wirkt über diese kritische Diskussion hinaus prägend mit an der Herausbildung eines durch Kriege geschulten Patriotismus, der als Vorstufe zu einem deutschen Nationalismus gewertet werden kann.
Nation
Den Angehörigen verschiedener Völker werden im Laufe der Fremdwahrnehmung und wachsenden internationalen Verbindungen im 18. Jahrhundert stereotype Nationalcharaktere zugeordnet. Enthalten in diesen Vorurteilen sind auf deutscher Seite globale Eigenschaftszuweisungen wie ‚Freiheitsliebe der Briten‘, ‚Heißblütigkeit und Oberflächlichkeit der Franzosen‘, ‚Tiefsinn und Fleiß‘ der Deutschen etc. Ein auf die eigene kulturelle Gruppe bezogener Patriotismus als Abgrenzungsargument gegen Fremde hingegen ist noch eine seltene Erscheinung. Der Universalismus der naturrechtlichen Auffassung, dass alle Menschen gleich seien, wirkt in der Anfangszeit der Aufklärung einer Zersplitterung in symbolisch besetzte Nationalitäten entgegen. Die Auseinandersetzungen vor allem des Siebenjährigen Krieges jedoch führen in den deutschen Territorien zu Bestimmungsversuchen einer symbolisch generierten ‚nationalen Identität‘, die erhebliche Auswirkungen auf das kulturelle Selbstverständnis haben wird.
Kulturelle Identifikation
Durch die erwähnte Zersplitterung des Alten Reiches fehlt den Deutschen eine politisch-nationale Identifikationsbasis, wie sie im politischen und kulturellen Selbstverständnis Frankreichs oder Englands längst gegeben war. ‚Nation‘ als analoges Wertsystem ist für die Deutschen nur als kulturelles Konstrukt denkbar, das zunächst nicht einmal den Wunsch nach politischer Vereinheitlichung einschließt. Wenn öffentlich über ‚die deutsche Nation‘ geschrieben wird, bezeichnet dies pragmatisch meist den Sprachraum. Doch nicht einmal die Verpflichtung auf das Deutsche als einheitliche Literatursprache vermag die Fiktion einer Einheit zu gewährleisten: Im Leipzig-Zürcher-Literaturstreit etwa werden auf der einen Seite der sächsische Dialekt durch Gottsched und eine alemannisch geprägte Hochsprache durch Bodmer und Breitinger auf der anderen als zukünftiges Literaturdeutsch empfohlen. Das Eintreten für die deutsche Sprache statt für das Latein oder Französische hat mehr symbolisch-kulturelle als patriotische Bedeutung.
‚Vaterland‘
Als neue politische Bezugsgröße etabliert sich mit den Schlesischen Kriegen, vor allem dem Siebenjährigen, ein Begriff von ‚Vaterland‘. Er entsteht in Preußen, das als erstes deutsches Territorium eine Vermittlung zwischen Zielen der bürgerlichen Aufklärung, der fürstlichen Machtpolitik und der politischen Integration eines ‚preußisch’ denkenden und fühlenden Staatsvolkes anstrebt (vgl. Bohnen 1993). Thomas Abbts (1738–1766) Vom Tode für das Vaterland (1761) propagiert zum erstenmal in einer Kombination aus gesellschaftstheoretischer Rechtfertigung und emphatischer Nationalbegeisterung das Selbstopfer der Bevölkerung im Krieg. Die für absolutistische Territorien und ihre Armeen ungewöhnlich starke Unterstützung durch die Einwohner in Preußen (unter anderem durch viele Kriegsfreiwillige) lässt auch begeisterte patriotische Kriegslyrik entstehen, etwa Gleims Grenadierlieder u. a.
Kindheit
Kinder werden in der Frühen Neuzeit wenig beachtet. Sie sind zwar notwendig, damit eine Ehe überhaupt zur Familie wird, doch gibt ihnen das im sozialen Gefüge noch keine starke Stellung. Bleibt der Kindersegen aus, sind die Eheleute enttäuscht – Gott hat seine Hand von ihnen abgezogen, die Vorsehung hält sie für schlechte Eltern, oder wie immer der Kommentar sonst lauten mag. Stellen sich Kinder ein, ist der christlichen Pflicht Genüge getan, und es ist nun an den Kindern, die ihre zu erfüllen. Das Muster ‚Kindheit‘ in einem neuzeitlichen Sinne gehört zu den Produkten des sozialen Wandels der Aufklärung. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts setzt sich im Bürgertum die Auffassung durch, Kinder seien keineswegs kleine Erwachsene, die gegenüber ihrem späteren Entwicklungszustand vorerst Defizite aufweisen, sondern soziale Wesen eigener Prägung. Zwar dauert es bis ins 19. Jahrhundert hinein, dass aus dieser Einsicht flächendeckende Konsequenzen gezogen wurden, doch fällt beispielsweise die Erfindung und Institutionalisierung von Pädagogik ins späte Aufklärungszeitalter. Sie versucht, Kinder zu verstehen und ihnen angemessene Erziehungsmethoden zu entwickeln. Die berühmteste Einrichtung der Reformpädagogik ist das von Johann Bernhard Basedow (1723–1790) in Dessau eröffnete ‚Philantropin‘ (gegründet 1776), ebenfalls bekannt wird Joachim Heinrich Campes (1746–1818) Erziehungsanstalt in Billwerder (gegründet 1777). Die durch Jean Jacques Rousseau (1712–1778) verbreitetete Auffassung, Kinder stellten bei der Geburt den ursprünglichen, ‚guten‘ Zustand des Menschen dar, führt keineswegs zur Milderung der autoritären Erziehungspläne. Um Unglauben, Unmoral oder anderem verbreitetem menschlichen Fehlverhalten vorzubeugen, gelten Zwang und Gehorsam als unumgänglich. Dabei kommt es aber zugleich darauf an, dass die Kinder den Willen zur Selbstvervollkommnung entwickeln: Selbsterziehung begleitet jede pädagogische Maßnahme, sie dient als Ausgangspunkt des ‚Selbstdenkens‘, dessen Bedeutung aber hinter die der Regeln des Kollektivs zurückgesetzt wird.
Familie
Zu den neuen Umgangsformen mit Kindern zählt vor allem eine Aufwertung der persönlichen und familiären Gefühle; Emotionalität und Zärtlichkeit stehen in engem Zusammenhang mit der Literatur der Empfindsamkeit. Eine Folge davon ist, dass die Familien sich um die Kinder herum in stärkere Privatheit zurückziehen. Die soziale Rücksichtnahme auf Kinder geht weitgehend mit der Ausprägung privater Lebensformen in Kleinfamilien einher (Johansen 1978, 117 ff.). Trotzdem müssen Kinder, soweit es die wirtschaftliche Situation der Familien erforderte, sehr früh am Erwerbsleben teilnehmen.
Kinderliteratur
Die Akzeptanz kindlicher Besonderheiten führt zu einer Abtrennung der Kinderliteratur von der Erwachsenenkultur. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen erste Zeitungen und didaktisch-unterhaltende Erzählungen, die sich ausdrücklich an Kinder richten und damit das Spektrum der Schulbücher um Lektürestoff erweitern. Eine der wichtigsten dieser Zeitschriften ist Christian Felix Weißes Der Kinderfreund (1775–84). Der funktionale Schwerpunkt liegt auf der unterhaltenden Vermittlung von Frömmigkeit, vernünftigen Prinzipien des Handelns, zivilisatorischen Grundkenntnissen. Kinderliteratur bildet außerdem den Geschmack der jungen Leserschaft und übt sie in den Umgang mit literarischen Mustern ein.
Schulwesen
Viele Grundbegriffe, mit denen die Aufklärung oben bereits als intellektuelle Epoche charakterisiert wurde, entstammen dem Bereich des Unterrichts und der Wissenschaften. Auch wenn die wirtschaftlichen und öffentlich-logistischen Auswirkungen einer neuartigen Rationalität in der Praxis unübersehbar werden, stützt sich die allgemeine Zuversicht, man lebe in aufgeklärten Zeiten, stärker auf die Entwicklung des Bildungswesens als auf die kritische Öffentlichkeit. Dessen Ausweitung und Effizienzsteigerung steht an der Basis aller Veränderungen. Die historische Differenz zu heutigen Bedingungen ist erheblich, sowohl was die Bildungsabschnitte als auch die Alterstufen angeht. Wer das Privileg genießt, lernen zu dürfen, lernt viel, vor allem aber schneller und in einem jüngeren Lebensalter als heute. Flächendeckende Bildungsmöglichkeiten für die Durchschnittsbevölkerung fehlen, weil die allgemeine Schulpflicht und planvolle Erschließung von Humankapital erst im 19. Jahrhundert zur Normalität werden.
Die Befähigung oder sogar Berufung zu späterer literarischer Betätigung beginnt unter günstigen Verhältnissen bereits bei den kleinen Kindern. Ein Beginn der Fremdsprachenausbildung im Alter von vier Jahren ist nicht ungewöhnlich, die alten Sprachen und mit ihnen das Studium der Bibel stehen dabei im Vordergrund. Grundlagen des Lernens erfahren Kinder – die Lernbiographie der Knaben unterscheidet sich spätestens ab der mittleren Kindheit von der der Mädchen – im elterlichen Haus, je nach wirtschaftlichen Gegebenheiten durch Hauslehrer oder väterlichen Unterricht. Erst im letzten Drittel des Jahrhunderts geht die Erziehung der kleinen Kinder auf die Hausfrau über, wenn der ‚Hausvater‘ beruflich zu belastet ist. Die ersatzweise oder anschließende Möglichkeit des Schulbesuchs besteht eher in Städten und reformerisch begünstigten Territorien. In adligen Familien besorgt ein angestellter Hofmeister – meist ein akademisch gebildeter jüngerer Mann – die Ausbildung bis zur Universitätsreife. Unterstützt wird er dabei, je nach Wohlstand und Bildungsinteresse der Familie, durch fachlich qualifizierte Lehrer.
Auch wo die Möglichkeit des Besuchs einer Grundschule bestünde, scheitert die Teilnahme am Unterricht oft an der ökonomischen Notlage der Familien, die das Zahlen des Schulgeldes nicht erlaubt und viele Kinder zwingt, durch regelmäßige Erwerbsarbeit zur Subsistenzsicherung beizutragen. Der Zustand der meist ärmlichen Schulen mit ihren schlecht bezahlten und kaum ausgebildeten ‚Schulmeistern‘ schränkt jegliche Erfolgsaussicht allerdings eher ein. Um begabten Kindern aus armem Elternhaus den Unterricht zu ermöglichen, werden einige von ihnen auf der Basis des ‚Armutszeugnisses‘ (lat. testimonium pauperitatis) kostenlos unterrichtet oder erhalten ein vom Landesherrn oder der Kirche gestiftetes Stipendium, das die Kosten notdürftig deckt.
Gymnasium
Nach dem häuslichen Unterricht oder der Grundschule bieten die weiterführenden Lateinschulen und Gymnasien die Vorbereitung für eine akademische Ausbildung (das Abitur wird erstmals in Preußen 1788 eingeführt). Das Ansehen großer Gymnasien ist mitunter erheblich: Der Typus des akademischen Gymnasiums (an dem bekannte Professoren als Lehrkräfte tätig sind) vermittelt weitaus mehr Wissen als nur einen einfachen Schulstoff. Diese Schulen ersetzen an Orten, wo keine Universitäten sind, den wissenschaftlichen Unterricht; sie werden erst mit der zunehmenden Anzahl universitärer Neugründungen im Laufe des 18. Jahrhunderts zurückgedrängt. Ein Abschluss dort wird als annähernd gleichwertig mit einem erfolgreichen Universitätsstudium angesehen. Viele Vertreter der literarischen Hochaufklärung absolvieren beispielsweise das Elite-Gymnasium Schulpforta. Auch die Schulen einiger großer Waisenhäuser (beispielsweise in Halle oder Braunschweig) genießen hohes Ansehen. Sie werden – gerade im gymnasialen Teil – auch von auswärtigen Schülern besucht, die als Internatsschüler dort leben.
Im Gymnasium dominieren die philologischen Kenntnisse (Latein, Griechisch, Hebräisch, antike Literatur und Geschichte). Mathematischer und physikalischer Unterricht, sowie die akademische Aufwertung der deutschen Sprache sind erst späte Errungenschaften der aufklärerischen Schulreformen. Der wachsende Bedarf an praxisorientierter Ausbildung führt zu einem mittleren Schulmodell, der ‚Realschule‘, in der ‚Realien‘, das heißt direkt anwendbares Wissen, unterrichtet werden.
Gebildeter Stand
Eine wachsende Zahl erstklassiger Absolventen aus den großen Gymnasien sowie ein nachfolgender Immatrikulationsschub an den Universitäten sind in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Effekte einer erfolgreichen Bildungspolitik. Es ist terminologisch allerdings nicht richtig, für das frühe und mittlere 18. Jahrhundert den Begriff ‚Bildung‘ bereits zu verwenden, denn die Zeitgenossen nennen diesen Bereich zunächst noch ‚Gelehrtheit‘. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts wird ‚Bildung‘ eingeführt; Moses Mendelssohn stellt als einer der ersten diesen Begriff in ein theoretisch bestimmtes Verhältnis zur Bedeutung von ‚Aufklärung‘. Weithin gebräuchlich wird das Wort in einer fest umrissenen Bedeutung erst nach 1800, diese semantische Veränderung markiert auch in der Sache einen Umbruch zur Neuzeit. Die soziale Gruppe derer, die eine besondere fachliche Ausbildung genossen haben, wächst im Laufe des 18. Jahrhunderts beständig; sie konstituiert schließlich einen neuen ‚gebildeten Stand‘, der die aufgeklärten Gesellschaften (Vereine) sowie das literarische Publikum mehrheitlich prägt. Diese soziale Gruppierung ist, dem Terminus zum Trotz, kein Teil der alten ständischen Gesellschaft: Sie ist für alle zugänglich, die über Wissen und Interesse verfügen, sie gewährleistet einen öffentlichen Austausch von Gedanken. Zur Partizipation qualifizieren kann man sich gleichermaßen über institutionelle Bildungswege wie über intensives Selbststudium.
Gelehrter Stand
In diesem gewandelten sozialen Umfeld werden die traditionellen Formen der frühneuzeitlichen Wissensvermittlung weitgehend aufgehoben. Bis in die Hochaufklärung hinein wirkt aber noch die alte Struktur; die akademisch Ausgebildeten gehören ursprünglich dem gelehrten Stand an und sind dadurch in der ständisch strukturierten Gesellschaft privilegiert. Der Zugang zu diesem Stand erfolgt über die Rituale der Universität, doch auch in diesem Bereich bricht schließlich die allgegenwärtige Kritik überkommene Vorrechte auf. Aufklärung erreicht auch hier eines ihrer zentralen Ziele, restriktive Standesstrukturen zu lockern und fortan allen Interessierten die Partizipation am Wissen zu ermöglichen.
Die Reform der Bildungseinrichtungen trägt zur Anpassung des offiziellen Bildungswesens an das schnell steigende Wissensbedürfnis bei. Wissen bedeutet Möglichkeit zur Selbstbestimmung, fachliche Ausbildung bedeutet eine relativ sichere Zukunftsaussicht im Berufsleben. Im Rahmen solcher Vorstellungen lassen Bürger ihre Söhne möglichst optimal ausbilden. Selbst im traditionell bildungsfeindlichen Adel wächst im 18. Jahrhundert die Tendenz zur Qualifikation; trotzdem ist das Bildungssystem zutiefst von bürgerlichen Werten und Normen geprägt. Der planvolle Aufstieg bis zum akademisch geformten Wissenschaftler oder zum erfolgreichen Autodidakten beginnt schon in der Kindheit, auch im fortgeschrittenen Erwachsenenalter gilt ein allgegenwärtiges Studium als selbstverständlich. Aufklärung führt das Prinzip der permanenten Vervollkommnung und Weiterbildung ein. Der konzeptionelle Aufschwung und die zahlenmäßige Ausbreitung von Ausbildung behalten trotz der sozialen Öffnung der Standesgrenzen einen sozialen Schwerpunkt, sie gehen vor allem vom Stadtbürgertum aus.
Universität
Auch die Universitätslandschaft durchläuft im 18. Jahrhundert eine Reihe von aufklärerischen Reformen. Erfolgreich wird der erforderliche Wandel vor allem in Neugründungen von Universitäten vorgenommen: Die beiden folgenreichsten unter ihnen sind Halle (gegründet 1694) und Göttingen (gegründet 1737). In beiden ist die traditionelle Vorherrschaft der lutherischen Orthodoxie von vornherein unterbunden, Halle wird sowohl ein Zentrum des Pietismus als auch des philosophischen Rationalismus, Göttingen wird ein Zentrum der naturwissenschaftlichen und technologischen Forschung, an dem jedoch auch Philologien, Geschichte und Theologie aufklärerisch geprägt sind. Unter den traditionellen Universitäten kann sich Leipzig am besten an die neue Zeit anpassen. Durch die dominierende Stellung der Stadt als zentraler Messeplatz (mit der führenden Buchmesse) kann Gottscheds poetologisches Programm für zwei Jahrzehnte den Ton angeben, anschließend ziehen Professoren wie Gellert oder Ernst Platner (1744–1818) das literarische Publikum aus ganz Deutschland an. Universitäten sind – dies ist ein Erbe des Gelehrtenstandes mit seiner alten Rechtstradition – juristisch eigenständige Gebilde, die Angehörigen der Universität (die akademischen Bürger) sind nicht zugleich Stadtbürger. Dadurch genießen sie eine Reihe von Freiheiten; für das literarische Leben am wichtigsten ist darunter die weitgehende Befreiung von der Zensur.
Studienalltag
Das Studium der Knaben beginnt im 18. Jahrhundert um das Alter von 16 Jahren herum. Auch zwölf- bis fünfzehnjährige Studienanfänger sind belegt, ohne dass es sich um ‚Wunderkinder‘ handeln muss; beispielsweise wird der gelehrte Dichter Abraham Gotthelf Kästner (1719–1800), ein Leipziger Professorensohn, an seinem zwölften Geburtstag für das Jurastudium immatrikuliert. Die Studiendauern sind sehr kurz, drei Jahre gelten schon als gründliches Studium, Examen wie der Erwerb des Magister- oder Doktortitels sind keine notwendigen Voraussetzungen für ein akademisches Berufsleben. Studieren ist, wie der Schulbesuch, eine Geldfrage. Nur öffentliche Vorlesungen sind gratis – und genießen geringes Ansehen –, in den ‚privatissime‘ abgehaltenen Kollegs (Seminaren) werden Hörergelder erhoben. Sie etablieren eine Zugangsbegrenzung nach wirtschaftlichen Kriterien, die sich für die Entwicklung der kognitiven Ressourcen einer Bevölkerung als schädlich erweist. Eine Öffnung für ärmere Studenten, wie sie Thomasius schon 1791 für Halle ankündigt, soll gezielt alle Begabten fördern, unabhängig vom häuslichen Einkommen.
Ritterakademien bieten jungen Adligen eine standesgemäße Ausbildung, die neben juristischen und historischen Kenntnissen vor allem Fertigkeiten des höfischen Lebens und der Diplomatie vermittelt. Die verstärkte Gründung solcher Akademien im 18. Jahrhundert bekräftigt die Distanz des Adels zur bürgerlich dominierten Universität. Trotzdem besuchen viele junge ‚Herren von Stand‘ zumindest semesterweise bekannte Universitäten, um dort – in Begleitung ihres Hofmeisters – berühmte Vorlesungen zu hören. Zu den Abgrenzungsbestrebungen des Bürgertums gegenüber dem Adel gehört – durchgängig auch in der Literatur – der Topos, dass Bürgerliche fleißig und wissbegierig sind, Adlige aber faul und vergnügungssüchtig. Ein Ausgleich zwischen diesen zu Beginn des Jahrhunderts nicht ohne Berechtigung festgeschriebenen Positionen tritt partiell im letzten Drittel ein, als viele junge Adlige demonstrativ Bürgertugenden übernehmen – und Bürgerliche es nicht unter ihrer Würde finden, beim Kaiser in Wien einen Adelstitel zu kaufen (so z. B. die Schriftsteller Johann Wolfgang ‚von‘ Goethe und Friedrich ‚von‘ Schiller).
Akademien
Neben akademischen Gymnasien und Universitäten, die außer der Pflege der Gelehrsamkeit (heute hieße das ‚Forschung‘) vor allem einen Ausbildungsauftrag zu erfüllen haben, entstehen im Zuge der Aufklärungsepoche noch andere Institutionen der Wissensgewinnung und -bewahrung. Über bürgerlich-freiheitliche Vereine hinaus sind dies Akademien der Wissenschaften. Sie werden von den staatlichen Behörden eingerichtet und tragen deshalb offizielle Bezeichnungen wie ‚Königliche Akademie …‘. Sie leisten zugleich Pionierarbeit für die verschiedenen Bereiche öffentlicher Entwicklung, sofern diese von neuem Wissen und strukturellen Reformen abhängig sind. Meist bestehen Akademien neben den Universitäten, die Berliner Akademie (gegründet 1711) bietet aber ein Beispiel, wie eine Akademiegründung das Wissenschaftssystem eines Territorialstaates befördern soll, ohne dass eine Universität in derselben Stadt existiert oder auch nur geplant wäre (die Berliner Universität wird erst 1810 gegründet). Die Intensität der Akademiegründungen und -vergrößerungen im Laufe des 18. Jahrhunderts unterstreicht die Bedeutung, die die Staaten der Wissenschaft beimessen.
Wissenschaft
Der Epochenbegriff ‚Aufklärung‘ ist neben institutionellen aber vor allem von kognitiven und methodischen Strukturen der Wissenschaft geprägt. Die Vorherrschaft der Philosophie markiert diese Verwissenschaftlichung jeglichen Zugriffs auf die Welt, zugleich führt sie zu einer allgemeinen methodologischen Reflexion, die nahezu alle Anspruchs- und Ausbildungsniveaus erfasst. Da auch die Poetik Teil dieses Wissenschaftbetriebes wird, und die Literatur ganz allgemein den didaktischen Auftrag erhält, Weltwissen zu verbreiten, steht die Wissenschafts- in enger Verbindung mit der Literaturentwicklung des Zeitalters.
Metaphysik
In der Tradition der Gelehrsamkeit ist zwischen mindestens zwei grundverschiedenen Wissensarten zu unterscheiden. Die Philosophie hat die Aufgabe, systematisches Wissen bereitzustellen, zu prüfen und zu erweitern. Es ist Gegenstand der philosophischen Erkenntnis und setzt methodische, theoretische Grundlagen voraus, die einen argumentativen Zusammenhang bilden. Hier sind vor allem die Grundprinzipien der Aufklärungsphilosophie, die Sätze vom ‚zureichenden Grund‘ und vom ‚ausgeschlossenen Widerspruch‘ zu nennen. Das philosophische Ideal der Hochaufklärung besteht darin, eines Tages in allen Bereichen auf mathematische Weise Beweise führen und ‚in der Art der Mathematik‘ (lat. more geometrico) darstellen zu können. Die hohe Abstraktion dieser theoretischen Grundlagen – die in der Metaphysik gewonnen werden – führt zu einer gewissen Realitätsferne, die häufig in der Literatur angegriffen und sogar lächerlich gemacht wird. Abgesichert werden auch in den metaphysischen Lehrgebäuden, unter anderem dem wirkungsmächtigsten des Philosophen Christian Wolff (1679–1754), die Lehrsätze durch Erfahrungswissen. Damit die Vernunft nicht in rein formalen Verstandesoperationen leerläuft, wird die Empirie zunächst als Bestätigung der metaphysischen Ableitungen, als Konkretisierung oder Operationalisierung der abstrakten Gesetzmäßigkeiten begriffen. Insofern erhält beispielsweise auch die Literatur den Auftrag, Lehrsätze durch sinnliche Darstellung anschaulich zu machen.
Empirie
Im Laufe des 18. Jahrhunderts vertieft sich jedoch der Widerspruch zwischen Theorie und Praxis in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung. Unter dem Einfluss der französischen und englischen Philosophie kommt es zu Frontstellungen gegenüber der deutschen Metaphysik, gerade in den zeitgenössisch so hoch angesehenen Naturwissenschaften erhalten Beobachtung und Experiment einen größeren Stellenwert. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts nimmt der metaphysische Einfluss auf die Fächer ab und ein empiristischer Zug verstärkt sich. Unterstützt wird er von der aus England stammenden sensualistischen Überzeugung, dass ohnehin nichts im Verstand sein könne, was nicht vorher durch die Sinne aufgenommen worden wäre. Diese methodische Annahme bereitet einer Literatur den Boden, die sich als ‚Experimentierstube‘ des Lebens versteht. In literarischen Texten werden zunehmend widersprüchliche Erfahrungen – oft als Versuchsanordnung gekennzeichnet – verhandelt und nicht mehr bloß abstrakte Lehrsätze bebildert.
Historisches Wissen
Vom systematischen Wissen wird in der zeitgenössischen Wissenschaftslandschaft eine zweite Art von Wissen abgegrenzt, das in keiner Weise auf die Gewinnung von neuen Erkenntnissen oder gar Gesetzmäßigkeiten zielt: Als historisches Wissen (‚cognitio historica‘) gelten die Kenntnisse der wirklich gegebenen Einzelphänomene. Im historischen Wissen sind viele Dinge nebeneinander bekannt, die einer philosophischen Prüfung nicht unbedingt standhalten würden; selbst unwahrscheinliche oder unglaubwürdige Dinge gehören dem historischen Wissen an, sobald es eine Quelle gibt, die sie mit dem Anspruch auf Glaubwürdigkeit überliefert. Zu den wichtigsten Gebieten der ‚cognitio historica‘ gehören Geschichte, Geographie, Pflanzen- wie Tierkunde (d. h. ‚Naturgeschichte‘). Eine Klassifikation dieses Wissens, das in spezifischen Lexika aufgezählt wird, richtet sich allein nach äußeren Merkmalen der Elemente.
Universalität
Die oben bereits erwähnte ‚Gelehrtheit‘ oder ‚Gelehrsamkeit‘, die das 18. Jahrhundert bis etwa 1750 dominiert, ist noch keine Wissenschaft im neuzeitlichen Sinne, sondern ein nach traditionellen Prinzipien geordnetes und nach eigenen Regeln verfahrendes System. Sein ältester Kern ist das historische Wissen, der Gelehrte als Meister im Zusammentragen immer weiterer Einzelheiten ist der ‚Polyhistor‘. Bis in die Hochaufklärung hinein wird dieser Typus des sammelnden und nicht systematisch denkenden Gelehrten noch zustimmend genannt, anschließend erfährt er aus einer literarischen, anti-gelehrten Haltung heraus massive spöttische Zurückweisung. Mit der Wende zur Vernunftphilosophie erhält die Gelehrsamkeit eine neue methodologische Grundlage, die Erkenntnisfigur der Kritik bewirkt, dass keine traditionsbewusste Bewahrung des Alten mehr möglich ist, sondern die fortwährende Infragestellung zu dynamischen Wissensbeständen führt. Erhalten bleibt jedoch zunächst die enge Verbundenheit der gelehrten Fächer untereinander. ‚Polyhistoren‘ wie Aufklärungsphilosophen sind Universalgelehrte, sie widmen sich dem zeitgenössischen Wissen im Zusammenhang. Dieser Typus freilich kann sich im 18. Jahrhundert gegenüber den explosionsartig zunehmenden Kenntnissen nicht unbegrenzt behaupten, mit der Ausarbeitung immer neuen Detailwissens tritt schließlich eine unvermeidliche Spezialisierung ein. Die Wissenschaftsgeschichtsschreibung dokumentiert dies, indem sie nach ‚dem letzten Universalgelehrten‘ sucht, der in den Personen Hallers, Kästners oder anderer vermutet wird. Es ist jedoch bei diesen fraglos universell studierten Geistern nicht zu übersehen, dass sie ihre konkrete universitäre und publizistische Tätigkeit in der Praxis bereits auf bestimmte Fachgebiete beschränken – Haller auf die Medizin, Kästner auf die Mathematik – und insofern auf die Anforderungen einer beginnenden Disziplinbildung eingehen.
Disziplinen
Auch ihre Lebenswerke verweisen dadurch schon auf die langsam zunehmende Fächertrennung. Ein zentrales Merkmal des neuzeitlichen Einzelfaches, seine Abgrenzung gegenüber allen anderen als selbstbewusste Disziplin, ist ein Entwicklungsschritt der späten Aufklärung. In der literarischen Wissensvermittlung finden sich, ebenso wie in den Lebensläufen und Schriften der Zeitgenossen, sowohl Bezüge zum alten System der universellen Gelehrsamkeit als auch zum neueren der disziplinären Differenzierung.
Gelehrtenrepublik
Die Entwicklung der Gelehrsamkeit prägt nicht nur die Muster für kognitive und literarische Tätigkeiten, sondern wirkt sich ebenso auf die soziale Modellbildung aus. Von den Gelehrten gehen Anstöße aus, die alle Vorstellungen von gesellschaftlicher Ordnung beeinflussen. Mit dem Vorbild einer idealen – und idealisierten – ‚Gelehrtenrepublik‘ erproben sie eine Ordnung von Gleichen, die ohne absolutistischen Machthaber neben ihren Wissensinhalten auch ihre institutionellen Strukturen selbst schaffen. Diese Gruppierung wird zum Vorbild für alle Forderungen nach politischer Partizipation oder sogar republikanischer Demokratisierung. Seine Voraussetzungen hat dieser Zusammenhalt von Gleichen mit Gleichen in der Tradition des Gelehrtenstandes; die ständische Verfasstheit der frühneuzeitlichen Wissenschaft führt zu einem hohen Zusammenhalt aller Beteiligten, die darin eingeübt sind, als Korporation aufzutreten und zu handeln. Doch das Zusammengehörigkeitsgefühl reicht sehr viel weiter und wird zunehmend von anderen Grundlagen gespeist als der bloß ständischen Tradition mit ihren Privilegien. In Abgrenzung von der hierarchischen, durch absolute Macht beständig überwachten obrigkeitsstaatlichen Lebenswelt, verstehen sich die Gelehrten als untereinander gleichrangige Republikaner.
Im Umgang mit den Kollegen soll jene Denk- und Handlungsfreiheit realisiert werden, die man sich als Ideal wünscht und der politischen Realität entgegenstellen möchte:
Dabei dachte man an ein sowohl antiabsolutistisches wie auch antipartikularistisches Modell, gleichsam an ein bürgerlich-idealisches Gegenmodell […] Und nach Kräften suchte man sich auch schon in der Gegenwart an diesem Ideal zu orientieren: als an einer Zielvorstellung, der in praxi zuzuarbeiten sei. So bestand eine latente Einigkeit darüber, daß Beitrag und kommunikatives Verhalten des einzelnen Gelehrten an jener Zielvorstellung gemessen werden müsse, daß jeder sich im Bewußtsein gemeinsamer Verantwortung zu artikulieren und sich redlich in den Dienst der Wahrheitsfindung und der Gewinnung vernünftiger Lehren zu stellen habe. (Dahnke/Leistner 1989, 15)
Von der sozial wenig durchlässigen korporativen Formation des alten Gelehrtenstandes entwickelt sich die Gelehrtenrepublik mehr und mehr zu einem frei zugänglichen Kreis für viele Interessierte. Die konservativen Einwände kirchlicher und universitärer Repräsentanten werden zurückgewiesen: „Von Zeit zu Zeit erhebt sich hier eine Stimme, die den Gebrauch der Vernunft als einen Eingriff in die unerforschlichen Urtheile Gottes, und dort eine andere, die ihn als ein Vorrecht der Gelehrten in Anspruch nimmt.“ (Reinhold 1784, 10) Doch die Erweiterung der beteiligten sozialen Gruppen setzt sich unaufhaltsam durch. Es sind nicht mehr nur die Universitäten und Akademien, die als Kristallisationspunkte fungieren, hinzu treten Vereine, Lesezirkel und Gesellschaften. Die erweiterten Partizipationsmöglichkeiten signalisieren zugleich steigende soziale Durchlässigkeit: Es dient der nachhaltigen Nutzung der Ressource ‚Sachkompetenz‘, dass Menschen die Standesgrenzen im Dienste der Gelehrsamkeit oder der Ausbildung überschreiten dürfen.
Vereine
Organisatorischen Ausdruck finden Öffentlichkeit und republikanische Utopie in freien Zusammenschlüssen von Bürgerlichen – seltener Adligen – zu wissenschaftlichen Vereinen. Diese in der zeitgenössischen Terminologie meist ‚Gesellschaften‘ genannten Institutionen verwirklichen in ihren Statuten mehr oder weniger die Grundsätze der Meinungsfreiheit, der Gleichheit der Mitglieder und der Repressionslosigkeit. Funktional treten sie in eine gewisse Konkurrenz zu den staatlichen Akademien, denn sie drücken ein unbefriedigtes Interesse an neuem Wissen, vor allem an praktisch anwendbarem Wissen aus. Ihre Existenz kann zugleich als Kritik an der Schwerfälligkeit und akademischen Ritualisierung der staatlichen Einrichtungen verstanden werden; da sich in den Gesellschaften auch Fachkenner ohne akademische Ausbildung bewähren können (Autodidakten), radikalisieren sie das Prinzip der Sachbezogenheit und Effizienzsteigerung, während an den Universitäten oft genug bespöttelte ‚Pedanten‘ eine weltferne Existenz führen. Unter den Aufklärungsvereinen sind unterschiedliche Konzepte mit je eigener Zielsetzung zu unterscheiden: zunächst die ‚Deutschen Gesellschaften‘, die sich der Sprach- und Literaturpflege verschreiben; ab der Mitte des 18. Jahrhunderts verstärkt Bildungsvereinigungen, die als ‚Lesezirkel‘ oder ‚Lesegesellschaft‘ Literatur vermitteln und Bibliotheken anlegen (‚Lesekabinette‘); ferner patriotisch-gemeinnützige Gesellschaften (später im Jahrhundert oft ‚ökonomische Gesellschaften‘ genannt), die der Pflege des praktischen Wissens in Landwirtschaft und Industrie gewidmet sind. Auch auf politischem Gebiet werden Vereine gegründet, zu unterscheiden in Freimaurerorden (in säkular-rituellem Gewand) oder Geheimbünde (wie z. B. die Illuminaten). Immer nehmen auch Schriftsteller an diesen institutionellen Strukturen teil, die insgesamt zum Aufbau der Kultur und der Zivilgesellschaft nachhaltig beitragen (vgl. van Dülmen 1986).
Wenn die Rede von Öffentlichkeit und idealisierendem Republikanismus ist, klingt dies für moderne Ohren so, als seien alle Menschen gemeint. Tatsächlich aber sind Frauen und Mädchen aus den Bildungsgängen, den akademischen Strukturen und den öffentlichen Debatten weitgehend ausgeschlossen. Wo sie sich doch beteiligen, geschieht dies unter außergewöhnlichen Umständen. Da die Literaturwissenschaft als eines ihrer Anliegen die Aufdeckung von geschlechtsbestimmten Differenzen im sozialen und kulturellen Bereich betreibt, sei unter den sozialen Wandlungsprozessen des 18. Jahrhunderts die Diskussion um Aufgabe und Rolle der Frau abschließend hervorgehoben.
Mädchenbildung
Mädchen sind im 18. Jahrhundert an den gewöhnlichen Ausbildungsgängen nicht beteiligt. Religiöse und soziale Vorbehalte fordern geschlechterdifferenten Unterricht: Dem ‚Weib‘ sei eine spezifische soziale Rolle zugedacht, die weitreichende Bildung nicht erforderlich mache. Für diese Tradierung spielt die sekundäre Schöpfung Evas in der Genesis ebenso eine Rolle wie die monotheistisch-christliche Reduktion der Frau auf das, was ‚weiblicher Sozialcharakter‘ (Kinderaufzucht, Unterstützung der Männer, häusliche Pflege und allgemeine Hausaufsicht) genannt wird. In der Folge dürfen Mädchen zwar die Schule besuchen – wenn es eine gibt –, werden jedoch von den Müttern eher für Hausarbeiten herangezogen als in ihrer Neugier ermutigt. Die besten Bildungschancen in einem allgemeinen, am Wissensstand des Zeitalters orientierten Sinne, erlangen Mädchen, wenn sie Brüder haben und an deren häuslichem Unterricht teilnehmen können, erst mit dem Fortschreiten des Lebensalters werden sie dann aus dem gemeinsamen Bildungsprogramm herausgenommen und ‚weiblichen‘ – also vereinfachten und pragmatisch auf das Haus zugeschnittenen – Unterweisungen zugeführt. Der Besuch von Gymnasien und Universitäten ist Frauen grundsätzlich verboten, über eine Aufhebung dieser Regelung wird auch dort nicht öffentlich nachgedacht, wo ‚mann‘ sich mit der Bildungsfähigkeit von Frauen auseinandersetzt. So dürfen die wenigen Frauen, die nach privaten Studien eine offizielle Promotion ablegen wollen, selbst zu diesem Zweck die Gebäude der Universität nicht betreten. Als eine der ersten Doktorinnen gilt in diesem Zusammenhang etwa Dorothea Schlözer (1770–1825), die in Göttingen der Verleihung ihrer eigenen Doktorurkunde nur durch das Fenster der Aula von außen zusehen darf (vgl. Kern 1988, 124f.).
Gelehrte Frauenzimmer
Im Laufe des 18. Jahrhunderts wird im Rahmen der aufklärerischen Sozialtheorie über die Integrationsmöglichkeiten von Frauen nachgedacht, die Ausgrenzung des zweiten Geschlechts erscheint unter den universalistischen Gesichtspunkten der Anthropologie problematisch. Viele (männliche) Gelehrte stellen die Frage, warum Frauen eigentlich nicht uneingeschränkt an der Wissensentwicklung teilnehmen sollten. Es bilden sich unter diesen aufklärerischen Einflüssen nacheinander mindestens zwei verschiedene Konzepte weiblicher Bildung heraus; bis zur Mitte des Jahrhunderts wird ein universalisierendes Modell des ‚gelehrten Frauenzimmers‘ nach dem Vorbild des Mannes erwogen, anschließend ein auf geschlechtsspezifische Unterschiede abzielendes Erziehungsmodell. Bis etwa 1770 gelten bürgerliche Frauen als Männern fast ebenbürtig. Der biologische und traditionelle soziale Unterschied scheint auf die moralischen und intellektuellen Fähigkeiten (auf ‚Herz‘ und ‚Verstand‘) keinen Einfluss zu haben. Also können Frauen auch ihre Fähigkeiten vervollkommnen, sie können lernen und denken. Freilich gelten die ‚Schönen Wissenschaften‘, also Literatur, Musik und Künste als besonders geeignet für Frauen und machen den größten Teil ihrer Kenntnisse aus. Grenzen ziehen hier die durchschnittlichen Lebensbedingungen: Wozu soll eine Frau sehr gelehrt werden, wenn sie doch nicht in die Universität und ins Berufsleben eintreten darf? Also wird die ‚Frauenzimmer‘-Gelehrsamkeit eingegrenzt, in fast allen Fachgebieten wird ein entsprechend kleinerer Wissensbereich mit vereinfachten Strukturen ausgewiesen.
In einem Briefwechsel mit Henriette von Runckel (1724–1800) diskutiert die Gottsched[in] Ratschläge zur Mädchenerziehung, um welche die Kurfürstin von Sachsen bei ihr nachgesucht hatte. In einem langen Antwortbrief vom Oktober 1757 fasst die Korrespondenzpartnerin die wichtigsten Vorschläge aus der zeitgenössischen Debatte zusammen. Der darin vorgeschlagene Stoff für die Mädchenerziehung beschränkt sich nicht auf adlige junge Damen, sondern schließt Bürgertöchter ein. Das zugrunde liegende soziale Modell ist noch nicht das der Kleinfamilie, wie es Sophie von LaRoche rund zwanzig Jahre später propagiert, sondern das eines Hausstandes, in dem für die lebensnotwendigen Dinge von anderen gesorgt wird: Dementsprechend beschränkt sich die Ausbildung der Frau auf Religion, Wissenschaften und Künste – Haushaltskenntnisse gelten noch nicht als Zierde, sondern als Last.
Ich fange natürlich bei der Religion an. Diese muss nothwendig das wichtigste Stück bei jeder guten Erziehung sein. […] Man verknüpfe mit diesem Unterrichte unmittelbar die allgemeine Sittenlehre und die Anleitung zu deren Ausübung. […] ich verlange, daß sie deutlich, angenehm und verständlich, kurz zu sagen, daß sie mit Empfindung lese, und dem Sinne des Verfassers nichts vergebe. […] Die Schreibekunst ist ein Stück, worinnen man nie genug von jungen Leuten fordern kann. […] Die Erdbeschreibung ist einem jungen Frauenzimmer gleichfalls unentbehrlich. […] Ein wohlerzogenes Fräulein kann ohne diese Kenntnis eben so wenig, als ohne einige kleine Wissenschaft der Heraldic seyn. […] Die Rechenkunst muss mit den erwähnten Wissenschaften in gleichem Range stehen. […] Die neuern Sprachen sind ein Vorzug, ohne welchen ein Frauenzimmer vom Stande fast nicht wohl erzogen heißen kann. Insonderheit ist die französische Sprache höchstnöthig. Diese muß sie bis zur Vollkommenheit zu bringen suchen. Von den übrigen wünschte ich, daß sie so viel davon erlernte, als erfordert wird die vortreflichsten Schriftsteller zu verstehen, die jede von ihnen aufzuweisen hat, und die jedes Frauenzimmer lesen soll und kann, ohne pedantisch zu scheinen. Sie werden ihren Geschmack läutern, ihre Seele mit den erhabensten Empfindungen nähren, und ihr in traurigen oder zufriedenen Stunden das reinste und dauerhafteste Vergnügen verschaffen. […] Die Vernunftlehre soll eine ihrer wichtigsten und vornehmsten Beschäftigungen seyn. […] Hat die Natur ihr eine Stimme gegeben, so tut sie wohl, wenn sie sich auch im Singen übet. […] Das Zeichnen ist eine Kunst, wozu Neigung und Talent erfordert wird, und dieses wünschte ich der jungen Schülerin vorzüglich. […] Von der Poesie soll sie nur einige Regeln wissen, damit sie ein Gedicht richtig beurtheilen könne. (Runckel in Gottschedin 1772, 51–59)
Der hier aufgeführte Kenntniskatalog für eine junge bürgerliche oder adlige Dame zeigt einige Strukturen der weiblichen Bildung, wie sie seit Beginn der Aufklärungsepoche verfolgt werden: dilettantische Fähigkeiten in den Künsten (wobei ‚dilettantisch‘ im 18. Jahrhundert wertungsneutral und keineswegs abfällig gemeint ist), mäßige Kenntnisse in den Schönen Wissenschaften und einiges Wissen über die physische und politische Welt fügen sich zu einem absichtlich kleinen, eben ‚weiblichen‘ Kosmos zusammen.
Grundlegende Reflexionen, wie sie den gebildeten jungen Herrn anempfohlen werden, kommen bei Frauenzimmern nicht in Betracht. Anzumerken ist vor allem, dass Henriette von Runckels Ausführungen im Jahre 1757 bereits den Abgesang auf das Modell der Frauenzimmer-Gelehrsamkeit darstellen. Die Tage der Salons, in denen die gebildete Hausfrau ihrem Eheherrn und seinen Besuchern mit geistreicher Konversation Unterhaltung bietet, sind in bürgerlichen Kreisen gezählt. Im letzten Drittel des Jahrhunderts erhält die Hausfrau durch Veränderungen in der Familienstruktur weitergefasste Pflichten im Haus, bei abnehmendem Gesinde muss sie sich vor allem mit den praktischeren Dingen befassen. Kulturelle Salons, in denen sich die Geschlechter beim kunst- und wissenschaftsbeflissenen Gespräch begegnen, werden zur Ausnahme; dies geschieht in einem solchen Maße, dass die romantischen Soiréen Rahel Varnhagens oder Henriette Herzens bald zum seltenen Erlebnis für Berlinbesucher werden.
Kleinfamilie
Ab dem letzten Drittel des 18. Jahrhunderts setzt sich, im Gegensatz zum traditionellen ‚ganzen Haus‘ mit mehreren Familiengenerationen und Dienstboten, die Kleinfamilie durch, in der die Erwerbsarbeit dem Mann und die Hausversorgung der Frau und Mutter arbeitsteilig zugedacht sind. Hier findet die Option auf weibliche Gelehrsamkeit weitergehende Einschränkung (vgl. Hausen 1976), fast alles Wissen der Frau soll dem Nützlichkeitsdenken unterworfen sein, ein Rest von Schöngeistigem dient der Bildung der Kinder und der Unterhaltung des Mannes. Damit verändert sich auch bereits der erste Unterricht: Die häusliche Unterweisung leistet nicht mehr der Hausvater, die eigentliche Aufbringung nicht mehr die Amme, Gouvernante oder Kinderfrau, sondern die Unterrichtung wird von der Mutter übernommen oder erstmals weitgehend aus dem privaten Familienbereich in die Schule verlagert.
Die Erkenntnis der Empfindsamkeit, dass neben dem Verstand das Herz eine gewichtige Funktion im Sozialleben innehabe, legt es außerdem nahe, Frauen als weniger vernunftorientiert anzusehen. Damit wird zugleich das ältere Konzept der ‚Frauenzimmer‘-Gelehrsamkeit verworfen: „Spätestens seit 1790 wird die ‚Gelehrte‘ zum Schlag- und Schreckenswort, vor dem sich jede Frau, die auf ihren Ruf hielt, hüten musste.“ (Kord 1996, 158) Weibliche Aufgaben lassen sich mit Erfahrung und moralischem Gefühl besser erledigen als mit Verstandeskräften; in der Terminologie der Zeit: ‚Herzensbildung‘ wird bevorzugt gegenüber ‚Kopfgelehrsamkeit‘. Die Folge ist ein Konzept von Frauenbildung, das Wissensgebiete zunächst weitgehend einschränkt auf Haushaltskenntnisse. Schöne Wissenschaften gelten nur noch als Tätigkeit für die freien Stunden. Seit etwa 1770 vertreten dieses Konzept Frauen wie Friederike Baldinger (1744– 1786) oder ihre Freundin, die Schriftstellerin Sophie LaRoche (1731–1807).
Eine ihrer Publikationen zur Mädchenerziehung trägt den Titel Briefe an Lina als Mädchen. Ein Buch für junge Frauenzimmer die ihr Herz und ihren Verstand bilden wollen (1788); darin erscheint LaRoche als Kennerin des Alltags. Der Text besteht aus einer Reihe von pädagogischen Schreiben an eine junge weibliche Waise, Lina. Die Anleitungen und Ratschläge umfassen die Belange des zeitgenössischen weiblichen Alltags mit allen seinen Aufgaben und Schwierigkeiten:
Die Küche, meine Lina! ist eine nothwendige Kenntnis für ein Mädchen von deinem Stand, um bey wenigem Vermögen selbst kochen zu können, und bey vielem eine Köchin zu leiten. Ich muß aber gleich anfangs sagen, daß ich in der Küche die Verschwendung eben so wenig liebe, als im Putz, und viele Speisen sind mir eben so unangenehm, als dreyfache Manschetten. […] Da ist nach der Vernunft in beiden zuerst auf das Nöthige und Nützliche – dann auf Reinlichkeit und Ordnung – am Ende aber auf Zierlichkeit und Pracht zu sehen. Die Natur, welche uns durch Hunger und Durst an die Zeit erinnert, wo wir Nahrung nöthig haben, verlanget nichts, als sich an einer gesunden Speise zu sättigen. […] Unsere Küche Lina! soll so reinlich aussehen, als möglich […] Sage nun, meine Beste ist es nicht eine beynah unverzeihliche Eitelkeit, wenn geringere Frauenzimmern denken, es seie zu niedrig für sie, wenn sie alle Gattung weiblicher Geschäfte kennen lernten! (LaRoche 1788, 23ff.)
Dieser Auszug mag belegen, in welch erheblichem Maße nun Tugenden wie Fleiß, Sparsamkeit und Effizienz im Hause Einzug halten. Geringe Kenntnisse in der Poesie werden am Ende ebenfalls zu den wünschenswerten Lerninhalten gezählt, doch der Beginn der Anleitung mit Küche, Garten und Haus zeigt den eingetretenen pragmatischen Paradigmenwechsel an.
Konfessionalität
Als Folge der frühneuzeitlichen Religionskriege, beendet im Augsburger Religionsfrieden (1555), prägen die Unterschiede zwischen den christlichen Konfessionen die politische wie kulturelle Landschaft. Die drei großen christlichen Konfessionen – katholische, reformierte und lutherische, daneben die evangelische Strömung des Pietismus – sind in verschiedenen Territorien unterschiedlich weit verbreitet und mehr oder weniger in den Aufklärungsprozess eingebunden: Die lebhaftesten Veränderungen treten in den lutherisch-evangelisch beherrschten norddeutschen Ländern auf. Die fast ausschließliche Situierung der literarischen Innovationsprozesse in nord(-östlichen) Gebieten dokumentiert schon räumlich die enge Verbindung zwischen kulturellem Aufschwung und Protestantismus. Inhaltlich wie poetologisch weist die neuere Literatur Bezüge zu Grundsätzen des Protestantismus verschiedener Couleur auf, so häufig zum Pietismus, der zeitweilig erhebliche Einfluss schweizer Poetologen auf die Literaturdebatte wiederum entspringt der reformierten Kultur.
Theologie
Es ist jedoch besonders die Theologie der Lutheraner, die im Laufe des 18. Jahrhunderts durch aufklärerische Einflüsse belebt wird und selbst Aufklärung befördert. Die Rezeption der Wolffischen Philosophie in diesem Fach ist wesentlicher Beitrag dafür, dass Teile der Theologie ihre eigene Tradition brechen und sich letztlich der Philosophie unterordnen. Für die Vernunft sind Offenbarungen der Bibel nicht akzeptabel, der Satz vom zureichenden Grund erzwingt vielmehr die Frage, wie die Inhalte der Offenbarung zu begründen seien. Über „drei Schritte des Abbaus des traditionellen Dogmas“ (Sparn 1985, 21) hinweg lässt sich die wachsende Herrschaft der Vernunft verfolgen: Zunächst gelten Offenbarung und Vernunft nebeneinander als gleichermaßen berechtigt, ab den 1740er Jahren werden die Inhalte der Dogmatik als historische – anstatt offenbarte – Tatsachen aufgefasst, die jedoch noch einen Rest von Offenbarungscharakter aufweisen, nach 1780 schließlich wird Offenbarung ganz durch Vernunftwahrheit ersetzt. Damit hat die Theologie den Glauben an das ursprüngliche Wort Gottes aufgegeben, ebenso die Unterscheidung in Gottesreich und Weltreich. Es entsteht eine kritische Auseinandersetzung mit der Bibel, welche weitgehend nur noch als historische Quelle aufgefasst wird.
Physikotheologie
Zu spezifisch aufklärerischen Formen von Theologie und Glaubenspraxis, die zugleich auf die Literatur nachhaltigen Einfluss ausüben, gehören Physikotheologie und Pietismus. Erstere verbindet die neuen naturwissenschaftlichen Erkenntnisse mit dem emphatischen Glauben an einen Schöpfer-Gott. In den Gegenständen und Lebewesen der Natur lassen sich die Allmacht und die Güte des Herrn beobachten und verehren. Autoren wie Brockes legen die Weisheit des Schöpfers in minutiösen poetischen Beschreibungen des von ihm Geschaffenen dar. In der ersten Hälfte des Jahrhunderts entsteht neben umfangreichen Gedichtsammlungen eine reichhaltige in Prosa verfasste physikotheologische Fachliteratur, die sich den Sternen (Astro-Theologie), dem Wasser (Hydro-Theologie) und einer großen Anzahl weiterer Bereiche der Natur widmet. Ergänzt wird sie durch naturwissenschaftliche Kommentare zur Bibel.
Pietismus
Eine Erneuerung individueller Frömmigkeit entgegen den Lehrmeinungen und Institutionen der Kirche vertritt der Pietismus, er „interessierte sich für häretische und mystische Traditionen“ (Kemper 1997 V/2, 2). Er stützt sich auf eine Aufwertung des gläubigen Einzelnen, der sich unabhängig von der Kollektivität der Institutionen bewährt, sich als ‚Erweckter‘ oder ‚Wiedergebohrner‘ aus freiem Antrieb in geheiligten Freundschaften mit Gleichgesinnten verbindet. Diese evangelische religiöse Bewegung zur Erneuerung des frommen Lebens, deren eigentlicher Begründer Philipp Jacob Spener (1635–1705) war, findet seit dem 17. Jahrhundert zunehmend Anhänger. Pietisten, die sich in kleinen Erbauungskreisen, den so genannten Konventikeln, versammeln, erstreben ein tätiges Christentum, das sie in erster Linie als eine Sache der einzelnen Seele und des Herzens verstehen. Mit einer Vielzahl von Erbauungsschriften treten sie an die Öffentlichkeit und sorgen so für die Verbreitung ihrer Glaubensgrundsätze, neben Württemberg und den niederrheinischen Gebieten entwickelt sich Halle zu einem einflussreichen Zentrum. Die dortige Reform-Universität erringt unter der Herrschaft des Soldatenkönigs eine theologische Vormachtstellung in Preußen, was dem Pietismus dort einen gewaltigen Einfluss, unter anderem auf die Pfarrerausbildung, sichert.
Selbstbeobachtung
Auf die Entwicklung literarischer Gattungen hat die pietistische Praxis deutlichen Einfluss; da die ‚Erweckung‘, das Gotteserlebnis des einzelnen Gläubigen, im Mittelpunkt steht, wird in diesem Umfeld die Wahrnehmung der eigenen Gefühle, der eigenen psychischen Entwicklungen gepflegt. Damit ist ein wesentlicher Grundstein für die Herausbildung der Empfindsamkeit gegeben. Die pietistische Praxis, die je eigene Erweckung zum Glauben sowie seine Sünden und Laster dokumentarisch aufzuzeichnen, führt zur Entstehung der Autobiographie. Auch die Entwicklung des deutschen Romans steht vehement unter diesem Einfluss.
Säkularisierung
Insgesamt tragen die genannten Neuerungen alle zur schleichenden Entmachtung der Amtskirchen bei. Die Befreiung der akademischen Fächer vom Diktat der Theologischen Fakultäten, aber auch die an der Natur modellierte Formulierung selbstbewusster anthropozentrischer Standpunkte tragen zur Verweltlichung bei. Sogar innerhalb der religiösen Praxis bricht ein kritischer, reflektierender Diskurs aus, der allem unmittelbaren Glauben den Garaus macht. Aufklärung ist letztlich ein nicht umkehrbarer Prozess der Säkularisierung, auf den erst die Religionsausübung des 19. Jahrhunderts mit einem entproblematisierten, pragmatischem ‚Sonntagsbekenntnis‘ entgegenzuwirken weiß. Doch auch die Rückgewinnung von gewohnheitsmäßigen Kirchgängern und anti-aufklärerischem Religionsunterricht kann die Erosion ursprünglicher Orthodoxie nicht aufhalten. Durch die Aufklärung wird die unbestrittene Geltung breitenwirksamer, verpflichtender Religiosität beendet.
Für das literarische Schreiben haben Autoren der Aufklärung viele Motive. Sie schreiben für die Ehre, zur literarischen Kultur beizutragen, sie erschreiben sich die Anerkennung ihrer Dienstherren und Fürsten, sie wollen zur Ausbreitung aufklärerischer Ideen beitragen oder einfach nur sich selbst vervollkommnen. Sie streben diesen Zielen weitgehend als Idealisten nach, die entweder einen ganz anderen Brotberuf ausüben, ein Stipendium eines Mäzens beziehen oder vom eigenen Vermögen leben. Selten genug erhalten sie eine Beteiligung an den Verlagsumsätzen, die, wenn sie vorkommt, sehr gering ausfällt. Als Schriftsteller am literarischen Markt ihren Lebensunterhalt zu verdienen, ist für Autoren unter diesen Bedingungen unerreichbar. Erst in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entstehen Bestrebungen, einen derartigen – für jeden modernen Autorbegriff unabdingbaren – Schritt überhaupt zu erwägen und den Geschäftspartnern und der Öffentlichkeit mit entsprechendem Bewusstsein gegenüberzutreten.
Freie Schriftsteller
Realisierbar wird Schriftstellerei als Beruf nicht vor dem späteren 19. Jahrhundert, als ökonomische Voraussetzungen dafür geschaffen werden und sich ein Selbstverständnis von beruflicher Selbstorganisation herausbildet. Als erste ‚freie‘, das heißt ihren Lebensunterhalt selbstbestimmt und unabhängig erschreibende Schriftsteller, also als Vorläufer der Professionalisierung, gelten im 18. Jahrhundert Lessing, Klopstock und Christoph Martin Wieland. Der Erstere allerdings muss immer wieder Stellen in anderen Berufsfeldern annehmen (u. a. als Zeitungsredakteur und Bibliothekar), der Zweite genießt über lange Zeit ein gut ausgestattetes Stipendium des dänischen Königs, und nur der Dritte verdient als Zeitschriftenredakteur, -herausgeber und Romanautor ausreichende Honorare, um eine über zehnköpfige Familie zu ernähren. Was aus Sicht eines angestrebten Berufsschriftstellertums als Fortschritt gelten muss, wird von vielen Zeitgenossen aber kritisiert: Wer scheinbar ‚nur um des Geldes willen‘ schreibt und nicht aus ‚höheren‘ Motiven, gilt in Deutschland von Anfang an als anrüchig.
Öffentliche Reputation
Im 18. Jahrhundert erscheint es vielen sogar als problematisch, für Honorare zu schreiben, weil es an die Auftragsarbeiten der Gelegenheitsdichtung erinnert. Während die einschlägige Praxis im Barockzeitalter auf hohem Niveau gepflegt worden war, ist sie im 18. Jahrhundert längst in der Mittelmäßigkeit serienmäßig hergestellter Hochzeits-, Geburtstags- und Grabgedichte versunken. Mit den neuen Idealen natürlicher Ausdrucksweise, aufklärerischen Gedankengutes und sozialen Gleichheitsstrebens haben diese kaum zu tun. Entsprechend ist immer weniger Ehre durch derartige Arbeiten einzulegen. Zugleich entspricht die enge zeitliche und örtliche Zweckgebundenheit der Casualpoesie nicht den hohen Zielen einer national wirkungsvollen Literatur. Da Ehre und überregionale Verbreitung aber maßgeblich zum Reputationsgewinn eines jeden Schriftstellers erforderlich sind, streben alle nach Anerkennung durch Kollegen, Kritiker und Publikum.
Dichterkrönung
In der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgt dieses Spiel noch eher ständischen Regeln, wird danach aber zunehmend bürgerlich-freiheitlichen Äußerungsformen unterworfen. Der ‚poeta laureatus‘ beispielsweise, der vom Kaiser oder hochstehenden Adligen mit Lorbeer zum besten Dichter gekrönte Schriftsteller, erscheint den Aufklärern nur noch als Farce. Als Gottsched sich anmaßt, seinen Schüler Schönaich in Leipzig zum Dichterfürsten zu krönen, ergießt sich ablehnender Spott über diese Imitation eines adligen Rituals. Stattdessen sucht man Anerkennung auf Foren, auf denen Gleiche unter Gleichen ihre Werke vortragen, im Rahmen von Vortragsabenden Deutscher Gesellschaften etwa oder anderer Vereine. Statt im Wettbewerb nur gegeneinander anzutreten, erhebt man zudem den Anspruch, aus dem Austausch mit anderen zu lernen.
Die äußerliche Selbststilisierung der Autoren richtet sich nach den Wandlungen ihres sozialen Status. Beispielsweise lässt sich im Porträtstil der Gemäldegalerien und Kupferstichserien erkennen, wie das Ideal des akademischen Gelehrten – mit Amtsperücke, Hausrock oder Talar und Bücherstapeln – gegenüber dem des freien Bürgers – mit natürlicher Haarpracht oder Hut, im Straßenrock – zurücktritt. Die ständischen, innerhalb der Amtsstrukturen berechenbaren Verhaltensmuster weichen individuell geprägten Formen; eine gemäßigte Einzigartigkeit zu repräsentieren, wird für einige Schriftsteller des 18. Jahrhunderts bereits zum Anspruch an ihren eigenen öffentlichen Auftritt. Einen ersten Höhepunkt erlangen die Kennzeichen des herausragenden, sich abgrenzenden schöpferischen Individuums freilich erst im Sturm und Drang, im Aufklärungskontext würde sich noch niemand als ‚großen Kerl‘ vor allen anderen herausstellen.
Erbauungslektüre
Im Laufe des 18. Jahrhunderts verändert sich die Art der Lektüre. Dies geschieht in Abhängigkeit von einem Wandel der Inhalte und der medialen Formate; und zwar zunächst nicht der Bücher, sondern der gängigen Publikumszeitschriften. Bis um die Mitte des Jahrhunderts ist eine religiös motivierte Lektüre verbreitet, die vor allem unter dem Einfluss des Pietismus steht, der – stärker noch als die lutherische Orthodoxie – den Einzelnen zur Erbauungslektüre anhält. Ob die Lektüre sich nun auf die Bibel, Gesang- und Predigtbücher oder auf andere religiöse Veröffentlichungen bezieht, ihre Ausrichtung zielt immer auf Bestätigung des bereits Bekannten, bestenfalls auf dessen Variation. Diese Erbauungslektüre bildet die Grundlage für eine spätere Auseinandersetzung mit Literatur, denn sie trägt zunächst einmal zur Ausbreitung der Lesefähigkeit bei:
Ich weiß aus der Erfahrung, dass Leute, die weiter nichts, als ihre Bibel und andere erbauliche Bücher lasen, in der Orthographie eben sowohl, als in der Sprache überhaupt, gut zugenommen […]. (Wagner 1767, 16)
Erbauungslektüre stärkt allerdings nur die Tradition, sie gehört zum ‚alten Lesen‘, dessen Funktion die Bestätigung des längst Geglaubten oder zur Kenntnis Genommenen durch regelmäßig wiederholte Lektüre der immergleichen Texte ist (vgl. Schön 1999, 23).
Säkulare Lektüre
Erst mit der Säkularisierung der Lektüre zeichnet sich ein Wandel ab, der die Erstarrung in alten Bahnen durchbricht. Nach und nach übernimmt die Schöne Literatur die Stelle der religiösen Texte, die um 1700 noch über 44% der verkauften Bücher ausmachen, bis 1800 auf rund 6% zurückgehen und dabei durch die anteilig von 3% auf 26% zunehmende Schöne Literatur verdrängt werden (Schön 1999, 28). Das ‚neue Lesen‘ erschöpft sich in einer einmaligen Lektüre, die rasch und zielgerichtet geschieht. Das nächste Buch verspricht von da an, interessanter zu sein als alle jene, die man schon kennt. Mit dieser Leseweise erst kann die Fixierung auf Buchhandelsnovitäten erfolgen, die Wiederholung von Lektüre tritt zurück. Nur weltliche Inhalte versprechen immer Neues, sie allein stehen im Zusammenhang mit Wandel und Zukunftsorientierung.
Periodische Lektüre
Zum Muster der Neuigkeit schlechthin werden die Zeitungs- und Zeitschriftennachrichten. Die Leserschaft der publizistischen Periodika wächst seit dem ausgehenden 17. Jahrhundert bedeutend rascher als die von Büchern. Ein Begriff von Aktualität, der an die beschleunigte Zeiterfahrung der allgegenwärtigen Modernisierung gebunden ist, verkürzt die überschaubaren Zeiträume von ehemals Jahrzehnten oder Jahren auf nun Monate und Tage. Die Journale (von französisch journalier = täglich) vergewissern ihre Leser regelmäßig, dass die Zeit und damit die Kultur nicht stillsteht. Die kontinuierlichen Lieferungen der Zeitungen und Zeitschriften fördern die gleichmäßige, über kurze Zeiträume verteilte Lektüre auch durch die handlichen Umfänge ihrer Beiträge. Die kurze Lektüre findet wesentlich schnellere Verbreitung als die umfangreiche, wie sie beispielsweise mit Romantexten verbunden ist. Aus dieser Praxis heraus setzen sich kürzere literarische Texte am Anfang leichter durch, und ein großer Teil der Aufklärungsliteratur verteilt sich auf deren unterschiedlichste Gattungen und Genres. Auch der sukzessive Abdruck von Romanteilen als Fortsetzungsreihe entsteht im Umfeld der periodischen Publikationen, er passt auch lange Texte dem kleinräumigeren Lektürehabitus an.
Publikum
So findet der größere Teil des Lesepublikums über Periodika zur Literatur. Während der Anteil der Bevölkerung, der wenigstens elementar Gedrucktes zu entziffern vermag, im Zeitraum von 1700 bis 1800 von geschätzten 10% auf 50% ansteigt, bleibt die Gruppe derer, die komplexe Texte lesen können, weitaus kleiner. Geläufige Hypothesen, die hierfür wiederum nur 10% der Erwachsenenpopulation ansetzen, sind allerdings sehr vage, unstrittig ist jedoch, dass sich ein zeitgenössisches literarisches Publikum eher auf einige Hunderttausend denn auf Millionen Lesende beläuft.
Die Zusammensetzung der Leserschaft verändert sich im Einklang mit dem sozialen Umbruch; während im Barockzeitalter die Adligen, die Gelehrten und die Bürger der großen Städte das literarische Leben beherrschten, vergrößert sich die Gruppe der bürgerlichen Leser im Laufe des 18. Jahrhunderts und wird zur dominierenden Trägerschicht der literarischen Bildung (die sich im 19. Jahrhundert als Bildungsbürgertum fest etabliert). Die Ständegesellschaft verliert ihren Einfluss, das neue Bürgertum orientiert sich an moralischen, politischen und kulturellen Werten und prägt eine offene Bildungselite aus, an der sowohl Adlige als auch soziale Aufsteiger partizipieren können.
Vorlesen
Lektüre ist im Zeitalter der Aufklärung nicht immer ein Vorgang, der ein einzelnes Individuum allein betrifft. Eine Bildung des Subjekts, die durch dessen absolvierte Lektüre beglaubigt wird, wird erst nach den Entwürfen Humboldts, und damit in Klassik und Romantik, zum leitenden Modell. Zunächst entsteht Lektüre sogar, was den privaten Bereich betrifft, aus Gruppenlektüre. Ob bei Hof oder im ‚ganzen Haus‘ der Bürger und Großbauern, das Vorlesen verbreitet mehr kulturelle Kompetenz als das stille Lesen des Einzelnen. Dabei dominiert anfangs die „autoritative Vorlesesituation“ (Schön 1995, 206), in der der Hausvater den Ton angibt, während man im Zuge der Empfindsamkeitskultur später den „geselligen Umgang mit Literatur“ (ebd.) einübt.
Bildungslektüre
Das Lesepublikum profiliert sich in der kulturellen Gemeinschaft durch Innovationsgebaren und baut seine Dominanz durch Wissenserwerb aus; in diesem Kontext dient die Literatur – neben der Belletristik eine wachsende Sach- und Fachliteratur – sowohl beruflicher Bildung als auch kultureller Identitätsausprägung. Der privilegierte Zugang der Gelehrten zur Literatur wird aufgehoben; durch die neuen Organisationsstrukturen der Publikumszeitschriften, der Lesegesellschaften und des Buchhandels kann sich jeder über die aktuellen Entwicklungen informieren. So ist es zu erklären, dass nach 1770 die literarische Szene eine der offensten und deshalb für die Diskussion gesellschaftlicher Fragen bedeutsamsten demokratischen Plattformen werden kann.
Muße für Lektüre
Voraussetzung für zunehmende Lektüre ist, neben dem Anreiz durch den Reputationsgewinn des Lesens, eine Lebensführung, die entsprechende Zeitfenster bereitstellt. Dazu bedarf es beispielsweise einer ökonomischen Konsolidierung der Haushalte, denn wer beständig um seinen kargen Lebensunterhalt kämpfen muss, hat dauerhaft weder Geld oder Zeit noch Energie für Lektüre übrig. Diese Absicherung ist beim Bürgertum zunehmend gegeben: Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung und wachsenden Berufsmöglichkeiten entstehen Wohlstand und Freizeit, die für die Lektüre genutzt werden. Sie wird im Rahmen eines kollektiven Bekenntnisses zur neuen Kulturverbreitung ritualisiert; es kommt auch innerhalb der literarischen Fiktionen zu Darstellungen, wer wann und wo lesen sollte. Dabei wird das Buch aus der gelehrten ‚Studierstube‘ befreit und zum Accessoire des privat genutzten Salons, zum Bestandteil des Reisegepäcks, zum Begleiter beim Spaziergang (vgl. u. a. Koebner 1993). Innerhalb des Publikums bildet sich weiterhin eine Aufteilung nach Geschlechtern aus: Während berufstätige Männer mehr Zeitungen und Fachliteratur zur Kenntnis nehmen, lesen Heranwachsende beiderlei Geschlechts, vor allem aber erwachsene Frauen Belletristik. Diese Konstellation ist im Grunde bis heute erhalten geblieben.
Volksaufklärung
Anzufügen ist, dass der ‚Pöbel‘, die sozialen Gruppen unterhalb der städtischen Bürgerschaft und der Mitglieder der Zünfte, im zeitgenössischen Verständnis aus allen kulturellen Praxen selbstverständlich ausgegrenzt bleibt. Der Landbevölkerung oder dem Gesinde Lesen beizubringen, wird erst in der Spätaufklärung ein Anliegen kleiner Reformkreise. Diese konstituieren eine eigene soziale Bewegung, die in der Geschichtsschreibung als ‚Volksaufklärung‘ bezeichnet wird.
Distribution
Bevor ein weit verzweigt lebendes Lesepublikum entstehen kann, bevor Verleger die Werke unterschiedlichster Autoren ganz buchstäblich ‚unter die Leute bringen‘ können, bedarf es einer Vertriebslogistik sowie eines geeigneten Forums für Informationsaustausch und Meinungsbildung. Die Distribution des Literarischen muss im deutschsprachigen Gebiet über große Räume hinweg gesichert werden, mit zunehmendem Aktualitätsdruck spielt auch die Geschwindigkeit der Übermittlung eine Rolle.
Logistik/Post
Logistisch gesehen führen die Postorganisationen des 18. Jahrhunderts Lösungen für alle Distributionsprobleme ein. Im Zeitalter des Absolutismus gründet jedes größere Territorium seine eigene Post, die dem Transport von Briefen, Drucksachen und Reisenden auf einem Liniennetz mit festgelegten Fahrplänen dient. Häufig ist in Reiseberichten und Tagebüchern aus dem 18. Jahrhundert die Rede von ‚Extrapost‘, wenn die Reisenden eine eigene Kutsche gemietet haben, um nicht mit den Linienwagen fahren zu müssen. Dies dient keineswegs dazu, schneller voranzukommen, sondern im Gegenteil, dem erheblichen Zeitdruck der fahrplanmäßigen Verbindungen zu entkommen. Gesetzliche Grundlagen werden geschaffen, um Zuverlässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu sichern, dazu gehören beispielsweise: ein Postmonopol für die Beförderung auf den offiziellen Routen, wo fortan keine privaten Fuhrleute mehr Konkurrenz machen dürfen, sowie Schutz der Postsendung vor Diebstahl, aber auch vor unberechtigter Lektüre. Das Porto ist im 18. Jahrhundert noch hoch, Sendungen werden nach Entfernung bezahlt und weniger nach Gewicht. Dafür übernimmt die Post aber beispielsweise nicht nur die Beförderung, sondern den gesamten Vertrieb der Zeitungen und Zeitschriften, die Abonnements werden unmittelbar auf dem Postamt bestellt, man „pränumeriert bey dem Postamte seines Orts“ (Allgemeine Litteratur-Zeitung, 1. Heft 1784).
Information
Es ist somit in jeglicher Hinsicht die Post, die die rasche Vermittlung literarischer Neuigkeiten ermöglicht. Die gesamte Entwicklung der Literatur, insofern sie die Vergrößerung des Publikums, Ausweitung der Versandräume und Verkürzung der Aktualitätszyklen betrifft, stützt sich darauf. Werbung für literarische Werke ist in den Verlagsprodukten selbst noch kaum enthalten. Als deren Vorläufer kommen gegen Ende des 18. Jahrhunderts erstmals Listen mit Auszügen aus den Verlagsprogrammen in Gebrauch, die hinten in die Bücher eingebunden werden. In den Informationsstrategien der neuzeitlich-innovativen Verleger tauchen zur gleichen Zeit erstmals Absichtserklärungen in Bezug auf Werbemaßnahmen auf. Dikta wie das des aufstrebenden Großverlegers Friedrich Justin Bertuch (1747–1822), „Die Kunden kommen einem jetzt freylich nicht mehr ins Hauß gelaufen, sondern man muss sie zusammentrommeln“ (zit. n. Hauke 2000, 369), gelten als Meilenstein eines aufkommenden aggressiven Marketingverständnisses. Sowohl die Literaturkritik als auch Vorankündigungen von Novitäten werden hierfür in einer Weise systematisch instrumentalisiert, die weit über die ehemals bescheidene und zurückhaltende Ankündigung literarischer Werke in der traditionellen gelehrten Gemeinschaft hinausgeht.
Buchhandel
Literatur entwickelt sich vom idealisierten Zeitvertreib der so genannten ‚Nebenstunden‘ zum wirtschaftlichen Faktor. Sie erhält Warencharakter, weil Zeitschriften und Bücher Marktmechanismen unterstellt werden. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung vollzieht sich im eigentlichen Verkauf; der Tauschhandel der Frühen Neuzeit (‚Change-Handel‘), der während der Buchmessen zwischen den Drucker-Verlegern abgewickelt wurde, weicht dem Barhandel, der erstmals Bargeld zur Grundlage des Geschäfts macht. Damit einher geht dessen Abwicklung in immer kürzeren Abständen, die es nicht mehr erlauben, auf die nächste Messe zu warten. Erforderlich wird dies, weil ein größeres Publikum in immer kürzeren Abständen säkulares Lesefutter, das heißt Novitäten, verlangt:
Diese Ordnung zerbrach in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, als Stadt- und Landmann, Hausfrauen und Dienstboten plötztlich tausendfach spezielle Lektüre verlangten. Ein Roman ließ sich nun nicht mehr gegen eine gedruckte Predigt Bogen um Bogen aufwiegen. (Schultz 2000, 333)
Medium Buch
Die äußere Form der Druckschriften wird unter diesen Bedingungen ebenso modifiziert wie die Gestaltungsmerkmale der literarischen Texte. Die Tendenzen der Buchgestaltung und -produktion gehen weg vom repräsentativen teuren Buch hin zur technisch und ästhetisch anspruchsloseren Massenlektüre. Doch die Einführung preiswerter Materialien und die Reduktion des handwerklichen Aufwandes führten nicht sofort zu einer tatsächlichen Verbilligung des Buches im Handel. Von der Mitte des 18. Jahrhunderts bis 1785 wird eine Verteuerung eines einfachen, anspruchslosen Buches um das 8- bis 9fache angenommen (vgl. Schön 1999, 32). Erst gegen Ende des Jahrhunderts, vor allem aber mit neuen Verlagskonzepten für volkstümliche Taschenbuchausgaben, entsteht eine preisgünstigere Buchkultur. Trotzdem bleiben Bücher auch dann noch ein Luxusgut.
Neuerscheinungen
Neuerscheinungszahlen aus der Zeit sind heute schwer zu rekonstruieren, doch kann man aus Reihen wie der folgenden die Größenordnung des Wachstums ermessen; die Zunahme der poetischen Publikationen beträgt in 25-Jahres-Schritten: 1700: 27; 1750: 113; 1775: 271; 1800: 1066 (vgl. Scheiffele 1999, 126). Zugrundegelegt werden die Titel der Neuerscheinungen in den so genannten ‚Meßkatalogen‘, also den Verkaufsverzeichnissen der Leipziger Buchmesse. Nicht erfasst werden können mit diesem Material die Titel, die angezeigt aber nicht wirklich ausgeliefert werden, ferner Titel von lokaler oder regionaler Bedeutung, die in Leipzig gar nicht getauscht und verkauft werden. Weitgehend spekulativ bleiben auch Angaben über Größenordnungen der Druckauflagen.
Verlagskonzepte
Während der Aufklärungsepoche wandeln sich auch die Herstellungs-und Vertriebsverfahren von einem frühneuzeitlichen Standard hin zu jenen Formen, die weitgehend heutzutage noch gelten. Der ehemalige Distributor war zugleich Drucker, Verleger und Buchhändler. Solange das Publikum im Wesentlichen auf den Gelehrtenstand und wenige Wohlhabende beschränkt ist, entsprechen derartige Strukturen der eng begrenzten sozialen Standespraxis. Mit der Ausweitung der Nutzerkreise entstehen hingegen komplexe Strukturen größerer Reichweite, die seit den 1770er Jahren Marktmechanismen und Barsortimenthandel verlangen. Der Versandhandel an Einzelkunden, die durch die Post zunehmend auch an abgelegenen Orten beliefert werden, wächst, Verlag und Buchhandlung werden funktional getrennt, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Das Druckerhandwerk verselbständigt sich ebenfalls gegenüber dem Verlagshaus; ein kapitalintensiver arbeitsteiliger Waren- und Dienstleistungsstrom bildet sich heraus.
Honorar
In dem Maße, in dem mehr Geld zirkuliert, erheben auch literarische Schriftsteller Anspruch darauf, am Erlös proportional beteiligt zu werden. Zwar waren schon in der Frühen Neuzeit Zahlungen der Verleger nicht unbekannt, doch erst seit etwa 1750 sind zunehmend Honorare belegt, die am Verkauf der Exemplare ausgerichtet sind. Sie werden schließlich um 1780 zu einer gewissen Selbstverständlichkeit, die – zumindest für bekannte Autoren – zu einer marktorientierten Entlohnung literarischer Arbeit führen. Die Verleger und Buchhändler ihrerseits versuchen konsequent, das Autorenhonorar zu drücken oder zu unterschlagen, weil es ihnen als völlig unnötiger Kostenfaktor erscheint.
Selbstverlag
Ein signifikantes Phänomen früher schriftstellerischer Professionalisierungsbestrebungen sind Autorenverlage. Während es bei gelehrten Schriften, die auf einen lokal begrenzten Rezipientenkreis zielen, schon immer kleine Eigenverleger gegeben hatte, unternehmen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts viele Autoren entsprechende Versuche in größerem Stil. Der Grund ist nicht, dass sie keine Verleger fänden – es geht immerhin um Werke wie Lessings Hamburgische Dramaturgie, Klopstocks Gelehrtenrepublik oder Wielands Merkur –, sondern dass sie mit den Produkten ihres Geistes nicht ohnehin schon wohlhabende Verleger mästen wollen. Die Idee des Selbstverlages zielt weiterhin darauf, den Preis für die Endverbraucher zu senken, indem nur wenig mehr als der Selbstkostenpreis verlangt wird, der allerdings durch ‚Pränumeration‘ (d. h. feste Vorbestellung) per Vorkasse oder zumindest durch ‚Subskription‘ mit Zahlung bei Lieferung abgerechnet wird, um die Finanzierung abzusichern und Außenstände zu vermeiden. Letztere beide Modelle sind auch bei kommerziellen Verlagen geläufig, sie führen dort zu einem kleinen Rabatt, der den schnellen Zahlern gewährt wird. Selbstverlagsunternehmen bleiben aber in der Regel, selbst bei bekannten Autoren, kommerziell wenig erfolgreich und logistisch schwer realisierbar.
Nachdruck
Eine andere Folge der Politik relativ hoher Preiskalkulation durch die ‚Originalverleger‘ sowie immense Portokosten ist der so genannte ‚Nachdruck‘. Unter heutigen Rechtsverhältnissen wäre wohl die Rede von Raubdruck; viele Verleger machen sich nicht die Mühe, Manuskripte einzuwerben und zu betreuen, sondern drucken einfach erfolgreiche Titel anderer Verlage eins zu eins nach (vgl. Darnton 2002). Lizenzgebühren fließen dabei nicht, ebenso wenig Autorenvergütungen, deshalb können diese Nachdrucke erheblich billiger sein als die gleichen Bücher aus Originalverlagen. Vehementer Protest von Autoren und Verlegern begleitet diese im Laufe des 18. Jahrhunderts zunehmende Praxis – einer der eindrucksvollsten Texte ist hier Lichtenbergs Epistel an Tobias Göbhard in Bamberg (1776; in: Lichtenberg 1968 III, 237–252; dazu vgl. Walther 1999). Doch die Nachdrucker erhalten vielfach sogar Unterstützung durch ihre Territorialregierungen. Da die Buchproduktion weitgehend auf den Nordosten beschränkt ist, leiden die Territorien des Südens unter Büchermangel. Bildungsfortschritte und Wirtschaftsaufschwung sollen durch Nachdruck befördert werden, und so besteht der Streit darum fort, bis im 19. Jahrhundert Bestimmungen über einen gesetzlichen Schutz des Urheberrechts eine reichsweit einheitliche Rechtsgrundlage schaffen.
Da die Lektürekultur ihren erheblichen Aufschwung vor allem der wachsenden Verbreitung von Periodika verdankt, müssen diese in literarhistorischer Hinsicht beachtet werden. Zwar berücksichtigen nicht alle Zeitungs-und Zeitschriftenprofile des 18. Jahrhunderts Schöne Literatur, doch die meisten nehmen neben informativen auch literarische Texte auf. Beide Bereiche liegen auch noch nicht so weit auseinander wie heute; Verwandtschaft zwischen ihnen stiften übergreifende Themenkonstellationen – wie z. B. moralische, politische, soziale Sujets – oder ähnliche Darstellungsstile. Weiterhin behandelt die Presse Literatur in aktuellen Berichten und Kritiken. So können Beiträge in der periodischen Presse selbst zu literarischen Texten werden, zugleich aber das literarische Leben von der Außenperspektive des kritischen Beobachters aus beobachten und reflektieren.
Zeitung
Zeitungen, die in Funktion und Erscheinungsweise mit solchen der Moderne vergleichbar sind, sind im deutschen Sprachraum seit dem frühen 17. Jahrhundert belegt. Bis zum Beginn der Aufklärung wächst ihre Zahl, und die Einflusssphären erweitern sich. Zeitungen garantieren durch regelmäßiges kurzfristiges Erscheinen Aktualität und durch eine seriöse redaktionelle Auswahl Verlässlichkeit des Inhalts. Sie vermitteln ihren Abonnenten die Erfahrung eines Neuheitenflusses, in den auch die Neuerscheinungen des literarischen Buchmarktes einbezogen sind.
Das größte Blatt heißt Sta[a]ts- und Gelehrte Zeitung Des Hamburgischen unpartheyischen Correspondenten (1732 bis 1934; Vorgängerblatt Hollsteinischer unpartheyischer Correspondent, 1712–31); es erscheint von Beginn an viermal wöchentlich. Nach 1750 erreicht der Correspondent zeitweilig eine Auflage von 58.000 Exemplaren. Die Auseinandersetzung mit Literatur geschieht hier im Gelehrten Artikel, einer festen Kolumne. Schöne Literatur wird darin gegenüber anderen Künsten und der Wissenschaft nicht bevorzugt, vielmehr bleibt das Gebiet der Gelehrsamkeit in aufklärerischer Tradition als ungeteiltes Ganzes präsent.
Eine weitere politische und allgemeine Zeitung, die jahrhundertelang eng mit der Entwicklung der deutschen Literatur verbunden ist, entsteht um die Jahrhundertmitte in Berlin unter dem Titel Berlinische privilegirte Zeitungen. Auch dort findet die Auseinandersetzung mit Literatur ihren Stammplatz in eigenen Abteilungen, die heute unter anderem deshalb zu den berühmtesten pressehistorischen Dokumenten gehören, weil sie von Lessing redigiert wurden. Nachdem er eine Kolumne mit dem Titel Critische Nachrichten aus dem Reiche der Gelehrsamkeit (1750–51) betreut hatte, wird ihm vom Verleger Voß die weitgehend eigenständige Beilage Das Neueste aus dem Reiche des Witzes (1751) übertragen. Da der Hamburgische Correspondent in der germanistischen Forschung bisher kaum gewürdigt wird, gilt Lessings Beilage allgemein als historischer Anfangspunkt eines literaturkritischen Feuilletons.
Zeitschriften
Im Gegensatz zu Zeitungen erscheinen Zeitschriften seit dem Ende des 17. Jahrhundert monatlich oder gar wöchentlich (vgl. in den Titeln ‚Monats-‘ gegenüber ‚Wochenschriften‘), auch diese periodische Lieferung verleiht der Wissensvermittlung Aktualitätsbezug. Durch ein Abonnement können auch Interessierte in der Provinz an den aktuellen Diskussionen teilhaben, diese Medien tragen, wie die überregionalen Zeitungen auch, zu einer Dezentralisierung von Meinungsbildung und Diskussion bei. Mehrere Kategorien von Zeitschriften sind zu unterscheiden, darunter solche für den öffentlich-wissenschaftlichen oder für den eher privaten Gebrauch. Die Ersteren bringen Nachrichten aus der Gelehrsamkeit (Gelehrte Journale), die Letzteren bieten moralische Unterhaltung (Moralische Wochenschriften). Während die Gelehrten Journale vornehmlich der Herausbildung fachwissenschaftlicher Standards in der Literaturkritik dienen, befördern die Moralischen Wochenschriften in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts vor allem die private säkulare Lektüre. Sie sind für die Literaturentwicklung damit von größter Bedeutung.
Moralische Wochenschriften
Moralische Wochenschriften bestehen aus periodischen Lieferungen geringen Umfangs – der wöchentliche Turnus, der vom Titel suggeriert wird, trifft bei vielen zu, ist aber nicht zwingend. Auf meist nur einem halben Oktav-Bogen (d. h. acht Druckseiten durchschnittlichen Buchformats) werden mehrere kleine Beiträge, offene Briefe, Aufsätze und kurze Erzählungen geboten. Eine moralische Absicht ist durchweg vorhanden, die Beiträge der Wochenschriften tragen wesentlich dazu bei, bürgerliche Individuen als ‚moralische Charaktere‘ zu stilisieren und ihre Verhaltensgrundsätze ethisch zu problematisieren (vgl. Schneider 1976). Lesepädagogik und literarische Stilbildung gehören zu den weiteren didaktischen Funktionen dieser Blätter. Als Publikum wird die ganze Familie angesprochen. Moralische Wochenschriften machen es sich generell zur Aufgabe, die „Kluft zwischen gelehrten und ungelehrten Lesern […] zu schließen“ (Martens 1968, 147 ff.). Unter den bürgerlichen Lektüregewohnheiten des Zeitalters wird durch die Moralischen Wochenschriften vor allem das Vorlesen weltlicher Texte im familiären Kreis popularisiert; es tritt zunehmend an die Stelle der häuslichen Bibelstunde oder Andacht. Allerdings gilt, dass diese weltliche Tugendbotschaft der christlichen nicht zuwiderlaufen darf, sondern als deren diesseitige Fortsetzung und Bestärkung fungiert: Das Genre vermeidet hierin jeden Konflikt mit der staatlichen oder kirchlichen Obrigkeit.
Vorbild aller kontinentalen Wochenschriften ist der englische Spectator (London 1711–14), verfasst und herausgegeben von Joseph Addison (1672–1719) und Richard Steele (1672–1729). Ausstattung, Inhaltskonzepte und Stil der Beiträge wirken jahrzehntelang auf deutsche Blätter, auch in mehreren deutschsprachigen Übersetzungen können deutsche Leser das englische Original konkret nachvollziehen; ihre vollständigste Übersetzung erscheint 1739–43 in Leipzig aus der Feder der Gottschedin.
Discourse der Mahlern
Die erste genuine deutschsprachige Moralische Wochenschrift bilden schließlich Die Discourse der Mahlern (1721–22); sie wird herausgegeben auf Anregung und unter der Leitung von Johann Jakob Bodmer. The Spectator steht für dieses Projekt ausdrücklich Pate, die erste Lieferung der Discourse wird ihm sogar feierlich gewidmet: „An den Erlauchten Zuschauer der Engeländischen Nation“ (Discourse 1721). 94 Nummern erscheinen im Zeitraum von zwei Jahren als Gemeinschaftswerk mehrerer Verfasser, die ihre Beiträge anonym publizieren. Bodmer und seine Mitstreiter hatten sich bereits 1720 zur Planung der Zeitschrift in einer ‚Gesellschaft der Mahler zu Zürich‘ zusammengeschlossen, einige Beteiligte aber stammen auch aus anderen Schweizer Städten. Das Gruppenpseudonym meint mit der Rolle des ‚Mahlers‘ den ‚Abschilderer der Sitten‘; Ziel der Zeitschrift ist, die Begebenheiten des bürgerlichen Lebens in Zürich und anderen Städten der Schweiz aus der kollektiven Perspektive Gleichgesinnter moralisch belehrend und zugleich ‚interessant‘ (d. h. Neugierde weckend) darzustellen. Grundlage der Betrachtungen ist das vernünftige Gespräch, das jedoch nicht in ‚gründliche‘ – d. h. philosophisch-rationale – Betrachtungen münden, sondern sich auf das Wesentliche in Fragen der Tugend beschränken soll. Darüber hinaus durchziehen gattungs- und allgemein literaturtheoretische Beiträge die Discourse, einige Begriffe, die später den ‚Schweizer‘ Standpunkt im Literaturstreit markieren, werden in der Zeitschrift bereits besprochen (so etwa ‚Einbildungskraft‘, ‚Naturnachahmung‘, ‚Vers-‘ und ‚Reimgestaltung‘).
Die vernünftigen Tadlerinnen
Mit der Moralischen Wochenschrift Die vernünftigen Tadlerinnen (1725– 1726) tritt in Leipzig auch Johann Christoph Gottsched in diesem publizistischen Genre vor die Öffentlichkeit. Nach wenigen Monaten Hauslehrertätigkeit im Hause des Herausgebers der gelehrten lateinischen Rezensionszeitschrift Acta eruditorum hatte er einen Eindruck von publizistischen Verfahrensweisen gewonnen. Dort ist – in Abgrenzung gegen das publikumsferne Latein – auch seine Entscheidung für eine ausschließlich nationalsprachliche Presse gefallen. Die Tadlerinnen bilden eine Familienlektüre, in der moralische Erbauung und kulturelle Geschmacksbildung einander abwechseln und ergänzen. Beide Jahrgänge der Zeitschrift werden später in zweiten und dritten Auflagen nachgedruckt, wobei in den Neuauflagen Beiträge ausgewechselt oder überarbeitet werden. Daran lässt sich der Status erkennen, den ein solches Druckwerk zwischen vergänglichem Periodikum und erhaltenswertem Buch einnimmt. Vorbild der Tadlerinnen ist der Hamburger Patriot (1724–25; vgl. ausführlich Scheibe 1973), den es an Auflagenhöhe und Renommée zu schlagen gilt.
Die drei Verfasser der ersten Nummern sind neben Gottsched selbst seine Kollegen Hamann (ein Großonkel des späteren königsberger Schriftstellers) und May, ein Vereinskollege aus der Deutschen Gesellschaft. Ab dem zweiten Jahrgang verfasst Gottsched die Beiträge zu den Tadlerinnen allein. Alle drei aber setzen von Anfang an unter ihre Beiträge weibliche Rollennamen, weil eine Fiktion von weiblicher Autorschaft erzeugt werden soll, um auch Frauen und den ganzen Familienkreis nun einzubeziehen. Im Gegensatz zu den Zürcher Discoursen sind die in den Tadlerinnen behandelten Gegenstände nicht auf einen Ort oder auf eine literarische Gruppe beschränkt, Gottscheds Popularisierungsbestebungen richten sich an ein möglichst weit verbreitetes deutschsprachiges Lesepublikum. Die Streuung der Auflagen der Tadlerinnen über Verlage in Halle, Leipzig und Hamburg ist ein weiteres organisatorisches Indiz für die ubiquitäre Bedeutung des Blattes.
Der Biedermann
Gottsched setzt diese publizistische Sparte anschließend mit einer neuen Wochenschrift fort, genannt Der Biedermann, eine moralische Wochenschrift. (1727–29). Sein Beispiel, das Genre variantenreich fortzuführen und auszufalten, macht Schule, und im Laufe der Jahre entstehen an vielen Orten unzählige neue Wochenschriften. Mehr als ein erstes oder zweites Heft erleben die wenigsten, denn junge Magister gründen oft unbedacht und ohne Berücksichtigung der Marktgegebenheiten neue Blätter. Zu erkennen ist daran, dass ein gewisser aufklärerischer Enthusiasmus, der Wunsch, in einer literarisierten Öffentlichkeit mitzuwirken, eng an die Moralischen Wochenschriften gebunden ist. Erfolgreichere spätere Titel, die den Abgesang dieses Genres einleiten, sind folgende zwei Zeitschriften, die beide vom Verleger Gebauer in Halle gedruckt werden: Der Gesellig, eine moralische Wochenschrift (1748–50) und Der Mensch, eine moralische Wochenschrift (1751–56). Der Allgemeingültigkeitsanspruch der Titel weist darauf hin, dass das Medium sich völlig aus regionalen Wirkungszusammenhängen befreit hat und nun im universalistischen Diskurs einer umfassenden Aufklärung zu wirken bestrebt ist.
Aufklärungsjournale
Die Moralischen Wochenschriften geben der Lektüre Impulse, führen Autorengruppen zusammen und verbreiten stilistische und inhaltliche Standards in ihrem jeweiligen Wirkungskreis. Die lang anhaltende Wirksamkeit dieser medialen Formate darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass seit den 1730er Jahren alternative periodische Genres auftreten. Folgenreich für die Entwicklung der Literatur sind vor allem allgemeine kulturelle Periodika, die von thematischen Mischungen aus allen Schönen Wissenschaften, Politik und Literatur oder auch von rein literaturbezogenen und literarischen Beiträgen geprägt sein können. Diese Aufklärungsjournale werden meist von meinungsbildenden Gruppen getragen, die ihre kulturelle Politik darin programmatisch vertreten.
Relevant für die Entwicklung der Poetik und der literarischen Praxis sind in dieser Hinsicht zunächst jene Zeitschriften des Gottsched-Kreises, die weder zu den Moralischen Wochenschriften noch zu den neueren Rezensionsjournalen gehören. Eine gelehrte – in heutiger Terminologie wohl ‚literaturwissenschaftliche‘ – Position nehmen darunter die Beyträge Zur Critischen Historie Der Deutschen Sprache, Poesie und Beredsamkeit ein (hrsg. v. Gottsched; 1732–44), später werden sie durch die im Ton populäreren, von Johann Joachim Schwabe (1714–1784) herausgegebenen Belustigungen des Verstandes und des Witzes (1741–45) abgelöst. Typisch für beide Zeitschriften ist, dass sie einen rationalistischen Standpunkt vertreten und unnachgiebig für die Leipziger Schule streiten. Für die jungen Leipziger Adepten der Schönen Literatur hat dies Vorteile, viele der Nachwuchsautoren, vom jungen Kästner bis zu Johann Elias Schlegel (1718–1749), erhalten Gelegenheit, darin mit kürzeren Texten erste literarische Meriten zu erwerben.
Bremer Beiträge
Scharfe Auseinandersetzungen Gottscheds mit Schweizer Theoretikern in Zürich sowie seine Ablehnung empfindsamer Einflüsse führen bald zur Abspaltung neuer Positionen, die zu neuen Zeitschriften anregen. Kritische Autoren verständigen sich auf alternative Standpunkte und schaffen für ihre jeweiligen Gruppen neue Kommunikationsforen. Nachhaltig gewirkt hat unter ihnen vor allem der Freundschaftsbund der ‚Bremer Beiträger‘, benannt nach den Neuen Beyträgen zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes (1744–51). Das Blatt erscheint im Verlag Saurmann, der in Bremen und Leipzig Niederlassungen hat; um die Abgrenzung von der Leipziger Dogmatik offenzulegen, unterzeichnet der Herausgeber die erste Vorrede mit der Ortsangabe ‚Bremen‘. Als Bremer Beiträge wird das Blatt zu einem Gründungsdokument der Empfindsamkeit.
Zunehmend gelten die Periodika gerade für neuartige literarische Konzepte als Premierenforum, die Autoren lassen später die dort veröffentlichten kürzeren Beiträge oder Teilabdrucke in ihre Werksammlungen aufnehmen. Bei den frühen Moralischen Wochenschriften oder den Anfängen der Belustigungen war das noch nicht in demselben hohen Maße üblich wie nach 1745. Dass aber beispielsweise Teile von Klopstocks Messias zuerst in den Bremer Beiträgen und Jahre später erst als eigenständige Buchpublikation vorgelegt werden, ist allen Zeitgenossen geläufig und kann als Vorbild für die zukünftige Publikationspraxis angesehen werden. Sie begründet die Gepflogenheit des heute noch bekannten auszugsweisen Vorabdrucks literarischer Werke als – wie dies im 19. Jahrhundert genannt wurde – ‚Journaldruck‘.
Publizistik der Spätaufklärung
Mit der Durchsetzung einer republikanisch gesonnenen literarischen Öffentlichkeit und der allgemeinen Politisierung der Aufklärung gewinnt die Publizistik immer größere Bedeutung. Die Zahl der Zeitschriftentitel wächst ebenso wie die Auseinandersetzung darum, welcher letztlich gelesen wird und einen gewissen Rang unter den Meinungsführern einnehmen kann. Auch derartige Anerkennungsbestrebungen folgen immer stärker Marktgesetzen. Der Geschmack des Publikums wird auf diesem Weg zu einem der wichtigsten Maßstäbe, dem sich die Herausgeber und Autoren unterwerfen müssen – was Gottsched wenige Jahre zuvor noch nicht in den Sinn gekommen wäre, da er sich als ‚Lehrer‘ des Publikums und nicht als sein Schreibsklave begriffen hat, und was selbst den Schweizern in ihrer poetologischen Orientierung am Publikum wohl zu weit gegangen wäre. Zu weiteren Prüfsteinen für die Marktbehauptung werden Renommée und Finanzkraft des herausgebenden Verlages, was kleineren Häusern Wettbewerbsnachteile auferlegt. Unter diesen Voraussetzungen können sich nur wenige Zeitschriften dauerhaft durchsetzen.
Eine davon – die literaturgeschichtlich nicht mehr allein der Aufklärung zugeordnet wird, publizistikgeschichtlich aber sehr wohl in die spätaufklärerische Zeitschriftenlandschaft gehört – ist der von Christoph Martin Wieland (1733–1813) herausgegebene Teutsche Merkur (1773–89, zunächst vierteljährliche Erscheinungsweise, ab 1775 monatliche; Fortsetzung als Der Neue Teutsche Merkur, 1790–1810). Der schnelle Erfolg macht bald den anfänglichen Selbstverlag überflüssig, ab dem zweiten Jahrgang (1774) tritt der Weimarer Verleger Hofmann in die Verantwortung ein, ab 1785 der in Leipzig aufstrebende erste deutsche Klassikerverleger Göschen. Mit bis dahin unerreichten Auflagenhöhen (1774: 2000 Stück) katapultiert sich der Merkur an die Spitze des Genres. Er druckt literarische Texte ab und fesselt vor allem mit Erstabdrucken einiger Romane Wielands das Publikumsinteresse. Zusätzlich werden – entsprechend dem erklärten französischen Vorbild Mercure de France – weitere unterhaltende Texte geboten, Lieder, Briefe, lyrische Poesie, Sinngedichte und andere. Die Textauswahl durch Herausgeber und Redakteure ist hier nicht mehr an einem einzigen geschlossenen, ausführlich begründeten ästhetischen Programm orientiert, sie berücksichtigt vielmehr die verschiedenen Spielarten der späten Aufklärung nebeneinander und bietet in lebhafter Mannigfaltigkeit jedem Leser etwas.
Diese programmatische Offenheit bietet der Zeitschrift die Option, sich über ihre relativ lange Existenz hin in mehreren Schritten dem jeweiligen Publikumsgeschmack anzuverwandeln, eine Haltung, die sich vom didaktischen Selbstverständnis der früheren Aufklärungsjournale klar unterscheidet. Auch den Weimarer Klassikern, namentlich Schiller, erscheint diese eklektische Konzeption zu wenig stringent, weshalb sie sich an diesem Projekt nicht beteiligen.
Spezialisierung
In einer kurzen Skizze der Aufklärungsliteratur wie der vorliegenden ist kein Raum, weiter auf die fortschreitende Differenzierung der publizistischen Organe einzugehen. Nach etwa 1750 nimmt die thematische Spezialisierung der Zeitschriften insgesamt zu und sie vertreten neben literarischen Sujets besondere inhaltliche Schwerpunkte oder formieren sich als kommende Fachorgane – z. B. für Literaturkritik, nützliche und technische Informationen, naturwissenschaftliche Entdeckungen oder anderes.
Als Beispiel für die Verbindung von literarischen und populär-fachlichen Interessen sei das von Georg Christoph Lichtenberg und Georg Forster gemeinsam herausgegebene Göttingisches Magazin der Wissenschaften und der Litteratur (1780–83) erwähnt. Diese Zeitschrift beschränkt sich auf literarischen und naturwissenschaftlichen Inhalt, die praxisorientierten Allerweltsnachrichten sowie politische Beiträge der größeren Blätter werden nicht imitiert. Das Magazin muss sein Erscheinen im Laufe des vierten Jahrganges einstellen, da es sich mit seinem anspruchsvollen Inhalt und Stil nicht gegen die zahllose populärere Konkurrenz behaupten kann.
Literaturkritik
Während die textuellen Muster der periodischen Presse einerseits den „Rezeptionsstil der ‚Mittelclasse‘“ prägen (Ungern-Sternberg 1980, 142), tragen dieselben Medien andererseits durch ihren Inhalt zur Kanonselektion bei. Erstmals entsteht hier eine Literaturkritik, die dem Publikum regelmäßig Neuerscheinungen und Klassiker nahebringt. Zu Beginn ist sie einer rigiden poetologischen Programmatik verpflichtet und steht im Dienste einer vernunftgeleiteten Literaturdidaktik. Sie wirkt auf diese Weise an jenen Strategien mit, die eine zeitgemäße deutschsprachige Literatur überhaupt erst breitenwirksam institutionalisieren und somit Leibnizens oder Thomasii Forderung nach deutschen Werken Nachdruck verschaffen.
Gelehrter Diskurs
Diese Kritik versteht sich anfänglich als Diskussionsforum innerhalb der Gelehrtenrepublik, was ihr Selbstverständnis entscheidend prägt; Rezensionen dienen weder der Herabsetzung noch einer überdurchschnittlichen Anerkennung von Autoren, sondern einzig der unpersönlichen sachbezogenen Darstellung.
Anonymität
Dieses Ideal distanzierter Objektivität wirkt so stark, dass Rezensenten nicht einmal ihre Identität preisgeben dürfen, um nicht durch die Bekanntheit ihrer Person womöglich Einfluss zu nehmen. Rezensionen erscheinen anonym und die Redaktionen wachen ängstlich darüber, dass die Anonymität auch gewahrt wird. So kommt es, dass oft nicht einmal gute Freunde – wie zum Beispiel Lessing und Mendelssohn – voneinander wissen, was der andere rezensiert hat. Wenn aber die Anonymität durch Indiskretion gelüftet wird, reagiert der Rezensent selbst darauf oft verärgert, weil er den Vorwurf fürchten muss, an der Lüftung des Inkognito selbst mitgewirkt zu haben.
Ein bekanntes Beispiel bietet die Rezensionszeitschrift Bibliothek der Schönen Wissenschaften und der freyen Künste, die Nicolai mit Mendelssohn ab 1756 gemeinsam anonym herausgibt. Da die erste Lieferung besten Erfolg hat, gibt Lessing, der eingeweiht ist, gegenüber dem sächsischen Professor Gellert zu erkennen, wer die Verfasser und Herausgeber seien. Wenige Tage nach diesem Durchsickern erhält Nicolai vom sächsischen Universitätsbeauftragten Graf Brühl ein lobendes Schreiben über die Bibliothek; die Indiskretion hat also scheinbar nur positive Folgen. Nicolai jedoch sieht das anders, er beklagt sich bitter bei Lessing:
Ich bin sehr übel mit Ihnen zufrieden, daß Sie es an Prof. Gellert gesagt haben, daß ich der Verfasser der Bibliothek bin; es kann sonst niemand verraten haben, denn es weiß es sonst niemand. […] Ich kann es Ihnen nicht vergeben, daß Sie mich verrathen haben […] Ich wollte ganz frey schreiben können, und deswegen gänzlich unbekannt seyn. Ich kann nichts mehr als Sie bitten, mich nicht weiter zu verrathen. Dies ist einer der wesentlichsten Dienste, den Sie mir erzeigen können. (Nicolai an Lessing vom 31. 8. 1756; in: Lessing 1970 IV, 155)
Lessing kann sich unter diesen Hieben nur ducken, er versucht nicht einmal, sich zu rechtfertigen. Die Anonymität ist ein fast heiliges Gut, damit „der Recensent, der sich nicht nennt, blos Eine Stimme aus dem Publicum“ (Anon. 1784) bleiben könne und nicht durch seinen Namen einer Seilschaft oder einer Schule zugeordnet werde.
Grundsätze
Auch darüber hinaus tradieren sich einige Verhaltensgrundsätze seit dem Zeitalter der frühen Moralischen Wochenschriften bis ins nachfolgende Jahrhundert hinein. Die wichtigsten Leitsätze stellt Gottsched 1726 in einem kurzen Aufsatz über die ‚Kunstrichter‘ – was in diesem Zusammenhang konkret als ‚Rezensent‘ zu verstehen ist – zusammen:
Ich will die Regeln […] hier kurz zusammen fassen, und sie künftigen Kunstrichtern zur Warnung mittheilen.
I. Sie müssen nicht auf eine grobe Art die Personen antasten, sondern dieselben so
viel möglich schonen, und bloß von der Sache handeln.
II. Sie müssen nicht schimpfliche Namen austheilen, oder einen überhaupt verdammen;
weil kein Buch so schlecht ist, darinn nicht etwas gutes zu finden wäre.
III. Sie müssen selbst eine Einsicht in die beurtheilten Sachen haben, ja dieselbe
auch in ihrem Urtheile zeigen; oder wohl gar schon sonst ihrer Verdienste wegen
darinnen bekannt seyn.
IV. Sie müssen durch gute Auszüge aus den Schriften den Leser selbst in den Stand
setzen, zu urtheilen, ob das Werk tauge oder nicht; nicht aber ihre Machtsprüche
der Welt aufdringen.
V. Spöttereyen beweisen nichts. Sie verrathen nur ein übelgesinntes, ja wohl gar
boshaftes Gemüth. Uebrigens kann oft aus der bestern Schrift etwas verdrehet und
verspottet werden.
VI. Man muß bekannte critische Regeln anführen, die anstatt der Gesetze dienen
können, wornach man Urtheile spricht. Die gesunde Vernunft muß dieselben vorlängst
bestätiget haben.
VII. Ganz elende Werke sind nicht werth, öffentlich beurtheilet zu werden. Ein
Buch muß schon sehr gut seyn, daran es sich der Mühe verlohnet, einen Fehler anzumerken.
VIII. Wowider gewisse Rotten das größte Geschrey anheben, das müssen gewiß vortreffliche
Sachen seyn. Wider die größten Männer hat man insgemein das größte
Lermen angehoben. (Phyllis [d. i. Gottsched] 1748, 136)
Öffentlicher Diskurs
Erst nach 1750 öffnet sich die Literaturkritik schrittweise den marktspezifischen Erfordernissen und dem weiter gefassten öffentlichen Diskurs (vgl. Baasner in: Anz/Baasner 2004). Zu diesem Zeitpunkt wandelt sich neben der theoretisch-konzeptionellen Begründung auch die publizistische Verfahrensweise: Während die auf explizite Normen zurückgreifenden Gelehrten die Verpflichtung haben, die akademische Perspektive zu vermitteln, werden die ‚selbstdenkenden‘ Kritiker eher zu intellektuellen Begleitern der Werke und Rezeptionsvorgänge im öffentlichen Diskurs. Sie empfinden immer weniger einen akademisch grundierten Auftrag zur Belehrung, sondern widmen sich stattdessen der Herausbildung eines allgemeineren Publikumsgeschmacks, der von einer Art allgemeinmenschlichem Anspruch auf Literatur ausgeht. Sie stellen sich beim Zwiegespräch der Literatur gegenüber, begreifen sich nicht mehr automatisch als deren ergänzenden Bestandteil, sondern bestehen als etwas Abgetrenntes; Literaturkritik verselbständigt sich als Handlungsfeld. Nach 1760 schließen sich immer mehr Kritiker der Genieästhetik an, die die ursprünglichen Kräfte des genialen Poeten stärker beachtet und bewertet wissen will. Dies gilt wohlgemerkt bei fortbestehender Anerkennung notwendiger Normierung, Lessings Diktum „Man kannte keine Regeln; man bekümmerte sich um keine Muster“ drückt noch im 17. Literaturbrief (zit. nach Lessing 1970 V, 71) echte Besorgnis darüber aus, wie Literatur ohne Normierung gelingen solle.
Medien der Kritik
Die Literaturkritik der Aufklärungsepoche ist, wie sich gezeigt hat, in der breiten Entfaltung der Zeitungs- und Zeitschriftenliteratur medial verankert. Die Blätter geben in der Regel mehreren Standpunkten Raum, erst als die Konkurrenz der Literaturströmungen heftiger wird, treten einzelne Periodika explizit als ‚aufklärerisch‘ im guten wie im schlechten Sinne hervor. Die wichtigste Rolle hierbei spielt Friedrich Nicolais Allgemeine Deutsche Bibliothek (ADB, 1765–1806, ab 1793 als Neue […] ADB), sie ist das Sprachrohr einer Berliner Spätaufklärung, die sich den neu auftauchenden Strömungen des Sturm und Drang, der Klassik und der Romantik entgegenstemmt – und darin durch viele ungünstige Äußerungen einen mitunter rückständigen Eindruck hinterlässt. Nicht nur der Spott der Xenien spiegelt die zunehmende bornierte Einseitigkeit, für die der Name des Herausgebers Nicolai als Chiffre einsteht.
Stil der Kritik
Stilistisch präsentiert die Kritik in der Aufklärungsepoche große Vielfalt, ohne jedoch einen dominierenden Epochenstil auszubilden. Vielmehr erproben die Kritiker im Rahmen der medienadäquaten Textsorten bereits jene Spielarten, die später immer wieder aufgegriffen werden. Tendenziell geht es in Moralischen Wochenschriften ausführlich didaktisch zu, in Gelehrten Journalen referierend ohne harte Bewertungen, in Zeitungen informativ mit allgemeinbildendem Anspruch. Da sich zwischen 1730 und 1790 die Sprachverwendung im Deutschen erheblich verfeinert, profitiert auch die Literaturkritik von diesem Fortschritt.
Polemik
Rezensionen verlassen nur zögernd den umständlichen Duktus der gelehrten Rede und nähern sich nach 1750 versuchsweise einer unterhaltenden, prägnanten, mitunter polemischen Schreibweise an. Als Polemiker wird vor allem Lessing schnell bekannt, der mit aggressiven, witzigen Formulierungen von der sachlichen Diskussion abweicht und damit die Auseinandersetztung gezielt zuspitzt und polarisiert. Berühmt sind einige seiner Sätze aus der Auseinandersetzung mit Gottsched, so der Anfangspassus aus dem 17. Literaturbrief:
„Niemand, sagen die Verfasser der Bibliothek [der schönen Wissenschaften und der freyen Künste], wird leugnen, daß die deutsche Schaubühne einen großen Theil ihrer ersten Verbesserung dem Herrn Professer Gottsched zu danken habe.“
Ich bin dieser Niemand; ich leugne es gerade zu. Es wäre zu wünschen, daß sich Herr Gottsched niemals mit dem Theater vermengt hätte. Seine vermeinten Verbesserungen betreffen entweder entbehrliche Kleinigkeiten, oder sind wahre Verschlimmerungen. (Lessing 1970 V, 70)
Dass Rezensionen in Form von Briefen veröffentlicht werden, ist im Aufklärungszeitalter keine Seltenheit. Auch andere Aufsätze bedienen sich, vor allem in der periodischen Presse, der Briefform. Es mag sein, dass der eine oder der andere dieser Briefe tatsächlich einmal als persönliches Schreiben an einen Empfänger abgesandt worden ist, in aller Regel jedoch handelt es sich um fiktive Briefe. Die Fiktion hat das Ziel, den Charakter einer öffentlichen Diskussion auch im unmittelbaren Sprachgestus der gedruckten Texte aufzugreifen: Indem eine persönliche Stellungnahme vorgegeben wird, erscheint der Prozess der Partizipation an der abdruckenden Zeitschrift lebendiger und aktueller. Zugleich fordert die individualisierte Perspektive die Leserschaft auf, sich ihrerseits mit Briefen an der Diskussion zu beteiligen. Diese Absicht steht in direkter Verbindung mit der Entwicklung des Briefes als wirklicher Gebrauchsform der bürgerlichen Kommunikation.
Brieflehre
Kurz vor 1700 nimmt die Verbreitung privater Briefe im deutschsprachigen Raum zu. Dies ist Ausdruck wachsenden Kommunikationsbedarfs und einer progressiven Verschriftlichungstendenz; die Entwicklung wird einerseits angeregt durch frühe Popularisatoren der Brieflehre wie Christian Weise (1642–1708; vgl. Brüggemann 1971), andererseits technisch ermöglicht durch die logistische Basis einsetzender Postgründungen (vgl. Glaser 1990; North 1984). Das Fortschreiten dieses Prozesses ist durch eine sprunghaft ansteigende epistolographische Literatur in den folgenden Dekaden ebenso markiert wie durch eine kontinuierliche Zunahme des tatsächlichen Postaufkommens.
Privatbrief
Die Formationsphase des Privatbriefes als vielfältig verwendbarem Kommunikationsträger ist generell an eine allgemeine Schriftpopularisierung geknüpft, die Korrespondentenkreise wachsen dabei annähernd parallel zur Leserschaft gedruckter Literatur. Nicht jeder, der liest, schreibt auch, aber wer schreibt, lernt dies an Briefen. Briefe seien ein ideales Kommunikationsmittel, um über räumliche Trennung hinweg ‚Gespräche‘ zu führen, so lautet einer der gängigen Topoi der Zeit.
Schreibdidaktik
Im Jahre 1725 wird diese Situation auch in der Moralischen Wochenschrift Die vernünftigen Tadlerinnen (vgl. Calliste 1748) diskutiert. Der Beitrag demonstriert die Vorzüge einer Verschriftlichung von Kommunikation am Beispiel des Briefes; mit dem Liebesbrief behandelt der Artikel jene Briefsorte als Beispiel, die den Mittelpunkt der bis dahin vorherrschenden, aus dem Barock herstammenden galanten Briefkultur bildet. Den galanten Stil jedoch zurückzuweisen und durch einen vernunftgeleiteten zu ersetzen, ist eines der herausragenden Anliegen der Epistolographie des 18. Jahrhunderts. Die Didaktik der Aufklärung bemüht sich in kulturtheoretischen Zeitschriftenbeiträgen, handbuchartigen Briefstellern und Mustersammlungen um die Verbreitung des Briefs zu nützlichen und moralisch einwandfreien Zwecken. Dabei erscheint die Erregung von Affekten fragwürdig, obwohl affektive Ansprache unter den Gesichtspunkten einer erfolgversprechenden Kommunikation durchaus gewährleistet sein muss, „wenn unsere Briefe gefallen, rühren und ihre gehörige Wirkung auf das Herz des andern thun sollen.“ (Wagner 1767, 94f.) Angestrebt wird aber hauptsächlich eine sachliche Kommunikation in sozial angemessener niederer Stillage. Der Brief steht zunächst nicht im Zusammenhang literarischer Sprache sondern der Welterschließung. Die Welt, so kann das Publikum folgern, reicht weiter, als irgendeiner von uns je gekommen ist, und selbst über die – sozialen, ökonomischen, politischen – Grenzen hinweg vermag der Brief als Medium zu gelangen.
Verschriftlichung
Aus der Sicht der Briefsteller-Literatur ist Korrespondenz kein Zeitvertreib und erst recht kein Akt der Neigung. Stattdessen wird Briefeschreiben in der didaktischen Literatur als Notwendigkeit vorgeführt. Das klingt nach sparsamer Korrespondenz, doch selbst nur dann zu schreiben, wenn es unumgänglich ist, stellt hohe Anforderungen an die Schreibkompetenz, denen größere Teile der Bevölkerung im 18. Jahrhundert noch längst nicht gewachsen sind. Diese ‚Ungeübten‘ kämen nie, so steht es zwischen den Zeilen der Briefsteller, auf den Gedanken, aus freien Stücken und ohne drängenden Anlass das Briefeschreiben lernen zu wollen. Briefsteller widmen sich mehrheitlich genau dieser Gelenkstelle zwischen mangelnder Fertigkeit und gegebenem Zwang, die für viele den Zugangspunkt zur Schriftkultur bildet. Auf die frei gewählte und oft geradezu spielerisch akzentuierte Epistolarkultur der Gelehrten und Gebildeten haben sie weitaus weniger Einfluss.
Als Vorbild dient die mündliche Kommunikation, mit der sich auch Schreibunkundige vertraut fühlen können. Zwei grundlegende Modelle werden dafür in Betracht gezogen, die einseitige ‚Rede‘, die der erst- oder einmaligen Darstellungen eines Anliegens dient, oder die wechselseitige ‚Unterredung‘, worin bereits die Korrespondenz als Abfolge von Anschreiben und Antwort zum Normalfall erhoben wird. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts allerdings setzt sich zunächst jene Formel durch, die den Brief definiert als ‚Gespräch unter Abwesenden‘. Die Analogie mit dem mündlichen Gespräch wird unter Berufung auf die antike Brieflehre angeführt und zielt, wie diese schon, vom ersten Augenblick an auf eine bloß oberflächliche Ähnlichkeit, die im Übergang zur neuzeitlichen Schrift eigene neue Ausdrucksweisen hervorbringt. Dies geschieht allerdings schrittweise und oft unausgesprochen, so dass an der Oberfläche der Topos von der Gesprächsähnlichkeit in alter Form seine Geltung behält.
Mündlichkeit
Die Stilhöhe des Brieftextes wird an der der Umgangssprache gemessen. Die traditionelle Abstufung der rhetorischen Wertigkeit zwischen mündlicher und schriftlicher Kultur führt dazu, dass die Stilebene des ‚Briefgesprächs‘ aus der Sicht des Mündlichen vergleichsweise höher eingeschätzt wird als aus der des Schriftlichen. Deshalb wird zeitgenössisch auch die Abkehr von der Mündlichkeit nicht als Verlust gewertet, sondern im Gegenzug Schriftlichkeit als Steigerung, als unbedingter Gewinn. Zwar bietet die Umgangssprache das Vorbild, doch wird sie schriftlich bloß nachgeahmt, das heißt, für die schriftliche Kommunikation verbessernd nachgebildet. „Ein Brief ist kein ordentliches Gespräch; es wird also in einem Briefe nicht alles erlaubt seyn, was im Umgange erlaubt ist.“ (Gellert 1751, 3) Eine der Optionen für die Nachbesserung liegt in der großzügiger bemessenen Vorbereitungszeit, die das Schreiben bietet.
Die frühe epistolographische Literatur wirkt in mancher Hinsicht widersprüchlich, weil sie bei der Beschreibung des erneuerten Mediums Brief eine große Bandbreite von Interessen zu integrieren hat. Sie bleibt anschließend, nachdem sie dem konstitutiven Diskurs des Mediums ihren nachhaltigen Anstoß gegeben hat, nicht auf der Höhe der praktischen Entwicklungen. Die Anpassungsfähigkeit des Mediums, dessen Formate variierenden kommunikativen Funktionen problemlos folgen, lässt die mediale Praxis schnell über die didaktischen Konzepte hinauswachsen. Es ist in der Mitte des 18. Jahrhunderts nicht mehr nötig, dass ein Briefsteller sein Basisprogramm folgendermaßen vor individualistischeren Schreibpraxen in Schutz nimmt: „Ich weiß wohl, daß es noch mehr Arten zu disponiren giebt, will auch niemand, der geübtere Sinnen hat, hieran binden […]“ (Krahe 1745, 11). Längst schreibt, wer dazu die Fähigkeiten besitzt, nach eigenem Gutdünken. Die Kluft zwischen didaktischen Programmen und dem Korpus der wirklichen Briefe ist seit 1700 evident und vergrößert sich gegen Ende des Jahrhunderts immer rascher. Nicht einmal Briefsteller-Autoren versuchen sie zu kaschieren, denn die von ihnen publizierten Beispiele stehen selten in einem erkennbaren Zusammenhang mit den Regeln aus ihren Anleitungstexten, so dass „die beigefügten Musterbriefe oft nichts von ihren theoretischen Vorgaben in die Praxis umsetzen“ (Anton 1995, 11).
Im Kontext der Empfindsamkeit erweist sich der private Brief als außerordentlich fruchtbar auch für die Literatur. Die kommunikativen Muster der freundschaftlichen und zärtlichen Zuneigung werden in empfindungsvollen Briefen entwickelt und ausgefaltet. Dabei entstehen zugleich Darstellungsstrategien für ‚Ich-Konzepte‘ eines empfindsamen Selbstverständnisses der Individuen (vgl. Anton 1995). Die Perspektiven des Selbst sowie die Sprache der empfindsamen Zuneigung, die hier entstehen, liefern die Grundlagen für literarische Prosa, vor allem für den Briefroman, wie er in Gellerts Schwedischer Gräfin oder Sophie von LaRoches Geschichte des Fräuleins von Sternheim zur Blüte kommt. Diese stilistische Richtung wird stärker als andere von Frauen mitgeprägt, die im Briefgenre eine Nische finden, welche dem an ein Verbot grenzenden Ausschluss weiblicher Akteure aus der literarischen Welt entzogen bleibt. Auch in Briefwechseln mit Schriftstellern treten weibliche Schreiberinnen als empfindsame ‚Musen‘ auf, so etwa einige von Gellerts Schülerinnen in der Korrespondenz mit ihrem Meister (vgl. Nörtemann 1991).
Lexikonwesen
Während die Blüte der Gattung Brief die Herausbildung kommunikativer Individualität und Subjektivität dokumentiert, dienen andere nicht genuin literarische Textformen in entgegengesetztem Sinne der Objektivierung von Meinungen und Wissen. Die Aufklärung ist das Zeitalter des Lexikons, namentlich der Enzyklopädie, in denen das neue Wissen in übersichtlicher Weise zugänglich gemacht wird. Die Zunahme an Wissen macht dabei immer größere Nachschlagewerke erforderlich, zumal die Verbreitung von Wissensanforderungen es nahelegt, dass auch außerhalb der Universitäten und Akademien archiviertes Wissen verfügbar gehalten wird. Die Folge sind unterschiedliche Konzepte: populäre auf der einen und umfassend wissenschaftliche Nachschlagewerke auf der anderen Seite. Sie entwickeln sich zu einer eigenen Gattung der Sachliteratur, die bis heute weitgehend auf den im 18. Jahrhundert perfektionierten Prinzipien beruht.
Der Ursprung des Lexikonwesens orientiert sich im 17. Jahrhundert noch am Ideal der Polyhistorie; dort geht es darum, möglichst viele Fakten des historischen Wissens nebeneinander aufzuführen. Diese Struktur der unverbundenen, nebeneinander stehenden und durch kanonische Autoritäten verbürgten Wissenselemente wird in der Aufklärung kritisiert, und das Wissen einer systematischeren Betrachtung und Prüfung unterworfen. Durch diese methodische Revision verlieren die Lexika den älteren Charakter der Kuriositätensammlungen und werden zu einer Leitgattung der systematischen Welterschließung.
Pierre Bayles vierteiliges Dictionnaire historique et critique (1697; Übersetzung von Johann Christoph Gottsched und seiner Frau als Herrn Peter Baylens […] Historisches und Critisches Wörterbuch; 1741–44) ist eines der ersten Lexika der Aufklärung, das die dezidiert kritische Methode anwendet. Es stellt das gängige Wissen aus den Literaturen, Religionen, Philosophien und Mythologien zusammen und prüft es durch einen kritischen Vergleich der Überlieferungsquellen. Gleichzeitig entmystifiziert es die alten, tradierten Stoffe, indem es sie im skeptischen Ton zusammenfasst. Die beständigen Fragen des Aufklärers: ‚Ist der überlieferte Sachverhalt überhaupt plausibel? Ist er natürlich, vernünftig und nachprüfbar?‘ leiten als Kommentar zwischen den Zeilen die Wahrnehmung des Lesers. Der Verfasser ist beständiger Verfolgung durch die Zensur ausgesetzt, er muss aus seiner französischen Heimat fliehen und arbeitet in den liberaleren Niederlanden. Gottsched geht in seiner Übersetzung des Dictionnaire nicht einmal das Risiko ein, Bayles kritische Methode vollständig zu übernehmen. Ihn schrecken all die Textstellen, die die griechische Mythologie, Kirchenväter und sonstige Säulen der Gelehrsamkeit verächtlich machen. Schon Gottscheds Titelblatt distanziert sich und verspricht entschärfende Anmerkungen „sonderlich bey anstößigen Stellen“.
Zu den populären Lexika im deutschen Sprachraum gehören vor allem kleinere, darunter Johannes Hübners (1668–1732) Reales Staats-Zeitungs-und Conversationslexikon […], das erstmals 1709 erscheint und das im Laufe des 18. Jahrhunderts so viele erweiterte Neuauflagen erfährt, dass die letzte nichts mehr mit der Urfassung gemein hat. Wie der Name andeutet, soll es die Bürger in den Stand versetzen, die politische und geographische Terminologie der Zeitungsnachrichten zu verstehen. Einen zweiten Teil legt der Herausgeber vor unter dem Titel Curieuses und reales Natur- Kunst-Berg- Gewerck- und Handlungslexikon.
Die große Enzyklopädie der deutschen Aufklärung ist Johann Heinrich Zedlers Großes vollständiges Universal-Lexikon (64 Bände und 4 Supplementbände; 1732–54). Dieses Werk weist noch Züge der historischen Stoffsammlung auf, enthält in vielen Artikeln aber auch schon kritische Betrachtungen. Die aufklärerische Tendenz verstärkt sich mit den späteren Bänden deutlich; generell kann Zedlers Lexikon als die Kodifizierung der Positionen der Leibniz-Wolffschen Schulphilosophie gelten; in dieser Funktion dient es der Aufklärungsforschung seit vielen Jahren als wichtigstes Kommentarwerk zum zeitgenössischen Wissen (vgl. u. a. Bogner 1999).
Alle Lexika aber werden von einem Projekt der Spätaufklärung in den Schatten gestellt, das als Symbol aufklärerischen Systematisierungswillens überhaupt gelten kann: die Encyclopédie von Denis Diderot (1713–1784) und Jean le Rond d’Alembert (1717–1783). Sie erscheint erstmals 1752– 1772, doch folgen schon bald überarbeitete Neuauflagen. Die Encyclopédie in französischer Sprache bildet eine Position aus, die von religions-und absolutismuskritischen Meinungen geprägt ist: Die große Zahl der mitwirkenden Autoren versteht sich als oppositionelle Gruppe der ‚Enzyklopädisten‘. Dies ist ein Ehrentitel unter Aufklärern und ein beständiger Anlass zur strengsten Aufsicht der Zensurbehörde. Die Encyclopédie kann als das ökonomisch erfolgreichste Buchprojekt der gesamten Aufklärung gelten.
Reiseliteratur
Eine spezielle Ausprägung der Gebrauchsschriften ist den aufkommenden Reisen gewidmet. Die Siedlungsbewegungen im 18. Jahrhundert erzeugen soziale und räumliche Mobilität, aber auch Waren- und Wissensaustausch geschieht im 18. Jahrhundert zunehmend über größere Strecken hinweg. Im Rahmen der europäischen Aufklärungsbewegungen kommen innereuropäische Verbindungen zustande, zugleich werden die Verbindungen zu den außereuropäischen Territorien regelmäßig verbessert. Auf das – von Europa aus gesehen – ‚Zeitalter der Entdeckungen‘ folgt die nachhaltige Institutionalisierung weltumspannender Verkehrswege. Transport und Reisen prägen das Bewusstsein vieler Zeitgenossen, sie vermitteln eine konkrete Vorstellung von Distanzen und Zeiträumen, die sie in Alltagsüberlegungen und die Grundlagen des Weltbildes allgemein einbringen. Die Ferne ist nicht mehr nur das Rätselhafte, Exotisch-Bedrohliche – wie noch im Bild der fremden Länder in Abenteuerromanen –, sondern eine kalkulierbare Größe, die als Faktor in Politik, Handel, Wissenschaft und Kunst eine Rolle zu spielen beginnt. Den frühen Fluchtpunkt dieser Denkweise bildet die Besitznahme Amerikas durch Columbus 1492, ein Datum, das auch im 18. Jahrhundert immer noch als einschneidend gilt.
Straßenbau
Straßen und Wege werden in den deutschen Territorien erst nach und nach befestigt und verbreitert, ohne zentrale Staatsgewalt mit einem Interesse an schnellen Verbindungen in die Provinz – wie in Frankreich – dauert dieser Prozess der Streckenverbesserung lange. Ein entscheidendes Problem ist die Unsicherheit der Straßen, Überfälle und Plünderung verunglückter Fuhrwerke sind an der Tagesordnung – und werden in der Literatur zu einem durchgängigen Motiv. Doch auch sonst werden die Ferne, der Weg dorthin und seine Bewältigung umfassend literarisiert. Durch die Reiselust der Aufklärer gewinnt eine ganze Gattung Reiseliteratur an Bedeutung, die sowohl der Vermittlung von sachlichen Informationen als auch dem Nachdenken und Nachempfinden der Reiseerlebnisse dient. Reisen kommt hier zur Geltung als aufklärerische Handlung par excellence, die auch die Selbsterkenntnis anregt.
Reisehandbuch
Die zunehmende Mobilität des Jahrhunderts sowie das Interesse für fremde Länder finden ihren Niederschlag in einer eigenen prosaischen Gattung, der Gebrauchsform der Reiseliteratur. Sie kann untergliedert werden nach Ratgebern und Anleitungen zum Reisen (so genannte Apodemiken), Reiseführern für bestimmte Regionen und einer Flut von Berichten über tatsächlich stattgehabte Reisen. Die Reiseliteratur berücksichtigt einerseits konventionelle Reiseanlässe (Kavalierstour der jungen adligen Herren, Studienreise der bürgerlichen Gelehrten etc.), großes Interesse finden aber auch die Darstellungen des Außergewöhnlichen und Abgelegenen, die das Bedürfnis, unerreichbare Länder bereisen zu wollen, kompensieren.
Reisebericht
Viele Reiseberichte können als Seitenstück zur Schönen Literatur angesehen werden; sie bewegen sich oft zwischen Faktentreue und Fiktion und haben eine gewisse Verwandtschaft mit dem Reiseroman. Die Grenze vom Beobachteten zum Ausgedachten kann in Reiseberichten fließen, die subjektive Färbung des Geschilderten erschwert eine Überprüfung auf Faktentreue ohnehin. Selbst der vermeintlich sachlichste Reisebericht ist durch die Augen des Autors geprägt, dessen subjektive Komponente das Gesehene überformt. Trotzdem bewährt sich im 18. Jahrhundert auch eine Ausprägung von objektiviertem Reisebericht, die zunächst als aktuelle und zuverlässige Auskunftsquelle über die beschriebene Region genutzt wird. Reiseberichte verlieren erst ihre vorrangige Bestimmung als Informationsmedien über fremde und exotische Regionen, als geographische Fachliteratur aufkommt, die auf politische und ökonomische Aktualität anstatt auf topographische Beschreibung bedacht ist (berühmtes und meistgelesenes Beispiel in Deutschland: Anton Friedrich Büschings Neue Erdbeschreibung 1754ff.).
Reiseberichte vermitteln Erfahrungen aus verschiedensten Gegenden, ihr Erfolg ist an das wissenschaftliche, empirische Weltbild der Aufklärung gebunden. Zum Gegenstandsbereich gehört alles, was beobachtet werden kann: topographische und mineralogische Einzelheiten, politische, ökonomische, religiöse und allgemein kulturelle Merkmale (Bauwerke, Museen, Bräuche), weiterhin die spezifischen Bedingungen des Reisens, der Zustand der Verkehrswege und anderes. Im Vergleich mit dem Fremden lernt das Publikum auch das Eigene kennen, die Einsicht, dass Menschen auch unter ganz anderen als den zu Hause herrschenden Umständen leben können, eröffnet eine distanziertere Perspektive auf das Vertraute, scheinbar Selbstverständliche. Das mag in einem Vergleich mit den – meist neidisch betrachteten – französischen Zuständen beginnen, kulminiert aber vor allem in der Konfrontation mit den Eingeborenen-Stämmen der Südsee. In deren vermeintlich naturbelassenem Zustand entdecken die Europäer eine nicht-entfremdete Kultur als Ideal ihrer eigenen Vergangenheit und als Muster ursprünglicher, schöpferischer Menschenexistenz. Solches Interesse trägt unter anderem zum großen Erfolg von Georg Forsters Expeditionsbericht Reise um die Welt (engl. 1777, dt. 1778–80) bei. Auch in den sagenumwobenen Indianern Amerikas sehen viele – angeregt durch die Theorien Jean Jacques Rousseaus – die noch unverdorbenen ‚guten Wilden‘. Für solche Leitbilder wären gar keine weiten Reisen erforderlich; Haller schildert in Die Alpen auch die heimische ‚gute‘ Landbevölkerung der Schweizer Berge als unverdorbenes Vorbild.
Unabhängig von den Reisedestinationen entstehen Reiseberichte, die unterschiedliche Informationsziele verfolgen: erstens statistische Grundlagen (Beispiel: Friedrich Nicolais Beschreibung einer Reise durch Deutschland und die Schweiz im Jahre 1781; 12 Bde. 1783–96); zweitens Politik und ihre kritische Kommentierung (Beispiel: Georg Forsters Ansichten vom Niederrhein, von Brabant, Flandern, Holland, England und Frankreich, im April, Mai und Junius 1790; 1791); zur Zeit der Französischen Revolution steigert sich der politische Reisebericht zu einer Welle freiheitlich-demokratischen Schrifttums. Nicht nur in Frankreich-Reiseberichten und anderen nutzen die Autoren die Möglichkeit, in fachlichem Zusammenhang die politischen Zustände zu reflektieren; etwas, das die Zensur als eigenständiges Thema kaum zulässt und das deshalb im Kontext eines Reiseberichtes abgehandelt werden muss. Drittens der empfindsame Reisebericht: Neben das Interesse an harten Fakten tritt unter empfindsamem Einfluss auch soziales, karitatives Interesse. Entsprechende Reiseberichte berücksichtigen gleichermaßen Herz und Verstand, sie widmen sich auch dem Gefühl für die Natur. Ein Beispiel bieten die Reiseberichte Sophie von LaRoches (Tagebuch einer Reise durch die Schweiz, 1787; Journal einer Reise durch Frankreich, 1787); sie richtet ihr Augenmerk nicht nur auf die Sehenswürdigkeiten, wie sie allen Touristen wichtig sind (wissenschaftliche und künstlerische Sammlungen, Schlösser, herausragende Kirchen, seltene Naturschauspiele), sondern besichtigt den Alltag und die Lebensbedingungen der gewöhnlichen Leute.
Dem deutschen Publikum werden nicht nur die Eindrücke deutscher Reisenden bekannt; Übersetzungen machen die international erfolgreichsten Reiseberichte zugänglich, Bearbeitungen für die Jugend integrieren sie in den allgemein verbreiteten Wissensstoff (z. B. Campes: Sammlung merkwürdiger Reisebeschreibungen für die Jugend, 1786–93 und weitere Fortsetzungen). Die wenigen großen Expeditionen und Entdeckungsreisen, die im 18. Jahrhundert noch stattfinden (Südsee, Sibirien, arktische und antarktische Seewege), haben keine deutsche Beteiligung. Die deutschen Fürsten sind relativ zu arm und zu wenig an wissenschaftlichen Erkenntnissen interessiert. Vater und Sohn Forster gehören zu den wenigen Privilegierten, die selbst an einer bedeutenden Expedition im Auftrag der britischen Admiralität teilgenommen haben, ihr Reisebericht genießt deshalb besonders hohes Ansehen.
Ein großangelegtes Fortsetzungswerk, das einen Überblick über die Geschichte der Reisen vermittelt, gibt Johann Joachim Schwabe in Leipzig heraus. Darin werden viele Reiseberichte erstmalig in deutscher Übersetzung (oft allerdings nur in Auszügen) geboten: Allgemeine Historie der Reisen zu Wasser und zu Land. Oder Sammlungen aller Reisebeschreibungen, welche bis itzo in verschiedenen Sprachen von allen Völkern herausgegeben worden (1747–74).