I ch stand vor dem Grabstein. Dean war bei mir, wir berührten uns leicht. Die anderen bildeten einen Halbkreis hinter uns. Michael und Lia und Sloane. Mullins, Briggs und Judd.
Die sterblichen Überreste, die die Polizei neben dem Feldweg gefunden hatte, waren der Familie übergeben worden. Meinem Vater. Und mir. Mein Vater wusste nicht, dass sie nicht von meiner Mutter stammten. Er hatte keine Ahnung, dass sie noch lebte.
Meister kommen und Meister gehen, aber die Pythia lebt in dem Raum.
Wir hatten keine Anhaltspunkte, wer die Frau war, die wir gerade in das Grab meiner Mutter gelegt hatten. Aber die Halskette, mit der sie begraben worden war, die Blutspritzer auf dem Schal – sie waren von meiner Mutter.
» Die Pythia wählt das Leben«, hatte Nightshade gesagt, in dem Wissen, dass meine Mutter diese Entscheidung getroffen hatte.
Ich wusste nicht, wie lange es nach der Entführung meiner Mutter gedauert hatte, bis sie wieder um ihr Leben hatte kämpfen müssen. Ich wusste nicht, ob es zur Standardprozedur dieser Leute gehörte, den Tod einer Frau zu inszenieren, wenn sie eine weitere entführten.
Alle werden geprüft. Jeder muss für würdig befunden werden.
Immerhin wusste ich, dass meine Mutter noch lebte.
Meister kommen und Meister gehen, aber die Pythia lebt in dem Raum.
Meine Mutter war nicht ermordet worden. Sie war nicht würdevoll an der Kreuzung bestattet worden. Stattdessen hatte sie ihre Vorgängerin begraben. Die Lieblingsfarbe meiner Mutter. Ihre Halskette. Spuren ihres Blutes. Von Anfang an hatten Dean und ich so etwas wie Reue an dem Beerdigungsritual wahrgenommen. Es war die Reue meiner Mutter.
»Bist du bereit?«, fragte Dean und legte seine Hand auf meine Schulter.
Noch einen kurzen Augenblick starrte ich auf den Grabstein mit dem Namen meiner Mutter. Um Laurels willen sollte die Sekte glauben, dass wir das Puzzle noch nicht zusammengesetzt hatten. Sie sollten glauben, dass ich überzeugt war, meine Mutter begraben zu haben. Und dass wir keine Schlüsse daraus zogen, dass die Frau, die ich für Laurels Mutter gehalten hatte, in Wirklichkeit nur eine Einheimische aus Las Vegas war, die Nightshade als Kindermädchen angeheuert hatte.
Sie sollten davon ausgehen, dass das FBI Laurel wegen ihrer Verbindung zu Nightshade in Schutzhaft genommen hatte, nicht wegen ihrer Verbindung zu mir.
Wir töten keine Kinder.
Ich dachte an Beau und wie er allein durch die Wüste gewandert war und verdrängte den bitteren Nachgeschmack in meinem Mund. »Ich bin bereit«, sagte ich zu Dean.
Ich drehte mich um und sah allen in die Augen, einem nach dem anderen. Dein Zuhause sind die Menschen, die dich lieben.
Ich war bereit, nach Hause zu gehen. Ich wollte alles tun, um die Meister aufzuspüren. Und um Laurel zu beschützen. Für immer und ewig. Ich wollte meine Mutter suchen. Pythia finden. Und diesen Raum.
Egal, was passiert.