9. Später Segen

»Ich muss sagen, Mrs. Quigley, dass ich ein bisschen überrascht bin.«

»Warum das, Mr. Rattenbury?«

»Ich hatte geglaubt, Ihr Mann würde uns Gesellschaft leisten.«

»Offensichtlich hat er andere Dinge zu tun«, sagte Biddy.

»Wichtigere Dinge, als Land zu verkaufen?«

»Ah, aber ich verkaufe kein Land, Mr. Rattenbury.«

»Nichtsdestoweniger scheint es, als seien Sie nicht abgeneigt, mich zur Freundschaftsfarm hinauszugeleiten, wo ich mir das Anwesen ansehen möchte.«

Biddy zögerte. »Ich sehe daran nichts Schlimmes, zumal Sie weder Ihren Theodoliten noch Ihr Kalkulationsbuch dabeihaben.«

»Ich brauche kein Kalkulationsbuch«, sagte Patrick. »Ich bin recht erfahren darin, Zahlen im Kopf zu behalten.«

»Sie sind ziemlich selbstsicher, Sir«, sagte Biddy.

»Ich habe keinen Grund, meine Fähigkeiten als Landvermesser infrage zu stellen.«

»Aber Sie sind sich nicht sicher genug, mir auf der Stelle ein Angebot zu machen.«

»Nein, das nicht.«

Sie spazierten weiter. Er hatte ihren Arm nicht ergriffen. Sie wäre nicht zusammengezuckt, wenn er es getan hätte. Dafür gab es genug Vorwände auf dem Weg hinaus nach An Fhearann Cáirdail, der im Lauf der Jahre, seit die Browns das Gebiet verlassen hatten, zugewachsen und von Unkraut überwuchert war. Die jungen Bäume waren größer geworden und die Blätter der kleinen Birken, die ohne Hilfe oder Pflege wuchsen, zitterten in dem Wind, der von der See hereinkam. Das Unterholz war jetzt so dicht, dass die große aufragende Halbinsel Ardnamurchan, die den Horizont bis hin zum Nordwesten dominierte, nicht mehr zu sehen war.

Biddy fühlte sich ungewöhnlich gut. Sie hatte keine Migräne, keine Ängstlichkeit, kein Gefühl von Verfolgungswahn oder Unterdrückung. Zum ersten Mal seit Monaten fühlte sie sich lebendig. Sie war sich wohl bewusst, dass dieser gut aussehende Stadtmensch wirklich nichts weiter als ein schwätzender Scharlatan war, der sich gar nicht so sehr von den Verehrern unterschied, die ihr in ihrer Witwenzeit den Hof gemacht hatten und deren einziges Ziel es gewesen war, ihr Land in die Hände zu bekommen und für die das Schlafen mit ihr nur eine kleine zusätzliche Belohnung gewesen wäre. Sie hatte sich ihnen widersetzt, ihnen verweigert, was sie wollten. Selbst der liebenswerte, energiegeladene Iain Carbery, der ihr so viel Freude geschenkt hatte und der sich, die arme Seele, Hals über Kopf in sie verliebt hatte und ihretwegen seine Herren verraten hatte, war am Ende nicht der ›Richtige‹ für sie gewesen.

Es gab jedoch Zeiten, ganz besonders im vergangenen Jahr, in denen sie an den kräftigen und närrisch verliebten sportlichen Gentleman mit wehmütigem Verlangen dachte. Er würde sie nicht einfach abgespeist oder unerfüllt schmachten gelassen haben, wie Quig es getan hatte. Wenn sie wehmütig an Iain Carbery dachte, so dachte sie sehnsüchtig an Michael Tarrant, der sie ungeachtet der Konsequenzen vorsätzlich und bösartig genommen hatte. Wie oft war sie diesen Weg allein gegangen, einsam und verzweifelt. Heute jedoch hatte sie einen Gentleman als Begleiter, der sie von morbiden Fantasien ablenkte und ihr Selbstwertgefühl revitalisierte. Sie war froh, dass sie Distanz zu der Hollander-Frau gewahrt und sich geweigert hatte, übereilt in Verhandlungen mit der Firma zu treten, die ihr Land begehrte. Ihre Weigerung hatte ihr einen Freier beschert, einen gut aussehenden Makler mit zauberhaften Manieren, der sie daran erinnerte, wie es war, jung zu sein.

»Sie werden bisher wohl diesen Weg noch nicht gegangen sein, Mr. Rattenbury?«

»Nicht hier, nicht genau hier.«

»Sind Sie dann an der Grenze auf der Seite von Tobermory gelaufen?«

»Ich gebe zu, dass ich das bin.«

»Mit Ihrem Messband?«

»Ich benutzte ein Messtischblatt, um die Entfernungen zu ermitteln.«

»Mit anderen Worten, Sie haben uns seit einiger Zeit taxiert?«

»Das ist schwerlich ein Geheimnis, Mrs. Quigley.«

»Diese Gesellschaft, die Sie vertreten …«

»Eine Gruppe Privatleute.«

»Was immer es sein mag, wenn ich es recht verstehe, fand Frances Hollander ihr Angebot befriedigend?«

»Sie hat – wie Sie – überflüssiges Land.«

»Das«, sagte Biddy, »war nicht meine Frage.«

»Louden, Lafferty and Spruell sind ein absolut legales Unternehmen. Das sind keine Spekulanten. Sie haben kein Motiv außer dem Erwerb von Land, auf dem sie Holzplantagen anlegen können. Sie haben Verbindung mit Baumschulen in Perthshire und beachtliche Erfahrung mit der Finanzierung langfristig zum Verkauf bestimmter landwirtschaftlicher Erzeugnisse.«

»Mr. Rattenbury, Sie laufen Gefahr, sich zu wiederholen.«

»Natürlich, dies alles haben wir ja schon einmal durchgesprochen, nicht wahr?«

Er kam näher, als der Weg sich verengte. Nur Zentimeter trennten ihre Schulter von seiner, ihre Hüfte von seiner Flanke.

»Sie fragen nach Mrs. Hollander«, sagte Patrick. »Sie hält keine Anteile bei Louden, Lafferty und Spruell, falls Sie das meinten.«

»Ich freue mich, das zu hören.«

»Wirklich?«, sagte Patrick Rattenbury. »Darf ich fragen, warum?«

»Ich betrachte sie als Eindringling, nicht als Nachbarin«, sagte Biddy großspurig. »Haben Sie mit ihr auch verhandelt?«

»Anfangs ja.«

Sie näherten sich dem Ende des Weges. Die Berge ragten dunkel und fern hinter den Birkenblättern jenseits des Einschnitts auf, der die Grenze von Biddys Besitz markierte. Patrick legte eine Hand auf ihren Arm und sie blieb stehen.

»Warum sind Sie gegen Frances Hollander? Liegt es daran, weil sie hübsch ist?«

»Hübsch?« Biddy war verblüfft. »Was hat denn das zu tun mit …«

»Sie ist nicht wie Sie«, sagte Patrick.

»Bedeutet das, dass ich – dass ich nicht …«

»Sie ist oberflächlich und flatterhaft«, sagte Patrick. »Das ist natürlich nur unter uns gesagt, nichts, was ich von den Dächern schreien würde. Ich habe jedoch keine Schwierigkeit, mit ihr Geschäfte zu machen.«

»Mit ihr Geschäfte zu machen?«, fragte Biddy.

Obwohl er seine Hand weggenommen hatte, machte Biddy keinen Schritt weiter. Sie stand angewurzelt wie eine Lärche, die vom Sausen des Windes erfüllt war. Vielleicht war alles, was sie brauchte, damit sie wieder ganz gesund wurde, ein Mann, der ihr die Stirn bieten konnte.

»Wie haben Sie mit ihr Geschäfte gemacht, Sir?«, hörte sie sich sagen.

»Direkt.«

»Werden Sie mit mir auf ähnliche Weise Geschäfte machen?«

»Ganz sicher nicht.«

»Wie wollen Sie mit mir Geschäfte machen, Mr. Rattenbury?«

»Vorsichtig und geschickt. Ich behandle Menschen so, wie sie sind.«

»Und wie finden Sie mich?«

»Empfindlich«, antwortete er offen. »Empfindlich und scharfsinnig, übermäßig vorsichtig.«

»Ist es falsch von mir, vorsichtig zu sein?«

»In Ihrer Position würde ich nicht weniger erwarten.«

»Meiner Position? In welcher Position bin ich?«

»Eine schöne Frau muss vorsichtiger sein als eine, die nur hübsch ist.«

»O, Sie haben also die Absicht, so mit mir zu spielen? Mit Schmeichelei?«

»O, ich habe nicht die Absicht, mit Ihnen ›zu spielen‹, Mrs. Quigley. Ich beabsichtige, Sie mit dem vernünftigen und einleuchtenden Argument zu überzeugen, dass es nur zu Ihrem Besten ist, die Vorschläge in Erwägung zu ziehen, die ich unterbreiten werde.«

»Im Hinblick auf das Land?«

»Im Hinblick auf das Land.«

»Wie viel von meinem Land wollen Sie, Mr. Rattenbury?«

»So viel Sie überlassen wollen.«

»Überlassen? Das ist ein merkwürdiges Wort in diesem Zusammenhang.«

»Verkaufen, wenn Sie das vorziehen.«

»Ich bin nicht zimperlich, wissen Sie«, sagte Biddy. »Es ist Notwendigkeit, die mich treibt, Ihre Vorschläge überhaupt in Erwägung zu ziehen. Wären die Zeiten weniger unsicher, würden wir diese Unterhaltung nicht führen.«

»Das wäre bedauerlich.«

»Verstehen Sie bitte, dass ich bei weitem nicht verzweifelt bin.«

»Ich denke keinen Augenblick, dass es so ist.«

»Ich möchte, dass ganz klar ist, dass ich nicht leicht zu überzeugen sein werde.«

»In diesem Fall werde ich dafür sorgen, dass mein Angebot nichts zu wünschen übrig lässt.«

»Und das, wofür Sie bieten, wird’s auch wert sein«, sagte Biddy. »Nun, Mr. Rattenbury, sollen wir weitergehen?«

»Unbedingt«, sagte Patrick.

Sie saßen zusammen im Schatten der Mauer, die Vassie Campbell errichtet hatte, um die Schafe daran zu hindern, auf ihre Rinderweiden zu gelangen.

Es schien Quig, als habe die Mauer schon immer dort gestanden, wie die prähistorische Festung von Dun Fidra, wo – das hatte Innis ihm erzählt – Aileen sich zu verstecken pflegte oder der Standing Stone von Mingary, wo sie Geschenke für Elfen und Kobolde hingelegt hatte. Selbst auf Foss, wo er, Quig, ihr Beschützer gewesen war, hatte Aileen ständig ätherische Elementargeister um sich gehabt, doch in dem letzten halben Dutzend Jahre schien es, als habe sie ihrem Glauben an eine unsichtbare Welt entsagt und sei durch sein Fehlen leer und stumm geworden.

Er sprach zu ihr über Aileen und erzählte ihr Dinge, die er sonst niemandem erzählt hatte. Wie er die verrückte Campbell Schwester sowohl verabscheut als auch geliebt hatte. Wie Aileens Sohn Donnie und er sich einst nähergestanden hatten als Brüder, sich aber auseinandergelebt hatten, als Donnie gebildet und wichtig geworden war und seinen weichen Inselakzent verloren hatte und zugleich allen Respekt vor der Kultur, die ihn geprägt hatte. Sprach von der Liebe zu seinem Sohn, einer Liebe, die so stark war, dass sie fast Schwäche war. Erzählte ihr, wie sehr er seine Tochter Christina liebte und dass er fürchtete, sie würde ihrem Cousin Donnie in dieses Reich folgen, in dem Scham Stolz ersetzt und man so sehr versucht, die alten Ideale abzustreifen, die Unschuld – oder war es Naivität? – über tausend Jahre bewahrt hatte.

Kaninchen scharrten an dem Maschendrahtzaun. Bussarde kreisten hoch darüber. Der Spaniel lag schlafend in einem Teich aus Sonnenlicht. Die schwarzen Rinder, die Handvoll, die geblieben war, grasten teilnahmslos an dem fernen Strand. Hinter der Mauer, fern von den Beeten, wucherte hohes Unkraut und das Moor zischte in der Wärme der Nachmittagssonne.

Auf dem Gras stieß der rauchgeschwärzte Kessel einen letzten kleinen Schnaufer von Dampf aus seinem stumpfen Schnabel, und die Kochtöpfe lehnten so aneinander, wie er sich an Fay lehnte, oder richtiger, wie sie sich an ihn lehnte. Er hatte einen Arm um ihre Schultern gelegt, und einer ihrer Arme ruhte auf seiner Brust, während er seinen Gedanken freien Lauf ließ. Sie war nicht alt genug, um ihn mit etwas zu trösten, was nachhaltiger als Schweigen und Vertrautheit war.

Er zog ihr Gewicht sacht an seine Schulter. Er konnte die Heide in ihrem Haar riechen, die See auf ihrer Haut. Er war für sie verantwortlich und hatte doch nicht die Verantwortung für sie. Man konnte nicht von ihm erwarten, dass er sie so sehr liebte wie sie ihn liebte.

»Au!«, sagte sie, »au!«, und richtete sich plötzlich auf.

Er setzte sich ebenfalls auf. »Was? Fay, was ist denn?«

»Es bewegte sich«, sagte sie. »Das Baby hat sich in mir bewegt.«

Quig lachte. Er war nicht beunruhigt. Er erinnerte sich allzu deutlich an Biddys dösige Fantasien, ihre Freude, die Realität ihrer Schwangerschaft.

»Ist es dafür nicht zu früh?«, sagte er.

»Ich weiß nicht, oder? Nein. Warte. Da, da ist es wieder.«

Sie saß aufrecht, zupfte ihren Kittel und ihr Mieder hoch und entblößte ihre Taille. Er konnte die Unterseite ihrer Brüste sehen und, was fast komisch wirkte, die Wölbung ihres Bauches, der im warmen Nachmittagssonnenlicht bogenförmig und blass aussah.

»Da! Da! Fühl es, fühl es, Quig.«

Sie griff nach seiner Hand und presste sie auf ihren Bauch, drückte sie auf das glatte, feste Fleisch.

Er spreizte seine Finger und ließ seine Hand sich sanft im Rhythmus ihres Atems heben und sinken. Eine Spur von feinem goldbraunen Haar führte von ihrem Nabel abwärts, halbiert durch eine andere Linie von Haar, dessen Farbton dunkler war. Er war versucht, sie dort zu berühren, um diese intime Substanz an seiner Hand zu spüren.

Und dann trat es. Es war ein ausgeprägter flinker kleiner Hüpfer gegen seine Handfläche.

»Guter Gott!« Quig grinste. »Ich glaube, du hast Recht, Fay.«

Sie presste beide Hände auf seine und hielt ihn dort fest. Sie schaute ihn nicht an. Vielleicht war ihr nicht einmal bewusst, was es bedeutete oder wie die vertrauensvolle Geste von irgendeinem anderen Mann als von Quig aufgefasst werden könnte.

»Da!«, sagte sie sehr leise. »Fühlst du es?«

»Ja, ja«, sagte er. »Direkt unter meinen Fingern.«

Sie stieß mehrere winzige Jauchzer aus. Gleichermaßen freudig und glücklich. »Gut, gut, gut.«

Widerwillig ließ er seine Hand von ihrem Bauch gleiten.

»Sehr bald«, sagte er, »wirst du Innis die Wahrheit erzählen müssen.«

»Ich denke, ich muss es jedem erzählen.«

»Zuerst vor allem Innis.«

»Wirst du mit mir kommen?«, fragte sie. »Bitte, Quig. Ich möchte, dass du dabei bist, wenn ich ihr die Neuigkeiten erzähle.«

»Wo ist Innis?«

»Zu Hause, auf Pennymain.«

»In Ordnung.« Quig erhob sich und hielt er seine Hand hin. »Dann machen wir das jetzt.«

»Jetzt?«

»Warum nicht jetzt?«

»Warum nicht, in der Tat«, sagte Fay.

Innis wusste, dass es Ärger geben würde, sobald Becky heimkam, aber sie hoffte, dass ihre Begeisterung über Fays Mitteilung sie vor der Wut ihrer Tochter beschützen würde.

Auf jeden Fall konnte nichts ihre Freude über Fays Ankündigung verderben. Die Aussicht, ein neues Baby im Haus zu haben, umleuchtete sie wie ein Strahlenkranz. Ein Kind, das auf dem Küchenboden spielen und auf dem Gras tollen würde, ein Kind, das sie zum Strand begleiten würde, damit es dort zum ersten Mal Sand und See und das riesige, hohe Himmelsgewölbe entdecken konnte.

Während das Mädchen im kühlen Nachmittagslicht am Küchentisch saß und Quig neben dem Ofen stand, hatte Innis das Gefühl, aus den Schatten der Nacht herausgezogen worden zu sein, und obwohl sie weder ihre Augen schloss noch ihre Hände faltete, sprach sie ein Dankgebet zu Gott, weil er ihr ein Enkelkind geschenkt hatte.

Sie küsste Fay, umarmte sie und versicherte ihr, dass sie auf Pennymain immer sicher sein würde.

Lediglich Quigs Stirnrunzeln dämpfte ihre Freude.

Er schien sie daran zu erinnern, dass sie nicht mit Becky allein fertig werden müsse, sondern auch mit Rachel und Biddy. Wie sollte sie ihnen auch erklären können, was ein neues Baby diesem Haus bringen würde, was es für sie bedeuten würde, Gavin wiederzuhaben – Gavin ohne Gavin – und eine Gelegenheit zu bekommen, all ihre Fehler der Vergangenheit zu berichtigen?

»Was?«, schrie Becky. »In Hoffnung? O ja, jetzt verstehe ich alles. Du raffiniertes kleines Luder kommst her mit einem Baby im Bauch und einem Lächeln auf dem Gesicht. Jetzt sag mir nur einfach, wessen Kind das ist!«

»Natürlich ist es Gavins«, sagte Innis.

»Halte du dich da bitte raus, Mutter.« Becky warf ihre Schürze auf den Küchenboden und schaute, ihre Hände in die Hüften gestemmt, Innis finster an. »Du, Fay Ludlow, oder wie immer du dich sonst nennen magst, welche Lügen hast du uns erzählt?«

»Keine Lügen«, antwortete Fay.

»Du wusstest, dass du ein Kind trägst, als du herkamst, nicht wahr?«

»Ja.«

»Wir haben nur dein Wort dafür, dass das Gavins Werk ist.«

»Das ist es«, sagte Fay ruhig. »Glaube mir.«

»Warum sollte ich?«, tobte Becky. »Ich weiß, was Leute wie du machen.«

»Leute wie ich?«

»Sie sorgen dafür, dass sie schwanger werden, um eine Bleibe zu finden. Wie ein Kuckuck stehlen sie jemandem das Nest. Aber mich wirst du jedenfalls nicht hinausdrängen.«

»Becky!«, protestierte Innis. »Niemand wird …«

»Herumsitzen und aussehen, als könnte sie kein Wässerchen trüben.« Becky ging um den Tisch herum zu dem Becken neben der Spüle und ließ Wasser ein. Sie nahm ein Stück Seife, krempelte die Ärmel hoch und begann ihre Hände zu waschen, seifte sie ein und spülte sie so gründlich, als beabsichtige sie, eine Operation durchzuführen. Sie sprach über die Schulter, schleuderte die Worte wie Pfeile von sich.

»Ich war bereit, meine Zweifel von dir ausräumen zu lassen, Fay, aber ich bin nicht bereit, dabeizustehen und zuzuschauen, wie du meine Mutter zu einer verdammten Närrin machst.«

»Ich werde sie nicht aus dem Haus schicken«, sagte Innis.

»Was« – Becky spülte ihre Unterarme wieder – »wenn zwischen ihr und mir gewählt werden müsste? Es wäre sie, denke ich, wegen dem Baby. Du hast mich nie richtig verstanden, Mam, oder? Ich meine, nur weil ich dein ganzes Brimborium nicht akzeptiere, all dein Katzbuckeln vor dem Priester …«

»Das hat nichts mit Fay zu tun«, sagte Innis, »oder mit dem Baby.«

Jetzt, da es so weit gekommen war, war sie für die Reaktion ihrer Tochter sonderbar dankbar. Sie war Becky gegenüber zu nachsichtig gewesen, nachsichtiger, als sie je mit Rachel gewesen war. Ihre Freundschaft mit Gillies hatte ihre jüngere Tochter geärgert und ihr Engagement für den römischen Glauben hatte sie verwirrt und betrübt. Trotz ihrer scheinbaren Passivität war auch Innis von Wut erfüllt und von einer nicht ganz unboshaften Befriedigung, dass Becky gezwungen war, endlich eine wichtige Lektion zu lernen, eine Lektion, die mit Loyalität oder mütterlicher Liebe unvereinbar war.

»In diesem verdammten Haus ist überall Mitgefühl«, sagte Becky, »wie ein schlechter Geruch.«

»Becky, ich werde nur ein Baby haben«, stellte Fay fest, »das ist alles.«

»Gavin weiß das nicht, oder?«

»Nein.«

»Du bist ein egoistischer kleiner Teufel«, warf Becky ihr vor. »Das bist du.«

»Nein, du bist diejenige, die egoistisch ist«, hörte Innis sich sagen.

»Egoistisch! Ich! Ich klebe hier bei dir, wo du …« Becky besaß nicht die Stirn, den Satz zu beenden. Sie grapschte ein Handtuch von dem Haken neben der Spüle, trocknete sich damit Hände und Arme ab und drehte sich um. »Ich nehme an, du wirst dich um sie kümmern und das Baby hierbehalten?«

»Wenn Fay das möchte«, sagte Innis, »ja, dann werde ich das.«

»Einfach eine große, glückliche Familie!«, rief Becky aus. »Gott! Wir waren nie eine glückliche Familie. Zunächst einmal haben Familien Väter. Familien haben keine verdammten Geliebten, die rein und raus latschen. Du bist keine Witwe, Mutter, du hast meinen Dada einfach weggejagt, damit du mit Gillies Brown zusammen sein konntest.«

»Das ist eine Lüge, Becky.«

»Aber was erwartest du denn? Du hast Rachel oder mir nie die ganze Wahrheit über irgendwas erzählt.« Becky warf das Handtuch in den Ausguss und nahm es dann, da Gewohnheit stärker als ihr Temperament war, wieder heraus und hängte es an seinen Haken. »Du scheinst jetzt zu glauben, du könntest dafür sorgen, dass alles dadurch rosig wird, dass diese Kreatur dir ein Junges in den Schoß legt. Nein. Nein. Nein.« Sie erstarrte, bezwang ihre Wut und fasste sich. Sie zog einen Stuhl vom Tisch und setzte sich. »Was, wenn sich herausstellt, dass es nicht Gavins Kind ist, dass sie nicht einmal Gavins Frau ist?«

»Das bin ich«, bekräftige Fay.

»Beweise es.«

»Ich habe die Papiere …«

»Papiere! Papier können gestohlen sein. Papiere können gefälscht sein.«

»Deine Mutter glaubt mir.«

»Meine Mutter ist eine Närrin«, schimpfte Becky. »Es tut mir leid, aber das bist du, Mam. All dieser Quatsch über Nächstenliebe und Freundlichkeit ist nur eine Methode, zu bekommen, was man haben will.«

»Glaubst du nicht, dass ich nicht das bin, was ich sage?«, fragte Fay.

»Was macht es schon, was ich glaube?« Becky lehnte sich auf den Tisch. »Es gibt nur eine Person, die beweisen kann, dass du bist, wer du zu sein behauptest und dass dieses Kind, das du trägst, kein Bastard ist.«

»Nein«, sagte Fay entschieden. »Nein.«

»Mein Bruder ist der Einzige, der die Wahrheit über dich sagen kann.« Sie lehnte sich zurück. »Ich finde, es ist an der Zeit, dass wir an Gavin schreiben und seine Version dessen, was in Derbyshire geschehen ist, in Erfahrung bringen.« Sie schaute Innis an. »Es könnte eine völlig andere Geschichte sein, wenn die Wahrheit herauskommt, Mutter, und vielleicht bist du dann nicht mehr so erpicht darauf, mich gegen das Baby von irgendwem einzutauschen.«

»Du darfst Gavin nicht erzählen, wo ich bin«, bat Fay.

»Warum nicht? Was hast du zu verbergen? Wenn du uns die Wahrheit erzählt hast, wird mein Bruder sie bestätigen.«

»Er – er wird hierher kommen.«

»Das würde mich nicht überraschen«, sagte Becky.

»Er wird mich bestrafen.«

»Er hat jedes Recht, dich zu bestrafen«, behauptete Becky, »nach dem, was du ihm angetan hast.«

»Er hat kein Recht, sie zu bestrafen«, sagte Innis. »Denkst du, Becky, dass Fay sich diese Wunden selbst beigebracht hat?«

»Jemand anders könnte …«

»Ich weiß, was Gavin ist«, stellte Innis fest, »und du nicht. Es ist nichts, was ich leichthin gegen meinen eigenen Sohn sagen würde, Rebecca, aber er war ein bösartiges Kind und nach all dem scheint er ein böser Mann geworden zu sein.«

»Was, wenn er …«

»Er hasst uns. Du hast gehört, dass er uns hasst. Wenn er herausbekommt, dass wir Fay aufgenommen haben, wirst du keinen Dank dafür bekommen, dass du es ihm erzählt hast.«

»Er würde uns nichts tun.«

»O, aber sicher würde er das. Zumindest«, sagte Innis, »könnte er das vielleicht. Es hat keinen Sinn, dieses Risiko einzugehen.«

»Du möchtest, dass sie hierbleibt, nicht wahr?«, sagte Becky.

»Ich möchte, dass ihr beide hierbleibt«, sagte Innis.

»Ich will nicht länger auf Mull bleiben«, sagte Becky. Der Ärger hatte sie ausgelaugt. Sie war noch zu jung, um mit ihrer Entrüstung ohne Tränen fertig zu werden. »Alles verändert sich, Mutter. Alles zerbricht und ich möchte nicht, dass du allein gelassen wirst. Ich möchte nicht, dass du verletzt wirst.«

»Du darfst nicht an Gavin schreiben.«

»Aber was, wenn er …«

»Versprich es mir.«

»Also gut. Wenn du das willst.« Becky stand auf, jetzt nicht wütend, sondern mit einer Mattigkeit, die Kapitulation zu bedeuten schien, sich dem gesunden Menschenverstand zu ergeben. »Wann wirst du es Tante Biddy erzählen? Oder möchtest du, dass ich das tue?«

»Ich werd’s ihr erzählen«, sagte Innis.

Becky blickte auf Fay. »Ich tue das nicht um deinetwillen, weißt du. Ich tue das, weil meine Mutter das will. Sollte ich jemals herausbekommen, dass du uns Lügen erzählt hast …«

»Das habe ich nicht, Becky«, sagte Fay. »Warum sollte ich euch belügen?« Und dann brach sie ohne Vorwarnung in Tränen aus und streckte ihre Arme nach Innis aus, um getröstet zu werden, während Becky mit grimmigem Gesicht unbemerkt ins Schlafzimmer ging, um nach ihrem Briefblock und Stift zu suchen.

Quig wartete weiter den rechten Augenblick ab. Morgen würde jeder auf Fetternish von Fays Zustand wissen und Biddy würde ihn schelten, weil er es ihr nicht zuerst erzählt hatte. Dennoch sagte er beim Abendessen nichts und auch nichts anschließend. Biddy ging in den Salon und spielte fast eine Stunde lang Klavier, spielte so laut, dass die triste Stimmung im Hause von Märschen, Polkas und Wiener Walzern erschüttert wurde, und Willy Naismith, aufgeweckt auf seinem Lager unten, kam hoch in die Halle, um ziemlich gereizt zu erforschen, was, Teufel auch, in Biddy gefahren war, dass sie plötzlich eine solche Musikalität an den Tag legte.

»Ich habe keine Ahnung, Willy«, antwortete Quig.

»Sie wird sein Angebot noch nicht haben. Also kann es das nicht sein«, sagte Willy.

»Welches Angebot?«, fragte Quig. »Wessen Angebot?«

»Rattenburys.«

»War Rattenbury heute wieder hier?«

»Wusstest du’s nicht? Hat Biddy das nicht erzählt?«

»Sie hat mir nichts davon erzählt.« Auf der verschlissenen Couch gestreckt, die vor dem Kamin stand, starrte Quig Willy an, der, eine Hand auf ein Ohr gelegt, versuchte, den Krach aus dem Salon fern zu halten. »War er lange hier?«

»Sie ist mit ihm nach An Fhearann Cáirdeil hinausgegangen, denke ich.«

»Hat sie dir erzählt, warum?«

»Sie erzählte mir nichts. Sie erzählt mir in letzter Zeit überhaupt nichts.«

»Woher weißt du dann, wohin sie mit ihm gegangen ist?«, fragte Quig.

»Sahen sie gehen. Aileen und ich.«

»Dir entgeht nicht viel, Willy, nicht wahr?«

»Nein, nicht viel«, sagte Willy bescheiden.

»Nimmst du einen Schluck, um mir Gesellschaft zu leisten?«

»Nicht hier«, sagte Willy stirnrunzelnd. »Bei diesem Lärm wird der Whisky in meinem Mund ja sauer. Bei Gott, heute Abend legt sie aber ganz schön los.«

»Das macht sie glücklich, nehme ich an«, sagte Quig.

»Auf mich wirkt sie nie sehr glücklich.« Willy hob seine Schultern, als wolle er sich für die Frage entschuldigen, bevor er sie gestellt hatte. »Ist es Fetternish, dass sie so runterzieht, Quig, oder ist es einfach der traurige und beklagenswerte Zustand des Älterwerdens?«

»Du kennst sie viel länger als ich. Was denkst du?«

»Ist es Geld?«, fragte Willy. »Wenn es Geld ist, ich habe ein wenig beiseite gelegt. Ich wäre bereit, euch etwas zu leihen oder zu schenken, wenn es nötig ist.«

Quig war gerührt. »Du solltest wohl besser behalten, was du hast, William«, sagte er. »Dem Naturgesetz nach wird Maggie hier sein, wenn du nicht mehr hier bist, und wird vielleicht einen oder zwei Schilling zum Durchkommen brauchen.«

»Du weißt, dass ich noch nicht abtrete.«

»Langsam frage ich mich, ob du überhaupt jemals abtreten wirst.« Quig versuchte, scherzhaft zu sein. »Jedenfalls wäre es nicht recht von uns, wenn wir deine Ersparnisse nähmen, Willy, obwohl ich dir dankbar für das Angebot bin. Wenn es nur Geld ist, weshalb Biddy auf glühenden Kohlen sitzt, dann wäre es gar nicht das Schlechteste, würde sie Grund verkaufen.«

»Was ist er wert?«

»Ach, Willy, du weißt, was er wert ist.«

Der alte Mann nickte. »Für Land, das nie kultiviert worden ist und einen Haufen beinahe baufälliger Cottages – ich schätze, sechs Schilling pro Acre.«

»Ja«, pflichtete Quig bei. »Und acht wären sehr viel.«

Die Klänge aus dem Salon wurden pedantischer, als Biddy die Tonart wechselte und eine klangvolle, sentimentale Ballade über Meerjungfrauen und tote Seeleute begann, die einst beim Publikum der Konzerte in der Wingard Hall zu den Favoriten gehört und ihr viel Lob eingebracht hatte. Heute Abend jedoch gab es kein Lob, da weder Quig noch Willy in der Stimmung waren, ihrer Fortissimo-Darbietung zu applaudieren.

»Rattenbury wird ihr nicht mehr anbieten, als er muss«, sagte Willy.

»Kennst du den Mann überhaupt?«

»Nein, ich kenne ihn nicht«, sagte Willy. »Aber Leuten seiner Art bin ich oft genug begegnet.«

»Was meinst du mit ›seiner Art‹?«

»Betrüger«, sagte Willy. »Agenten, Grundstücksmakler, Broker, Dilettanten auf dem Markt und dergleichen.«

»Hältst du Rattenbury für einen Dilettanten?«

»O, nein. Er ist zu geschickt und professionell, um ein Dilettant zu sein. Ich habe viele wie ihn gesehen, als ich den Baverstocks in Edinburgh diente. Die meisten in unseren Kreisen waren im Wollgeschäft tätig, aber es gab auch andere, deren Einkommen fast ebenso sehr von ihrem Köpfchen wie von ihrer Fachkenntnis abhing.«

»Willst du damit sagen, dass man Rattenbury nicht trauen kann?«

»Ich sage – ich wünschte, sie würde mit diesem infernalischen Lärm aufhören – ich sage, dass er nicht so leicht abzuschütteln ist, wenn er einen Kunden hat, der darauf scharf ist, euer Land zu bekommen. Falls Biddy sich entscheidet, zu verkaufen, sorge dafür, dass sie sich von seinem Charme nicht täuschen lässt.«

»Biddy ist keine Närrin, wenn es um Geld geht.«

»Wenn jemand das weiß, dann doch wohl ich, oder?«, sagte Willy. »Aber sie …«

»Rede weiter.«

»Wie soll ich weiterreden, wenn dieser Radau in meinem Kopf hämmert?« Er drehte sich um und machte sich auf den Weg in Richtung des Korridors, der zum Treppenhaus führte. »Außerdem, was gibt’s noch zu sagen? Ich habe in diesem Haushalt viel zu lange geredet und du wirst dir im Augenblick wohl kaum mein Gequatsche anhören wollen.«

»Willy, versuchst du mir zu sagen, dass Biddy sich zu diesem Mann hingezogen fühlt?«

»Ich versuche zu sagen, dass sie ziellos ist.«

»Ziellos?« Quig nickte. »Ja, wenn ich darüber nachdenke, ist dies das Wort, das mir auf der Zunge lag. Ziellos. Wenn erst einmal genug Essen auf dem Tisch steht, genug Kleidung in der Truhe ist und Brennmaterial fürs Feuer da ist, ist es erstaunlich, wie schnell Ziellosigkeit einsetzt.« Er grunzte kurz. »Um dir die Wahrheit zu sagen, Willy, ich habe mich in den letzten ein oder zwei Jahren auch ein bisschen ziellos gefühlt.«

»Nun ja, dann«, sagte Willy, »stellt Rattenburys Geschäft sich vielleicht im Nachhinein noch als Segen heraus.«

»Es ist nicht der Segen, der mir Sorgen macht«, sagte Quig.

»Ich weiß«, sagte der alte Willy Naismith, »es sind die Umstände, die dazu führen.«

»Hast du irgendwelche Gedanken in dieser Hinsicht, Willy?«

»Überhaupt keine«, sagte Willy und schlurfte, das Gesicht verziehend, über den dunklen Korridor und die Treppe hinunter.

Quig war vor Biddy im Bett. Er hatte sein Nachthemd wegen des Sommers nicht angezogen und schlief so nackt und ordentlich wie in seinen jungen Jahren, als er auf Foss lebte. Er hatte ein Glas Whisky und Wasser mitgenommen, da er nervös war und etwas brauchte, um sich zu beschäftigen, während er darauf wartete, dass seine Frau erschien.

Schließlich kam sie gegen halb elf ins Schlafzimmer.

»O, da bist du ja«, sagte Quig. »Was trägst du denn da?«

»Wie sieht es denn aus?«, fragte Biddy.

»Bücher«, sagte Quig. »Bist du nicht müde?«

»Ich würde gerne noch ein bisschen lesen, wenn’s dir nichts ausmacht.«

»Nein, macht mir nichts aus.« Quig nippte an dem Glas und wünschte, er hätte ein wenig mehr Wasser in den Whisky getan, da er sich durch den Alkohol sonderbar benommen fühlte. »Aber ich dachte, dass wir vielleicht ein wenig plaudern könnten.«

»Über was?«

Sie legte die Bücher auf den Teppich neben dem Bett. Sie zog die Nadeln aus ihrem Haar, ließ die Nadeln auf einen Teller fallen, der auf ihrer Kommode stand, nahm, ihm noch immer den Rücken zugewandt, einen Wattebausch aus einer Schale und begann, Puder von ihren Wangen zu wischen. Ihre Gesichtsfarbe schien röter zu werden, als sie den Lippenstift und das Mascara entfernte. Sie trug ein bodenlanges Abendkleid, nicht ihr schönstes, und hatte etwas Unnatürliches an sich, so, als spiele sie Theater. Es war mehrere Jahre her, seit seine Frau affektiertem Benehmen gefrönt hatte, und Quig begann sich zu fragen, ob Willy Recht hatte, ob es in der Tat Ziellosigkeit gewesen war, die bewirkt hatte, dass sie sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen hatte.

Er gab nur ungern zu, dass er die Frau, mit der er verheiratet war, nicht verstand, dabei hatte er einmal geglaubt, dass Biddy und er von der gleichen Art seien, sich nur durch das Geschlecht unterschieden.

Er beobachtete sie über den Rand des Glases, als sie zu dem Becken auf dem Tisch neben dem Fenstervorhang ging und Wasser aus dem Krug einschenkte. Sie hakte ihr Kleid am Oberteil und dann an der Seite auf und streifte es bis zur Taille hinunter.

Ein Handtuch über ihrer Unterwäsche haltend, bespritzte sie ihr Gesicht mit Wasser und rieb es heftig mit einem Lappen ab. Es war einer dieser vielen unbewachten Augenblicke, die eine Ehe ausmachen und die Bande von Intimität kräftigen. Heute Abend aber war nichts Verführerisches oder betont Zurückhaltendes daran. Was Biddy betraf, so hätte er ebenso gut überhaupt nicht da sein können.

Sie beendete das Entkleiden und wandte sich dem großen Himmelbett zu.

»Du hast sehr begeistert gespielt, Liebe«, bemerkte Quig.

Die Spitze an Kragen und Ärmeln ihres Nachthemdes war leicht ausgefranst. Durch den dünnen Stoff konnte er den Umriss ihres Körpers sehen, ihre vollen Brüste, dunkle, ovale Brustwarzen und eine Spur von Schatten zwischen ihren Schenkeln. Sie sieht besser aus, dachte er, je weniger sie trägt, da ihre Figur nicht annähernd so wuchtig ist wie sie glaubt.

»Ich habe dich so lange nicht spielen hören.«

»Ich bin keine Pianistin, Quig. Ich klimpere herum. Das ist alles.«

Sie wirkte nicht verschlossen, nicht abweisend, aber seine Bemerkungen schmeichelten ihr sicher nicht. Wäre die Spannung zwischen ihnen weniger groß gewesen, hätte er vielleicht einen verliebten Annäherungsversuch gemacht und, Optimist, der er war, auf Erwiderung gehofft.

Doch Biddy war eindeutig nicht in der Stimmung, mit ihm zusammen zu sein.

Sie zog ihr Nachthemd enger um sich, schlug die Bettdecke zurück und legte sich neben ihn. Er spürte, wie die Matratze sich unter ihrem Gewicht senkte. Er war froh, dass er erschlafft geblieben war. Es wäre wirklich zu peinlich gewesen gewesen, über Fay – und vielleicht auch über Rattenbury zu sprechen – während er erregt war.

Biddy setzte ihre Lesebrille auf. Sie streckte eine Hand aus und nahm einen schweren grünen Leinenband von dem kleinen Stapel auf dem Teppich neben dem Bett auf. Sie wandte sich, schlug auf das Kissen hinter ihrem Kopf, lehnte sich an, schlug dann das Inhaltsverzeichnis des Buches auf und fuhr mit dem Finger über die Seite.

Quig räusperte sich. »Was liest du?«

»Eine Abhandlung über die Anlage von Schulen.«

»Schulen?«, sagte Quig. »Für Kinder?«

»Für Bäume. Baumschulen.«

»O!«

Die Lampe brannte mit einem weichen gelben Zischen und nach einem Augenblick merkte Quig, dass es von einem leisen Summen seiner Frau begleitet war.

Er hob das Whiskyglas, nippte und stellte das Glas wieder weg.

Wie wäre es, Fay Ludlow neben sich im Bett zu haben, überlegte er. Diese Spekulation war mehr zärtlicher als erotischer Art. Sie würde weder lesen noch vor sich hin summen und er würde sich ermutigt fühlen, sie zu streicheln, seine Hand auf ihren Bauch zu legen und die Umarmung ihrer erwartungsvollen jungen Arme akzeptieren.

Er seufzte.

Biddy warf ihm einen Blick zu.

»Entschuldige«, sagte er.

Biddy wandte sich wieder dem Buch zu.

Er nahm seine Hände hinter dem Kopf vor, kratzte sich an den Stoppeln unter seinem Kinn, rieb sich die Wangen und betastete seine Nasenspitze.

»Kannst du nicht stillliegen?«, fragte Biddy.

»Entschuldige«, sagte er wieder.

Mit übertriebener Geduld schloss Biddy das Buch über ihrem Daumen und nahm ihre Brille ab. Sie schaute über eine runde Schulter auf ihn hinab. »Was ist los mit dir, Quig? Heraus damit. Hat Willy dir erzählt, dass ich heute Nachmittag einen Besucher hatte?«

»Eigentlich«, sagte Quig, »ist es etwas, das Innis mir erzählt hat.«

»Innis? Was hat Innis dir erzählt?«

»Fay erwartet ein Kind.«

Er stützte sich auf seinen linken Arm und blickte zu ihr auf. Er bemerkte, wie sie zögerte, wie ihre Augen sich weit öffneten und schlossen, schlossen und wieder öffneten, bevor ihr Blick verächtlich wurde.

»Ich kann nicht sagen, dass ich überrascht bin«, sagte Biddy schließlich. »Warum hat Innis es dir erzählt?«

»Nun ja«, sagte Quig, »sie fand, wir sollten informiert sein.«

»Warum hat Fay es dir nicht selbst erzählt?«

»Innis ist ihre Schwiegermutter. Sie hat ein Recht darauf, es als Erste zu erfahren.«

Biddy sagte kurz: »Dann bist du also nicht der Vater?«

»Warum sagst du etwas so Lächerliches, Biddy? Natürlich bin ich nicht der Vater. Es ist absolut klar, dass sie vor Gavin Tarrant weglief, um ihr Baby zu beschützen.«

»Was nicht klar ist, jedenfalls nicht mir«, sagte Biddy, »ist das, was du an ihr findest.«

»Ich finde an ihr überhaupt nichts, nichts dergleichen.«

»Sie ist nichts weiter als auch so eine Versagerin, denke ich«, sagte Biddy. »Warum, Quig, ziehst du Versager an? Was ist an dir, dass sie dazu bringt, dir in Scharen zuzulaufen? Das Mädchen betet dich an und als Nächstes wird sie das Baby nach dir benennen wollen.«

»Ich glaube nicht, dass das klug wäre.«

»Klug? Guter Gott, Robert! Klug?«

»Es wird im August oder Anfang September kommen.«

Er hatte erwartet, dass sie verärgert sein würde, aber nicht, dass sie verächtlich sein würde. Ganz gewiss hatte er nicht erwartet, dass sie sich gegen ihn wenden würde. Andererseits verwandte sie jetzt alles gegen ihn.

»Innis ist sehr erfreut«, sagte er kurz.

»O ja. Jetzt gibt’s keine Möglichkeit, sie loszuwerden«, sagte Biddy.

»Loswerden …«

»Deine kleine Freundin, deinen Sukkubus.«

»Meinen was?«

»Fay, Fay.« Sie sprach den Namen krächzend aus wie eine Krähe. »Sie hat sich in Pennymain einen Schlafplatz erkauft für so lange Zeit wie sie bleiben möchte. Ein Baby, o ja! Noch so ein Campbell-Bastard!«

»Biddy, ich wünschte, du würdest nicht so reden.«

»Verteidigst du sie?«

»Nein, nicht direkt«, sagte Quig, »aber das Kind ist kein Bastard. Es wurde in einer Ehe empfangen, wie du weißt.«

»Im Gegensatz zu anderen.«

»Was heißt das?«

»Nichts.«

Sie schlug das Buch auf und tat, als läse sie wieder. Aber sie las nicht, sondern überflog nur. Er hatte keine Ahnung, was ihr in diesem Augenblick durch den Kopf ging, und der einzige Hinweis auf ihre Stimmung war eine gehobene Augenbraue.

Er fragte sich, ob sie ihn meinte. Er hatte sich allerdings nie als Bastard angesehen, obwohl er wie Fay nie gewusst hatte, wer sein Vater gewesen war. Seine Mutter weigerte sich, über alte Zeiten zu sprechen, über die Zeit, bevor Evander sie zu sich nach Foss genommen hatte. Er wusste, dass Evander nicht sein Vater war – so viel hatte Mairi ihm erzählt –, aber welcher der Reisenden, der Kutscher, Kesselflicker und Schauerleute, mit denen sie in ihrer Jugend verkehrt hatte, ihn gezeugt hatte, blieb ihm verborgen. Es war für Quig auch unwichtig. Evander McIver war für ihn der beste Vater gewesen, den ein Junge sich nur wünschen konnte.

Er lehnte sich an sein Kissen und verschränkte die Arme.

Seine Brust war schmal und fast haarlos, und die wenigen Haare, die dort wuchsen, sahen im Lampenschein beinahe weiß aus. Ihm war noch nie der Gedanke gekommen, dass er sich wie Biddy mit zunehmendem Alter verändern könnte. Er spürte einen leisen Anflug von Panik.

»Ist das alles, was du zu sagen hast, Biddy?«

»Was möchtest du denn hören? Dass ich entzückt bin? Das bin ich nicht.«

»Warum hast du so eine Abneigung gegen das Mädchen?«

»Man sieht ihr an, dass sie nichts als Ärger bringt.«

»Ich denke«, sagte Quig, »das ist nur in deiner Einbildung so.«

»Ist es nur meine Einbildung, dass sie sich wie eine Klette an dich klammert?«

»Wenn sie das tut«, sagte Quig, »dann deshalb, weil sie einen Freund braucht.«

»O, du möchtest nur ihr Freund sein, ja?«

»Ja«, sagte Quig. »Ich mag sie.«

»Ein Pech, dass Gavin Tarrant vor dir da war.«

»Biddy, um Gottes willen!«

Endlich schloss sie das Buch. »Ist es vielleicht nicht wahr, dass du sie willst?«

»Nein, es ist nicht wahr.«

Er hatte ihr selten getrotzt. Wenn er verpflichtet gewesen war, sie zu korrigieren, hatte er dies vorsichtig und höflich getan, sie von schlecht überlegten Entscheidungen so behutsam wie möglich abgebracht, Rücksicht auf ihre Gefühle genommen. Er war in ehelicher Diplomatie erfahren geworden, darin, Risse in ihrer Beziehung zu kitten, aber seine Geduld war jetzt einfach erschöpft. Er hatte zu oft nachgegeben.

Er hörte sich sagen: »Was wollte Rattenbury von dir?« Die kastanienbraune Augenbraue hob sich noch höher. »Willy erzählte es mir. So etwas kannst du nicht einfach geheim halten, Biddy.«

»Ich hatte nicht die Absicht, es geheim zu halten.«

»Planst du, Land zu verkaufen, ohne es jemand zu sagen?«

»Ich würde es dir erzählen. Natürlich würde ich es dir erzählen.«

»Wirklich?«, zweifelte Quig.

Ihm wurde bewusst, dass er Qualitäten besaß, von deren Existenz er nichts gewusst hatte: Heimlichkeit und Gerissenheit, der Bodensatz von Geduld.

»Ich kenne den Mann kaum«, sagte Biddy. »Rattenbury, meine ich.«

»Es scheint, als hast du die Absicht, diese Situation zu korrigieren.«

Sie öffnete den Mund, presste ihre Zunge gegen die Oberlippe, überlegte es sich dann anders, schüttelte den Kopf und sagte nichts.

Quig sagte: »Wie viel hast du ihm gezeigt?«

»Alles.«

»Auch Pennypol?«

»Nein, nur das Stück ungenutzter Weide bei An Fhearann Cáirdeil.«

»Wird ihm das genügen?«

»Er ist Geschäftsmann. Er braucht Land zum Holzanbau. Er wird nehmen, was er bekommen kann. Was ich – was wir ihm zu geben bereit sind.«

»Er wird jeden Acre von Fetternish haben wollen, dieses Haus eingeschlossen, wenn er es in die Hände bekommen kann.«

»Ich habe noch nicht entschieden, etwas zu verkaufen. Patrick hat noch kein konkretes Angebot gemacht.«

»Und wann macht Patrick das?«, sagte Quig.

»Ich werde mich mit dir beraten.«

»Tatsächlich, Biddy?«

Die verräterische Röte begann an ihrem Busen und erreichte rasch ihren Hals. Mit ihrer schnellen Ausbreitung war sie komisch und im Lauf der Jahre Ursache vieler freundlicher kleiner Scherze gewesen. »Biddys Hautthermometer«, hatte Tom Ewing es genannt. Heute Abend war es absolut nicht komisch. Quig schaute zu, wie die Scharlachröte die Wangen seiner Frau erreichte und bedauerte sie. Aber er hatte sie in der Vergangenheit zu oft bedauert und Mitleid war für sie fast so erniedrigend wie Spott geworden, Achtung eine blinde Gewohnheit.

»Natürlich werde ich das«, sagte sie. »Natürlich.«

»Das ist gut«, sagte Quig, küsste sie kurz auf die Wange und drehte sich auf seine Seite, um zu schlafen.