Interview mit Rochus Vogt

Das Material in diesem Abschnitt wurde am 15. Mai 2009 am California Institute of Technology von Ralph Leighton aufgenommen. Leighton und Michael Gottlieb interviewten Rochus E. (Robbie) Vogt über das Caltech in den 1960er-Jahren, und darüber, wie es war, Feynmans Physik zu unterrichten. (Ausrufezeichen zeigen zumeist an, dass Vogt über das lachen musste, was er gerade sagte.)

Leighton: Ich möchte Sie nach Ihrer Rolle bei den Feynman Lectures on Physics fragen. Lassen Sie uns in diese Zeit zurückblicken.

Vogt: Ich kam 1962 ans Caltech, und die Erstsemestervorlesung war 1961 gehalten worden – ich kam also in dem ersten Jahr, in dem Feynmans Vorlesung in etwas übersetzt werden musste, was normale Menschen machen konnten – und das war eine große Herausforderung! Als das Caltech mich einstellte, sagte ich zu Carl Anderson, dem Leiter der Physikfakultät: „Ich habe in Chicago eine wichtige Arbeit zu Ende zu bringen, deshalb kann ich vor Mitte Oktober nicht weg.“ Und darauf er: „Kein Problem; jemand wird Ihren Kurs bis Mitte Oktober übernehmen, aber sobald Sie hier aufkreuzen, beginnen Sie zu unterrichten!“ Ich erinnere mich, dass ich mit meiner Frau Micheline an einem Samstagnachmittag in Pasadena ankam, und am Montagmorgen stand ich im Hörsaal – ich wusste überhaupt nicht, was ich da tat!

Es war das zweite Jahr des Kurses, Feynman hielt die Vorlesung für das zweite Studienjahr, und Ihr Vater [Robert Leighton] hatte die Vorlesung für die Studienanfänger übernommen. Leighton hielt sehr gute Vorlesungen und es war ein Vergnügen, in diesem Team mitzuarbeiten – und es war auch spannend zu sehen, ob wir Normalsterblichen Feynmans Physik lehren konnten, etwas, wovon viele Leute bezweifelten, dass es möglich ist! Unter Bob Leighton war ich einer der Lehrassistenten und gab zwei Übungsseminare, ein gewöhnliches und eines für die ambitionierteren Studenten. Das für die Ambitionierten war ganz ordentlich; das Gewöhnliche eher nicht, denn da waren zum Beispiel Biologen dabei, die gar keine Lust hatten, Physik zu lernen! Aber trotzdem, es funktionierte irgendwie. Es war eine größere Herausforderung als das andere Seminar – es war viel einfacher, die ambitionierten Studenten zu unterrichten: sie machten alles von allein, sie brauchten mich gar nicht.

Leighton: Es ist lustig, wie man glauben kann, ein guter Lehrer zu sein – wenn man gute Studenten hat!

Vogt: Das ist wahr. Damals gab es an der gesamten Fakultät Reports zur Überprüfung der Lehrqualität, und ich las meinen eigenen. Da stand: „Er macht einen sehr guten Job, aber das kann natürlich jeder mit einem so guten Vorlesungsskript wie dem von Feynman.“ Sie hielten das damals also für ein sehr gutes Vorlesungsskript. Später sagten Leute am Caltech, dass die Feynman Lectures nicht wirklich als Lehrbuch geeignet sind – aber es ist interessant, dass viele sie parallel zu irgendetwas anderem lesen, was ihnen aufgetragen wurde. Und das heißt, dass die Lectures nicht verloren gegangen sind. Aber am Caltech sollten sie noch immer die maßgebliche Lektüre sein, Punkt!

Es war nicht einfach, denn keiner von uns hatte den Charme oder die Allüren von Feynman – niemand kann das nachahmen. Aber in meinem zweiten Jahr, als ich die Vorlesung für Studienanfänger hielt (als Nachfolger von Bob Leighton), gab ich immer den folgenden Hinweis: Lesen Sie das folgende Kapitel der Feynman Lectures, und dann erkläre ich Ihnen, was sie damit anfangen können. Das funktionierte, weil ich nicht versuchte nachzuplappern, was Feynman gesagt hat. Tatsächlich sagte ich ihnen: „Es macht keinen Sinn, wenn ich versuche, die Bibel nachzuplappern – sie steht für sich – aber ich kann Ihnen erzählen, wie Sie damit arbeiten können.“ Ich gab ihnen Beispiele, Anwendungen und Weiterführungen, manchmal auch Interpretationen – denn Feynmans Ausführungen waren manchmal auf einem ziemlich hohen Niveau – und das schien zu funktionieren.

Sie werden lachen, wie ich dazu kam, in meinem zweiten Jahr am Caltech die Feynman Lectures zu übernehmen. Eines Tages, Anfang Oktober, lief ich Bob Leighton über den Weg, und er sagte aus heiterem Himmel: „Robbie, ich möchte, dass du den Kurs übernimmst.“

„Was ist denn los, Bob?“, fragte ich beunruhigt.

Er sagte: „Ich brauche ein Sabbatical, und ich habe beschlossen, nach Kitt Peak in Arizona zu gehen, und außerdem habe ich beschlossen, dass du den Feynman-Kurs übernehmen wirst.“ Und damit war es raus, dass Bob Leighton plante, die Feynman Lectures an mich abzugeben.

Matt Sands ging durch die Decke, als er davon hörte! Ich erinnere mich, wie ich mit Bob Leighton in dessen Büro darüber sprach, und draußen schrie Matt Sands mit lauter Stimme und ohne jemand spezielles zu adressieren. Soweit ich mich erinnere, schrie er: „Bob Leighton ist verrückt geworden! Er ist irre! Er lässt diesen unerfahrenen Grünschnabel von Assistenzprofessor Feynmans Vorlesung halten! Das ist ein Verbrechen! Ich protestiere!“ Er war wirklich sehr aufgebracht, weil ihm die Sache so wichtig war. Er vertraute Bob Leighton, aber von mir hatte er noch nie gehört.

Aber egal, ich hielt am 21. Oktober 1963 meine erste Feynman-Vorlesung. Mehrere Dinge waren geschehen: Ich hatte vor, in der Vorlesungspause im Dezember eine Konferenz in Indien zu besuchen und hatte mich deshalb gegen Gelbfieber und Thyphus impfen lassen – und nach der Thyphusimpfung bekam ich hohes Fieber. Das war am 20. Oktober. Und das i-Tüpfelchen war, dass meine Frau Micheline an diesem Tag unsere erste Tochter zur Welt brachte. Ich verbrachte also die Nacht vom 20. auf den 21. Oktober in der Klinik und harrte der Dinge, die da kommen würden! Ich fand nur ein paar Stunden Schlaf, hatte hohes Fieber und hielt so meine erste Feynman- Vorlesung – es war ein toller Start.

Übrigens tat Ihre Mutter, Alice Leighton, in dieser Situation etwas Wunderbares. Sie rief uns an und sagte: „Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass Bob Ihnen die Feynman- Vorlesungen aufgehalst hat, und ich weiß, dass junge Leute wie Sie erst mal auf die Beine kommen müssen. Deshalb habe ich für Sie einen Windelservice beauftragt – das wird Ihnen eine kleine Hilfe sein.“ Und das war in der Tat so.

Jedenfalls, wie ich schon sagte, fühlte ich mich sehr gut dabei, Feynmans Physik zu unterrichten, denn meine Studenten waren sehr helle Köpfe. Wenn man ihnen eine Pause gab, dann fingen sie damit etwas Vernünftiges an. Ich glaube, sie waren in meinem Kurs sogar besser in der Lage, vernünftige Dinge zu tun, als es die Studenten von Feynmans Kurs waren, weil sie im Unterschied zu ihren Vorgängern jemanden hatten, der ihnen zusätzlich Anwendungen von Feynmans Stoff vorlegte.

Wie Sie vielleicht wissen, waren mehr als die Hälfte der Lehrassistenten Professoren, als Feynman selbst die Vorlesung hielt. Aber auch noch als ich der Vorlesende war, gab es mehrere Professoren, die die Übungsseminare hielten – einer meiner Lehrassistenten war Tommy Lauritsen. Tommy war eine große Hilfe. Er setzte sich in jede Vorlesung und sagte mir, ob sie gut war oder ob ich irgendetwas verbessern könnte. Lehrassistent bei den Feynman-Vorlesungen zu sein wurde als eine notwendige Vorbereitung betrachtet, um später selbst die Feynman Lectures halten zu können; nachdem ich die Feynman Lectures zwei Jahre gehalten hatte, übernahm sie Tommy von mir – er war der nächste, der die Feynman Lectures hielt.

Als ich selbst unter Bob Leighton Übungsseminare geleitet hatte, war ich mit Feynmans Kurs sehr vertraut geworden. Ohne diesen Hintergrund, aus der Kalten heraus, hätte ich sicher keine gute Vorlesung halten können. Als Lehrassistent hatte ich gesehen, was die Studenten brauchen – was bei ihnen funktionierte und was nicht; und auch als ich dann selbst die Vorlesung hielt, übernahm ich parallel dazu eines der Übungsseminare, denn ich wollte wissen, was die Studenten machen und was ich selbst besser machen könnte. Wenn Sie eine kleine Gruppe von zehn oder zwanzig Studenten unterrichten, dann bekommen Sie ein sehr gutes Feedback; dagegen haben Sie als Vorlesender fast gar kein Feedback, weil die Studenten die ganze Zeit mit ihren Mitschriften und mit Zuhören beschäftigt sind. Manchmal bleibt man nach der Vorlesung eine Weile im Hörsaal, aber das ist nicht das gleiche. Aber wenn Sie ihnen Hausaufgaben aufgeben und diese dann mit ihnen diskutieren, dann sehen Sie, ob die Studenten tatsächlich mit der Physik zurechtkommen.

Ich hatte meine eigene Philosophie zum Thema Hausaufgaben, die sich stark von der unterscheidet, die heute üblich ist. Heute werden die Lösungen ausgedruckt und den Studenten ausgehändigt, oder man gibt ihnen die Blätter vom letzten Jahr, weil oft die gleichen Aufgaben verwendet werden. Ich bin total dagegen, das so zu machen. Es ist eine Frage der Psychologie: Wenn Sie nicht weiterkommen und absolut keine Ahnung haben, was als nächstes zu tun ist, dann sind Sie natürlich versucht, auf den Lösungszettel zu schauen, um über den Berg zu kommen. Aber sehr bald werden Sie dazu übergehen, immer früher auf den Zettel zu schauen. Also habe ich den Studenten meine Philosophie sehr deutlich gemacht. Ich sagte: „Ich erwarte von Ihnen, dass Sie zuerst versuchen, die Hausaufgaben ganz allein zu lösen. Aber wenn Sie zwanzig Minuten über einer Aufgabe gebrütet haben und noch immer keine Ahnung haben, was Sie damit machen sollen, dann gehen Sie los und sprechen Sie mit anderen darüber. Das braucht Ihnen nicht peinlich zu sein. Manchmal kriegt man es einfach nicht hin; vielleicht haben Sie etwas Wichtiges übersehen. Wenn Ihnen jemand das richtige Stichwort gibt, dann wissen Sie, was zu tun ist. Aber sobald Sie das Problem verstanden haben, gehen Sie zurück in Ihr Zimmer und schreiben Sie die Lösung ganz für sich alleine auf – kopieren Sie nie die Lösung von jemand anderem.“

Es gab noch eine dritte Phase. Ich sagte: „Wenn Sie als Gruppe nach dreißig Minuten keinen Lösungsweg für das Problem gefunden haben, dann rufen Sie mich an.“ Ich hatte vergessen, wann Studenten üblicherweise ihre Hausaufgaben machen – also bekam ich Anrufe um zwei oder drei Uhr morgens: „Wir kommen nicht weiter! Wir haben die ganze letzte Stunde damit verbracht und wir haben nichts herausbekommen!“

Gottlieb: Ich hätte ihnen noch ein weiteres Problem aufgegeben: „Was ist die spätest mögliche Uhrzeit, um die es sich schickt, einen Professor anzurufen?“ [lacht]

Vogt: Um ehrlich zu sein, war ich froh, dass sie sich ernsthaft daran versuchten. Und wenn man jung ist, ist es keine große Sache, um drei Uhr morgens aufzustehen, fünfzehn Minuten mit ein paar Studenten zu sprechen und sich dann wieder schlafen zu legen – besonders, wenn nebenan sowieso ein Baby schreit! Was ich gegen die Probleme der Studenten tun konnte, wusste ich wenigstens; was dagegen das Baby betrifft, da hatte ich keine Ahnung!

Um auf Ihre erste Frage zurückzukommen, Ralph, zu meiner Rolle bei den Feynman- Vorlesungen: Ich sah mich selbst als eine Art Gefolgsmann, jemand, der den Meister interpretiert, ein Vermittler zwischen Feynman und den Studenten. Eine andere Rolle, die ich zusammen mit Bob Leighton spielte, ergab sich aus den Übungsaufgaben. Bob hatte großen Einfluss auf mich, ich meine – er war derjenige, der mich überhaupt dazu gebracht hat, das zu machen, was ich da tat! Er sagte oft, wenn wir uns Aufgaben vom Schwierigkeitsgrad A, B und C ausdachten: „Wir brauchen noch ein paar A’s oder noch ein paar B’s.“ Meistens hatten wir jede Menge C’s, was die schwierigsten Aufgaben waren! Er wusste immer, was fehlte. Manchmal kam er selbst mit einer Aufgabe an, aber sehr oft sagte er: „Robbie, komm, denk dir noch ein paar Aufgaben aus – ich weiß, du kannst das.“ Das war sein Stil: Er spürte, dass Leute das Zeug dazu haben, bestimmte Dinge zu tun, sie brauchten nur etwas Motivation, um es tatsächlich zu tun. Ich glaube nicht, dass er mir irgendetwas aufdrängen wollte; er dachte einfach, dass er mir auf diese Weise helfen würde, das Richtige zu tun.

Irgendwann, Jahre später, habe ich „geschummelt“ und eine Problemlösung von jemand anderem benutzt. Es gibt einen wichtigen Fachartikel von einem meiner Helden, Val Telegdi, über die Berechnung des g-Faktors des Elektrons. Er steht in Nuovo Cimento (einer italienischen Fachzeitschrift für Physik), fünfundsechzig Seiten, wenn ich mich recht entsinne, voller Mathematik, die für mich zu hoch ist. Ich blätterte durch den verfluchten Artikel und dachte mir: Das ist verdammt harte Arbeit, da durchzusteigen. Da erinnerte ich mich an Feynmans Vorlesungen für das zweite Studienjahr über Quantenmechanik. Ich wusste, dass es möglich ist, das gleiche Problem mit der Physik aus den Feynman Lectures zu lösen. Also stellte ich meinen Studenten folgendes Problem als Hausaufgabe: „Berechnen Sie den g-Faktor des Elektrons.“

Mehr als die Hälfte der Studenten waren dazu in der Lage. Das war natürlich ein bisschen gemein von mir, und es ist auch nicht möglich, die Form der Quantenmechanik, wie sie Feynman lehrte, überall zu verwenden. Aber sie hat doch eine große Anwendbarkeit bei Problemen wie diesem. Sie können sich nicht vorstellen, wie stolz die Studenten waren: auf anderthalb Seiten konnten sie ein Stück Physik abhandeln, für das Telegdi fünfundsechzig Seiten und eine Menge Mathematik gebraucht hatte! Und deshalb waren sie der Meinung, das Feynmans Quantenmechanik sehr elegant ist, und das ist sie tatsächlich.

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Ich erinnere mich noch an eine andere Sache, um auf meine Anfangsjahre zurückzukommen, damals, als ich den Feynman-Kurs las: Jede Woche, immer mittwochs, trafen sich zwischen sechs und zehn Physiker zum Mittagessen. Wir brachten unser Essen von zu Hause mit oder gingen zu Mijares, einem mexikanischen Restaurant in Pasadena. Zu der Gruppe gehörten Bob Leighton, Gerry Neugebauer, Tommy Lauritsen und noch ein paar andere. Bei diesen Treffen sprachen wir über die Lehre: was funktionierte, was funktionierte nicht, was kann man besser machen. Es gab so viel gegenseitige Unterstützung, dass man dank all der Hilfe ein besserer Lehrer werden konnte. Und auch bei den Treffen am Freitagabend bei den Lauritsens, wo sich viele von uns bei ein paar Martinis ins Wochenende verabschiedeten. Meistens sprachen wir über die Studenten und über die Lehre. Über unsere Forschung sprachen wir bei anderen Gelegenheiten, weil jeder von uns andere Forschungsschwerpunkte hatte, und wir hatten außerdem unterschiedliche Ansichten, wie spannend die Dinge sind, die andere machten – jeder von uns dachte natürlich, dass seine eigene Forschung am spannendsten ist – aber wenn wir auf die Lehre zu sprechen kamen, dann interessierte sich jeder von uns für das, was die anderen machten, weil da jeder von dem anderen lernen konnte. Niemand trieb uns an, das zu tun; es ergab sich ganz spontan in dem Klima, das in den frühen 1960ern am Caltech herrschte.

Das war, so wie ich es verstanden habe, der Ursprung der Feynman-Vorlesungen – die Idee entstand bei den Lauritsens bei ein paar Drinks. Die Leute sprachen darüber, wie man Sachen besser machen kann, und Matt Sands kam mit seiner Idee heraus, dass man Feynman gewinnen müsste.

Es war bei diesen Zusammenkünften, als mir klar wurde, wie eine Universität zu einem sehr fruchtbaren und warmen Ort werden kann – wegen den Studenten: sie sind es, die die Fakultät zusammenhalten. Wir gehören zusammen wegen unserer Studenten, nicht wegen unserer Forschung. Natürlich halten wir auch als Individuen zusammen – Tommy kam oft in mein Labor und sagte: „Erzähl mir, was du da machst“, und er machte gute Vorschläge, aber das waren in der Regel Verbindungen zwischen genau zwei Leuten. Die Arbeit mit den Studenten dagegen war wirklich eine kollektive Angelegenheit. Wenn ich meine Vorlesungen hielt, dann saßen gewöhnlich drei, vier Professoren in der letzten Reihe in 201 East Bridge, dem großen Vorlesungssaal – nicht, weil sie mir nicht vertraut hätten oder weil sie mich ausspionieren wollten, sondern weil sie neugierig waren, wie ich es machen würde und was sie selbst dabei lernen könnten. Sogar Carl Anderson, der Fakultätsleiter, besuchte jede zweite meiner Vorlesungen, und ich bekam Feedback von allen. Das war der Feynman-Geist, wissen Sie: als Feynman den Kurs hielt, war die letzte Reihe voller Professoren. Sie waren total fasziniert. Und deshalb wurde es zu einer Gewohnheit, an der sie festhielten, als die Vorlesung später von einer gewöhnlichen Person gehalten wurde – einer langweiligen Person wie mir – denn es war zu einem Ritual geworden. So etwas ist wichtig. Und das ist es, was ich bedauere: Ich sehe diesen Geist heute nicht mehr.

Eine letzte Sache noch: ich war damals für meine Vorlesungen verantwortlich. Ich überlegte mir die Übungsaufgaben, die Test und die Fragen für die Abschlussprüfungen – ich höchstpersönlich. Niemand anders machte all diese Dinge für mich. Ich hätte auch niemanden darum bitten wollen, denn ich wusste schließlich am besten, was man fragen sollte! Neben der Vorlesung hielt ich auch noch eines der Übungsseminare für die besseren Studenten, und ich leitete das Labor für die Studienanfänger – das war damals das übliche Lehrpensum. Heute, glaube ich, beträgt es nur noch ein Viertel davon. Die meisten Professoren geben heute einen Kurs in jedem zweiten Semester. Aber ich will fair sein: Mir ist klar, dass es heute gar nicht mehr möglich wäre, das zu tun, was wir damals taten, denn heute verbringen Professoren sehr viel Zeit mit dem Einwerben von Forschungsgeldern und mit der Verteidigung ihrer Forschungsergebnisse – aber das ist wieder eine andere Geschichte.