Kapitel 19 - Brietta 

Brietta rieb sich die müden Augen und ließ ihren Blick über die Bücher und Stapel an Unterlagen auf dem Schreibtisch vor ihr wandern. Der Hohe Rat hatte ihrem Vorhaben zugestimmt. Nun hieß es zu warten, bis alle notwendigen Truppen mobilisiert waren. Und die Hohe Priesterin hielt es für sinnvoll, dass Brietta diese Wartezeit mit Schriften über Damasia und den Gebrüdern Shay und Brios verbringen sollte. Sie seufzte theatralisch und legte ihren Kopf auf den Deckel eines Buchs.

In das rote Leder des Einbands war das Wappen Damasias eingebrannt. Die Seiten aus dickem Papier waren mit Zeitungsartikeln beklebt. Anfangs berichteten sie von der Erbauung einer neuen Stadt namens Calaris. Mit der Zeit mischten sich zwischen die Artikel auch Flugblätter, die für diesen innovativen Ort warben. Brietta musste ein wütendes Schnauben unterdrücken, als sie den allzu vertrauten Ton der elysischen Propaganda las. Es wurde von dem wirtschaftlichen Wachstum der Stadt und von dem rasanten Anstieg der Bevölkerung hinter den Mauern berichtet. Zwischen die Nachrichten über den Ausruf des Staates Elysium mischten sich Artikel über eine neue seltsame Krankheit, die sich zusehends ausbreitete. Schließlich endete das Buch mit Texten über die gescheiterten Verhandlungen mit den großen Familien Calaris .

Brietta blinzelte zu dem Buchrücken des zweiten Bandes, der vor ihrer Nase lag. Mit einem Seufzen hob sie ihren Kopf und lehnte sich im Ledersessel zurück. Sie hätte den Tag viel lieber mit der Begutachtung der Truppen verbracht. Aber die Sonne ging bereits unter. Ihr Blick wanderte zu Aithne, die sich auf dem Sofa in der Ecke zusammengerollt hatte. Ihr gleichmäßiger Atem verriet Brietta, dass sie schlief. Auch im Rest des Tempels hatte sich eine entspannte Stille ausgebreitet. Sie schloss für einen Moment die Augen.

Das leise Knarzen der Tür holte sie aus ihrem Dämmerschlaf. Blinzelnd hob sie ihre Augenlider. Die Tür schob sich leise auf und Colin betrat das Zimmer. Sofort legte sich ein breites Lächeln auf ihr Gesicht. Sie hatte ihn den ganzen Tag nicht gesehen. »Befreist du mich aus der Papierhölle?«

Ebenfalls ein breites Grinsen auf den Lippen, trat er an den Schreibtisch. »Das Schwert Damasias kann sich nicht selbst befreien?«

»Heißt es nicht, der Stift sei mächtiger als das Schwert?« Sie lehnte den Kopf zurück und musterte ihn. In seiner locker sitzenden Jeans und dem Shirt sah er einfach zum Anbeißen aus. Seine Augen funkelten sie unter einigen Haarfransen hervor an, als er sich mit beiden Händen auf dem Tisch abstützte und sich zu ihr nach vorne lehnte. Beim Anblick seiner angespannten Oberarme fielen ihr erneut die Tattoos darauf auf.

»Ich dachte mir, dass ich dir eine Wiedergutmachung schulde. Für die kleine Beule, die ich dir verpasst habe.«

Sie schnaubte amüsiert. »Kleine Beule …«

Sein Grinsen wurde breiter, was das Kribbeln in ihrem Körper verstärkte. Sie schob das Buch von sich weg, erhob sich vom Stuhl und lehnte sich an den Tisch. Ihr Gesicht nur wenige Zentimeter von seinem entfernt, hielt sie inne. »Und woran hast du da gedacht?«

»Was immer du willst.«

Seine raue Stimme erreichte genau den richtigen Punkt in Briettas Unterleib, sodass sich die Haare auf ihren Unterarmen aufstellten. Am liebsten wäre sie hier und jetzt über ihn hergefallen. Ihr Blick wanderte von seinen Lippen zu der schlafenden Aithne. Keine gute Idee. Sie konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, bevor sie wieder in Colins Augen blickte. »Wo wohnst du?«

 

Als sie zu zweit den Tempel durch das Tor an der Brücke verließen, folgte ihnen der skeptische Blick der Wache. Brietta stieß Colin spielerisch gegen die Schulter und blickte sich erneut nach dem Mann um, um ihm beruhigend zuzulächeln. »Sieht nicht danach aus, als hätte er von deinem Betreten des Tempels gewusst?«

Colin zuckte mit den Schultern und zwinkerte ihr zu. »Berufskrankheit.«

In den kleinen Seitenstraßen, durch die sie schlenderten, breitete sich nach einem eifrigen Arbeitstag Ruhe aus. Hinter den erleuchteten Fenstern fanden die Menschen im Kreise ihrer Liebsten ein wenig Erholung. Unbekannte Gerüche der Abendessen stiegen Brietta in die Nase und neugierig erhaschte sie hier und da einen Blick auf das Leben der Menschen Saoirses.

»Weißt du, in Damasia ist nicht alles perfekt. Auch wir haben unsere Probleme. Stehen uns manchmal selbst im Weg. Aber das Recht auf Freiheit ist es wert, den einen oder anderen Schmerz zu ertragen.« Colin folgte ihrem Blick in eines der Häuser. Ein Pärchen saß lachend um einen Tisch. Der Mann fütterte das kleine Kind auf seinem Schoß, während seine Frau mit großen Gesten ihre Erzählungen unterstrich. Von den Handbewegungen abgelenkt, landete das meiste Essen auf dem Kind statt in dessen Mund.

Bei dem Anblick schmunzelte Brietta und setzte sich wieder in Bewegung. »Freiheit bedeutet immer, Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen. Nicht alle Menschen sind dazu bereit. Manchen ist Sicherheit wichtiger, als eigene Entscheidungen zu treffen.«

»Sehen das alle Menschen auf den Inseln so?«

»Da bin ich mir nicht sicher. Aber sie sollten wissen, dass sie eine Wahl haben.«

So beruhigend Brietta die Gassen auch fand, die Promenade, auf die Colin ihre Schritte lenkte, ließ sie durchatmen. Über das Plateau aus Sandstein strich eine Brise, die winzige Wassertropfen vom Fluss mitbrachte. Angenehm kühl kitzelte die Flüssigkeit auf ihrem Gesicht. Laternen beleuchteten die Menschen, die sich auf der Flaniermeile tummelten. Sie säumten die kleinen Bars und Restaurants am Rande des Platzes.

Colin griff nach ihrer Hand und zog sie ein Stück weiter flussaufwärts. Schließlich blieb er vor einem Gebäude stehen. Über der Bar im Erdgeschoss hing ein breites Holzschild, auf dem der Name »Tylis« eingebrannt war. Colin wies mit dem Finger auf die oberen Stockwerke des Hauses. »Bevor ich dir meine Wohnung zeige, lass uns ein wenig für flüssige Verpflegung sorgen.«

Mit diesen Worten zog er sie weiter zum Eingang des Pubs. Er schob sich zwischen einigen Besuchern hindurch bis zur Bar. Mehr als bereitwillig ließ Brietta sich mitziehen. Interessiert ließ sie ihren Blick über die vielen Menschen und das gut gefüllte Regal hinter der Bar schweifen.

Verschwörerisch tippte sich Colin an die Nasenspitze. Er senkte die Stimme, sodass er sich dicht zu ihr beugen musste, damit sie ihn bei all dem Lärm verstehen konnte. »Im Tylis gibt es eine besondere Spezialität. Ich kenne den Besitzer seit Jahren. Er braut das Zeug selbst im Keller.«

Eine der jungen Bedienungen hinter der Theke kam lächelnd auf Colin zu. »Colin! Einige Wochen nicht gesehen!«

»Hi, Vika! Ich war … beschäftigt. Kannst du uns zwei Gläser fertig machen?«

Briettas aufmerksamen Blick entging nicht, wie die junge Bedienung bei Colins Anblick ihr Oberteil runterzog und so ihre üppige Oberweite betonte. Besonders weit lehnte sie sich über die Theke, um schließlich zwei gefüllte Gläser vor Colin zu stellen. Der Einblick in ihren Ausschnitt war tief. Als Colin einige Geldscheine aus seiner Hosentasche zog, winkte sie mit einem Lachen ab. »Das geht auf mich! Nachbarschaft und so.« Sie griff sich in die Haare und warf die langen Strähnen über ihre Schulter, während sie Colin keine Sekunde aus dem Blick ließ.

Der nickte ihr mit einem dankbaren Lächeln zu und griff nach den beiden Gläsern. Aber Brietta war schneller und nahm eines der Getränke. Das bernsteinfarbene Getränk war erstaunlich süß und der Schaum kitzelte in ihrer Nase. Sie fixierte die junge Frau hinter dem Tresen, während sie sich vor Colin schob und sich an ihn lehnte. Die Barkeeperin kräuselte leicht angewidert die Lippen und drehte sich mit einem Schnauben um.

Briettas Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Sie berührten fast Colins Ohrläppchen, als sie ihm über den Lärm der Bar zuflüsterte. »Anscheinend bin ich nicht die Einzige, der aufgefallen ist, was für ein Leckerbissen du bist.« Ihre Hand fuhr ein Stück unter sein Shirt und sie umrundete mit einem Finger seinen Bauchnabel. Zufrieden stellte sie fest, dass sich Gänsehaut auf seinem gesamten Körper ausbreitete.

»Was?« Colin keuchte und blinzelte sie irritiert an. Sein Kopf schien mit anderen Dingen beschäftigt zu sein. Briettas Grinsen wurde breiter.

»Diese Vika …«

»Was ist mit ihr?«

»Ernstzunehmende Konkurrenz?«

»Ich schätze, wenn sie das wäre, wäre sie so gut wie tot.«

Brietta musste leise lachen. Sie zuckte mit den Schultern und nahm einen weiteren Schluck von ihrem Bier. »Berufskrankheit.«

 

Colins Apartment befand sich im obersten Stock des Hauses. Zielstrebig ging Brietta an der kleinen Kochecke mit einem Tisch und zwei Stühlen vorbei auf die beiden bodentiefen Fensterläden zu. Im Vorbeigehen entging ihr das Bett nicht, das den Großteil des Raumes einnahm. Der Mann zeigte klar, wo seine Prioritäten lagen. Sie schmunzelte und riss die beiden Läden auf. Wie sie vermutet hatte, schloss sich eine Dachterrasse der Wohnung an. Sie schlenderte an den Rand und lehnte sich mit einem Seufzen an die hüfthohe Mauer, die die Terrasse umrahmte. Von hier oben hatte man einen atemberaubenden Blick über die Stadt. Sie hielt ihre Nase in den Wind, der im dritten Stock stärker wehte. Er brachte Gelächter und leise Musik von der Promenade unter ihnen mit. »Kann ich dich was fragen?«

Colin stützte sich mit den Ellbogen neben ihr auf die Balustrade und ließ seinen Blick über die Lichter der Stadt schweifen. »Alles.«

»Wir waren nicht mehr als Freunde, oder?«

»Du warst 14 und ich 16. Was erwartest du da?«

»Aber warst du in mich verliebt?«

Die Überraschung in seinem Gesicht war ihr Antwort genug. Sie stieß sich von der Wand ab, drehte sich um und lehnte sich mit dem Oberkörper wieder zurück. Von der Seite musterte sie ihn. »Hast du mir das damals gesagt?«

Colin verfiel in ein nervöses Lachen und rieb seine Handflächen aneinander. »Nein.«

»Wieso nicht?«

»Ich weiß nicht … ich schätze … ich hatte einfach Schiss. Ich wollte nicht verlieren, was wir hatten. Du und Aithne … ihr seid meine Familie! Bevor ich euch getroffen habe, war ich ganz auf mich allein gestellt. Alles und alle waren mir egal. Ich habe mich nur um mich gekümmert. Aber dann bist du in mein Leben gestolpert und alles war auf einmal anders.« Sein Blick verschwamm in der Ferne des Flusses. Ein nachdenkliches Lächeln umspielte seine Mundwinkel. »Wie du mit blutigen Fäusten vor mir standest. Dieses Blitzen in deinen Augen. Diese Entschlossenheit … Es hat sich irgendwie nach Schicksal angefühlt.«

Es kribbelte in Briettas Nacken. Diese Worte hatte sie heute schon einmal gehört. Sie seufzte und legte den Kopf in den Nacken. Der Wind fuhr ihr in die Haare. Haarspitzen kitzelten ihr Gesicht. Über ihr breitete sich das Meer der Sterne aus. »Ich weiß, was du meinst.«

Dann war da Colins Wärme vor ihr. Seine Hände legten sich vorsichtig auf ihre Hüften und zogen sie ein Stück zu sich. Sie gab sich für einen Moment ganz seinem Geruch und der Berührung seiner Hände hin. Er war so berauschend. Erst langsam öffnete sie ihre Augen und musterte ihn. Mit leicht geöffnetem Mund war sein Blick auf ihre Lippen fixiert. Sie wusste, was er vorhatte, und ließ sich in den Moment fallen.

Seine Lippen waren erst sanft, dann immer fordernder. Als sie ihre leicht öffnete, verstand er die Aufforderung. Ihre Zungen verloren sich in einem wilden Spiel der Leidenschaft, während seine Hände unter ihr Shirt wanderten. Seine Finger, die ihr Rückgrat hinauffuhren, entlockten ihr ein tiefes Seufzen.

Colin antwortete mit einem Grollen und presste seine Hüften gegen ihre. Das Gefühl seiner Erregung ließ das Prickeln in ihrem Unterleib durchdrehen. Ihre Finger krallten sich in seinen Rücken und rissen an seinem Shirt. Sie musste ihn haben. Sofort! Sie löste sich von ihm und zog ihn am Shirt ins Innere der Wohnung.

Lachend ließ er das geschehen. Kurze Zeit später landete er auf dem Bett. In einer fließenden Bewegung zog sie ihm sein Shirt aus. Sie trat einen Schritt zurück, um ihn besser betrachten zu können. Mit einem kecken Grinsen lehnte er sich zurück und stützte sich auf seinen Armen ab. So hatte sie eine bessere Sicht auf ihn. Und was sie sah, brachte sie dazu, auf ihre Lippe zu beißen. Verdammt! Die Kleidung hatte eindeutig zu viel versteckt!

Das schummrige Licht der Laternen von der Straße warf Schatten auf seine Muskeln. Seine Haut glänzte leicht vom Schweiß und unter tiefen Atemzügen bebte seine Bauchdecke. Aber am meisten gefielen Brietta die vielen Tattoos, die seine Arme und Brust zierten. Sie griff nach dem Saum ihres Shirts und zog es sich über den Kopf. Mit aufreizend langsamen Handgriffen öffnete sie die Knöpfe ihrer Hose. Langsam zog sie den Stoff über ihren Hintern. Schließlich stand sie nur noch im Slip vor ihm. Sie badete in seinen Blicken auf ihrem nackten Körper. In seinen Augen brannte das gleiche Verlangen, das auch in ihrem Unterleib zog. Genüsslich prickelte die Erkenntnis, dass sein Atem allein durch ihren Anblick schneller wurde.

»Scheiße, Brie!« Colins Stimme hatte wieder dieser Rauheit, die Gänsehaut ihren Nacken hinab rieseln ließ. Sie trat zu ihm ans Bett. Sie war noch nicht ganz bei ihm, da griff er bereits nach ihr. Seine Finger legten sich warm um ihre Brüste. Zunächst strichen sie sanft über ihre Rundungen, dann wurde sein Griff fester. Mit einem leisen Stöhnen legte sie ihren Kopf in den Nacken und genoss, wie er sie berührte. Schließlich lehnte er sich nach vorne und seine Lippen legten sich sanft um ihre harten Brustwarzen.

»Fester!«, sie flüsterte das Wort zwischen zwei Atemzügen. Er grinste und schloss seinen Mund enger um ihre Spitzen. Als er anfing, daran zu saugen, stöhnte sie laut auf und krallte ihre Finger in seine Schultern. Er wusste, wie er sie zum Brennen brachte.

Sie vergrub ihre Hände in seinen Haaren und zog seinen Kopf von ihren Brüsten weg. Keuchend blickte er sie von unten an. Sie grinste und ließ sich langsam auf sein Becken hinabsinken. Während sie seinen schnellen Atem unter ihren Lippen begrub, ließ sie ihre Hüften langsam kreisen. Seine Erregung durch den Stoff der Hose war groß. Der Gedanke ließ sie an seinen Lippen aufstöhnen und der Takt ihrer Hüften wurde schneller.

Seine Finger gruben sich in die weichen Rundungen ihres Hinterns und massierten ihn unter ihren Bewegungen. Er zog sie immer fester gegen sich. Immer fordernder wurden seine Lippen.

»Bei allen Göttern! Ich kann nicht mehr!« Mit diesen Worten packte er sie an den Hüften und warf sie neben sich auf das Bett. Sofort war er über ihr und küsste sie.

Seine Lippen wanderten von ihrem Mund an ihrem Hals herunter. Auf ihre Schlüsselbeine hauchte er seine Küsse, während seine Finger mit dem Saum ihres Slips spielten. Sein keuchender Atem kitzelte auf ihrer Haut, als sie gequält aufstöhnte und ihm ihr Becken entgegenstreckte. Ihr ganzer Körper vibrierte vor Lust, ihr Atem war flattrig und Schweiß bedeckte ihre Haut. Sie biss sich vor Verlangen auf die Lippe. »Fick mich endlich!«

»Nichts lieber als das.« Für einen Moment verschwanden seine Hände auf ihr und sie hörte, wie seine Hose zu Boden fiel. Im nächsten Augenblick zog er ihren Slip über ihre Hüften. Ein letztes Mal glitt sein gieriger Blick über ihren nackten Körper, bevor er erneut über ihr war. Es war erlösend, als sie miteinander verschmolzen. Unter seinen festen, rhythmischen Stößen krallten sich ihre Finger in seinen Rücken, vergruben sich in seinen Haaren und hinterließen rote Spuren auf seiner Haut. Er versiegelte ihr tiefes Stöhnen mit seinen Lippen. Ihre Schenkel pressten sich an ihn. Tiefer! Schneller! Mehr!

»Brie!« Immer wieder stöhnte er ihren Namen, während er sie mit immer härteren Stößen nahm. Sie konnte ihm nur mit einem Stöhnen antworten, als ihr ganzer Körper zuckend unter ihm in einem Orgasmus explodierte.

 

Durch die Vorhänge an den Fenstern wehte eine angenehme Brise in das Zimmer. Langsam schlug Brietta ihre Augen auf. Die Sonnenstrahlen fielen bereits mit einer angenehmen Wärme durch die Fenster und tauchten das Zimmer in helles Licht. Colins Brust schmiegte sich unter gleichmäßigen Atemzügen an ihren Rücken. Das Gewicht seines Arms, der über ihrer Hüfte lag, fühlte sich beruhigend an. Sie lächelte und ließ mit ihren Gedanken an die letzte Nacht ihren Blick durch das Apartment schweifen. Dabei erregte ein Möbelstück besonders ihre Aufmerksamkeit. Vorsichtig zog sie Colins Arm von sich herunter und verließ das Bett, das leise unter ihr knarrte.

Ein Bücherregal auf der anderen Seite des Raumes war bis zum letzten Platz mit Büchern vollgestellt. Mit ihrem Zeigefinger strich sie über die Reihen der Bücher und las die vielen ihr unbekannten Titel. Die unzähligen abgewetzten Bücherrücken und deren Gebrauchsspuren zeigten, dass die Texte oft gelesen worden waren.

Eine Bewegung auf dem Bett holte sie aus ihren Gedanken. Die Arme hinter dem Kopf verschränkt, grinste Colin ihr zu. Sie ignorierte, wie sein Blick über ihren nackten Körper wanderte, und wies mit dem Kopf auf das Regal hinter ihr. »Deine Freizeitbeschäftigung?«

»Das hat vor einigen Jahren angefangen. Ich bin während eines Streifzugs auf eine verlassene Bibliothek gestoßen. Bücher sind in Damasia für uns Normalsterbliche eigentlich unerreichbar.«

Mit geschürzten Lippen drehte sie sich erneut zum Regal um und studierte weitere Titel. »Während meiner Ausbildung musste ich mich durch so einige Fachbücher kämpfen. Aber die Titel dieser Bücher klingen nicht danach.«

Sie zog eines der Bücher hervor und betrachtete den Deckel des Buches. Fast andächtig strich sie über das vergilbte Papier. »Der Graf von Monte Christo …«, murmelnd las sie den Titel. Sie schlug die erste Seite auf und begann zu lesen, während sie zum Bett zurückschlenderte. Allerdings kam sie nicht weit. Denn kaum war sie wieder unter das Laken geschlüpft, fiel das Buch achtlos zu Boden. Colins Hände und Lippen waren eine zu große Ablenkung.

Erschöpft schmiegte sie ihren Körper an ihn. Colins Atem ging schnell und seine Haut war feucht vom Schweiß. Genüsslich streckte sie ihre Arme und Beine von sich. Die letzten prickelnden Wogen ihres Orgasmus verklangen in ihren Muskeln. Colin hatte großes Geschick mit seiner Zunge bewiesen. Eines Tages würde er ihr erzählen müssen, wo und vor allem mit wem er dies erworben hatte. Sie schmunzelte. Aber heute wollte sie ihn genießen.

Sie legte ihren Kopf auf Colins Brust und lauschte seinem Atem. Nachdenklich ließ sie ihre Fingerspitzen über die Konturen seines Oberkörpers wandern, umrundete seinen Bauchnabel und zeichnete das Tattoo an seiner Hüfte nach. Seine Kleidung hatte so einige Kunstwerke auf seiner Haut verdeckt. Auf Elysium hatten nur Verbrecher aus den Katakomben Tätowierungen. Aber ihr gefielen die dunklen Linien auf seiner Haut.

»Was hat es mit dem Tattoo auf sich?« Ihr Finger blieb auf einem kleinen Bild unterhalb seines Schlüsselbeins hängen. Anders als die anderen Bilder auf seinem Körper war es fast kitschig verschnörkelt. Es war ein Anker.

Er lachte leise auf und strich ihr zärtlich durch die Haare. »Du hast mir diese Tätowierung verpasst.«

»Ich?«

»Es war ein Wetteinsatz. Ein Dieb hatte eine Statue aus einem Tempel gestohlen. Aithne war damals sehr aufgebracht und traurig deswegen. Du wolltest die Figur für sie zurückstehlen. Ich meinte damals, dass du das nie schaffen würdest. Du hast vorgeschlagen, dass wir eine Wette daraus machen. Mein Einsatz war, dass du ein Motiv für ein Tattoo aussuchst.«

Er lachte und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. Sein Blick verschwamm leicht, während seine Gedanken in die Vergangenheit wanderten. »Ich hätte es besser wissen müssen. Denn bereits am nächsten Tag hast du das Ding in unser Versteck geschleppt. Ich weiß bis heute nicht, wie du das geschafft hast.«

»Ja, das hättest du wirklich besser wissen müssen.« Brietta zuckte in gespielter Gleichgültigkeit mit den Schultern, stimmte dann jedoch in sein Lachen ein. Sie fuhr mit der Fingerspitze die Konturen der Zeichnung entlang. Plötzlich gefiel ihr, wie die feinen Züge zwischen den anderen kantigen Motiven herausstachen. »Und warum ein Anker?«

»Ich hasse das Wasser. Ich bin kein guter Schwimmer. Du dachtest, es wäre witzig.«

Sie prustete los und vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter. »Ja, das klingt nach mir. Tut mir leid!«

»Das muss dir nicht leidtun. Dieses Tattoo war alles, was mir von dir geblieben war. Ich würde es für nichts in der Welt ändern.« Er presste ihre Finger gegen den Anker auf seiner Haut und drückte ihr einen Kuss aufs Haar. Seine Worte brachten eine Stelle in ihrer Brust zum Kribbeln. Ihre Stimme war ein Flüstern an seiner Haut. »Danke.«

Er nahm ihren Kopf leicht zurück und blickte ihr in die Augen. Mit einem leisen Seufzen legte er seine Stirn an ihre. »Danke, dass du zurückgekommen bist.«

»Solange auch nur ein Funken Leben in mir steckt, werde ich immer zu dir zurückkommen. Das verspreche ich dir!«