Das Böse geht weiter

»Vom Guten in euch kann ich sprechen, aber nicht vom Bösen.
Denn was ist das Böse anderes als das Gute,
von seinem eigenen Durst und Hunger gequält?«

Khalil Gibran

Das Böse geht weiter, in unverminderter Härte, in vielfältiger Grausamkeit, in nicht enden wollendem Umfang. Werfen wir den Blick auf einige Pressemeldungen aus den letzten Monaten, in denen dieses Buch überarbeitet wurde:

19. Jänner 2019: Veröffentlichung des Abschlussberichtes zum Massenmord von Las Vegas:

Am 1. Oktober 2017 schoss der 64-jährige Stephen Paddock in Las Vegas von einem Hotelfenster aus auf die Besucher eines Country-Music-Festivals. Er tötete 58 Menschen im Alter von 20 bis 67 Jahren, verletzte über 800 Personen und erschoss sich anschließend selbst. Beim Einzeltäter handelte es sich um einen als wohlhabend geltenden pensionierten Buchhalter, der zwar spielsüchtig war – er bezeichnete sich selbst als »größten Videopoker-Spieler der Welt«, der täglich 14 Stunden spiele – und über ein großes Waffenarsenal verfügte, polizeilich aber noch nie in Erscheinung getreten war. Ein Motiv für den Massenmord konnte bei Padock, welcher laut seinen Aufzeichnungen Valium gegen Angstzustände genommen habe, nicht gefunden werden. Ein extremistischer Hintergrund und Verbindungen zu Terrornetzwerken ließen sich ausschließen.

29. Jänner 2019:

Auf einem Campingplatz in Lüdge in Nordrhein-Westfalen wurden laut Ermittlungsbehörden zwischen Anfang 2008 und Dezember 2018 zahlreiche Mädchen und Jungen im Alter von 4 bis 13 Jahren durch drei Männer und mehrere Mittäter in circa 1000 Einzeltaten sexuell schwer missbraucht. Im Lauf der Ermittlungen stieg die Opferzahl auf mindestens 40 Kinder und 12 weitere Verdachtsfälle.

17. Februar 2019:

Der 78-jährige Samuel Little, der 2014 wegen drei Morden in den 1980er-Jahren zu lebenslanger Haft ohne Aussicht auf Bewährung verurteilt wurde, hat zwischenzeitlich bei den 2019 noch immer laufenden Vernehmungen mehr als 90 Morde gestanden. Nach Meinung der Kriminalisten handelt es sich nicht um die Prahlerei eines verurteilten Psychopathen, sondern um das Geständnis des möglicherweise schlimmsten Serienmörders der Kriminalgeschichte.

01. März 2019:

Im Staatsgefängnis von McAlester (US-Staat Oklahoma) prügelte und würgte der wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilte Raymond Pillado (35) in der gemeinsamen Zelle den verurteilten Kindermörder Anthony Palma (59) zu Tode, weil dieser in der »Knasthierarchie«, der Hackordnung in den Gefängnissen, als Kinderschänder ganz unten stand.

15. März 2019:

In der schwersten Tragödie der neuseeländischen Kriminalgeschichte seit dem Zweiten Weltkrieg erschoss der aus Australien stammende Brenton Tarrant, mit kugelsicherer Weste und militärischer Kleidung ausgestattet, in zwei Moscheen in Christchurch während des Freitagsgebetes insgesamt 51 Menschen im Alter von 3 bis 71 Jahren und verletzte weitere 50 schwer. Alle Opfer waren Angehörige der etwa 50 000 Personen zählenden muslimischen Minderheit Neuseelands. Der als Rechtsextremist bekannte Täter berief sich, ähnlich dem norwegischen Massenmörder Anders Behring Breivik, auf islamfeindliche und rechtsradikale Ideologien, insbesondere jener des »Großen Austauschs«. Bei seiner gerichtlichen Einvernahme plädierte er auf »unschuldig«.

21. April 2019:

Am Ostersonntag verübten in Sri Lanka mehrere Selbstmordattentäter, welche laut Behörden radikal islamistischen Gruppierungen und heimischen Dschihadisten angehörten, zeitnah eine Serie von Bombenanschlägen auf drei Kirchen und drei Hotels. Dabei kamen mindestens 253 Menschen ums Leben und 485 weitere Personen wurden verletzt. Zahlreiche Opfer hatten an den Ostergottesdiensten in römisch-katholischen Kirchen teilgenommen. In einer evangelikalen Freikirche wurden 27 Gläubige getötet. Unter den Opfern in den Hotels waren neben Mitarbeitern und Einheimischen mehrere indische Politiker, eine prominente TV-Köchin mit ihrer Tochter sowie drei Kinder eines dänischen Milliardärs zu beklagen.

30. Mai 2019:

Durchschnittlich 192 Personen sterben laut Weltdrogenbericht der UN in den USA täglich an einer Überdosis harter Drogen. Allein die als Schmerzmittel verordneten Fentanyle (Opioide) forderten zuletzt circa 30 000 Menschenleben pro Jahr. Der starke Anstieg bei den Drogentoten wird für die erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg gesunkene durchschnittliche Lebenserwartung der Amerikaner verantwortlich gemacht. Weltweit kamen im Jahr 2017 bei hoher Dunkelziffer 585 000 Menschen durch Drogentod um ihr Leben.

06. Juni 2019:

Der Krankenpfleger Niels Högel wurde wegen Serienmordes in 85 Fällen zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hatte von 1999 bis 2005 in seinem Beruf in zwei norddeutschen Krankenhäusern die vermutlich größte Mordserie in der deutschen Kriminalgeschichte verübt. Der vorsitzende Richter, der jeden einzelnen der über 100 angeklagten Fälle genau zu prüfen hatte, kam sich nach eigenen Worten vor »wie ein Buchhalter des Todes«.

24. Juni 2019:

Ein 35-jähriger Hauptmann der zyprischen Nationalgarde wurde zu einer siebenfach lebenslänglichen Haftstrafe verurteilt, nachdem er die Ermordung von fünf Frauen und zwei Kindern gestanden hatte. Den ermittelnden Behörden wurden Schlamperei und Rassismus vorgeworfen, weil die Morde an sozial benachteiligten ausländischen Arbeitskräften lange Zeit trotz vieler Hinweise nicht geklärt wurden. Der Justizskandal führte zur Entlassung des Polizeichefs und zum Rücktritt des Justizministers.

Der als erschreckend normal geltende Täter hatte unter dem Spitznamen »Orestes« über Internet Kontakt mit seinen aus Rumänien, Nepal und den Philippinen stammenden späteren Opfern aufgenommen und sie entführt. Vor Gericht gestand er unter Tränen seine Taten und bat um Entschuldigung für seine »abscheulichen Verbrechen«. Ein Motiv oder einen Grund für seine sadistischen Verbrechen konnte er nicht nennen.

29. Juni 2019:

Im indischen Bundesstaat Jharkhand wurden eine Frau und ihre Tochter wegen angeblicher Hexerei zu Tode geschlagen. In Indien werden pro Jahr etwa 200 Frauen gelyncht, weil man sie der »Hexerei« verdächtigt. Im April 2016 schlossen etwa aufgebrachte Dorfbewohner eine ganze Familie in ihrem Haus ein und steckten es in Brand, drei Personen wurden dabei getötet. Um dieselbe Zeit herum entführten drei Männer ein vier Monate altes Mädchen und verkauften dieses für ein Opferritual an einen Hexer.

In Afrika, Südostasien und Lateinamerika sind seit 1960 vermutlich mehr Menschen wegen Hexerei ermordet worden als während der gesamten europäischen Verfolgung. Betroffen sind nach einem Report des UNHCR die sozial schwächsten Mitglieder der Gesellschaft, besonders Frauen, Kinder, Alte und Außenseiter wie HIV-Infizierte und Albinos.

Die letzte legale Hexenhinrichtung in Europa war übrigens jene der Anna Göldin, welche am 13. Juni 1782 im Schweizer Kanton Glarus durch das Schwert exekutiert wurde. Der Prozess rief europaweite Proteste hervor, der Begriff »Justizmord« wurde erstmals in diesem Zusammenhang verwendet.

16. Juli 2019:

In Virgina/USA wurde gegen einen bereits zu lebenslanger Haft verurteilten 22-jährigern Neonazi wegen 29 Hassverbrechen eine weitere Strafe von lebenslänglicher Haft plus 419 Jahren Gefängnis verhängt. Er war im August 2017 bei einer Neonazi-Demo in Charlottesville, bei der er sich an rassistischen, antisemitischen und homophoben Sprechchören beteiligt hatte, mit einem Auto in eine Gruppe von Gegendemonstranten gerast. Dabei tötete er eine Frau und verletzte 29 Menschen. Zuvor hatte der Täter Bilder, auf denen ein Auto in Demonstranten raste, auf Instagram hochgeladen. Der Fall sorgte u. a. weltweit für Schlagzeilen, weil US-Präsident Donald Trump danach von »Gewalt auf vielen Seiten« sprach und damit das Verhalten von Rassisten und Demonstranten gleichsetzte.

30. Juli 2019:

Ein als gut integriert geltender Eritreer stieß eine Frau und ihren Sohn vom Bahnsteig auf die Gleise vor einen einfahrenden Zug. Der achtjährige Junge wurde vom ICE erfasst und starb noch im Gleisbett.