Ich hatte gedacht, ich würde mich anders fühlen – transformiert – durch meinen Trip in den Iran. Aber als wir nach Hause kamen, fühlte ich mich so wie immer.
Das ist doch normal.
Stimmt’s?
Laleh und ich nahmen zwei Tage frei von der Schule, um unsere temporale Verschiebung zu bewältigen. Dad und ich schauten immer noch jeden Abend Star Trek: The Next Generation, manchmal mit Laleh und manchmal nur wir beide.
Als wir »Das Beste aus beiden Welten, Teil 1 und 2« sahen – Dad machte eine besondere Ausnahme von der Eine-Folgepro-Abend-Regel bei Cliffhangern –, bekam Laleh Angst und rannte hoch in ihr Zimmer.
Ich hoffte, sie würde zurückkommen.
Aber vielleicht nicht sofort.
»Es ist irgendwie schön, wenn wir unter uns sind«, sagte Dad.
»Ja. Aber ich habe nichts dagegen, wenn Laleh mitguckt. Manchmal.«
Vielleicht fühlte ich mich doch anders.
Vielleicht hatte sich etwas verändert.
Vielleicht war es so.
Mom ging in den freien Tagen mit mir neue Räder und einen neuen Sattel für mein Fahrrad kaufen, damit ich wieder allein zur Schule fahren konnte. Und an meinem ersten Tag zurück warf ich mir meine Kellner & Newton-Umhängetasche über die Schulter und zog los.
Obwohl ich Umhängetaschen immer noch kategorisch ablehnte, fühlte es sich für mich an, als wäre die Kellner & Newton-Umhängetasche mit mir nach Mordor und zurück gegangen. Ich konnte sie jetzt nicht einfach beiseitelegen, auch wenn Mom mir angeboten hatte, mir einen neuen Rucksack zu besorgen.
Javaneh Esfahani wusste, wo ich gewesen war, und meine Lehrer auch, aber sonst hatte ich es niemandem erzählt. Als ich nun mit zwei Wochen Verspätung aus den Frühlingsferien zurückkam, mit einer Yazd-Bräune, waren die Gerüchte bereits im Umlauf.
»Wie war es in der Reha?«
»Alter, ich dachte, du wärst gestorben!«
»Ich habe gehört, dass du dem IS beigetreten bist.«
Fatty Bolger hatte die Chapel-Hill-Highschool-Gerüchteküche zum Kochen gebracht.
Ich verbachte den ganzen Morgen damit, eine Frage nach der anderen zu beantworten.
Als ich an den Mittagstisch kam, ließ ich meine Umhängetasche mit einem Knall auf den Sitz fallen und stützte die Stirn auf meine Hände.
»Hey«, sagte Javaneh.
»Hey«, brummte ich in meine Hände. »Hey! Ich habe ein paar Sachen für dich.«
Ich wühlte in meiner Umhängetasche nach der Plastiktüte, die mir Mom für Javanehs Mom mitgegeben hatte. Getrocknete Schalotten und Pashmak und Haji Badam, diese kleinen gebackenen Mandelsüßigkeiten, und eine neue Tischdecke.
»Danke. Wie war’s?«
»Es war …«
Ich wusste nicht, was ich sagen sollte.
Wie sollte ich Mamu und Babu und Sohrab und Fußball und das Dach jemandem erklären, der das alles nie erlebt hatte?
Wie konnte ich darüber sprechen, wenn ich immer noch diesen Schmerz fühlte?
»Es war?«
»Es war«, sagte ich. »Ich weiß nicht. Es ist schwer, darüber zu sprechen.«
Javaneh nickte.
»Vielleicht kann ich eines Tages hinfahren. Wir haben auch noch Familie da.«
»Ich hoffe, dass du das kannst«, sagte ich. »Das tue ich wirklich.«
»Wir sind heute auf dem Südfeld«, sagte Coach Fortes, als wir aus dem Umkleideraum kamen. »Los geht’s, Gentlemen.«
Das Südfeld war eine riesige Grasfläche hinter der Chapel-Hill-Highschool-Bibliothek. Es war eigentlich kein Spielfeld – es war eher ein Rasen und hatte ein leichtes Gefälle –, aber dorthin brachte uns Coach Forbes, um Fußball zu spielen.
Es fühlte sich sehr merkwürdig an, mein rotes Chapel-Hill-Chargers-T-Shirt und die Sportshorts zu tragen, statt mein Team-Melli-Trikot.
Es fühlte sich sehr merkwürdig an, meine eigenen Tennisschuhe zu tragen, statt Sohrabs vielgeliebte Stollenschuhe oder auch die neuen, die Mamu und Babu mir zum Geburtstag geschenkt hatten. (Wir durften im Sportunterricht keine Stollenschuhe tragen. Angeblich aus »Sicherheitsgründen«.)
Es fühlte sich sehr merkwürdig an, in einem Team zu spielen, mit meinen Klassenkameraden, die »Darius« oder »Kellner« riefen statt »Dariush« oder »Ajatollah«.
Ich vermisste das irgendwie.
Es war schön, zu merken, dass ich tatsächlich zu den besseren Spielern unserer Klasse gehörte. In jedem Fall war ich besser als Trent Bolger, der im gegnerischen Team spielte.
Immer wieder blockierte ich ihn, stahl ihm den Ball und spielte ihn weiter, bis er aussah, als ob er bereit wäre, wie ein wütender Balrog in Flammen aufzugehen.
Als wir die Positionen wechselten und ich eine Runde lang Torwart war, wusste ich, dass er versuchen würde, den Ausgleich zu erzielen. Er suchte sich einen Weg um unsere Verteidiger herum und versuchte, einen Schuss zu meiner Rechten durchzuschummeln, aber ich wusste, was er tun würde.
Ich tauchte nach dem Ball, wischte mir das Gras von den Knien und warf ihn wieder raus.
Nachdem ich es mit den iranischen Seelenlosen Lakaien der Orthodoxie zu tun gehabt hatte, wirkten Trent Bolger und seine amerikanischen Versionen nicht mehr so taff.
»Gut gehalten, D-Atem«, sagte er. »Aber du bist es ja gewohnt, dass Bälle um dein Gesicht fliegen.«
»Arschloch«, sagte Chip. Er rannte zu mir rüber, um mir einen Faustcheck zu geben. Über die Ferien hatte er sich die Haare schneiden lassen und trug sie nun in einem kleinen Dutt.
Irgendwie hasste ich es, wie cool das aussah.
»Gut gehalten, Darius.«
»Oh. Danke.«
Trent blickte Chip wütend an, aber Chip zuckte nur mit den Achseln und grinste mich an.
Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.
Vielleicht war Cyprian Cusumano nicht so seelenlos, wie ich gedacht hatte.
Vielleicht.
Coach Fortes fing mich auf dem Weg zum Umkleideraum ab.
»Du warst ziemlich gut heute, Kellner.«
»Danke«, sagte ich, aber dann trat ich in etwas.
Es war matschig, und sobald mir der Geruch in die Nase stieg, wusste ich Bescheid.
»Oh, Shit.«
»Hey, Ausdrucksweise!«, sagte Coach, aber dann drehte er sich um und sah, wie ich meinen Schuh am Gras abstreifte.
Die Leute aus der Nachbarschaft ließen ihre Hunde manchmal über das Südfeld laufen.
»Oh. Du hast das wörtlich gemeint.«
»Entschuldigung, Coach.«
Er schnaubte und schüttelte den Kopf. »Komm. Wir haben Handtücher drinnen. Ich schreibe dir einen Verspätungszettel.«
»Danke.«
Ich nehme an, was Sportlehrer an der Chapel Hill Highschool anbelangte, war Coach Fortes okay, auch wenn er Teil der Ballsport-Lobby war, die das Verhalten von Fatty Bolger und seinen Seelenlosen Lakaien der Orthodoxie überhaupt erst möglich machte.
(Go Chargers.)
Coach sagte: »Fußball ist im Iran ziemlich groß, was?«
»Ja.«
»Hast du viel gespielt, als du dort warst?«
»Ich schätze schon.«
»Wie kommt es, dass du nie an den Tryouts für unser Team teilgenommen hast? Ich wusste nicht einmal, dass du spielst.«
Ich dachte an Coach Henderson.
Ich dachte an die fehlende Disziplin.
»Ich schätze, ich dachte nicht, dass ich gut genug bin.«
»Also, du hast Talent. Warum nimmst du nicht im Herbst teil?«
Meine Ohren brannten. Beinahe hätte ich dem Coach abgesagt.
Beinahe.
Aber das wäre etwas gewesen, das Darius getan hätte.
Dariush würde versuchen, sich zu qualifizieren.
Ich dachte darüber nach, wie es wäre, Sohrab zu erzählen, dass ich es ins Team geschafft hatte. Und ihm ein Foto von mir in meiner Spielkleidung zu schicken. Und wie er blinzeln und mir gratulieren würde.
Ich dachte darüber nach, wie es wäre, auf dem Spielfeld Spaß zu haben, so wie ich es mit ihm und Ashgar und sogar Ali-Reza und Hossein gehabt hatte.
»Vielleicht mache ich das«, sagte ich. »Vielleicht mache ich das.«