Kapitel 15
»Das gibt’s doch nicht.« Lena knallte den Telefonhörer auf die Gabel. Mikes Handy schien ausgeschaltet zu sein oder sein Akku war mal wieder leer. »Ist es so schwer, das Ding abends ans Ladegerät zu hängen?«
Als Lena nach Hause gekommen war, hatte sie sich ein paar Minuten hingelegt und tatsächlich ein wenig schlafen können, aber jetzt fragte sie sich, ob das ein Fehler gewesen war. Vielleicht hätte sie Mike zuerst anrufen sollen. Sie hatte gehofft, dass er sie begleiten würde. Ihr war jetzt nicht danach, ganz allein zu sein, noch dazu irgendwo im Wald, auch wenn es noch eine Weile hell sein würde.
Wohin sollte sie überhaupt gehen? Neue Erkenntnisse über die Pflanzensammlung hatte sie noch nicht gewonnen. Sie musste Cay noch einmal um seine Hilfe bitten. Vielleicht konnte er mit ihr zusammen die Bibliothek nach passenden Büchern durchforsten. Auch sonst wäre das Schloss wohl kein schlechter Anlaufpunkt. Sie erinnerte sich an die Pflanze, die eigentlich längst ausgestorben war. Sicher gab es dort noch mehr davon, vielleicht auch welche, die sie nicht kannte und die mit ihrer Liste zu tun hatten. Zwar waren die Namen auf ihrer Liste keine Pflanzennamen, aber sie war sich sicher, dass es etwas mit Pflanzen zu tun haben musste. Alles, was Gromi ihr hinterlassen hatte, hatte irgendwie mit Pflanzen zu tun.
Sie dachte an die Übersetzungen, die Cay ihr diktiert hatte. Leidenschaft, Hass, Angst, Trauer, das waren alles Gefühle. Vielleicht musste sie nach Pflanzen suchen, die man mit diesen Gefühlen in Verbindung brachte? Lena seufzte. Alles wäre so viel einfacher gewesen, wenn sie gewusst hätte, wozu es gut war.
Der Tag fiel ihr ein, an dem Gromi ihr das Buch gegeben hatte. Es war ihr achtzehnter Geburtstag gewesen und Lena hatte das Buch zunächst für ein Geschenk gehalten.
Gromi hatte den Kopf geschüttelt. »Es ist kein Geschenk, es ist eher eine Pflicht, die ich dir weitergebe.« Gromi sah sie ernst an. »Hier drin steckt alles, wofür ich in den letzten Jahren gearbeitet habe und jetzt möchte ich, dass du es bekommst.« Sie legte eine Hand auf das kleine Buch.
Lena sah auf den abgegriffenen Ledereinband hinunter. »Brauchst du es denn nicht mehr?«
Gromi lächelte traurig. »Nichts, was darin steht, könnte ich jemals vergessen, nicht einmal, wenn ich es wollte. Ich habe zu lange und zu oft darüber nachgedacht. Ich brauche es nicht schwarz auf weiß. Viel wichtiger ist, dass du es hast.«
Lena blätterte in dem Büchlein herum. »Du hast das Märchen für mich aufgeschrieben.«
»Ja, und noch mehr. Lena, es ist sehr wichtig für mich, dass du weitermachst. Du hast mir bereits so viel geholfen, dennoch bin ich nicht sehr weit gekommen. Ich hoffe, dass du es schaffen kannst.«
»Was denn schaffen?«, fragte sie, während sie eine neue Seite aufschlug. Sie runzelte die Stirn, als ihr Blick auf die Liste mit den ihr unbekannten Namen fiel. »Und das hier? Was ist das?«
Sie schreckte auf, als die Tür aufgerissen wurde. Ihre Mutter steckte den Kopf herein. »Lena? Komm, wir müssen los, die anderen warten schon!«
»Oh, richtig.« Sie legte das Buch auf ihr Bett und stand auf.
Gromi drehte sich zur Tür. »Hat das nicht noch ein paar Minuten Zeit, Greta? Ich habe so lange darauf gewartet …«
»Nein, tut mir leid, wir sind ohnehin schon spät dran«, sagte Lenas Mutter und warf Lena einen mahnenden Blick zu. »Komm bitte sofort nach, ich gehe schon mal runter.«
Lena nickte. »Tut mir leid, Gromi, aber wir reden morgen, ja?«
Gromi nahm ihre Hände ganz fest in ihre. »Gleich morgen, Lena. Es ist wirklich wichtig, dass wir gleich morgen darüber reden. Es gibt so viel, was nicht in dem Buch steht und so viel, was du unbedingt wissen musst«, drängte sie.
»Gromi, danke für das Buch. Ich werde es immer in Ehren halten.« Sie umarmte ihre Großmutter fest zum Abschied. Als sie sich von ihr lösen wollte, hielt diese sie fest.
»Lass das Buch niemals aus den Augen. Niemals, hörst du? Und es wäre …«
»Lena! Komm jetzt«, rief ihre Mutter von unten.
Lena drückte Gromi noch einmal und wand sich dann aus ihrer Umarmung. »Tut mir leid. Du weißt ja, wie sie ist.« Sie verdrehte die Augen. »Aber wenn ich schon nicht bei dir bleiben kann, nehme ich wenigstens das Buch mit. Ich freue mich schon auf morgen!«
Die Erinnerung versetzte Lena einen Stich. Ein Morgen hatte es für Gromi nicht gegeben. Am nächsten Tag hatte man sie tot in ihrem Zimmer gefunden. Für Lena war es unbegreiflich gewesen, dass ihre Großmutter einfach gestorben war. Erst später hatte sie erfahren, dass Gromi schon lange krank gewesen war.
Lena schlang die Arme um sich, als sie an dieses letzte Gespräch mit ihrer Großmutter dachte. Sie hatte sie einfach zurückgelassen, obwohl sie gemerkt hatte, wie wichtig es Gromi gewesen wäre, nur noch ein paar Minuten mit ihr zu reden. Es war ihre eigene Schuld, dass sie nicht mehr über die Pflanzen wusste.
Lena schüttelte die Erinnerungen ab und ging in die Küche, um etwas zu trinken. In Grübeleien und Schuldzuweisungen zu versinken, half ihr auch nicht. Sie versuchte noch einmal, Mike zu erreichen, aber auch auf dem Festnetz hatte sie keinen Erfolg.
Was sollte sie jetzt tun? Allein Pflanzen suchen zu gehen, kam nicht infrage. Sie beschloss, einfach zu Mike zu fahren und zu hoffen, dass er demnächst dort auftauchen würde. Wenn nicht, würde ihr die Bewegung sicher guttun und sie vielleicht auch ablenken.
Lena stellte ihr Glas in die Spüle und drehte sich um. Etwas Weißes leuchtete ihr vom Küchentisch aus entgegen. Sicher wieder nur das Übliche. Eine Nachricht ihrer Mutter, dass sie lange wegblieb. Trotzdem ging sie zum Tisch, um den Zettel zu lesen.
Er hat angerufen, du sollst zum Schloss kommen. Es geht um die Pflanzen.
Lena starrte den Zettel an. Ihre Mutter hatte ihr eine Nachricht von Cay ausgerichtet? Seltsam. Sie wollte doch nicht, dass Lena an dem Projekt arbeitete. Lena zuckte mit den Schultern. So weit, eine Nachricht zu unterschlagen, ging sie wohl doch nicht. Dabei musste sie doch wissen, dass Lena der Aufforderung sofort nachkommen würde. Immerhin ging es um die Pflanzen. Ganz sicher würde sie nicht bis Montag warten, um zu erfahren, was Cay herausgefunden hatte. Vor allem, da sie Mike sowieso nicht erreichen konnte. Lena zog ihr Handy aus der Tasche und wählte Cays Nummer, aber auch er war nicht erreichbar. Kein Freizeichen. »Verdammt! Ist das Akkuaufladen aus der Mode gekommen, oder was?«
Oder vielleicht hatte Cay beim Schloss auch einfach nur kein Netz? Sie war sich nicht sicher, ob er wirklich von ihr erwartete, dass sie allein kam. Vielleicht würde er sie lieber abholen. Es war ihr jetzt gleichgültig. Sie wollte unbedingt wissen, was es Neues gab. Wenn nur der Weg durch den Wald nicht gewesen wäre. Sie biss sich auf die Lippen. Auch wenn es hell war, den Weg wollte sie auf keinen Fall allein gehen.
Es half nichts. Mike musste mit. Sie beschloss, ihren ursprünglichen Plan in die Tat umzusetzen und zu ihm nach Hause zu fahren. Irgendwann musste er ja dort auftauchen.
*
»Mike, endlich. Wo hast du nur gesteckt?«, rief Lena ihm entgegen, als er auf seinem Fahrrad angerollt kam. Noch war es hell. Trotzdem mussten sie sich beeilen, wenn sie nicht in die Dunkelheit kommen wollten.
»In der Schule beim Beet, ich musste doch noch meine Pflanzen pflegen, damit ich keinen Ärger mit dir bekomme«, sagte Mike und grinste, während er abstieg und seinen Rucksack vom Gepäckträger hievte. »Ist irgendwas los?«
»Du musst mit mir Pflanzen sammeln gehen«, sagte Lena.
Mike runzelte die Stirn. »Jetzt?«
»Ja, bitte, unbedingt jetzt. Deswegen warte ich ja hier. Hast du Zeit?«
Mike hob die Schultern. »Okay, ja, ja, ich habe Zeit. Was ist denn los? Warum ist das plötzlich so dringend?«
»Ich erzähle dir alles unterwegs, okay? Ich will los, bevor es noch dunkler wird.«
»Also gut, lass mich nur schnell meine Sachen reinbringen.« Er lehnte sein Fahrrad an den makellosen, weißen Zaun und verschwand kurz darauf im Haus. Wenig später kam er mit einer leichten Jacke über dem Arm wieder heraus. Er klemmte die Jacke auf seinen Gepäckträger und stieg auf.
»Wo fahren wir überhaupt hin?« Er stieg auf und ihre Räder setzten sich klappernd in Bewegung.
»Zum Schloss.«
»Wie bitte?«
Sie erzählte ihm von dem Zettel und endlich auch von dem Erlebnis mit dem Schatten im Wald und dass sie sich schon seit Längerem beobachtet fühlte. Es fühlte sich gut an und sie war dankbar, dass er ihre Ängste nicht einfach abtat, sondern ernst nahm.
»Es macht mir ja nichts aus, dich zu begleiten, aber meinst du, dass ihm das recht ist?«
Lena zog die Augenbrauen zusammen. »Wenn er was dagegen hat, dann hätte er mich eben abholen sollen, anstatt mir erst eine kryptische Nachricht zu schicken und dann nicht erreichbar zu sein. Er kann sich doch denken, dass ich nach so einer Nachricht nicht abwarten kann und er weiß genau, dass ich nicht allein durch den Wald laufen will.«
»Was meinst du, wer das war? Der Schatten im Wald, meine ich.«
Lena zuckte die Achseln. »Keine Ahnung.«
Sie sah, dass Mike die Stirn runzelte. »Meinst du, es könnte vielleicht Cay sein, der dich beobachtet?«
Lena zuckte so heftig zusammen, dass sie den Lenker verriss. Mühsam brachte sie ihr Fahrrad wieder auf Kurs. »Was? Nein. Warum sollte er das tun?«
Mike zuckte mit den Schultern. »Weiß nicht. Aber damals, als du ihn zum ersten Mal gesehen hast, da hat er dich doch auch beobachtet. Wer sollte es sonst sein?«
Lena hatte sich wieder gefangen. »Nein, das glaube ich nicht. Er war doch auch dabei, als …« Sie verstummte. Cay war nie bei ihr gewesen, wenn sie sich beobachtet gefühlt hatte. Dennoch war sie sich vollkommen sicher, dass er es nicht gewesen war. In seiner Gesellschaft fühlte sie sich sicher, während der Schatten eine abgrundtiefe Angst in ihr geweckt hatte. Außerdem war da noch dieser Geruch. »Er war es nicht, da bin ich mir sicher. Jetzt hau rein, ich will oben sein, bevor es dunkel wird.« Wenn sie erst einmal dort waren und bei Cay, dann waren sie in Sicherheit. Er würde dafür sorgen, dass sie hinterher im Dunkeln wieder unversehrt zurückkamen.
»Okay, dann los«, keuchte Mike.
Lena nickte und trat in die Pedale, bis ihre Beine brannten und sie Mühe beim Atmen hatte. Bald bogen sie von der Landstraße in die kleine Teerstraße ein und gelangten schließlich an das Tor. Lena hatte gar nicht mehr daran gedacht. Letztes Mal war es geschlossen gewesen und hatte sich nur kurz geöffnet, um das Auto hindurchzulassen. Heute stand es offen.
Sie hatte fast erwartet, dass Cay da sein würde, und sah sich nach allen Seiten um, konnte ihn allerdings nirgends entdecken. Ein ungutes Gefühl machte sich in ihr breit, so als würde sie Cay betrügen, wenn sie jemand anderen einfach so hierher brachte. Sie verdrängte es. Schließlich war Cay selbst schuld, wenn er sie so neugierig machte und dann nicht erreichbar war.
Sie sprang vom Rad und lehnte es an einen Baum. »Wir sind da.«
Mike lehnte sein Rad ebenfalls an einen Baum und sah sich um. Er zeigte auf den Weg mit den unebenen Steinen.
»Geht es da zum Schloss?«
»Ja, genau. Leider kein guter Weg für Fahrräder, wir laufen besser.« Sie warf einen Blick nach oben und stellte erleichtert fest, dass es immer noch hell war. Wenn es dämmerte, wären sie längst oben. Trotzdem war sie froh, nicht allein gekommen zu sein und blieb dicht neben Mike, während sie dem Weg den Berg hinauf folgten.
Zuerst ignorierte Lena das Gefühl im Nacken. Dieses Prickeln, das sich in ihren ganzen Körper fortsetzte. Sie wollte es einfach nicht wahrhaben. Aber schließlich blieb sie doch stehen. »Mike«, flüsterte sie.
Er blieb ebenfalls stehen. »Was ist?« Als sein Blick auf ihr Gesicht fiel, verengte er die Augen. »Hast du etwas gehört?«
Lena schüttelte den Kopf. »Da war nur wieder dieses Kribbeln. Zuerst dachte ich, ich hab es mir nur eingebildet, aber es … es ist da.« Die Härchen in ihrem Nacken stellten sich auf. Sie sah sich nach allen Seiten um. Nichts. »Vielleicht bilde ich es mir nur ein.«
Trotzdem griff sie nach Mikes Hand, in der Hoffnung, dass sie das beruhigen würde. Ein wenig half es auch, es tat einfach gut, seine Nähe zu spüren. Richtig sicher fühlte sie sich trotzdem nicht. Mike kannte sich hier ebenso wenig aus wie sie und er war eben nicht Cay. Verdammt, kann er uns nicht entgegenkommen?
Sie fragte sich, was Cay wohl dazu sagen würde, wenn er sie jetzt so sehen würde, Hand in Hand mit Mike. Sie schnaubte. »Dämliche Eifersucht.«
»Was?«, fragte Mike verwirrt.
Lena fluchte innerlich. Warum konnte sie ihre Selbstgespräche nie leise führen? Dann seufzte sie. Warum sollte sie es Mike eigentlich nicht erzählen? »Cay dachte, dass wir zusammen sind, oder so«, murmelte sie.
»Warte mal, du meinst, er ist eifersüchtig auf mich?« Mike lachte. »Dann weißt du jetzt immerhin sicher, dass er auch was von dir will.«
»Das hätte ich auch so gewusst, nach dem …« Lena brach ab und wurde rot.
Mike blieb stehen. »Nach was?«
»Also gut, wenn du es wissen musst, er hat mich geküsst. Nur auf die Hand, aber es war trotzdem irgendwie ein richtiger Kuss, verstehst du?« Sie sah auf ihre Hände.
»Du hast dich von ihm küssen lassen?«
»Nur auf die Hand«, wiederholte sie, als könnte sie ihn so davon überzeugen, dass es nichts bedeutete. Von ihrem Traum erzählte sie ihm lieber nicht.
»Ich dachte, du wolltest nichts von ihm. Hast du nicht gesagt …«
Lena unterbrach ihn. »Ich weiß, was ich gesagt habe, aber man kann sich seine Gefühle eben nicht aussuchen.« Sie starrte auf ihre Hand, als könnte sie Cays Berührung dort entdecken, wenn sie nur lange genug hinsah. Auf jeden Fall konnte sie sie immer noch spüren. Seine Lippen auf ihrer Haut. Das Sehnen in ihrer Brust. »Ich habe noch nie so etwas gefühlt, nicht einmal mit Adrian«, flüsterte sie.
Mike sah sie besorgt an. »Er wird wieder gehen, Lena. Das weißt du doch. Er geht und ich kann wieder die Scherben einsammeln, so wie damals.«
Lena wollte etwas erwidern, als sie plötzlich ein Geräusch hörte. Sie sah sich danach um. »Hast du das auch gehört?«
Mike wand den Kopf in alle Richtung. Dann schüttelte er den Kopf. »Nur Blätterrascheln.«
»Nein, das klang wie ein Atemgeräusch. Gott, Mike. Irgendwas ist hier.« Sie packte seine Hand etwas fester und wühlte in ihrer Hosentasche nach dem Handy. Vielleicht würde sie jetzt zu Cay durchkommen. Mit zitternden Fingern zog sie es heraus und starrte auf das Display. Kein Netz. »Verdammt!«
»Lena, beruhig dich doch mal. Da ist nichts, ich …« Er zuckte zusammen, als ein lautes, rasselndes Keuchen neben ihnen aus dem Unterholz drang. Er hielt ihre Hand ganz fest. »Was ist das?«, flüsterte er. »Ein Hund vielleicht?«
»Ich will es lieber nicht herausfinden. Was immer das ist, es klingt nicht sehr vertrauenerweckend.« Lena sah sich um und merkte, dass die Dämmerung bereits einsetzte. Panik machte sich in ihr breit. »Lass uns hier verschwinden!«
»Wohin? Weiter rauf oder zurück zu den Rädern?«
Bevor Lena darüber nachdenken konnte, hörte sie ein Knurren. Es ging ihr durch Mark und Bein und es war viel zu nah. Noch einmal ertönte das Knurren, vibrierte in ihrem Körper und nahm ihr den Atem.
»Nach unten sind wir schneller. Komm schon!« Sie packte Mike am Arm und zog ihn mit sich.
Sie liefen den Weg zurück, den sie gekommen waren, und mussten sich ganz darauf konzentrieren, nicht zu stolpern.
Nach einer Weile bemerkte Lena die Erschütterung. Panik stieg in ihr auf und schnürte ihr die Kehle zu. »Spürst du das?«, krächzte sie.
»Ja«, zischte Mike. »Was immer es ist, es läuft uns nach.«
Lena entriss Mike ihre verschwitzte Hand, um schneller laufen zu können. »Wir müssen zu den Fahrrädern! Wenn wir die erreichen können …«
Dumpfe Schritte auf dem Weg ließen sie verstummen. Sie drehte sich im Laufen um, aber in der fortgeschrittenen Dämmerung konnte sie nur noch einen Schemen erkennen. Einen riesenhaften Schemen.
»Mike, schneller!« Ihre Stimme überschlug sich. »Da vorn sind schon die Räder!«
Sie stürzte zu dem Baum, an dem ihr Fahrrad lehnte, sprang auf und trat in die Pedale. Sie musste die Straße erreichen. Irgendwie wusste sie, dass alles gut werden würde, wenn sie nur aus diesem Wald heraus kämen.
Es war nicht weit zum Waldrand. Nur noch ein paar Meter und Lena wiegte sich schon in Sicherheit. Da hörte sie plötzlich wieder den rasselnden Atem, ganz dicht hinter sich. Entsetzt schrie sie auf. Sie spürte einen Schlag, dann wurde ihr Fahrrad nach hinten gerissen und sie wurde brutal nach vorn über den Lenker geschleudert. Sie schlug auf dem Boden auf, alle Luft wurde ihr aus den Lungen gepresst und es wurde kurz schwarz um sie. Stille. Die Schritte waren verstummt.
»Lena«, schrie Mike panisch. »Lena, steh auf, schnell!«
Ein furchtbarer Gestank schlug ihr entgegen. Der rasselnde Atem war jetzt direkt über ihr. Er kaum aus einem weit geöffneten Maul mit spitzen Zähnen. Sie riss die Augen auf. Verzweifelt wollte sie ein paar Meter zurückrutschen. Das Vieh knurrte. Es klang wie eine Warnung. Lena erstarrte und verbiss sich einen Schrei. Sie wollte das Biest nicht noch mehr aufregen.
»Mike, hilf mir«, hauchte sie stattdessen und legte so viel Dringlichkeit in ihre Stimme, wie sie konnte.
»Ich will ja, aber ich weiß nicht wie«, rief er.
Rote Augen leuchteten über den Zähnen und Lena erkannte trotz der fast vollkommenen Dunkelheit, dass es das Gesicht eines riesigen Panthers war. Es grinste sie an, in Vorfreude auf seine Beute. Langsam senkte er seinen Kopf zu ihrer Kehle. Sein stinkender Atem wehte ihr ins Gesicht.
Lena hielt die Luft an. Vielleicht tut er mir nichts, wenn ich mich nicht bewege? Sie lag so still da, wie sie konnte, und unterdrückte mit aller Macht das Zittern, das ihren Körper schüttelte. Vielleicht wäre es besser, die Augen zu schließen, aber sie konnte nicht wegsehen.
Plötzlich jaulte die Kreatur und warf den Kopf in die Luft.
»Zurück!«, donnerte eine dunkle Stimme über Lenas Kopf. »Verschwinde.«
»Cay«, flüsterte Lena, aber die Erleichterung hielt nur kurz an. Was konnte er schon gegen das Monster ausrichten? Lena wollte den Kopf drehen, um etwas zu sehen.
»Nein, beweg dich nicht«, befahl er.
Sie erstarrte. Es klang, als wüsste er, was er tat. Tatsächlich war das Wesen ein Stück vor Cay zurückgewichen. Mit gesenktem Kopf und angelegten Ohren machte das Biest einen weiteren Schritt rückwärts. Es hatte die Zähne gefletscht. Ein Knurren grollte aus seiner Brust, das Lenas Körper durch und durch vibrieren ließ.
Lena zuckte zusammen. Sie konnte einfach nicht anders. Das Grollen wurde zu einem Brüllen und das Biest bäumte sich auf.
Es hatte keine Hinterbeine.
Ein riesiger Schlangenleib bewegte sich unter dem Oberkörper des Panthers, der sich fauchend über Cay auftürmte und mit seinen Pranken nach ihm schlug. Cay rührte sich nicht von der Stelle.
Lena presste sich die Hand auf den Mund, um nicht aufzuschreien. Das Vieh würde ihn in Stücke reißen. Sie musste etwas tun. Lächerlich, du konntest dir ja nicht einmal selbst helfen!
Doch im selben Augenblick senkte das Wesen widerwillig den Kopf und legte ihn zur Seite. Cay stand vor ihm und murmelte etwas. Sein Körper wirkte bis zum Zerreißen gespannt. Die riesige Katze mit dem Schlangenleib fauchte und legte die Ohren an, bevor sie den Kopf auf den Boden presste. Als würde Cay das Wesen so festhalten, allein durch seinen Willen, rührte es sich keinen Zentimeter. Langsam verstummte das Knurren und Fauchen und wich vollkommener Stille.
Cay senkte die Arme. Wie von einem Bann befreit, machte das Wesen auf der Stelle kehrt und verschwand mit seltsam hüpfend-schlängelnden Bewegungen im Wald. Lena schloss kurz die Augen und atmete tief durch. Es war verschwunden. Das Biest war fort. Sie rappelte sich auf und lief mit wackligen Schritten zu Cay hinüber. Sein Gesicht war weiß vor Anstrengung und seine schwarzen Haare feucht vom Schweiß. Sie legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Leonora!« Er zog sie in seine Arme und drückte sie fest an sich. Sie vergrub das Gesicht an seiner Brust.
»Ich bin so froh, dass du da bist.« Sie zitterte immer noch.
»Für einen Moment dachte ich, ich wäre zu spät.« Seine Hand fuhr über ihre Haare, ihre Schulter, ihren Rücken, tastete sie ab, als wollte er sichergehen, dass ihr nichts geschehen war. Dann streiften seine Finger ihren Hals und seine Augen suchten ihr Gesicht nach Verletzungen ab. Sein Blick blieb an ihrem hängen und die Angst, die sie darin sah und die nur langsam einem Ausdruck von Erleichterung wich, ließ ihre Knie weich werden. Er legte seine Stirn an ihre.
Eine Weile hielt er sie so fest. Obwohl ihr unheimlich viele Fragen auf der Seele brannten, hielt sie einfach nur still. Genoss das Gefühl von seiner Haut auf ihrer und spürte seinen Herzschlag, der sich langsam beruhigte.
»Was hast du dir nur dabei gedacht, allein hierherzukommen?«
Allein? Sie war nicht allein gewesen. Abrupt riss sie sich von ihm los. »Mike! Er war auch hier.« Hektisch suchte sie die Umgebung nach ihm ab.
»Wo ist er?« Sie sah sich um. Da! Jemand lag auf dem Boden. »Mike«, schrie sie und stürzte zu ihm. »Mike, steh auf!« Sie kniete sich neben ihn und rüttelte an ihm, aber er rührte sich nicht.
Sie hörte Cay hinter sich, dann spürte sie seine Hand auf ihrer Schulter. »Keine Sorge, er ist nur ohnmächtig, ich habe gesehen, wie er umgekippt ist.«
Lena atmete erleichtert auf. Sie fuhr Mike über die Stirn und jetzt sah sie auch, dass sein Brustkorb sich hob und senkte. Er schien unverletzt zu sein. Sie atmete tief durch. Sie waren alle unversehrt, trotz dieses merkwürdigen Monsters.
Langsam stand sie auf und wandte sich an Cay. »Was war das?«
Er schwieg lange, bevor er sich schließlich zu einer Antwort durchrang. »Ein Tatzelwurm.«
Jetzt fiel Lena ein, dass sie das Tier schon einmal gesehen hatte. »Das Tier von dem Wappen.«
»Ja.«
Lena schnaubte. »Klar. Das läuft hier einfach so im Wald herum und frisst Leute.«
Cay zuckte zusammen. »Eigentlich ist er friedlich und bleibt meist auf der anderen Seite des Schlosses. Ich weiß nicht, warum er hier war und euch einfach so angegriffen hat.«
Lena lachte auf, aber in Cays Gesicht war kein Funke Humor zu finden. Sie räusperte sich. »Du meinst das wirklich ernst«, stellte sie fest. »Besonders friedlich sah er aber nicht aus. Er wollte mich umbringen, das weiß ich genau.«
Cay nickte grimmig. »So sah es aus.«
Sie starrte ihn an. »Woher weißt du das alles?« Ihr Mund war plötzlich völlig ausgetrocknet. »Wie hast du …?«
»Er gehorcht mir.« Auf Lenas fragenden Blick hin seufzte er. »Er gehorcht mir, weil ich ihn erschaffen habe.«
»Erschaffen? Du meinst mit Magie oder wie?« Sie lachte auf. Es klang selbst in ihren Ohren schrecklich falsch. »Ja, ich versteh schon, sehr lustig. Mike, du kannst aufstehen, der Witz ist vorbei!«
Als Mike sich nicht rührte, sah sie wieder zu Cay, der eine Augenbraue spöttisch hochgezogen hatte.
»Aber Magie gibt es doch nicht«, flüsterte sie. Den Gedanken an das Irrlicht verdrängte sie.
»Du willst einen Beweis?«
Als sie schwieg, streckte Cay eine Hand aus, die Handfläche nach oben. Lena riss die Augen auf, als sich wenige Millimeter darüber eine blaue Feuerkugel bildete. Cay bewegte seine Hand nach oben, wie um der Kugel einen Schubs zu geben. Sie schwebte zu Lena und machte kurz vor ihrem Gesicht halt. Wie gebannt starrte sie die Feuerkugel an.
»Hauch sie an!«
»Was?«
»Hauch sie an«, sagte Cay erneut.
Sie zögerte.
»Es wird dir gefallen, vertrau mir.«
Vorsichtig öffnete sie den Mund und hauchte zaghaft die Kugel an, die so hell aufleuchtete, dass Lena geblendet ihre Augen schließen musste.
»Nein, sieh hin.«
Sie hob vorsichtig die Augenlider. Das Licht war jetzt erträglich. Vor Lenas Augen kristallisierten sich aus der Kugel kleine, lange Flügel, wie die einer Fledermaus. Dann entfaltete sich der Rest in einen länglichen Körper, ähnlich dem einer Schlange. Kleine Füßchen hingen daran. Als Letztes kam der Kopf zum Vorschein.
»Mein Gott, ist das ein Drache?«, flüsterte Lena.
Unwillkürlich streckte sie die Hand nach dem winzigen Drachen aus blauem Feuer aus. Sie sog überrascht die Luft ein, als er auf ihre Hand sprang und an ihrem Arm entlang nach oben lief. Die winzigen Füßchen aus Feuer brannten nicht, wie sie erwartet hatte, sondern kitzelten nur. Der Drache steuerte zielsicher das goldene Amulett an, das um Lenas Hals hing. Er tappte über Lenas Schlüsselbein darauf zu. Als er bei dem goldenen Anhänger angekommen war, senkte er den Kopf und schob ihn in das Gold. Langsam folgte der ganze kleine Körper. Es sah so aus, als würde er sich den goldenen Anhänger überziehen wie eine zweite Haut. Er kroch der Form nach und war schließlich ganz in das Schmuckstück eingebettet. Ein kleiner goldener Drache, der sich in Form einer Acht wand und an der Stelle, wo sich die Linien kreuzten, legte er den Kopf an den Schwanz.
»Was ist das?« Lena starrte auf den Anhänger.
»Ein Schutzzauber. Es ist simpel, aber effektiv. Wenn dir Gefahr droht, erwacht er zum Leben. Er ist natürlich nicht sehr stark, aber für eine Weile reicht es. Durch deinen Atem hast du ihn aktiviert und an dich gebunden.«
Lena zuckte die Schultern. »Na klar. Warum auch nicht. Tatzelwurm, Drachenschutzzauber. Wann wache ich auf? Nein, ich weiß. Ich schlafe gar nicht. Irgendwelche Typen haben mir Drogen eingeflößt.«
Cay lachte so laut, dass Mike aufschreckte. »Was ist passiert? Wo bin ich?« Er blickte sich mit fiebrig glänzenden Augen um. Dann fixierte er Lena. »Das Ding! Ist es weg?«
Lena nickte. »Dafür habe ich einen Drogentraum.«
Cay neigte sich zu ihr. »Es ist kein Traum und auch kein Drogenrausch. Wenn du das nicht akzeptieren kannst, dann tu so, als wäre nichts passiert. Sag ihm lieber nichts. Er wird dich für verrückt halten.«
Lena sah Mike an, der sich gerade aufrappelte. Sie erinnerte sich an seine Reaktion, als sie ihm von dem Irrlicht erzählt hatte. Cay hatte recht. Er würde ihr nicht glauben. Sie konnte es ja selbst kaum glauben. Außerdem sah er noch mitgenommener aus, als sie sich fühlte. Es war wohl wirklich besser, ihm nichts zu sagen. Vorerst.
»Was ist passiert?« Mike kam mit unsicheren Schritten zu ihnen hinüber.
»Ich bin über den Lenker geflogen und hingefallen.« Das war nicht einmal gelogen.
»Ja, und weiter? Was ist mit dem Vieh passiert?« Mikes Augen waren weit aufgerissen, die Pupillen riesig.
»Er ist auch auf Drogen! Schau ihn dir doch an«, flüsterte Lena Cay zu.
Cay schüttelte den Kopf. Seine Mundwinkel zuckten kaum merklich.
Sie biss sich auf die Lippen. Er fand das also amüsant, ja? Gut. Wenn er nicht wollte, dass sie Mike einweihte, sollte er gefälligst eine Ausrede erfinden. »Genau, Cay, was ist mit dem Vieh passiert?«, fragte sie.
Cay verengte die Augen. »Es war ein Bär und er ist in den Wald verschwunden.«
Lena unterdrückte ein Schnauben. Ein Bär? Aber was hätte er sonst sagen können? Das Einzige, was es hier noch gab, waren vermutlich Wildschweine, und dass dieses riesige Vieh kein Wildschwein gewesen war, würde selbst Mike in seinem völlig benebelten Zustand sofort durchschauen.
Mike zog verwirrt die Augenbrauen zusammen. »Merkwürdig. Ich erinnere mich noch, dass es sich über Lena gebeugt hat. Dann …« Er wurde rot bis an die Haarspitzen.
»Hast du ein Nickerchen gemacht. Mein Held.« Lena verkniff sich ein Grinsen.
Mike fuhr sich durchs Gesicht, als wollte er sich dadurch Klarheit verschaffen. »Tut mir leid, ich …«
»Schon okay, ich war auch gelähmt vor Schreck. Wenn Cay nicht gewesen wäre, hätte das Vieh mich zermatscht«, sagte sie nüchtern.
Mike schien plötzlich hellwach. Er runzelte die Stirn und warf Cay einen misstrauischen Blick zu. »Findest du das nicht seltsam? Dass er genau zur richtigen Zeit da war?«
Lena starrte Mike an. Was wollte er damit sagen? Etwa, dass Cay sie doch beobachtete? Hätte er dann nicht schneller eingegriffen? Außerdem war sie sich ganz sicher, dass er es nicht war, der ihr das Gefühl gab, verfolgt zu werden.
Cay zuckte mit den Achseln. »Ich wollte mit dir reden, aber du warst nicht zu Hause. Es war Glück, dass ich genau im richtigen Moment hier war.«
Mike sah aus, als wüsste er nicht, ob er das glauben sollte. Lena fiel der Zettel auf dem Tisch wieder ein. Cay hatte etwas herausgefunden. Natürlich wollte er ihr das sofort mitteilen, und als sie sich nicht gemeldet hatte, als sie nicht gekommen war, hatte er eben versucht, sie zu finden. Als er sie zu Hause nicht gefunden hatte, hatte er die richtigen Schlüsse gezogen und hier nach ihr gesucht.
Sie hätte gern gewusst, was er herausgefunden hatte, aber wahrscheinlich musste er ihr dafür ein Buch zeigen oder ihr etwas erklären und dazu hatte sie, bei aller Neugier, jetzt keine Ruhe. Was sie gerade erlebt hatte, steckte ihr immer noch in den Knochen und ihr Gehirn versuchte verzweifelt, alles zu verarbeiten. Ein ziemlich schwieriges Unterfangen, wenn man nicht wusste, was man überhaupt glauben konnte. Sie war sich nicht einmal mehr sicher, ob sie ihren Sinnen trauen konnte. Vielleicht lag sie im Koma und hatte alles geträumt, was mit Cay und dem Schloss zu tun hatte? Das wäre jedenfalls plausibler, als anzunehmen, dass er wirklich ein Magier war und sie gerade vor einem überdimensionalen Tatzelwurm beschützt hatte.
Sie fröstelte. »Ich muss nach Hause.« Irgendwohin, wo sie sich auskannte, an einen Ort, von dem sie wusste, dass er real war. Wo sie sich nicht mit Monstern und schrecklichen Bildern auseinandersetzen musste. Außerdem wollte sie Mike jetzt nicht so einfach wegschicken.
Cay sah aus, als wollte er widersprechen, aber dann seufzte er und nickte. »Gut. Ich fahre euch.«
»Nicht nötig. Wir sind mit den Fahrrädern gekommen.«
Lena deutete den Weg entlang. Mit immer noch wackligen Knien ging sie zu ihrem Fahrrad. Der Gepäckträger war abgerissen, aber sonst schien es intakt zu sein. Sie hob es auf und sah sich nach Mike um, der ebenfalls zu seinem Fahrrad gegangen war.
»Ich begleite euch bis zur Straße. Danach solltet ihr in Sicherheit sein.« Er wandte sich an Mike. »Lass sie nicht allein fahren.«
Mike schüttelte den Kopf. »Natürlich nicht. Ich bringe sie bis nach Hause.«
»Und dann übernachtest du bei mir«, sagte Lena. Es war nur ein halber Scherz. Sie wollte die Nacht plötzlich auf keinen Fall mehr allein verbringen. Auch Mike sah so aus, als könnte er nach allem, was gerade vorgefallen war, etwas Gesellschaft gebrauchen. Cay wirkte ganz und gar nicht glücklich und Lena warf ihm einen warnenden Blick zu.
Mike war schon aufgestiegen und ein Stück vorgefahren, da hielt Cay Lena noch mal zurück. »Kommst du am Montag, wie es ausgemacht war?«
Lena sah ihn lange an. Montag. Nur zwei Tage. So wenig Zeit, über alles nachzudenken. Zu vergessen, dass hier ein Monster herumläuft und dass ich mich beobachtet fühle. Außerdem ist da noch das Bild. Lena schluckte schwer. »Ich weiß nicht. Ich glaube, ich brauche erst mal etwas Abstand. Das ist alles so unwirklich. Ich weiß gar nicht mehr, was ich glauben kann.«
In seinen Augen blitzte Verzweiflung auf und versetzte ihr einen Stich. »Ich würde dir gern alles erklären.«
Ihre Brust zog sich zusammen. Am liebsten wäre sie dageblieben, um sich anzuhören, was er zu sagen hatte. Vielleicht wäre das auch besser. Vielleicht würde es ihr helfen, die Dinge besser zu beurteilen. Nein. Es war einfach alles zu viel. Sie konnte nicht noch mehr ertragen. Sie sah auf ihre Hände, die zitternd den Lenker umklammerten, um nicht länger in seine Augen sehen zu müssen. »Nein. Ich … wir sehen uns im Kurs.«
Dann fuhr sie los, Mike hinterher und aus dem Wald heraus, ohne sich noch einmal nach Cay umzusehen. Sie wusste genau, dass sie es sonst nicht geschafft hätte, ihn zurückzulassen.