I ch habe eine maßstabsgetreue Karte des Strip mit den Tatorten der ersten vier Morde gezeichnet.« Sloane tippte jedes Mal auf ein rotes X , während sie die Orte aufzählte. »Der Pool auf dem Dach des Apex, die Bühne im Haupttheater des Wonderland, die genaue Stelle, an der Eugene Lockhart saß, als er erschossen wurde, und …« Sloane hielt vor dem letzten X inne. »Die östlichste Toilette im Casino des Majesty.« Sie sah uns erwartungsvoll an. »Bei dem Muster des UNSUBs geht es nicht darum, wo und in welchem Casino es zugeschlagen hat. Es geht um die genauen Koordinaten des Mordes!«
Ein konzentrierter Ausdruck breitete sich auf Deans Gesicht aus. »Koordinaten, so wie Längen- und Breitengrad?«
Ich spürte, wie er bereits begann, sich in den Mörder hineinzuversetzen und diese Information zu integrieren, als Sloane widersprach.
»Nicht Breitengrad. Nicht Längengrad.«
Sie öffnete die Kappe ihres Stifts und zog eine gerade Linie, die die ersten beiden Opfer miteinander verband. Dann verband sie das zweite Opfer mit dem dritten und das dritte mit dem vierten. Schließlich fügte sie fünf weitere Markierungen hinzu, die innerhalb der Grenzen des Majesty eng beieinanderlagen. Sie verband sie mit den anderen, eine nach der anderen, und drehte sich dann mit leuchtenden Augen zu uns um.
»Seht ihr es jetzt?«
Es war eindeutig.
»Es ist eine Spirale«, sagte Dean.
Auf seine Worte hin ging Sloane noch einmal darüber und zeichnete über jede der geraden Linien einen Bogen. Dadurch sah das Muster aus wie eine Muschel.
»Nicht nur eine Spirale«, sagte Sloane und trat einen Schritt zurück. »Eine Fibonacci-Spirale!«
Lia ließ sich auf das Sofa fallen und starrte auf Sloanes Diagramm. »Ich wage mal eine Vermutung: Es hat etwas mit der Fibonacci-Folge zu tun.«
Sloane nickte nachdrücklich. Voller Tatendrang blickte sie zum Fenster und sprang, als sie keinen Platz mehr zum Schreiben fand, zur angrenzenden Wand.
»Versuchen wir es diesmal mit Papier«, warf Judd leise ein. Sloane sah ihn mit großen Augen an.
»Papier«, sagte sie, als wäre es ein Wort einer ihr völlig fremden Sprache. »Gut.«
Judd reichte ihr ein Blatt. Sie kniete sich auf den Boden und begann zu zeichnen. »Die erste Zahl in der Fibonacci-Folge, die nicht null ist, ist eins. Also zeichnest du ein Quadrat, bei dem jede Seite eine Einheit lang ist«, sagte sie und tat genau das.
Unter dieses Quadrat zeichnete sie ein zweites, identisches Quadrat. »Die nächste Zahl in der Reihe ist auch eins. Jetzt hast du also eins und eins …«
»Und eins plus eins ist?« Sie wartete die Antwort nicht ab. »Zwei.« Wieder ein Quadrat, diesmal doppelt so groß wie das erste.
»Zwei plus eins ist drei. Drei plus zwei ist fünf. Fünf plus drei ist acht …« Sloane zeichnete weiter gegen den Uhrzeigersinn, bis ihr der Platz ausging.
»Jetzt stellt euch vor, ich mache weiter«, sagte sie und warf Judd einen scharfen Blick zu, den ich so interpretierte, dass er einen schweren Fehler gemacht hatte, als er ihr verbot, auf die Wand zu zeichnen. »Und stellt euch vor, ich mache Folgendes …« Sie begann, Bögen durch die Diagonalen der einzelnen Quadrate zu zeichnen.
»Wenn ich so weitermache«, sagte sie, »und noch zwei weitere Quadrate hinzufüge, würde es genau« – sie wandte sich der Spirale am Fenster zu – »so aussehen.«
Ich blickte von Sloanes Zeichnung auf den Plan von Vegas, den sie an das Fenster gezeichnet hatte. Sie hatte recht. Von der Spitze aus bewegte sich der Mörder spiralförmig nach innen. Und wenn Sloanes Berechnungen stimmten – und ich hatte keinen Grund, daran zu zweifeln –, dann tat unser UNSUB dies auf präzise und vorhersehbare Weise.
Sloane begann, die Zahlen der Fibonacci-Folge an den Rand des Blattes zu kritzeln, und ich erinnerte mich daran, wie sie uns das erste Mal von der Fibonacci-Folge erzählt hatte: Sie sei überall. Sie sei schön.
Und sie hatte gesagt, sie sei die Perfektion .
Das ist es, was du siehst, wenn du dieses Muster betrachtest. Ich sprach mit dem UNSUB. Seine Schönheit. Tätowiert auf das Handgelenk von Alexandra Ruiz. Eingebrannt in das des Magiers. Auf die Haut des alten Mannes geschrieben. Eingeritzt in Camilles Fleisch.
Du sendest nicht nur eine Botschaft. Du erschaffst etwas.
Etwas Schönes.
Etwas Heiliges.
»Wo ist der nächste Ort?«, fragte Dean. »Der nächste Kill-Point auf der Spirale – wo liegt er?«
Sloane drehte sich wieder zum Fenster und tippte mit dem Finger direkt unter das fünfte X , das sie gezeichnet hatte. »Hier«, sagte sie. »Im Majesty. Alle anderen Kill-Points sind hier. Je näher man dem Mittelpunkt der Spirale kommt, desto dichter liegen sie beieinander.«
»Wo im Majesty?«, fragte Dean.
Wenn das UNSUB weiterhin jeden Tag einen Menschen tötete, könnte der nächste Mord vielleicht schon in wenigen Minuten geschehen, nicht erst in ein paar Stunden.
»Der Große Ballsaal«, murmelte Sloane und starrte versunken auf das Muster, das auf das Fenster gezeichnet war. »Dort muss es sein.«