Sohrab und ich spielten in den nächsten Tagen jeden Tag Fußball, außer freitags.
Freitags machte Mamu Tschelo Kabab.
An diesem Morgen fand ich sie ellbogentief in einer riesigen Glasschüssel Rinderhackfleisch, das ein helles Gold angenommen hatte von all dem Kurkuma, den sie hinzugefügt hatte.
»Sobh bekheyr, Maman«, sagte sie.
»Sobh bekheyr.«
»Es ist noch Tee im Kessel. Er steht im Wohnzimmer.«
Das war der sicherste Ort dafür.
Fariba Bahrami machte Tschelo Kabab, was bedeutete, dass die Küche zu einem Schlachtfeld wie Helms Klamm werden würde.
»Danke. Gibt es etwas, bei dem ich dir helfen kann?«
»Ich gebe dir Bescheid. Danke.«
»Okay.«
Selbst Bruchstückhafte Perser wie Laleh und ich träumten süße, auserlesene Träume von Tschelo Kabab.
Zu Hause gab es dieses Gericht nur zu besonderen Anlässen: Geburtstage und Feiertage und Zeugnistage, solange mein Durchschnitt zumindest bei einer Zwei lag.
Stephen Kellner war überraschend cool, was das betraf. Er sagte, er wolle, dass ich mein Bestes gab. Er wollte nicht, dass ich Angst hatte, eine schlechte Note zu bekommen, solange ich lernte.
Das war gut, weil ich fast immer eine Drei in Mathe hatte, aber ich hatte Einsen in Geschichte und Englisch, was meinen Notendurchschnitt in ausreichend guter Form hielt, um eine regelmäßige Versorgung mit Tschelo Kabab zu gewährleisten.
Wenn wir Tschelo Kabab zu Hause machten, war Mom für das Tschelo zuständig, und Dad war verantwortlich für den Kebab.
Das Kunst von gegrilltem Fleisch zu beherrschen, ist eine essenzielle Komponente in der Persönlichkeit des Teutonischen Übermenschen.
Mom musste Dads übernatürliche Kebab-Fähigkeiten erwähnt haben, denn Mamu beorderte ihn, das Rinderhackfleisch für Kabab Kubideh auf Spieße zu stecken.
Dad drückte das Fleisch um die breiten Metallspieße herum in Form, wobei er sich mit seinen Zeige- und Mittelfingern die Klinge entlang hoch und runter arbeitete, damit es fest zusammenhielt, während Mom Mamu dabei half, Hühnerbrust mit einem übergroßen Hackebeil in Würfel zu schneiden.
Ich war mir sicher, das Ereignis würde in Blutvergießen enden; in himmelhoch aufgetürmten Körpern, wie die Schlacht auf dem Pelennor.
Ich wusch das Geschirr ab, als sie mich endlich ließen, genoss die Düfte der Kabab-Produktion und wartete darauf, dass die Hörner erklangen.
»Dariush. Komm, hilf mir bitte.«
Babu zitierte mich in den Garten.
»Wir müssen die Tische aufstellen.«
Ich erwartete fast, dass Babu eine Tischtennisplatte herausrollte, wie die Rezaeis sie in ihrem Garten hatten, aber stattdessen ließ er mich drei mit Stoff bezogene Spieltische aus einer Ecke des Schuppens hervorzerren. Ich klappte die Beine aus und half ihm, die Tische unter dem Baldachin der Feigenblätter aufzustellen.
Babu grunzte und nickte mir zu, sprach aber nicht wirklich mit mir. Seine Schultern hingen nach vorn, und als ich ihm zum Schuppen folgte, um ein paar dunkle Holzklappstühle zu holen, bemerkte ich plötzlich, wie langsam er mit den Füßen schlurfte.
Ich erinnerte mich daran, was Mom gesagt hatte, wie stark Babu gewesen war an dem Tag, als er sie aus dem Park nach Hause getragen hatte.
Ich fragte mich, ob es derselbe Park war, in dem Sohrab und ich auf dem Dach gesessen und beobachtet hatten, wie die Sonne über unserem khakifarbenen Königreich unterging.
Ich fragte mich, ob Babu jemals einen meiner Cousins Huckepack getragen hatte.
Ich fragte mich, was ich noch alles verpasst hatte. Und was ich alles vermissen würde.
Ich verstand Babu nicht – ich war mir nicht einmal sicher, ob ich ihn mochte, um ehrlich zu sein –, aber ich wollte nicht, dass er starb.
Bald würde es einen Bahrami weniger geben.
»Dariush-jan. Kannst du bitte Khanum Rezaei sagen, sie soll mehr Sabzi mitbringen, wenn sie und Sohrab kommen.«
»Okay.«
Frau Rezaei öffnete die Tür, bevor ich überhaupt geklopft hatte. Sie hatte ihr Haar zurückgebunden und in riesigen Lockenwicklern arrangiert. Mit ihrer exponierten Stirn und den durch das gestraffte Haar nach oben gezogenen Augenbrauen erinnerte sie mich noch mehr an eine Klingonen-Kriegerin, die sich für den Kampf bereit machte.
»Alláh-u-Abhá, Dariush-jan«, sagte sie und zog mich hinein. »Komm rein. Sohrab ist hinten.«
»Ähm. Alláh-u-Abhá.« Frau Rezaeis Lächeln weitete sich, und ich war froh, dass ich beschlossen hatte, sie so zu begrüßen, auch wenn ich kein Bahá’í war.
»Babu bat mich, Sie zu bitten, mehr Sabzi für heute Abend mitzubringen. Falls das geht.«
»Gewiss, gewiss. Deine Großmama macht das beste Tschelo Kabab.«
Ich hoffte, sie würde es nicht übelnehmen, dass Stephen Kellner dieses Mal beim Tschelo Kabab seine Hände im Spiel hatte. Klingonen konnten notorisch streitsüchtig sein, wenn es um ihr Essen ging.
Während Frau Rezaei das Sabzi auswählte, das sie mitnehmen würde, fand ich Sohrab im Garten.
Er kickte seinen Fußball herum, barfuß und ohne Hemd. Schweiß verklebte sein kurzes Haar und zog sich an seinen Schläfen entlang bis zu seinem Nacken hinunter. Als ich herauskam, winkte er und legte seine Hände hinter den Kopf in der Haltung der Kapitulationskobra. Seine flache Brust hob und senkte sich, und seine Bauchmuskeln bewegten sich bei jedem Atemzug.
Ich wusste, wenn ich ihm nahe genug käme, würde mich die intensive thermische Strahlung, die von ihm ausging, versengen.
»Hi, Dariush«, sagte er. Er blinzelte mich an, konnte aber kaum atmen.
»Hey. Was machst du?«
»Push-ups. Sit-ups. Kurzsprints. Drills.«
»Wow.«
Ich hatte Sohrabs Hingabe für Fußball unterschätzt.
Vielleicht hätte ich auch trainieren sollen.
Sohrab atmete und blinzelte und atmete und blinzelte.
Ich nieste.
»Babu wollte, dass ich deine Mom frage, ob sie heute Abend etwas Sabzi mitbringen kann. Für Tschelo Kabab.«
»Mamu macht das beste Tschelo Kabab! Ich esse jedes Mal viel zu viel.«
»Ich auch«, sagte ich. »Ich meine, wenn Mom und Dad es machen.«
Sohrab drückte seinen rechten Fuß gegen seinen linken und kratzte sich mit dem Nagel seines großen Zehs. Die Stille zwischen uns hing schwer in der Luft. Meine Ohren erwärmten sich in Richtung Roter Alarm.
Sohrab schluckte. Die kleine Vertiefung in seinem Schlüsselbein hob sich von seiner glühenden Haut ab.
»Willst du ein bisschen spielen?«
Er wusste den perfekten Weg, die Stille zu durchbrechen.
»Ja.«
Es stimmte, was alle sagten:
Fariba Bahrami machte tatsächlich das beste Tschelo Kabab der Welt.
Vielleicht sogar des gesamten Alpha-Quadranten.
Wir aßen im Schatten von Babus Feigenbäumen, drängten uns um die Spieltische oder saßen auf den Kanten von Babus Kräutertrögen. Anders als der von den Rezaeis war Babus Garten nicht durch frische Minze assimiliert worden, aber es war nur eine Frage der Zeit.
Widerstand ist zwecklos.
Körbe voll Sabzi – Petersilie und Wasserkresse und Estragon und Basilikum und Minze, Frühlingszwiebel-Stängel und frische, zu Blumen geschnitzte Radieschen – standen auf jedem Tisch. Es gab Zitronenspalten, die wir über unserem Fleisch ausdrücken konnten, und winzige Glasteller, die mit leuchtend rotem Sumach angefüllt waren, den man über alles streuen konnte.
Sumach soll angeblich die Verdauung unterstützen, was gut ist, weil ich keinen einzigen Perser kenne – Bruchstückhaft oder anders geartet – der nicht zu viel isst, wenn Tschelo Kabab auf dem Menü steht.
»Ich habe es dir gesagt.« Sohrab stieß mich mit der Schulter an. »Deine Großmama macht das beste.«
»Ja.«
Ich benutzte meine Löffelspitze, um ein Stück Kabab Kubideh abzutrennen. Von allen persischen Speisen sieht Kabab Kubideh wohl am suspektesten aus, sogar noch mehr als Fesenjan. Jedes Kabab ähnelte einem weichen braunen Holzscheit, glänzend vor Öl und Fett, mit kleinen Grübchen dort, wo Dad es angedrückt hatte, damit es am Spieß hielt.
Es wirkte sehr zweideutig.
Meine Cousine Nazgol, die vielleicht tatsächlich ein Ringgeist war, saß auf der anderen Seite neben mir und beobachtete Laleh dabei, wie sie ihr Kabab schnitt und gegrillte Tomaten unter ihren Reis mischte. Nazgol drehte sich zu mir und warf sich die Blätter einer Radieschen-Blume in den Mund.
»Willst du ein paar?«
»Nein, danke.«
»Das ist gesund. Hier.« Sie versuchte, mir ein Stück Radieschen an die Lippen zu drücken, während ich lachte und mich wegdrehte.
»Nakon, Nazgol-Khanum«, sagte Sohrab. »Lass ihn in Ruhe.«
Nazgol zuckte mit den Schultern und drehte sich in die andere Richtung, um Laleh Radieschen anzubieten, die sie in ihren Mund warf und dann das Gesicht verzog.
Sohrab beobachtete, wie Laleh würgte. Er fing meinen Blick auf und kicherte.
»Danke«, sagte ich. »Ich hole mir noch etwas mehr. Möchtest du noch was?«
»Na merci, Dariush.« Er blinzelte mich an. Und dann sagte er: »Vielleicht ein bisschen.«
»Okay.«
Ich nahm unsere beiden Teller mit in die Küche, wo die Platten mit Kabab und Reis jeden Quadratzentimeter verfügbaren Platz auf der Theke einnahmen. Wenn das Abendessen vorüber war, würde sich das Geschirr noch höher auftürmen als der Berg, den Mom und ich nach Nouruz abgewaschen hatten.
Kabab Kubideh war ein ernsthaftes Unterfangen.
Dad füllte seinen Teller mit gegrilltem Gemüse auf, während ich mehr Safranreis auf meinen schaufelte. Ausnahmsweise kommentierte er meine Essensauswahl einmal nicht, auch wenn eine zweite Portion Reis einen klassischen diätischen Fehltritt darstellte. Er war zu beschäftigt damit, Ratschläge und Kritik für seine Kabab-Zubereitung von allen Bahrami-Männern zu parieren.
»Du musst genügend Salz verwenden. Das ist sehr wichtig«, sagte Dâyi Jamshid.
»Du musst es besser andrücken, sonst fällt es vom Spieß«, sagte Dâyi Soheil.
»Du musst sicherstellen, dass der Grill sehr heiß ist, sagte Babu. »Aber nicht zu heiß.«
Dad tat mir beinahe leid.
Beinahe.
Ich suchte seinen Blick, um festzustellen, ob er gerettet werden musste.
Aber er grinste mich an und drehte sich wieder zu Babu.
»Ich verwende gern Öl statt Wasser an den Fingern«, sagte Dad. »So bleibt nicht so viel kleben. Es ist allerdings eine ziemliche Sudelei.«
Die Bahrami-Männer nickten zustimmend.
Ich war nicht eifersüchtig auf ihn.
Nicht richtig.
Vielleicht war der Platz von meinem Dad ebenfalls leer gewesen.
Vielleicht hatte er herausgefunden, wie er ihn ausfüllen konnte.
Vielleicht hatte er das.