Ihr aber seid das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschaft, das heilige Volk, das Volk des Eigentums, dass ihr verkündigen sollt die Wohltaten dessen, der euch berufen hat von der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht. (1. Petrus 2,9)
Eines schicksalhaften Tages verhandelte ich, um mein übliches Ritual vor der Schlacht zu erfüllen, mit der Mutter eines dreijährigen Mädchens, dass sie mir ihre Tochter für das Opfer überließ. Sie akzeptierte meine Forderung und übergab mir das Mädchen. Es ist eindeutig widernatürlich, dass eine Mutter, die ihr Kind liebt, es für so ein Ritual hergibt, aber das war das Ergebnis des geistlichen Einflusses, den ich über Menschen gewann. Normalerweise erlangte ich ihn, indem ich ihnen Essen oder Medizin gab, die ich mit einem Zauber belegt hatte.
Meine Soldaten und ich bewegten uns auf die Front an der neuen Brücke zu und begannen das Ritual, indem wir dem kleinen Mädchen den Rücken eröffneten und ihr Herz herausnahmen. Ich teilte das Herz des kleinen Mädchens mit meinen Soldaten. Nachdem wir es aufgegessen hatten, bat ich meine Jungs, zum Fluss zu gehen und mir Wasser zum Händewaschen zu holen.
Während ich auf meine Männer wartete, hörte ich hinter mir eine Stimme. „Mein Sohn, warum versklavst du dich?“ Ich wandte mich um und sah ein helles Licht, heller als die Sonne, und die Gestalt eines Mannes etwa dreieinhalb Meter groß mit einer Wolke um die Füße. Ich konnte nur seine Füße ansehen, weil die Wolke um seine Füße die intensive Helligkeit des Lichts reduzierte. Der Rest seines Körpers, welchen ich nicht sehen konnte, strahlte heller als die Sonne. In die Sonne kann man wenigstens einen Moment lang schauen, aber die Helligkeit dieser herrlichen Erscheinung ertrug ich nicht mal für einen Augenblick.
Die Worte des Mannes ergaben für mich keinen Sinn. Ich dachte über meine Macht als General nach. Inzwischen hatte ich die Autorität erlangt, eines jeden Menschen Befreiung zu befehlen, auch wenn sein Verbrechen den Tod verdiente. Ich konnte auch den Tod einer unschuldigen Person in meinem Kommandobereich fordern, und niemand hätte mich aufgehalten. Ich antwortete also: „Warum nennst du mich Sklave, wo ich doch als König gelte?“
Er sagte: „Es stimmt, dass du ein König sein solltest, aber du lebst wie ein Sklave.“ Während ich darüber nachdachte, fuhr er fort: „Der Diener eines Königs ist bei seinem Fußschemel, aber dein Diener ist auf deiner Schulter.“ Diese Worte ließen ein scharfes Frösteln durch meinen ganzen Körper fahren, wie ich es noch nie zuvor erlebt hatte.
„Was meinst du damit?“, fragte ich.
Er sagte: „Du wirst nichts von dem verstehen, was ich dir jetzt sage, aber tue Buße und lebe – oder weigere dich und stirb.“ Dann verschwand er, während meine Männer mit dem Wasser anmarschiert kamen.
Ich stand da, sprachlos und wie vor den Kopf geschlagen, als der Lärm der Schlacht näher kam. Erschüttert, ein Schatten meiner selbst, führte ich meine Männer an die Front. Normalerweise feuerte ich meine Pistole ab, um meinen Männern Signal zu geben, sich zu sammeln. An jenem Schicksalstag explodierte meine Pistole, als ich in die Luft schoss, um meine Männer zu mir zu rufen. Ich nahm mein Gewehr, um das Signal zu geben. Auch das zerbarst. Schließlich versuchte ich es mit einer Gewehrgranate – auch sie explodierte. Ich war demoralisiert und hatte furchtbare Angst. Ich wies meine Männer an, sich zurückzuziehen und den Kampf einzustellen. Merkwürdigerweise traf mich, als ich meine Männer zur Front führte, ein Schuss aus einem gegnerischen Gewehr am Schienbein. Die Kugel drang nicht ein, aber mein Bund mit Nya-geh-a-weh als sein Priester war durch dieses eine Vorkommnis gefährdet. Bis dahin kam eine Kugel, die auf mich abgefeuert wurde, nie näher als zwanzig Meter an mich heran.
Das war das erste Mal, dass ich mich von einer Schlacht zurückzog. Nya-geh-a-weh war immer zur Rettung da gewesen, wenn mir die Dinge über den Kopf wuchsen, und hatte sein Versprechen eingelöst, mir die größte Macht zu geben. Aber nach meinem ersten Erlebnis mit Christus, gefolgt von dem dramatischen Vorgang mit den drei Waffen, tauchte Nya-geh-a-weh nicht auf. Ich dachte darüber nach, die Waffen niederzulegen und den Kampf aufzugeben. Ich blieb der Front fern. Während ich alle diese merkwürdigen Erlebnisse hatte, erlitten meine Männer aufgrund meiner Abwesenheit viele Verluste. Ich beschloss, alle Beschäftigung mit Nya-geh-a-weh aufzugeben und noch einmal über die Aufforderung, Buße zu tun, nachzudenken.
Ich kann mir nicht erklären, warum ich es nie für richtig hielt und auch nie den Mut aufbrachte, Nya-geh-a-weh von meinem Kampf mit der merkwürdigen Stimme, die mich „Sohn“ nannte, zu erzählen, wenn er zu seinen üblichen Heimsuchungen und Seelenreisen auftauchte. Ich konnte nicht aufhören, über all die merkwürdigen Dinge nachzudenken, die ich an der Front erlebt hatte. Mir wurde klar, dass meine erste Begegnung mit Christus in der geistlichen Welt Funken geschlagen hatte. Nya-geh-a-weh kam weiterhin jeden Abend für unsere Seelenreisen, aber seine Erscheinung änderte sich. Er kam mir matt und stumpfsinnig vor, wie ein Mann, der seine Frau außerehelicher Affären verdächtigt, aber keinen Beweis hat.
Die Soul Winning Evangelical Ministries (SWEM) ist eine interkonfessionelle Gruppe von Pastoren und Gläubigen, die die brutalen Folgen des Krieges leid waren und beschlossen, mit Fasten und Gebet einen geistlichen Feldzug gegen die beiden Kriegsparteien und Warlords zu führen. Ihr Motto lautete Operation: Tod dem Erstgeborenen Ägyptens. Damit sahen sich alle Schlüsselfiguren im Krieg mit einem weiteren Gegner konfrontiert – dem Geist Gottes, der sich jedem entgegenstellte, der den prophetischen Aufrufen der Pastoren, vom Kampf abzulassen, nicht Folge leistete.
In ihrer Kampagne erklärte SWEM Barnesville, einen nördlichen Vorort von Monrovia, zu Goshen, einen Zufluchtsort, an dem Waffen und Verstümmelung keinen Platz hatten. Nachdem Barnesville zu einem sicheren Rückzugsort erklärt worden war, trafen dort zwei von Charles Taylors Milizen auf Beutezug ein. Als sie das Auto eines Bewohners stehlen wollten, rannte jemand zu den Pastoren und informierte sie. „Das ist nicht möglich“, erklärten sie prophetisch. Danach gingen unbewaffnete Bewohner auf die Soldaten zu, entwaffneten sie und brachten sie zur Polizeistation. Der Inspekteur des Heeres der Republik Liberia (AFL), Generalmajor Dumuya, fing sie ab und ließ sie unmittelbar hinrichten, aber da er selbst gegen die Richtlinien des „sicheren Hafens“ verstieß, wurde er der Nächste, der unter seiner Unkenntnis der prophetischen Deklarationen zu leiden hatte. An selben Tag begab sich Dumuya als Befehlshaber der guineischen Panzertruppe an die Front. Diese sollte versuchen, die BTC-Kasernen zu zerstören und Roosevelt Johnson gefangen zu nehmen. Einer unserer Kommandeure nahm Dumuya fest und tötete ihn.
Der Soul Winning Ministry betete auch, dass ich aus dem Weg geräumt würde – kein Wunder, denn ich war bei Jung und Alt bekannt und sehr gefürchtet. Obwohl mich keiner von ihnen persönlich kannte, war mein nom de guerre „General Butt Naked“ in Liberia und der internationalen Presse sowie unter den ECOMOG-Truppen ein Begriff. Der Name rührte daher, dass ich und meine Truppen völlig nackt paradierten. Allein die Nennung meines Namens ließ andere Kämpfer vor Schreck erstarren. Mein Nacktsein unterstrich, dass ich nicht nur verrückt, sondern ein ausgemachter Soziopath war. Für die Christen bedeutete schon allein der Gedanke, sich gegen mich zu stellen, ein gewaltiges Wagnis.
Ich wusste nicht, dass sich eine Gruppe Christen eifrig dafür einsetzte, dass ich entweder außer Gefecht gesetzt oder den Mächten der Finsternis entrissen würde. Diese Gläubigen blieben tapfer in der Nähe meiner Erzfeinde, Charles G. Taylor und Alhaji G.V. Kromah, während sie für mich beteten, für einen Mann, der als Charles Taylors persönlicher Alptraum galt. Jemand fand das heraus und meldete sie den Behörden. Durch ein Wunder rettete Gott sie aus den Händen der Kämpfer, und sie beschlossen, mich künftig unter dem Namen „Joshua“ zu führen, um in ihren Gebetstreffen meine Identität zu verschleiern. Der Name Joshua steht heute für mich als Synonym für meine Errettung. Die Gebetsaktivisten hielten vierundfünfzig Gebets- und Fastentage ab, um mich für Christus zu gewinnen. Sie handelten dabei in Übereinstimmung mit Gott und müssen ein eindeutiges Wort von ihm gehört haben, denn nur Gott allein konnte ihnen diese Art Tapferkeit und Beharrlichkeit geben. Dass sie mich gewonnen haben, offenbart die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten und ihre geistliche Reife.
Meine Anwesenheit in der Camp Johnson Road, einer Straße, die wir als unsere Basis requiriert hatten, machte sowohl den Leuten, die dort wohnten, als auch den Passanten, die die Straße nutzen wollten, um zur Präsidentenvilla und woandershin zu gelangen, große Angst. Mitkämpfer, die nicht meinem Bataillon unterstanden, konnten nicht einfach in meiner Nähe herumspielen, normale Zivilisten schon gar nicht. Jeden Tag wuchs mein Verlangen nach Blut; aber die ECOMOG hatte einen Waffenstillstand in Monrovia verkündet, den sie auch überwachte. Je mehr die Zahl meiner Opferlämmer nachließ, je mehr dürstete ich nach Blut. Wenn mir Leute nahekamen, fühlte ich mich wie ein hungriger Löwe.
Die Soul Winning Evangelistic Ministries hatten beschlossen, mir einen Besuch abzustatten, um mich zur Erlösung zu führen. Jeder, dem sie davon erzählten, wusste, dass sie zu einem Selbstmordkommando unterwegs waren. Eines Tages schaffte es einer ihrer Pastoren, zu meinem Haus vorzudringen, und klopfte an die Tür. Dieses Klopfen ging mir direkt ans Herz.
Ich öffnete die Tür. Der leger gekleidete Mann begrüßte mich mit: „Jesus liebt Sie, General.“
Ich überlegte, wer das wohl war, und fragte ihn, in welcher Sprache er mich gegrüßt habe. Er antwortete: „Himmelssprache.“
Dann fragte ich: „Und wie sollte ich antworten?“
„Sagen Sie: ‚Amen‘“, erwiderte er.
Ich sagte: „Amen“ und war verwirrt. Ich konnte nicht fassen, dass ein Zivilist den Mut aufbrachte, uneingeladen in meine Residenz zu kommen. Ich suchte nach Gründen. Vielleicht war er gekommen, um von irgendwelchen Schwierigkeiten zu berichten, die meine Jungs gemacht hatten. Vielleicht war er Journalist oder einer der Besitzer des Hauses, welches ich mit Gewalt an mich genommen hatte. Keine dieser Möglichkeiten machte Sinn.
Während ich versuchte zu verbergen, dass mir in der Situation nicht ganz wohl war, begann er seine Unterhaltung, indem er mir in meinem eigenen Haus einen Stuhl anbot. Ich wurde immer unruhiger, verspürte aber kein Verlangen, meinem Gast etwas zu tun. Er sprach über sehr viele Dinge, aber ich kann mich an nichts davon erinnern, weil mein Denken und Fühlen völlig von seinem Mut gefesselt war.
An einem Punkt bat er mich die Augen zu schließen, damit er für mich beten könne. Als ich das tat, erinnerte ich mich an eine Warnung von Nya-geh-a-weh. Er war von Schwester Florence herausgefordert worden, einer Dame, die zur Monrovia Christian Fellowship gehört und die es sich zur Pflicht gemacht hatte, während des Chaos um die Aufstände vom 6. April zu beten. Sie warnte mich jeden Tag mit rhetorischen Fragen und erzählte mir über das Leben und seine anderen Seiten und Bedeutungen. Ich sprach nicht gerne mit Menschen, wenn ich mich erst einmal für einen Kampf vorbereitet hatte, aber diese ungewöhnliche Frau nahm darauf keine Rücksicht, zudem rief sie mich mit meinem ersten Namen, Milton. Nya-geh-a-weh, der wusste, was diese Frau von mir wollte, sah, dass ich als Priester nur noch ein Abklatsch meines früheren Selbst war, deshalb wandte er seine Täuschungskünste an. Er sagte mir, dass Charles Taylor die „Gebetsleute“ einsetzen würde, um mich zu kriegen, und warnte mich vor allem, was mit Gebet oder Christus zu tun hatte. Diese Erinnerung an Nya-geh-a-wehs Warnung war jedoch nicht überzeugend genug, um meinem mutigen Gast Schaden zuzufügen.
Der Mann holte mich aus meinen Erinnerungen zurück mit einem Befehl: „Ich sagte: ‚Schließen Sie die Augen und lassen Sie uns beten!‘“ Um ihn zu täuschen, verbarg ich das Gesicht in den Händen, beobachtete ihn aber durch die Finger, während er betete. Ich hatte beschlossen, das Leben aus ihm rauszupressen, wenn er irgendetwas Seltsames versuchen sollte. Als er schließlich ging, rannte ich sofort los und fragte einen meiner Jungs, wer der Typ war.
„Welchen Typ meinen Sie, Sir?“, fragten sie mich.
„Habt ihr nicht den Mann gesehen, der gerade hier die Treppe runterkam?“
„Nein, Sir.“
„Was soll das heißen, ihr habt den Mann nicht gesehen, der hier gerade vorbeikam?“
„Nein, Sir, wir haben wirklich niemanden gesehen.“
Ich bekam große Angst. Viele ungewöhnliche Szenen der vergangenen Tage gingen mir durch den Kopf. Ich begann mich elend zu fühlen, und mein Selbstbewusstsein schwächelte.
Am nächsten Tag fast zur selben Zeit hörte ich dasselbe Klopfen an meiner Tür und auf meinem Herzen.
Diesmal waren es zwei Männer und wieder spürte ich bei ihnen einen Mut, der es mir schwer machte, gelassen zu bleiben. Wieder hatte ich kein Verlangen, ihnen etwas anzutun, zumal der zweite Mann von noch kleinerer Statur war als der erste. Die beiden, Pastor Carr und Pastor Kun Kun, waren keine Bedrohung für mich, ohne Mühe hätte ich sie fertigmachen können. Nach jenem Besuch brachte ich sie die Treppe runter, um sicherzugehen, dass meine Jungs die Gegenwart der beiden Männer mitbekämen. Als ich diese wieder befragte, schworen sie, dass sie sie zum ersten Mal gesehen hätten.
In ihrem Anliegen, mich geistlich gefangen zu nehmen, begannen die Christen ein Gebetstreffen in dem zweistöckigen Gebäude, das meinem Haus gegenüberlag. Nach diesen Treffen strömten sie ungebeten in mein Haus und sprachen prophetische Worte in alle Ecken und Winkel meines Hauses hinein, abgesehen von meinem Schlafzimmer und meinem Coven. Zum Abschluss jeder prophetischen Äußerung baten sie mich, „Amen“ zu sagen. Ich antwortete kurz angebunden, damit sie verstünden, dass es Zeit sei zu gehen. Unerklärlich war mir, wie der Klang ihrer Gebete von der anderen Straßenseite bis in meinen schallsicheren Coven gelangen konnten.
Eines Tages luden sie mich zum Gottesdienst ein. Ohne groß nachzudenken stimmte ich zu. Ihr Treffen ging von 16 bis 18 Uhr. Einige Minuten bevor es losging, kamen sie, um mich zu erinnern und nochmals einzuladen. Ich versicherte ihnen, ich würde kommen. Ich dachte, ich ginge einmal hin, um sie danach vom Hals zu haben. Ich machte mich auf und war gerade drei Schritte die Treppe hinunter gegangen, als Nya-geh-a-weh erschien und mich ansprach: „Mein Held, was wirst du mit diesen Leuten tun? Diese Typen werden dich erst lächerlich machen und dann zerstören, denn dazu haben sie die Kraft.“
Ich machte auf dem Absatz kehrt und stürzte die Treppe hoch in mein geistlich befestigtes Heim. Ich bereitete meine Männer vor, wir würden auf einen Einsatz gehen. Ich war durcheinander, es schien, als hätte ich vergessen, dass ich mich auf eigenem Terrain befand. Ich wies meine Männer an: „Wenn diese Typen wieder auftauchen, dann macht eure Arbeit“ (sprich: bringt sie um).
Merkwürdigerweise erschienen die Mitglieder der Soul Winning Ministries, die regelmäßig ungebeten nach dem Gottesdienst in mein Haus marschiert waren, an jenem Tag nicht bei mir. Ich schloss daraus, dass sie wirklich eine zerstörerische Macht seien. Keiner wusste genau, was ich gegen diese betenden und hingegebenen Männer geplant hatte, außer den Jungs, denen ich vertraute.
Drei Tage später bekam ich ein Signal von General Roosevelt Johnson, dass General Victor Malu, ein neuer Kommandeur der ECOMOG, in der Stadt war und seine Inspektionsrunde machen würde. In Übereinstimmung mit dem Waffenstillstand befahl ich meinen Jungs, die Waffen wegzulegen und die Munition ins Depot zu bringen. An genau jenem Tag marschierten die Soul Winning-Leute in mein Haus zu ihrer üblichen Heimsuchung. Ich fuhr sie an: „Wozu seid ihr Typen hergekommen? Ihr wollt mich zerstören, nicht wahr? Meint ihr, ihr werdet Erfolg haben?“
„Oh, General, was sagen Sie da?“, fragte einer.
„Tut doch nicht so. Ihr wisst genau, wovon ich rede. Ihr habt eine Macht, die ihr nutzen wollt, um mich zu zerstören.“ In dominierendem Ton, ganz General, fuhr ich fort: „Aber vielleicht habt ihr noch nicht von mir gehört, dem einzigartigen Brigadegeneral Butt Naked, dem, der es mit General Alhaji Kromah in den Bomi-Bergen zu tun hatte? Habt ihr nicht von mir gehört in Weasua und von meinem Heldenmut im German Camp?“ Ich lachte laut auf. „Charles Taylor ist mein Eheweib. Ich bin der Einzige, der die ECOMOG unterworfen hat. Ich bin der General Butt Naked! Kein anderer ist Naked, nur ich.“
Diese Prahlerei sollte sie entmutigen und ihnen Angst einjagen. Ich meinte zu spüren, dass meine Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Aber der Ausdruck auf dem Gesicht von Pastor John Kun Kun schien etwas anderes zu sagen. Er lächelte, und mit seinem weichen liberianischen Tonfall entgegnete er: „Wir haben tatsächlich Macht, Mann! Aber unsere Mächte werden Sie nicht zerstören – sie werden Ihnen helfen, Commander.“
Diese Worte durchbohrten mein Herz. Ich war am Boden zerstört, so schämte ich mich, und sagte: „Ob eure Mächte helfen oder nicht, ihr solltet mich aus dem Spiel lassen.“
Nachdem die Anspannung nachgelassen hatte, sagte Pastor Kun Kun, wieder in sanftem, respektvollen Ton, der keinerlei Furcht vor meinem Ruhm und meiner Autorität verriet: „General, beugen wir das Haupt zum Gebet, denn wir werden dann gehen.“
Nie hatte ich eine so hartnäckige Gruppe von Menschen gesehen. Sie waren hingegebener hinter einer einzigen Seele her als die Gruppe zum Äußersten entschlossener Krieger, die ich anführte. Die unerträglichste Erfahrung mit dem Soul Winners Evangelistic Ministry hatte ich, als ich mich wegen der Gebete ihrer Mitglieder schämte, besonders des einen, den ich als militant beschrieben habe, Pastor Samuel Carr, der fast zweimal täglich vorbeikam und mich später noch einmal zum Gottesdienst einlud. Auch der Evangelist Richard Clarke begann mich zu besuchen.
In der Nacht, bevor ich zum zweiten Mal zu den Soul Winning Evangelistic Ministries eingeladen wurde, wurde die eigentliche Schlacht im Geist gewonnen. Jene Nacht war die erste im Verlauf von vierzehn Jahren, in der ich nicht von Mitternacht bis 4 Uhr morgens meine übliche Heimsuchung von Nya-geh-a-weh hatte. Ich ging immer früh zu Bett, um gegen zehn Uhr abends aufzuwachen, was mir zwei Stunden gab, um meine Seele für die mitternächtliche Begegnung mit Nya-geh-a-weh vorzubereiten. Wegen des Waffenstillstands war es ein freier Tag gewesen, an dem ich nichts zu tun hatte, deshalb ging ich etwa um sechs Uhr abends zum Schlafen in mein Zimmer. Als ich auf dem Bett saß, fiel ich unmittelbar in Trance. Das Dach über mir öffnete sich und ich beobachtete erstaunt, wie sich die Wolken zu teilen begannen. Ich sah fließenden Tau, der aus einer dicken Wolkenbank herunterkam und auf meine Stirn rann. Die Poren auf meiner ganzen Haut begannen schwarzen Rauch auszudünsten. Diese Erscheinung setzte sich bis zum Morgen fort, bis ich wie ein schwerer Holzbalken, der sich mit Wasser vollgesogen hatte, auf meinem Bett lag.
Etwa um drei Uhr am nächsten Nachmittag kam Richard Clarke, um sich nach mir zu erkundigen. „Schläft er noch?“
„Ja, der Chef schläft immer noch.“
Meine Jungs wagten niemanden in die Nähe meiner Tür zu lassen oder auch nur daran zu denken, mich aufzuwecken. Zu meiner eigenen Zeit wachte ich auf und kam aus dem Zimmer, wie es mir passte. Ich war sehr erleichtert, als ich hörte, wie meine Jungs Richard Clarke sagten, ich sei noch im Bett. Ich kam immer noch nicht mit der Stimme klar, die mich „Sohn“ genannt hatte, ebenso wenig mit der Explosion meiner Waffen am Tag der Schlacht und dem Tau auf meiner Stirn. Ich hatte Nya-geh-a-weh von all den merkwürdigen Begebenheiten erzählen wollen, es aber immer wieder vergessen. Ich dachte auch, dass er sich für mich einsetzen sollte, besonders in übernatürlichen Situationen wie der, die ich eben erlebt hatte, welche das menschliche Verstehen übersteigen. „Vielleicht wissen diese Leute eine Antwort auf all das“, überlegte ich. „Aber aus welchem Grund hält mich Nya-geh-a-weh auf Abstand zu ihnen?“
Genau an dieser Stelle beschloss ich, am Abend zu der Versammlung zu gehen. Ich badete gerade, als Richard an der Haustür klopfte. Seine Stimme war gut zu hören. „Ist er wach geworden?“
„Das wissen wir nicht.“
„Geht und weckt ihn auf. Wir haben eine Verabredung mit ihm.“
Die Jungs, die mich ja beschützen sollten, fragten entsprechend nach: „Was für eine Verabredung sollte rechtfertigen, dass wir den Chef wecken und in seine Privatsphäre eindringen?“
Noch bevor sie ihre Befragung zu Ende führen konnten, trat Bruder Clarke an meine Zimmertür und klopfte. Er rief: „General, das Treffen hat angefangen, und ich komme Sie abzuholen.“ Ich antwortete, er solle auf mich warten, ich sei fast fertig. Aber als mir klar wurde, dass ich mich damit gegen Nya-geh-a-weh wandte, beschloss ich zu warten und sagte zu Bruder Clarke: „Geh schon mal vor, ich komme gleich nach.“ Die Hartnäckigkeit und der Mut von Bruder Clarke beeindruckten mich und ich beschloss, an dem Gottesdienst teilzunehmen – nicht, weil ich einer von ihnen werden wollte, sondern um zu sehen, was sie dort machten und ob sie bei den merkwürdigen Erlebnissen ihre Finger im Spiel hatten.
Als ich die Straße überquerte, um an ihren Versammlungsort zu gelangen, erschien Nya-geh-a-weh, um mich abzufangen. Diesmal sprach er mit matter, kraftloser Stimme. Er erinnerte mich an meinen Wunsch, ein Großer zu sein, und wimmerte: „Mein Held, wo gehst du hin?“
Ich war erstaunt über den plötzlichen Verlust seiner rhetorischen Fähigkeiten. Mir schossen viele Dinge durch den Kopf. Ich war sehr neugierig zu erfahren, wer diese neuen Bekannten wirklich waren, vor denen mich Nya-geh-a-weh so eindringlich warnte. Ich erinnerte mich an die triumphalen Schlachten, die ich geschlagen hatte, und dennoch konnten diese harmlos wirkenden Männer irgendwie bewirken, dass Nya-geh-a-weh sich unwohl fühlte. Als ich über Nya-geh-a-wehs Versprechen nachdachte, mich zu einem „Großen“ in meiner Generation zu machen, musste ich zwischen zwei Möglichkeiten wählen: Entweder musste ich mich hinter Nya-geh-a-weh stellen und wäre in meiner Größe eingeschränkt, oder ich testete aus, wie gefährlich diese Männer wirklich waren – und wie stark Nya-geh-a-wehs Schutz.
Schließlich traf ich meine Entscheidung und machte dem ewigen Verführer meines Stammes ganz deutlich: „Ich gehe da hinauf!“ Ich zeigte auf den Raum, in dem Soul Winning sich versammelt hatte. Nya-geh-a-weh zitterte und fiel nieder, als ich diese Worte aussprach. Obwohl er versuchte, aufrecht zu stehen, fiel er nach hinten, als ob etwas Schweres ihn umwerfen wollte. Er schrie: „Held, ist dir klar, was du unserem Bund damit antust? Bitte entscheide dich anders und geh nicht dort hoch.“
Diese Erfahrung öffnete mir die Augen und ich erkannte, wie groß die Macht des menschlichen Willens ist. Nach meiner tapferen Äußerung gegenüber dem Gott meiner Vorväter und der Demütigung, die er durch mich erfahren hatte, bekam ich Angst und rannte hoch in den Versammlungsraum, um mich vor einer möglichen Vergeltung seitens Nya-geh-a-weh zu schützen.
Als ich in den Versammlungsraum betreten wollte, sah ich einen Engel an der rechten Seite der Tür stehen. Weil ich den Unterschied zwischen geistlichen und menschlichen Wesen kannte, beugte ich mich als Zeichen meiner Ergebenheit vor ihm nieder, weil ich dachte, der Engel wäre ihr Gott. Aber der Engel wehrte meine Ehrbezeugung ab und sagte, er sei nur da, um die Leute zu registrieren, die zum Gottesdienst kamen, und um ihre Hingabe an Christus festzustellen. Dann zeigte er auf Pastor Kun Kun und sagte, er sei der Mann, der mich zu demjenigen führen würde, den ich anbeten sollte, ihm solle ich in allem gehorchen, wozu er mich anwies.
Also trat ich ein, und anders als Nya-geh-a-weh behauptet hatte (dass ich eine Witzfigur sein und von den Leuten ausgelacht und verachtet werden würde), empfing man mich überaus herzlich. Die Leute dort gaben mir das Gefühl, meine Gegenwart in ihrer Mitte bedeute ihnen mehr als der Anlass, zu dem sie sich eigentlich versammelt hatten. Es herrschte eine Stimmung, als ob jemand verkündet hätte, dass der Krieg in Liberia beendet sei. Die Mitglieder der Gemeinschaft umarmten sich immer wieder, sangen und tanzten, und ein jeder hieß mich in ihrer Gemeinschaft willkommen.
Pastor John Kun Kun wurde aufgerufen, die Botschaft zu bringen, deren Überschrift „Gefährliches Christsein“ lautete. Die Bibelstellen, die er gebrauchte, sind mir noch frisch im Gedächtnis, wenn ich auch damals mit Bibelversen und vielen Begriffen nicht vertraut war. In jenem historischen Treffen stellte der Pastor heraus:
1. dass ein Christ kein Feigling sein sollte,
2. wie Christen Opfer der Entscheidungen anderer werden, wenn sie sich nicht in die sozioökonomische Kultur ihrer Nation einmischen,
3. dass Christen unerschrocken, ausdauernd und mutig sein sollten.
Er machte die Gemeinde in Liberia verantwortlich für den Krieg, weil sie über alles verfügten, um den Krieg zu stoppen, sich aber darauf eingelassen hatten, Partei zu ergreifen. Geschlagen mit einem Geist der Unvergebenheit, waren sie nicht so mächtig, wie sie sein sollten. Dann beschrieb er, wie er Christi Macht aus erster Hand erfahren hatte – wie er verschwunden und gefährliche Pfade gegangen war und wie er Hexen in gefährlicher Weise konfrontiert hatte, sodass sie dem nichts entgegensetzen konnten. Dabei wiederholte er noch einmal, was er zu diesem Anlass gesagt und ihnen in ihrem Hauptquartier in Barnesville als Machtwort überbracht hatte. Zum Schluss machte Pastor Kun Kun deutlich, dass der Herr Jesus den Preis für derartige Vollmacht bezahlt habe, nur würden die Christen die Kraft und Vollmacht nicht nutzen.
An jenem Punkt war ich bereit, alles zu tun, um zu ihnen zu gehören. Als die Predigt zu Ende ging, machte er einen Altarruf, den ich sorgfältig abwog.
Der Pastor sagte: „Wenn hier jemand ist, der sein Leben Jesus geben möchte, der komme bitte nach vorn.“ Diese Ausdrucksweise klang für die Mitglieder der Gemeinschaft gut und vertraut, aber für mich wirkten sie eher gefährlich, denn ich dachte an meine früheren Taten. Ich hatte tatsächlich Leben, Menschenleben gegeben für die Kräfte, die ich brauchte, deshalb wagte ich nicht, irgendwem „mein Leben zu geben“. Dann schien der Heilige Geist den Pastor zu ermahnen, seine Aufforderung einfacher zu formulieren, und er sagte: „Wenn jemand in dieser Versammlung sich uns anschließen will, der komme bitte nach vorn.“
Ich stand auf, marschierte mit demütigem Herzen zur Kanzel und bekundete meine Absicht, den Besitzer zu wechseln. Ich wurde aufgefordert, die Worte zu wiederholen, die ich später als das „Gebet des Sünders“ kennenlernte, und damit auszusprechen, dass ich meine Sünden bereute und willens war, Jesus Christus zu dienen. Obwohl ich das Gebet mit Begeisterung und dem festen Wunsch, einem neuen Meister zu dienen, sprach, hatte ich tatsächlich keine Vorstellung, mit wem ich da einen Bund schloss und zu wem ich dann gehören würde.
Bei den letzten Worten des Gebets fiel ich plötzlich im Geist um. Beim Fallen wurde ich in einer anderen Welt aufgefangen, von der ich später erfuhr, dass es das Reich Gottes war. Ich sah eine Person, die einem Engel ähnelte, jedoch weit über Menschen und Engeln zu stehen schien. Er wirkte unerschrocken und voller Autorität. Ich erinnerte mich an meine erste Begegnung mit dem Mann, der mir beim Gefecht an der Brücke erschienen war. Während ich noch im Geist ruhte und die Christen um mich herum für mich beteten und böse Mächte banden, versuchte ich, mir diese erste Begegnung wieder ins Gedächtnis zu rufen. Sanft unterbrach der Engelsgleiche meine Gedanken und sagte: „Genau. Du hast mich schon einmal gesehen.“ Die Gestalt war in ein weißes Gewand gekleidet und ein Schlüssel lag in seiner Hand. Er sagte: „Ich war es, der dir gesagt hat: ‚Du bist ein König, aber du lebst wie ein Sklave.‘“
Ich wollte den Bund erklären, den ich mit Nya-geh-a-weh gemacht hatte, fing an zu stottern, aber er unterbrach mich, als ob er sagen wollte, dass meine Vergangenheit für ihn keine Bedeutung habe. Den Schlüssel in seiner Hand hielt er jetzt zwischen Zeigefinger und Daumen, als er sagte: „Dies ist der Schlüssel des Lebens. Ich bin der Besitzer dieses Schlüssels, und ich verfüge darüber. Nya-geh-a-weh sagte dir, du dürfest nie aufhören, ihm Menschenopfer zu bringen im Gegenzug für die Kräfte, die dir gegeben wurden, und nie jemandem erzählen, was zwischen dir und ihm passierte. Er sagte auch, du würdest sterben, wenn du Kolanüsse essen oder auch nur berühren würdest. Aber ich sage dir jetzt, dass du nicht sterben wirst, sondern leben und ihn bloßstellen wirst, denn das ist es, was ich von dir will. Wenn jemand sich mir anschließt, übernehme ich die volle Kontrolle über ihn. Deshalb gehe in die Welt und entlarve Nya-geh-a-weh, und ich werde dich dabei anleiten und dich führen.“ Er fuhr fort: „Du brauchst nicht das Leben eines anderen Menschen, um zu leben. Ich bin der, der Leben gibt, und zwar Leben in Fülle. Geh und erzähle der Welt, wie Nya-geh-a-weh sie täuscht und verführt.“
Ich hörte allem, was er sagte, ganz genau zu, während ich immer noch im Geist ruhte und die Mitglieder der Soul Winners um mich herumstanden. Voller Autorität setzte er seine Rede fort. „Nya-geh-a-weh, der Gott, hat dir bei Todesstrafe verboten, Kolanüsse zu essen oder zu berühren. Das ist unter euren Tabus das verbreitetste, und so sage ich dir: Iss Kolanüsse und zeige damit, wer von uns beiden der Lügner ist – er oder ich.“
Im Geist konnte ich meinen Körper leblos neben der Gruppe der Versammlungsmitglieder liegen sehen. Dann befahl der Herr: „Tu es, wenn du zurückgehst. Er konnte dich nur deshalb täuschen und verführen, weil dein Denken völlig von seinem Bild geprägt war. Meine Nachfolger sind heutzutage nicht so effektiv, weil mein Bild nicht in dieser Weise ihr Denken prägt, wie das Bild Nya-geh-a-wehs deines geprägt hat.“ Damit schloss er: „Geh und erzähle der Welt von dem, was du von mir gesehen hast, und sage ihnen, dass ich wirklich existiere.“
Danach sah ich, wie ich langsam wieder in meinen Körper zurückkehrte. Mit großer Freude und Begeisterung wachte ich auf und rief aus: „Geht weg! Nya-geh-a-weh kann mir nichts antun!“ Die Leute versuchten weiterhin, mich durch Gebete von der finsteren Welt zu befreien, und hielten mich fest, als ich aufstehen wollte. Da unterbrach Pastor John Kun Kun sie scharf: „Lasst ihn.“
Als sie mich losließen, sprang ich auf und rannte die Treppe hinunter, um das von ihm Gesagte unter Beweis zu stellen.
Alle, auch die Soul Winners, dachten, als sie einen der berüchtigtsten, mutigsten und stärksten Generäle mit wedelnden Armen die Straße entlang laufen sahen, er sei verrückt geworden. Mit offenem Mund gafften die Leute hinter mir her, als ich von Ecke zu Ecke und von Ladentisch zu Ladentisch lief auf der Suche nach Kolanüssen. Mit deren Verzehr würde ich den Bund zunichte machen, den ich mit Nya-geh-a-weh eingegangen war, und gleichzeitig die Wahrheit bezeugen, dass mein neuer Meister weit höher stand.
Neben der Hütte einer Bettlerin fand ich einen Minimarkt und griff mir einige Kolanüsse. Die Soul Winners beobachteten mich gespannt. Einen Moment lang, als meine Hand die Kolanüsse nah an den Mund geführt hatte, überlegte ich, wem ich gehorchen sollte. Dann erinnerte ich mich der Worte Jesu während meiner Begegnung mit ihm, und das erleichterte mich außerordentlich: „Tu es, wenn du zurückgehst.“ Ich begann die Kolanüsse zu essen, eine nach der anderen, wie ein Hungernder, so, als ob mein Leben davon abhinge. Ich machte die ganze Schüssel leer, Kolanüsse für 70 liberianische Dollar. Die Frau ließ alles stehen und liegen und rannte – wie die Samariterin am Brunnen –, um ihre Nachbarn zu informieren, dass ich, General Butt Naked, völlig übergeschnappt war.
Die Nachricht von meinem Verrücktsein verbreitete sich wie ein Buschfeuer. Überwältigt von Begeisterung fing ich an zu singen: „Wenn ihr denkt, ich bin verrückt, dann bin ich verrückt für Jesus!“ Im Angesicht dieses Schauspiels rannten meine Leibwächter zu unserem Anführer, General Roosevelt Johnson, um ihn davon in Kenntnis zu setzen, dass ich durchgedreht war, und ihn zu bitten, mir zur Hilfe zu kommen. Keiner hat es gern, wenn sein Priester oder sein Orakel durchdreht. Die Ereignisse bereiteten den Einwohnern, meinen Männern, unseren Anführern und anderen im Stamm große Sorge. Sie meinten, ich solle mir jemanden suchen, an dem ich mich wieder abreagieren könnte, so, wie es sonst meine Art war. General Roosevelt Johnson mutmaßte, dass ich mich deshalb so eigenartig aufführte, weil ich wegen des Waffenstillstands meinem Gott nicht geopfert hatte. Er ordnete an, mich in die Bomi-Berge zu bringen, um dort wie gewohnt den Gott mit einem Opfer zu besänftigen.
Aber stattdessen kehrte ich in Hochstimmung in die Gemeinschaft zurück. „Ich kann jetzt Kolanüsse essen, ohne zu sterben“, rief ich. (Manche dachten, ich wäre deshalb durchgedreht, weil ich während des Krieges so viele Menschen umgebracht hatte.) Ich bat die Soul Winners mir zu zeigen, wie ich Nya-geh-a-weh begegnen sollte, wenn er versuchte, sich wegen des gebrochenen Bundes zu rächen. Wie ich Nya-geh-a-weh anzurufen und ihn zum Handeln bewegen konnte, wusste ich, doch wie man die Macht Jesu in Anspruch nimmt, um Schaden von mir abzuwenden, wusste ich noch nicht. „Sag einfach ‚Jesu Blut‘ oder ‚Feuer des Heiligen Geistes‘“, riefen sie. Ich zögerte nicht ihnen nachzusprechen: „Das Blut Jesu! Das Blut! Feuer des Heiligen Geistes!“
Meine Begeisterung hielt auch nach Beendigung des Treffens an, aber ein Schatten verfolgte mich in Form dessen, was ich in meiner Vergangenheit getan hatte. Die alten Instinkte waren noch da. „Seht ihr denn nicht, dass Charles Taylors Männer kommen und uns angreifen?“, rief ich zum Beispiel plötzlich und schubste jeden in meiner Nähe um, entweder, weil ich ihn in Sicherheit bringen oder ihn, wie beim Militär üblich, für seine Nachlässigkeit strafen wollte. Wenn meine furchtbare Vergangenheit mir Schwierigkeiten bereitete, fand ich Zuflucht in den knappen Proklamationen „Das Blut Jesu!“, „Das Blut!“, „Feuer des Heiligen Geistes!“
Ab dem ersten Tag meiner Bekehrung bekam ich regelmäßigen Unterricht von Pastor Samuel Carr und anderen. So wurde ich gestärkt und auferbaut, denn in meinem neuen Glauben war ich ja noch wie ein neugeborenes Baby.
Eine Woche nach meiner Bekehrung, an einem Montag, hatte ich Geburtstag. Die Soul Winners, die sich immer montags trafen, beschlossen, zu Ehren meiner Neugeburt während des Gottesdienstes meinen Geburtstag zu feiern. Bei der Predigt ging es um Errettung. Ich sprach noch einmal vor ihnen allen das Sündergebet und sagte mich entschieden und deutlich von Nya-geh-a-weh los.
Dann rief mich der Leiter auf, für ein besonderes Gebet vorzutreten, ähnlich einem Initiationsritus. Als ich mich zum Gebet niederbeugte, streckten alle ihre Hände zu mir aus, beteten und wiesen jeglichen satanischen Einfluss über mir ab. Als sie damit anfingen, fühlte ich eine merkwürdige Kraft auf mir, und sie mussten mich festhalten, damit ich ruhig blieb. Ich begann in Sprachen zu sprechen, während mich die Pastoren bei den Händen hielten und den Dienst des Gebets und der Befreiung taten. An jenem Abend empfing ich sechs verschiedene Geistesgaben. Ich sprach in Zungen, legte die Zungenrede aus, prophezeite, diente mit Heilung und empfing Worte der Erkenntnis und Worte der Weisheit. Alle diese Gaben manifestierten sich während meines ersten Gottesdienstes.
Keiner aus dem Soul-Winning-Team hatte mich je Joshua genannt, wie sie es bei ihrer Fürbitte für meine Bekehrung getan hatten. Der Geist Gottes offenbarte mir etwas und ich sagte: „Ich höre, wie mich jemand Joshua nennt.“ Die Mitglieder der Versammlung freuten sich, machten Luftsprünge und gaben Gott die Ehre. Ich empfing weiterhin ungewöhnliche Offenbarungen und übernatürliche Kräfte. Als ich meiner kranken Tante die Hände auflegte, wurde sie augenblicklich geheilt. Eine der Pastorenfrauen sprach in Zungen und ich übersetzte gleichzeitig: „Die Schlacht hat gerade erst begonnen. Das Soul Winning Ministry soll mehr Mühe und Zeit darauf verwenden, Joshua [geistliche] Nahrung zu geben. Denkt an meine Worte: Er ist für mich ein Zeichen für die Nationen.“
Dann sagte ich zu Bruder Richard Clarke: „Der Herr will, dass du weißt, dass er dich als Wegweiser gebraucht hat, um mich zu ihm zu führen. Sei nicht stolz darauf und versuch nicht, dir dafür die Ehre zu nehmen. Er ist Gott – und er war es, der dich dazu ausgerüstet und dir Gelingen gegeben hat.“ Nach diesen Worten brach Bruder Clarke zusammen, tat Buße und gab Gott die Ehre. Bei diesem Treffen erfuhren viele Menschen Befreiung. Etliche, die in ihrer Treue zum Herrn nachgelassen hatten, erneuerten ihre Hingabe, und viele wurden gerettet. Die Gegenwart Gottes war greifbar stark und zeigte sich in Befreiung, Heilung und Stärkung der Gläubigen.
Noch während der Geburtstagsfeier ging ich in meinen Coven und trug meine gesamte Ausrüstung heraus, einschließlich meiner Schusswaffen. Ich schleppte auch den traditionellen Thron heraus, auf welchem ich immer gesessen hatte, um mein Ritual zu vollführen – er war rund und wie ein Aschanti-Hocker geformt. Merkwürdigerweise waren die Priestermesser verschwunden, die Mitglieder der PRC benutzt hatten, um Präsident William R. Tolbert jr. zu töten. Die Christen wollten die Waffen nicht und schlugen vor, sie meinem Feldkommandeur auszuhändigen, von dem ich sie auch erhalten hatte. Sie konnten damit nichts anfangen, schließlich waren sie Pastoren und keine Soldaten.
Mit ziemlichem Getöse marschierte ich zum Haus des Kommandeurs, salutierte und überreichte ihm die Ausrüstungsgegenstände. „Sir! Ich habe einen neuen und besseren Befehlshaber gefunden. Ich wurde von einer anderen Armee angeworben.“ Als er diese kühnen Worte vernommen hatte, verdüsterte sich Johnsons Miene, weil er annehmen musste, ich wäre zu einer anderen Fraktion, nämlich der NPFL von Charles Taylor, übergelaufen, wie es J. Apollo Swen und andere getan hatten. Aber dann ergänzte ich: „Mein neuer Kommandeur ist Jesus Christus. Und das hier sind Ihre Waffen und Ihre Munition.“
Da lächelte er verschmitzt – ich glaube, weil er nun das Gerücht für bestätigt hielt, dass ich auf einmal verrückt geworden wäre. Als ich die Waffen und die Munition übergeben hatte, grüßte ich zum Abschied und marschierte davon.
„Kommen Sie, General!“, rief er hinter mir her. „Kommen Sie, General! Kommen Sie! Ich habe hier noch eine Kleinigkeit für Sie!“
„Behalten Sie Ihre Kleinigkeit für sich, Sir! Der Mensch lebt nicht von Brot allein“, rief ich zurück und hob abwehrend die Hände.
Und dann machte ich, dass ich davonkam. Ich verließ das Haus des Kommandeurs und suchte eine der Hauptgeschäftsstraßen von Monrovia, die Broad Street, auf, um ein Megafon zu kaufen und meine Ein-Mann-Evangelisation zu starten. Merkwürdigerweise machte ich – der alte Butt Naked – meine erste Erfahrung im Heilungsdienst mit einer verrückten Frau, die völlig nackt war. Nachdem ich durch den Geist angeleitet für sie gebetet hatte, sagte ich zu ihr: „Gehen Sie nach Hause und ziehen Sie sich etwas an.“ Sie begann zu weinen und bekannte mir, dass sie von sehr weit her gekommen war. Daraufhin bat ich die Umstehenden, ihr ein Tuch zu geben, damit sie ihre Blöße bedecken konnte. Schließlich wurde sie zu mir nach Hause gebracht, wo sie badete und Kleider bekam.