4.10 Der Titel

Seit es Filme gibt, gibt es auch die Schrift im Film. In der Stummfilmzeit wurde sie vor allen Dingen dafür eingesetzt, dem Zuschauer den Dialog zu vermitteln, den man ja nicht hören konnte. Doch auch, wenn wir schon lange im Tonfilm-Zeitalter leben, hat die Schrift im Film durchaus noch ihre Bedeutung, wenn es darum geht, dem Zuschauer bestimmte Inhalte deutlich zu machen. Titel stehen nicht nur zu Beginn eines jeden Spielfilms und haben sich, denkt man vor allem an die James-Bond-Filme, zu einer eigenen Kunstform entwickelt.

Titel gehören zum Film. Da es aber durchaus auch Ausnahmen gibt, die natürlich wieder die Regel bestätigen, macht es Sinn, ihren Einsatz, ihre Funktionsweise und verschiedene Arten genauer unter die Lupe zu nehmen.

4_31.jpg

Abb. 4.31 Mit jeder beliebigen Schnitt-Software lassen sich Titel in allen denkbaren Variationen einblenden. Welche Sie brauchen, entscheiden das Thema des Films und letztendlich Sie selbst. Meistens gilt jedoch: Weniger ist mehr.

Der Name des Films

Wenn Sie sich die Mühe machen, Ihrem Film einen Namen zu geben, sollten Sie sich auch überlegen, wie Sie diesen präsentieren. Das klingt banal, ist aber etwas, was sich vor allem im Kinofilm in den letzten Jahrzehnten sehr gewandelt hat. Dienten früher einfache abgefilmte Texttafeln der Darstellung von Titeln, werden sie heute häufig durch aufwendige Animationen ersetzt. Aber schon in der Mitte des vorigen Jahrhunderts suchte man nach anderen kreativeren Ausdrucksformen im Titel. Bekanntes Beispiel ist der Film „West Side Story“, an dessen Anfang die farblich verändernde Grafik zuerst nicht zu erkennender Fragmente sich nach Minuten des Prologs von Leonard Bernstein als Luftbild von Manhattan entpuppt. Im Abspann des Films erscheinen die Namen aller am Werk beteiligten Personen mit Kreide geschrieben an Mauern und Türen.

Moderne Schnittprogramme bieten auch hier dem Amateur eine Reihe von Möglichkeiten, deren praktischer Nutzen jedoch fraglich ist. Sicher können fliegende Titel, die sich noch dazu auf alle nur denkbare Weisen verbiegen, in dem einen oder anderen Fall durchaus angebracht sein, sind aber bei einer seriösen Dokumentation in der Regel fehl am Platze.

Von den Profis lernen

Sehen Sie sich die Arbeiten der Profis in Kino und Fernsehen einmal an. Hier kehrt man immer wieder zu bescheidener Schlichtheit zurück. Schnörkellose Schriften, die ein- und wieder ausgeblendet werden, sieht man am häufigsten. Beim Remake des Films „Ring“ wurde sogar gänzlich auf einen Vorspann nebst Titel verzichtet. Der Film beginnt einfach so. Wenn Sie Nachrichten oder wie ich kurze Beiträge für einen lokalen Fernsehsender drehen, werden Sie selbstverständlich keinen geschriebenen Titel in Ihren Film einbauen (selbst auf die Bauchbinden müssen Sie dann verzichten, da diese vom Sender selbst eingefügt werden). Wenn Sie aber doch Schrift in Ihren Film setzen, sollten Sie einige Regeln beachten, damit Ihr Titel wirkungsvoll rüberkommt.

Schrift im Film hat mehrere Bedeutungen. Neben dem eigentlichen Titel, welcher der Name des Werks ist, kann es auch eine Reihe an weiteren untergeordneten Titeln geben, die quasi den Film in einzelne Kapitel oder Akte unterteilen. Durch die Einblendung von Schrift wird dem Zuschauer signalisiert, dass nun etwas Neues beginnt. Das kann ein neuer Ort oder aber auch eine andere Zeit im Film sein. Wenn Sie darauf achten, dass Sie bei allen Titeln jeweils die gleiche Schriftart (und auch Farbe) beibehalten, können Sie so eine Klammer um den Film legen und Zusammenhänge herstellen. So können Titel dazu beitragen, dass der Film wie aus einem Guss wirkt.

4_32.jpg

Abb. 4.32 Schlichte Titel eignen sich oft besser und vermitteln einen professionelleren Eindruck. Achten Sie bei der Texteinblendung unbedingt darauf, dass der Titel auch im Bild seinen Platz findet. Unruhige Hintergrundbilder sind dafür wenig geeignet.

Nicht die gesamte Palette nutzen

Ihr Schnittprogramm bietet Ihnen viele Möglichkeiten, Schrift im Film einzubauen. Doch nicht alle sind gleich gut und unterstützen gleichermaßen die Aussage Ihres Films. Überlegen Sie sich, welche Schriftart am besten zu der Thematik Ihres Films passt, und ob es nicht besser ist, den Titel einfach nur ein- und anschließend wieder auszublenden. Steht der Spaß im Vordergrund oder handelt es sich um ein Familien-Urlaubsvideo, so kann es durchaus angebracht sein, eine bunte Schrift hereinwirbeln zu lassen. In einer seriösen Dokumentation hat ein solcher Titel aber nichts verloren.

Auf Lesbarkeit achten

Achten Sie bei der Auswahl der Schrift und deren Farbe darauf, dass der Titel gut lesbar, nicht zu verspielt sowie ausreichend groß ist und sich vom Hintergrund abhebt. Notfalls können Sie den Titel auch mit einem einfarbigen Balken unterlegen, wenn Sie diesen transparent halten. Achten Sie bei den Bildern, über die Sie den Titel legen darauf, dass diese insgesamt nicht zu unruhig oder zu bewegt sind. Verwenden Sie am besten eine Einstellung, die vom Stativ gefilmt wurde und aufgrund ihrer Bildeinteilung dem Titel Raum gewährt. Vermeiden Sie es, einen Titel mittig zu platzieren. Das ist die Holzhammermethode, die man nur dann verwenden sollte, wenn man etwas ganz besonders betonen möchte oder keine bessere Idee hat. Versuchen Sie lieber die Schrift in Ihr Bild einzupassen. Dasselbe gilt für blinkende, wirbelnde oder fahrende Titel, die unbedingt einen bestimmten Zweck (und sei es ein ironischer) haben sollten und auch zur Thematik passen müssen. Ansonsten wirken sie stümper- und amateurhaft.

4_33.jpg

Abb. 4.33 Hier wurde so ziemlich alles verkehrt gemacht: Die viel zu große und mittig platzierte Schrift ist schlecht lesbar, da sie sich farblich nicht von dem viel zu unruhigen Hintergrund abhebt. Die Schriftart selbst passt nicht zum Thema.

Geben Sie dem Titel den Raum, den er braucht und denken Sie bei der Wahl der Schriftgröße bereits an die Größe der späteren Darstellung Ihres Films. Immer größer werdende Fernsehgeräte haben dazu geführt, dass die Schrift im Film immer kleiner wurde. Zu große Schrift kennzeichnet deshalb mittlerweile auch den Amateur. Zu kleine ist schlecht lesbar. Denken Sie auch darüber nach, ob Ihre Schrift unbedingt farbig sein muss. Ein schlichtes Weiß wirkt meist professioneller. Manchmal sieht man auch einen dezenten Gelbton. Eine Umrahmung der Schrift zur besseren Lesbarkeit ist Geschmackssache. Suchen Sie lieber nach besseren Lösungen.

Naturtitel

Nicht jeder Titel muss aus dem Schnittprogramm stammen. In der freien Natur begegnen Ihnen Titel zuhauf. Deshalb nennt man sie auch Naturtitel. Ein Ortsschild im Bild, das den Namen des Ortes klar erkennen lässt, vermeidet die Einblendung des Ortsnamens. Nun müssen Sie im späteren Off-Text nur noch Sätze wie „…wir befinden uns in Labersdorf…“ vermeiden und Sie haben einen perfekten und vor allem dezenten Naturtitel, der dem Zuschauer den Ort nennt, ohne dass Sie ihn einblenden oder erwähnen müssen. Aber nicht nur Schilder und Wegweiser können als Naturtitel fungieren. Wenn Sie beispielsweise in einer Bergdokumentation eine Sequenz über die Kampenwandbahn drehen, können Sie als Naturtitel dafür sowohl den Schriftzug an der Talstation, die Fahrkarten für die Bahn in Großaufnahme oder eine entsprechende Kennzeichnung auf einer Bergwanderkarte filmen. Von den zahlreichen Hinweistafeln in der Talstation einmal abgesehen, gibt es unzählige Verweise auf die Bahn. Sie könnten auch die Überlegung anstellen, ob Sie einen geschriebenen Naturtitel benötigen, oder ob Sie sich nicht gleich mit laufender Kamera von einem Einheimischen den Weg dorthin beschreiben lassen. Dann erübrigt sich der Titel.

4_34-4_35.jpg

Abb. 4.34 / Abb. 4.35

4_36.jpg

Abb. 4.36

Nicht nur Buchstaben

Ein Titel besteht in der Regel nicht nur aus Buchstaben. Er ist im Vorspann eingebettet, der oft das Thema des Films bereits andeutet. Vor allem bei szenischen Produktionen wird hier viel Aufwand betrieben. Nicht nur die erwähnten James-Bond-Filme sind ein bekanntes Beispiel. Auch der Vorspann zur Sonntagabend-Dauerserie „Tatort“ hat trotz dutzender Kommissare Jahrzehnte als einprägsames Logo überdauert, obwohl es sich – technisch gesehen – um ein Relikt der frühen siebziger Jahre handelt. Überlegen Sie, ob auch Ihr Film einen Vorspann verträgt und planen Sie die technische Umsetzung, wie Sie auch den restlichen Film planen.

Überlegen Sie, welche Informationen Sie dem Zuschauer bereits im Vorspann geben müssen und welche im Abspann. Achten Sie darauf, dass er Ihnen nicht zu lang gerät. Das langweilt den Zuschauer. Vor allem in der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts bis hinein in die sechziger Jahre war es üblich, vor dem Film neben dem eigentlichen Titel alle Beteiligten aufzulisten, was mehrere Minuten dauerte. Zudem wurden meist nur Texttafeln verwendet. Im Laufe der Jahre hat es sich eingebürgert, Filmtitel und Akteure (und dabei beschränkt man sich nur auf die wichtigsten) einzublenden, wenn die Spielhandlung bereits begonnen hat. Dies ist auch darauf zurückzuführen, dass Spielfilmproduktionen im Laufe der Jahrzehnte immer aufwändiger wurden und immer mehr Akteure an ihnen beteiligt sind. Bei manchen Spielfilmen erfolgen die Einblendungen für Titel und Hauptdarsteller auch erst nach wenigen Minuten.

Wenn Sie selbst einen aufwendigeren Titel gestalten wollen, achten Sie darauf, dass er von seiner Gesamtlänge in Relation zum restlichen Film steht und auch die Thematik des Films wiedergibt.

Titel selbst gemacht

Auch wenn gedruckte oder vom Schnittprogramm eingeblendete Titel vermeintlich professioneller wirken und auch Naturtitel in Hülle und Fülle existieren und nur gesehen werden wollen, sollten Sie nicht die Möglichkeit außer Betracht lassen, einen eigenen Titel herzustellen. Ein eigener Titel hat nicht nur die Eigenschaft, dass er einzigartig ist; er hat obendrein noch etwas sehr Persönliches. Mit ihm geben Sie Ihrem Film eine ganz eigene Handschrift.

Ob Sie den Titel auf ein Stück Papier malen, ihn am Urlaubsort mit Muscheln in den Sand setzen oder ihn vor laufender Kamera an eine Wand sprayen, bleibt Ihnen überlassen. Eine gute Idee sah ich bei dem Filmemacher KONOPKA, der einen Titel spiegelverkehrt auf eine Glasplatte schrieb und diese von unten abfilmte. Lassen Sie Ihrer Fantasie und Kreativität also einfach freien Lauf.