EPILOG

Die wahre unsterbliche Geliebte

Wäre Beethoven genauso alt geworden wie Haydn und Herr seiner geistigen Fähigkeiten gewesen, hätte er die reifen Werke Chopins kennen können, die gesamten Werke Mendelssohns, die meisten Klavier-, Kammermusik- und Orchesterwerke Schumanns (ebenso wie die meisten Lieder), Wagners Fliegenden Holländer und Tannhäuser, die Sinfonien und meisten Chorwerke von Berlioz, sogar Verdis Nabucco und Macbeth. Wäre er so alt wie Sibelius geworden, hätte er zahlreiche Stücke von Brahms (darunter das Klavierkonzert d-Moll und die „Händel-Variationen“) erfassen können, Liszts Sonate h-Moll, seine beiden Konzerte und die Sinfonien sowie Verdis Rigoletto, Il trovatore und La traviata. Mit der Ausnahme Verdis hatte er prägenden Einfluss auf sie alle. Auch jüngere Komponisten wie Sir Michael Tippett (1905–1998) und Robert Simpson (1921–1997) haben ihn als prägende Hauptkraft ihrer eigenen Entwicklung gesehen.

Da er mit 56 Jahre gestorben war, anders als die viel zu früh verstorbenen Schubert (31) und Mozart (35), findet man selten ernsthafte Spekulationen, wie er sich entwickelt hätte, hätte er wirklich so lange wie Haydn gelebt. Sein Einfluss auf die Nachwelt war bereits immens. Keiner der erwähnten Komponisten hätte so komponiert, hätte er nicht existiert. Aber hätten sie so geschrieben, wie sie es taten, hätte er als ihr Zeitgenosse noch ein weiteres Vierteljahrhundert komponiert? Zumindest gibt es keine Anzeichen dafür, dass sein Schaffensstrom versiegte. Was, wenn seine bereits beispiellose Odyssee ihn zur Atonalität geführt hätte, noch vor Liszt, geschweige denn Schönberg? Es hätte den Lauf der Musik des 20. Jahrhunderts erheblich geändert. Ohnehin hat er das Programm des 19. Jahrhunderts im Wesentlichen festgelegt. In Liszts Worten: „Für uns Musiker ist Beethovens Werk gleich der Wolkenund Feuersäule, die die Israeliten durch die Wüste führte […]. Seine Dunkelheit und sein Licht schreiben uns in gleicher Weise den Weg vor, dem wir folgen müssen.“ Und von Wagner, nachdem dieser die siebte Sinfonie 1828 das erste Mal hörte:

Die Wirkung hiervon auf mich war unbeschreiblich. Dazu kam der Eindruck, den Beethovens Physiognomie, nach den damals verbreiteten Lithographien, auf mich machte […]. In mir entstand bald ein Bild erhabenster überirdischer Originalität, mit welcher sich durchaus nichts vergleichen ließ.

„Erhaben“ und „überirdisch“ – die heilige Zweiheit der Romantik. Vielleicht formte Wagner mehr als jeder andere, in seinen Schriften und mit seinem Dirigieren, das Bild von Beethoven im 19. Jahrhundert. Dicht hinter ihm folgte sein Schwiegervater Liszt, dessen Karriere als Interpret und Komponist von seinem Bekehrungseifer für Beethovens Musik angetrieben wurde. Auch sollten wir Berlioz’ Beitrag nicht übersehen, ein weiterer genialer missionierender Dirigent. Wie Wagner (und in geringerem Ausmaß als Liszt) war Berlioz nicht nur Komponist und Dirigent, sondern ein produktiver und oftmals skurriler Schreiber. Typisch war seine Charakterisierung des Streichquartetts Op. 131 als himmlische Eingebung, die stoffliche Gestalt angenommen hat. Diese fast rituelle Vereinigung des Erhabenen und des Überirdischen diente sowohl dazu, das Spirituelle der Musik Beethovens zu betonen, als auch das Bild ihres Schöpfers in religiöses Licht zu tauchen. In dieser Perspektive ist Beethoven weder als Heiliger besetzt (der er im Leben offenkundig nicht war) noch als Held (der er in seinem Kampf mit dem Unglück war), sondern als wahrhaft gottgleiche Figur (als die er sich manchmal selbst sah). Obwohl er sich selbst als „Bacchus“ stilisierte, identifizierte er sich, wie er 1818 bekannte, bewusst mit niemand Geringerem als Sokrates und Jesus Christus. Er wurde wiederum zum Modell für Vertreter der französischen romantischen Literatur wie Alfred de Vigny, Alphonse Lamartine und Victor Hugo.

Anders als Bach, Schubert, Mahler und Bruckner wurde Beethovens Bedeutung als Komponist zu seinen Lebzeiten weitgehend und nach seinem Tod so gut wie allgemein anerkannt. Sein Bannkreis war unermesslich. Doch ein einflussreicher Komponist ist deswegen nicht unbedingt beliebt. Niemand würde ernsthaft den Einfluss und die sich daraus ergebende Bedeutung von Arnold Schönberg bestreiten, aber dessen Prophezeiung, dass die Milchmädchen einmal seine Melodien vor sich hinsummen würden, war weit verfehlt – nicht nur, weil Milchmädchen aus der Mode gekommen sind. Seine Musik, fast ein Jahrhundert nach seinen ersten revolutionären Experimenten mit Atonalität, wird von einem winzigen Teil des Musikpublikums geschätzt. Beethoven hatte, wie wir gesehen haben, ebenfalls diese Probleme mit dem Publikum. Im Fall der späten Werke kann man das verstehen. Die „Große Fuge“ ist immer noch eine harte Nuss. Man kann es auch bei der „Eroica“ und den „Rasumowsky-Quartetten“ nachvollziehen. Aber bei der zweiten Sinfonie, einem der fröhlichsten und ausgelassensten Stücke des Repertoires? Nach dem Kritiker der Zeitung für die elegante Welt in Wien, Mai 1804, ist das Werk ein „sich abscheulich windender verwundeter Drache, der sich zu sterben weigert“.

Wir sind bereits August von Kotzebue in einer anderen Wiener Zeitung begegnet, der mit zahlenmäßiger Überlegenheit argumentiert und als Folge alle Beethoven’schen Werke anklagt: „Alle parteilosen Musikkenner und Musikfreunde waren darüber vollkommen einig, dass so etwas Unzusammenhängendes, Grelles, Verworrenes, das Ohr Empörendes schlechterdings noch nie in der Musik geschrieben worden.“ Kotzebues Leben wurde nicht wegen seiner musikalischen Anschauungen, sondern als (vermeintlicher) Spion 1819 durch den Dolch eines Mörders ein Ende gesetzt. Im Falle von Beethovens postumen Kritikern änderte sich wenig am Urteil der Zeit. Drei Jahrzehnte nach Beethovens Tod schrieb der angesehene Komponist Louis Spohr:

Ich […] gestehe frei, daß ich den letzten Arbeiten Beethovens nie habe Geschmack abgewinnen können. Ja, schon die viel bewunderte neunte Symphonie muß ich zu diesen rechnen […], deren vierter Satz mir […] monströs und geschmacklos und in seiner Auffassung der Schiller’schen Ode so trivial erscheint, daß ich immer noch nicht begreifen kann, wie ihn ein Genius wie der Beethoven’sche niederschreiben konnte. Ich finde darin einen neuen Beleg zu dem, was ich schon in Wien bemerkte, daß es Beethoven an ästhetischer Bildung und an Schönheitssinn fehle.

Spohrs Eindrücke von der Neunten werden sogar heute von einer bedeutsamen Minderheit von Musikliebhabern geteilt. Seine letzte Behauptung ist unglaublich. Sie ist jedoch kein Einzelfall. Noch später, 1913, beteuert der amerikanische Musiker und Schriftsteller James Huneker:

Beethovens Musik ist nicht schön. Er ist dramatisch, mächtig, ein Sturmmacher, ein Gewitterbändiger; aber seine Sprache ist die Sprache eines ichbezogenen Egoisten. Er ist der Vater aller Größenwahnsinnigen, die in ihre eigenen Seelen blicken und schreiben, was sie dort sehen – Elend, Verderbtheit, Beleidigung, Selbstsucht und Hässlichkeit.

Es war nicht nur der Klang von Beethovens Musik, sondern ihr Erscheinungsbild auf dem Papier, die einige seiner Gegner störte. Ein solcher ließ sich in der englischen Zeitschrift The Harmonicon 1823 über das Thema der letzten Klaviersonate, Op. 111, aus:

Der zweite Satz ist eine Arietta und erstreckt sich über die außergewöhnliche Länge von dreizehn Seiten. Der größere Teil davon ist in 9/16 geschrieben, aber ein Teil in 6/16 und etwa eine Seite in 12/32. All dies ist mühsame Spielerei und sollte mit allen Mitteln vom vernünftigen Teil des Musikerberufs verhindert werden. Wir haben diesem Rätsel eine volle Stunde gewidmet und können es nicht lösen. Aber keine Sphinx hat je ein Rätsel wie den 12/32-Takt ersonnen. Hier finden wir zwölf Sechzehntel und acht Zweiunddreißigstel in einem Takt; zwölf Sechzehntel und zwölf Zweiunddreißigstel in einem anderen etc., und alles ohne den Anschein eines Druckfehlers! Die allgemeine Praxis, Noten offenbar sehr kurz zu schreiben und dann ihre Dauer durch das Wort Adagio zu verdoppeln, ist einer der Missbräuche in der Musik, der laut nach Neuerung schreit; aber das Notationssystem, dem in dieser Arietta gefolgt wird, ist heilloses Wirrwarr; und doch hielten es die Verleger im Titel für nötig, alle Raubkopierer abzuschrecken, indem die Sonate als urheberrechtlich geschützt angekündigt wird. Wir denken nicht, dass große Gefahr besteht, dass in ihr Eigentum eingedrungen wird.

Wilhelm von Lenz war 1855 gleichermaßen verärgert:

Wenn man Beethoven ist, ist es möglich, alles zu tun, aber zwei und zwei muss doch vier geben. Setze zwei Skorpione und eine Taube auf den Druckbogen, wenn das deine Laune ist, aber setze nichts, was nicht im Takt ist. […] Erkläre uns, wie können in der zweiten Variation in 6/16 sechs Sechzehntel in jedem Takt sein und noch sechs Zweiunddreißigstel? Die Verrücktheit eines Genies ist reizvoll; aber das Spektakel der Verrücktheit bei anderen, was leider häufig bei Klaviermusik ist, ist einfach bedauerlich.

Beethoven wurde nicht nur für die Musik, die er schrieb, und wie er sie notierte, verurteilt, ihm wurde auch ihr Einfluss auf die Musik anderer vorgeworfen. In einem Brief an das Londoner Quarterly Musical Magazine and Review einige Monate nach Beethovens Tod heißt es:

Es überrascht nicht, dass Beethoven blasierte Vorstellungen von seiner Kunst gehabt haben sollte; dass er Lärm mit Erhabenheit verwechselte, Aufwand mit Originalität, und voraussetzte, dass die Bedeutung seiner Kompositionen proportional zu ihrer Länge sei. Dass er der Reflexion nur wenig Zeit widmete, ist eindeutig durch die außergewöhnliche Länge einiger Sätze in seinen späteren Sinfonien nachgewiesen. […] Seine großen Qualitäten werden häufig durch einen krankhaften Wunsch nach Neuartigkeit beeinträchtigt; durch Extravaganz und Missachtung der Regeln. […] Die Wirkung, die Beethovens Kompositionen auf die Kunst hatten, muss, fürchte ich, als schädlich betrachtet werden. Verführt von der Kraft seines Genies und geblendet von seinen Werken ist eine Schar Nachahmer entstanden, die ebenso viel Rauheit, Extravaganz und Unklarheit zeigen, doch mit wenig oder nichts von ihrer Schönheit und Erhabenheit. Somit ist die Musik nicht länger dazu bestimmt zu trösten, zu erfreuen, die „Sinne im Elysium zu umschlingen“; sie ist ganz von einem Prinzip in Anspruch genommen – zu überraschen.

Nichts in diesem Brief erstaunt mehr als die Behauptung, dass Beethoven „der Reflexion nur wenig Zeit widmete“. Wie seine Skizzenbücher verdeutlichen, hat er der Reflexion möglicherweise mehr Zeit gewidmet als jeder andere bedeutende Komponist vor oder nach ihm. Niemand, einschließlich Schönberg, war aufmerksamer gegenüber den Anforderungen der Form und musikalischen Logik, während er anstrebte, jede Facette der menschlichen Erfahrung mit nie da gewesener Intensität auszudrücken.

Beethovens Werke kamen in Frankreich nur langsam zu Ansehen. Wie in Wien wurde er früh von der jungen Generation bevorzugt; er stieß aber auf Widerstand bei der konservativen Musikwelt, allen voran bei Cherubini, Direktor des Pariser Konservatoriums seit 1822. Die Ironie mag Beethoven, der Cherubini als den bedeutendsten seiner Zeitgenossen betrachtete und dessen Requiem höher als Mozarts achtete, nicht entgangen sein.

Das Blatt wendete sich mit einer Konzertreihe, die 1828 eingeführt wurde, in der der Violinist und Dirigent François-Antoine Habeneck die ersten vollkommen professionellen und gründlich einstudierten Aufführungen der Sinfonien Beethovens in Frankreich überhaupt präsentierte. Sogar Wagner, der nicht frankophil war, erklärte sie zu den besten, die er je gehört hatte. Habeneck beschränkte sich nicht auf die Sinfonien. Er führte das bis dahin vernachlässigte Violinkonzert auf, das Oratorium Christus am Ölberge, das dritte Klavierkonzert, Auszüge aus den zwei Messen, das „Kanon“-Quartett aus Fidelio, die Egmont- und Coriolan-Ouvertüren und andere Werke. Im Publikum befand sich Hector Berlioz, der der leidenschaftlichste Befürworter Beethovens in Frankreich wurde. Jedoch war der französische Gesinnungswandel nicht auf Musiker begrenzt: Auch Maler und Schriftsteller waren hingerissen. Als er die fünfte Sinfonie gehört hatte, erklärte Balzac: „Beethoven ist der einzige Mann, der mich je eifersüchtig machte. […] In diesem Mann wohnt eine göttliche Macht! […] Was wir Schriftsteller darstellen, ist begrenzt, festgelegt; was Beethoven uns gibt, ist unendlich.“

Natürlich bestand noch viele Jahre nach Beethovens Tod weiterhin Widerstand. So zog der Violinist, Komponist und Kritiker Henri-Louis Blanchard 1849 über Beethoven her:

Beethoven dehnt sein Quartett Nr. 13 [Op. 130] auf sechs Sätze aus. Der erste dieser Sätze ist für seine Suche nach seltsamen Harmonien, für die ermüdende Verzögerung der Akkordauflösung, für eine Art systematischen Hass, ein Fragment einer Melodiephrase mit einer vollkommenen Kadenz zu beenden, bemerkenswert, was alles Beweis für eine verbrauchte schöpferische Fähigkeit ist, die keine Melodien mehr findet. Der fünfte und sechste Satz sind besonders reich an diesen merkwürdigen Verzögerungen bei Phrasenschlüssen. Um einen geistreichen Ausspruch eines unserer ersten Komponisten zu zitieren, dessen schöne Instrumentalmusik von jedem bewundert wird, weist Beethovens Phantasie im Finale dieses Quartetts auf eine arme Schwalbe hin, die unaufhörlich in einem hermetisch geschlossenen Fach herumflattert zum Ärger unserer Augen und Ohren.

Mitte des Jahrhunderts zählten Blanchard und seinesgleichen zu einer stetig schrumpfenden Minderheit, nicht nur in Frankreich, sondern in ganz Europa und jenseits des Atlantiks.

In Beethoven findet die romantische Idee des Künstlers als Held ihre stärkste Verkörperung. Schon zu seinen Lebzeiten gab es Gemälde, Zeichnungen und Stiche von ihm im Überfluss. In ihrer gesammelten Vielfalt und Ähnlichkeit lassen sie wenig Zweifel an seiner Erscheinung (Joseph Dannhausers Lithografie von Beethoven auf seinem Sterbebett lässt uns einen einmaligen Blick auf seine Zähne erhaschen). Sowohl Lebend- als auch Sterbemaske (erste von 1812, siehe S. 108, Zwischenspiel IV) machten es späteren Künstlern leicht, eine erstaunlich originalgetreue Ähnlichkeit zu erreichen, ohne ihn je gesehen zu haben. Postume Büsten, Köpfe, Statuen, Stiche, Denkmäler, Gedenktafeln, Briefmarken – alle würdigen den mythologischen Status, den Beethoven fast das ganze 19. Jahrhundert hindurch innehatte. Einige setzen ihn in einen klassischen-allegorischen Rahmen (nicht unpassend angesichts seiner Leidenschaft für Platon, Homer und Plutarch); einer stellt ihn mit freiem Oberkörper auf einem Thron sitzend dar, mit Engelsköpfen an der Rückenlehne. Das vielleicht berühmteste Beethoven-Denkmal ist Ernst Hähnels Statue, die am 12. August 1845 in Bonn enthüllt wurde. Hier wird der Meister vollständig bekleidet gezeigt, ja sogar mit schwerem Mantel, auf einem Sockel, der von klassischen Figuren musizierender Frauen umgeben ist. Seltsamerweise hinkte Wien anderen Musikzentren bei der Ehrung eines seiner bedeutendsten Einwanderer hinterher. Nicht vor 1880, mehr als ein halbes Jahrhundert nach Beethovens Tod, enthüllte es seine eigene Hommage. Aber was ihm an Schnelligkeit mangelte, holte es mit Extravaganz nach: eine kolossale Bronzefigur auf einem Granitsockel sitzend, mehr als sechs Meter hoch und begleitet von zwölf kleineren Figuren sowie Engeln und Putten. Die Verspätung der Ehrung hätte Beethoven nicht im Mindesten überrascht.

Sein Einfluss erstreckte sich nicht nur auf Musik und die bildenden Künste. Zunächst in Deutschland, dann in Frankreich und noch später in Russland wurde er Gegenstand von Gedichten, Theaterstücken, Kurzgeschichten, Romanen – und natürlich Biografien. Unglücklicherweise ist die berühmteste und viele Jahrzehnte lang einflussreichste – Anton Schindlers Biographie von Ludwig van Beethoven – größtenteils erfunden. Die Liste der Fälschungen Schindlers ist erschreckend, nicht zuletzt, weil viele Geschichten, Äußerungen und mutmaßliche Gespräche enthalten sind, die in den Beethoven-Biografien der nächsten 150 Jahre Standardthemen wurden. Viele haben seit Langem Eingang in die Beethoven-Kunde gefunden, wo sie wahrscheinlich noch weitere Jahrzehnte florieren werden.

Die bereits erwähnten göttlichen Zuordnungen im Bereich der bildenden Künste bestehen in einem Großteil der Literatur fort – besonders vielleicht in Frankreich, unter der Führung von Vigny, Lamartine, Hugo und, in geringerem Ausmaß, Balzac. Die französische Verbindung, was Beethoven betrifft, gipfelte im Werk von Romain Rolland. Seiner Biografie Vie de Beethoven (1904) folgte ein zehnbändiger Roman, Jean-Christophe, der in vieler Hinsicht eindeutig auf Beethoven basiert und Rolland 1915 den Nobelpreis für Literatur einbrachte.

Beethovens Inspirationskraft ist historisch belegt. Aber was inspirierte er? In den 1970er-Jahren wurde seine Musik in China für ihre Darstellung des „dekadenten, chaotischen Lebens und der verdorbenen Gefühle der Bourgeoisie“ verdammt. Die meisten westlichen Komponisten wurden verunglimpft, doch niemand so scharf wie Beethoven. Denn niemand wurde mehr gefürchtet. Niemand hatte seine Macht, die Seele zu begeistern, zu erbauen, zu nähren und den Geist zu ermutigen. Kein anderer stellte den Sieg des Individuums über scheinbar unüberwindbare Widrigkeiten so transzendent dar. Er brauchte die Deutlichkeit des Fidelio nicht als Argument (obwohl keine andere Oper es so ergreifend hervorhebt). Genauso wenig benötigte er Worte. Werk für Werk verleiht sein unbezähmbarer Geist anderen Mut. Kein anderer Komponist kam der Universalität seiner Anziehungskraft rund um den Globus gleich. Seine Musik ist für alle und für immer. So sei es.