Kapitel 27 - Brietta 

Zwischen den Wolken brach der glänzende Unterbau Calaris hervor. Bei dem Anblick schnaubte Brietta auf. Ihre Zähne knirschten unter dem Druck ihrer Kiefer. Sie hatte Mühe, die Trance unter Kontrolle zu halten. Nach dem Adrenalin der letzten Stunden gierte die leise Stimme nach Blut. Noch nicht. Ihre Finger rasten über das Display. Ein Signal ertönte, als sich die Lenkung verriegelte. Die freundliche Frauenstimme des Bordcomputers ertönte: »Autopilot aktiviert. Ziel: Calaris Docks.«

Zufrieden nickte Brietta und erhob sich aus dem Pilotensitz. Sie trat an die Tür des Cockpits zum Laderaum, da ertönte ein Rauschen in der Funkverbindung.

»Calaris ruft Civis Eins!«

»Guten Tag, Calaris. Hier spricht Amber, das Bordsystem der Civis Eins. Es wurde der Autopilot aktiviert. Ziel: Calaris Docks.« Die Stimme des Bordcomputers antwortete automatisch.

»Verstanden. Landeplatz 17 ansteuern.« Es knackte und die Funkverbindung wurde abgebrochen.

Ihr Plan schien zu funktionieren. Im Gehen schloss sie das Visier ihres Helms. Dessen Anzeigen halfen ihr dabei, sich im Halbdunkel des Laderaums zurechtzufinden, sodass sie ein Versteck zwischen den Kisten fand. Sie kauerte sich in die kleine Nische, atmete durch und legte den Kopf gegen die vibrierende Wand des Shuttles in ihrem Rücken. Jetzt hieß es warten.

Das Ruckeln des Shuttles weckte sie kurze Zeit später aus ihrem Dämmerschlaf. Das Schiff erzitterte, als es auf dem Landeplatz aufsetzte. Der Stoff ihrer Handschuhe knirschte leise unter dem Druck ihrer Finger. Die Trance ließ ihre Nasenflügel tänzeln. Sie konnte die Nähe Elysiums förmlich auf ihrer Haut spüren.

Angestrengt lauschte sie in die Stille hinein, die sich nach der Landung breitmachte. Nur das Knacken der abkühlenden Motoren war zu hören. Dann ertönte das vertraute Zischen der Ladeluke, die sich öffnete. Flackernd ging das Licht im Innenraum an und Schritte auf dem Gitter der Luke wurden laut. Durch einen Spalt zwischen zwei Kartons beobachtete Brietta, wie drei Soldaten das Shuttle betraten. Die Männer in der Uniform der Fußsoldaten wirkten angespannt. Ihre Waffen trugen sie auf Anschlag und die Mündung der Gewehre wanderte mit ihren Blicken durch den Raum.

»Bleibt dicht beieinander und seht in jeder Ecke nach!«, herrschte der Soldat mit einem Abzeichen mehr auf der Brust seine Kollegen an. Einstimmiges Nicken antwortete ihm, während die Männer durch den Raum pirschten. Auch Brietta setzte sich in Bewegung. Sie schob sich leise an der Wand entlang, bis sie den Rahmen der seitlichen Tür im Rücken spürte. Im Dunkeln tasteten ihre Finger nach der Türverrieglung oberhalb ihres Kopfs. Gleich musste sie schnell sein. Die Kraft der Trance sickerte in ihre Muskeln und schärfte ihre Sinne. Sie presste ein Ohr an das Metall hinter ihr. Ihre Mundwinkel zuckten zufrieden, als ihr Gehör ihr versicherte, dass dahinter keine weiteren Personen auf sie warten würden. Erst dann öffnete sie die Tür, die mit einem leisen Surren nach oben fuhr und in der Außenwand verschwand. Im selben Moment schwang sie sich aus der Öffnung nach draußen. Ihr Blick schweifte über die glänzend polierten Shuttles, die sich dicht an dicht in der Halle reihten. Breitbeinig nahm sie vor der offenen Tür Stellung und blickte dem Dunklen im Inneren grimmig entgegen.

Keine Sekunde später stürzte einer der Männer mit erhobener Waffe in die Öffnung. Hinter ihm kamen seine Kollegen polternd zum Stehen.

Ohne Umschweife blaffte sie ihn an: »Wenn du nicht sofort das Ding aus meinem Gesicht nimmst, werde ich dir zeigen, wie tief man den Lauf in den Arsch schieben kann! Was treibt ihr hier?«

Ihr Ton und der Kampfanzug zeigten Wirkung. Der Soldat riss erschrocken die Mündung hoch und salutierte vor ihr. »Wir … wir wurden von der Zentrale alarmiert, dass ein Shuttle auf Autopilot vom nördlichen Stützpunkt kommt.«

»Und die Zentrale hat euch mit der ersten Inspektion beauftragt?«

Sein Gesicht lief rot an. »Wir dachten, dass wir es schon einmal sichern könnten.«

»Ihr seid Soldaten. Ihr sollt Befehlen folgen und nicht nachdenken!« Brietta ließ Speichel auf ihn regnen.

Der Mann schnappte nach Luft. »Ich … wir …«

»Verriegelt sofort das Shuttle! Und sorgt dafür, dass es weder verlassen noch betreten werden kann!«

Erneut salutierte der Soldat und verschwand im Inneren des Luftschiffs. Im Gehen bemerkte Brietta, wie er seine Kollegen anschrie. Aber schon bald verklang seine Stimme in ihrem Rücken, während sie sich mit schnellen Schritten entfernte. Sie musste weg sein, bevor die Männer anfingen, die Anwesenheit eines mit Schlamm verdreckten Divisionsleutnants zu überdenken.

Calaris empfing sie mit Dunkelheit und Regen. Brietta atmete die kühle Nachtluft ein. In wenigen Augenblicken war ihr Kampfanzug durchnässt. Kurzerhand schloss sie einen Gleiter kurz, der vor dem Eingang der Ladehallen abgestellt worden war. Die Straßen der Hauptinsel waren gespenstisch still in dieser Nacht. Normalerweise waren sie zu dieser Zeit mit dem abendlichen Verkehr gesäumt. Ihr Griff um den Lenker wurde fester. Etwas hatte sich auf den Inseln verändert.

Ihr eigenes Spiegelbild, das ihr von den glatten Fassaden entgegenblickte, schien ihr fremd. Die Person in schwarzem Anzug auf einem Gleiter. Das war bis vor Kurzem sie gewesen. Nicht mehr. Bei dem Gedanken begann die Panzerung auf einmal, sie einzuengen. Sie öffnete in der Fahrt das Visier und ließ den Helm im Inneren ihres Anzugs verschwinden. Sie genoss den kalten Regen auf ihrem Gesicht. Ein trotziges Lächeln legte sich um ihre Mundwinkel. Sie hatte die Inseln bereits hinter sich gelassen.

Neben ihr tat sich mit einem Mal der Hauptplatz auf. Brietta verringerte das Tempo und lenkte ihren Gleiter auf die steinernen Bodenplatten. Vor ihr erhob sich die angestrahlte Fassade des Rathauses. Wie dunkle, leere Augen blickten ihr die Reihen der Fenster in der imposanten Front entgegen. Verachtung schien darin zu liegen.

Brietta hielt den Gleiter wenige Meter vor den Eingangstreppen an und stieg ab. Die Trance kribbelte unter ihrer Haut. Kratzte daran. Sie musste dem Ziehen endlich nachgeben und der Stimme geben, wonach sie verlangte. Sie hob den Kopf und fixierte eine Reihe von Fenstern im dritten Stock. Dahinter leuchtete das Licht einer Lampe. Im Gehen zog sie die Pistole aus dem Holster an ihrem Oberschenkel. Das Gewicht der Waffe in ihrer Hand ließ die Stimme in ihrem Kopf zufrieden seufzen.

Sie nahm die Stufen zur Eingangshalle mit großen Schritten. Dabei hinterließ sie eine Spur von Wassertropfen auf dem polierten Marmor. Die Flure des Rathauses waren wie ausgestorben. Die leeren Büros, an denen sie vorbeiging, überraschten sie nicht. Zu der Zeit war kaum noch einer der Beamten im Dienst. Sie machte kein Licht. Auch im Dunkeln fand sie ihren Weg in den dritten Stock und zu der vertrauten Milchglastür.

Als sie diese aufstieß, lag das Vorzimmer verlassen vor ihr. Unter der Doppeltür zum Büro des Generals fiel ein schmaler Lichtstreifen hervor und wies ihr den Weg. Brietta schritt darauf zu. Ohne zu zögern, erfasste sie die Türklinke und drückte sie nach unten.

Titus’ eisiger Blick empfing sie vom Schreibtisch. Der General saß an die Kante des Möbelstücks gelehnt, die Beine von sich gestreckt und übereinandergeschlagen. Mit beiden Armen stützte er sich auf der Tischplatte ab. Sein Lächeln war noch eisiger als seine Augen.

Brietta zog die Luft ein. Sie unterdrückte den Drang, bei seinem Anblick zu salutieren. Während sie langsam auf ihn zuging, fiel ihr sein offener Hemdkragen auf. Eine solche Unordentlichkeit war ungewöhnlich für den General.

»Ich wusste, dass du kommen würdest.«

Brietta blieb einige Meter von ihm entfernt stehen und umfasste den Griff ihrer Waffe fester. Die Trance schlierte bereits durch ihren Kopf und wollte ihren Verstand umfassen. Aber sie ließ sie noch nicht walten. Auch wenn es ihr fast körperliche Schmerzen bereitete, den Mann vor ihr nicht mit Kugeln zu durchsieben, musste sie erst noch etwas wissen. »Wieso haben Sie mir das angetan?«

Sein lautes Lachen dröhnte in ihren Ohren. Die Trance schlierte durch ihr Sichtfeld. Ihre Hand mit der Waffe zitterte leicht. Noch nicht …

»Weil du dazu geboren bist, mein Kind! Ein solches Talent wie deines ist mir in meinem ganzen Leben noch nicht untergekommen. Ich wäre dumm, wenn ich das nicht genutzt hätte.«

Bei seinen Worten presste Brietta die Lippen zusammen. Dazu geboren … den Satz hatte sie bereits zu oft gehört. »Und Bruce?«

»Bruce? Der alte Knochen war anfänglich sehr skeptisch. Aber er musste dich nur einmal kämpfen sehen …« Der General zog genüsslich die Luft ein und schüttelte mit diesem eisigen Lächeln den Kopf. Dann fixierte er sie wieder. »Unsere Hände haben dich zu dem Menschen geformt, der du heute bist. Und ich darf sagen, dass du unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen hast. Du wirst die Familien stürzen. Gemeinsam werden wir ein neues Elysium aufbauen! Ein besseres, größeres, als die Schnösel es sich je haben träumen lassen!«

Das war also sein Plan! Ihre Pupillen weiteten sich. Er hatte nie im Auftrag der Familien gehandelt, sondern seine eigene Agenda mit ihr gehabt. Ihre Brust wurde unter heftigen Atemzügen enger. Ein Blitz durchschnitt die Dunkelheit hinter den Fenstern. »Sie haben Recht. Ich bin gekommen, um jemanden zu stürzen.«

Sie schaffte es noch nicht einmal, einen Schritt zu machen, da riss der General bereits seinen Arm in die Höhe. Sie konnte sich gerade noch mit einem Sprung hinter Bücherregal in Sicherheit bringen. Papierfetzen flogen durch die Luft, als seine Kugeln die Bücherrücken durchsiebten. Unter dem Regen an Papier und Holzsplittern robbte sie sich zum anderen Ende des Regals. Als sie dort ankam, wurde sie am Kragen gepackt und hochgerissen.

Titus schleuderte sie gegen ein weiteres Regal, das bedrohlich zu schwanken begann. Einzelne Bücher fielen herunter und knallten neben ihnen auf den Boden, wovon sich der Mann jedoch nicht irritieren ließ. Sein Blick schnitt durch sie durch, während er auf sie zuging.

Brietta fluchte leise. Ihre Pistole war ihr aus der Hand geglitten. Sie griff nach einem Buch im Regal hinter ihr und schleuderte es Titus entgegen. Mit einem Arm wehrte er es ab. Weitere Gegenstände folgten, aber auch sie verfehlten ihre Wirkung. Der General holte zum Schlag aus. Seine Faust fand zielgenau ihren Weg durch Briettas Deckung. Krachend trafen seine Knöchel ihr Gesicht. Die Wucht riss sie zur Seite. Im Stolpern spuckte sie Blut auf den Boden.

Sein eiskaltes Lachen folgte ihr. »Du bist mein Meisterstück, Moore! Du kannst mich nicht stürzen!«

Wütend presste sie die Zähne zusammen und stolperte zwischen den Vitrinen entlang. Sie musste Distanz gewinnen. Sie brauchte eine Waffe! Plötzlich stieß sie im Halbdunkeln mit dem Rücken gegen die Wand. Ein leises, metallenes Klirren ließ sie ihren Blick heben. Zwei gekreuzte Schwerter hingen über ihr an der Wand. Sie riss eine der Waffen aus der Halterung. Ihre Finger schlossen sich um das Leder des Griffes. Sie registrierte das Gewicht des Schwerts in ihrer Hand. Es war perfekt ausbalanciert. Die Trance schrie triumphierend auf und weitete ihre Pupillen. Der dunkle Raum hellte sich vor ihr auf. Die Umrisse des Generals tigerten wie ein Raubtier zwischen den Regalen hin und her. Sein Meisterstück … die Worte bereiteten ihr Übelkeit.

Sie stieß einen Schrei aus und warf sich zwischen den Regalen hervor, wo sie mit Titus zusammenprallte. Die Klinge ihres Schwertes fuhr knapp an seinem Gesicht vorbei und hinterließ eine dünne rote Linie auf seiner Wange. Beinahe erschrocken, griff er sich ins Gesicht und betrachtete das Blut auf seinen Fingerspitzen. Dann grinste er wieder. »Bruce hat ganze Arbeit an dir geleistet!«

Mit diesen Worten griff er in die Vitrine neben sich und zog zwei Säbel daraus hervor. Die beiden Klingen rotieren in seinen Händen, bevor er sich mit einem wütenden Schrei auf Brietta stürzte. Seine Attacke war unbarmherzig und unvorhersehbar. Sie versuchte, seiner Klinge auszuweichen. Aber der Mann kannte ihre Techniken und als sie aus ihrer Deckung hervortauchte, erwartete sie bereits der andere Säbel. Sie schrie auf, als sich das Metall in ihre Schulter bohrte. Bereits im nächsten Moment landete seine Faust in ihrem Gesicht. Er traf ihren Kiefer und Sterne tanzten vor ihren Augen. Sie hörte das Kreischen der Trance in ihrem Hinterkopf. Die Stimme trieb sie an, sodass sie weitertaumelte. Sie ignorierte den Schmerz in ihrem Arm und griff erneut an. Aber wieder wusste der Mann, wo und wie sie angreifen würde. Seine Faust und die Klingen seiner Säbel erwarteten sie bereits. Neue Wunden rissen ihre Haut auf. Neue Schläge auf ihren Kopf nahmen ihr die Sicht.

Immer wieder riss die Trance an ihr. Trieb sie weiter an. Brüllte ihr Anweisungen zu. Halb ohnmächtig versuchte sie, ihnen zu folgen. Aber schließlich gaben ihre Knie nach. Mit einem erstickten Keuchen sackte sie zu Boden und presste eine Hand auf ihre Schulter. Blut quoll zwischen ihren Fingern hervor. Es schien kein Funke Kraft mehr in ihrem Körper zu stecken.

Der eisige Blick des Generals tauchte vor ihr im Halbdunkeln auf. Die Klingen seiner Waffen waren mit ihrem Blut bedeckt und drehten sich unaufhörlich in seinen Händen. Sie rang nach Luft. Sein Meisterstück …

»Füge dich deinem Schicksal, Moore. Sieh es ein. Du bist dazu geboren!«

»Scheiße! Wie oft ich diesen elenden Satz bereits gehört habe!« Ein heiseres Lachen rang sich aus ihrer Kehle. Heißer Schmerz schoss durch ihre Wange. Ihre Narbe musste förmlich glühen. Aber sie lachte, lehnte sich nach hinten und ließ sich auf ihre Fersen hinunter. Ihr Kopf fiel in ihren Nacken und sie schloss für einen Moment die Augen. Der Schmerz ihrer Narbe rieselte ihren Körper hinab und überdecke das Reißen ihrer anderen Wunden. In das rote Rauschen der Schmerzen mischte sich plötzlich die Erinnerung an eine Berührung. Wohlige Wärme legte sich um ihr Herz. Ein Lagerfeuer … Aithne … Ein Kuss … Colin … »Ausschlaggebend ist, was du denkst.«

Ihr Kopf fiel nach vorne und ihr Lachen ging in ein Schnauben über. Als sie ihren Blick wieder hob, funkelten ihre smaragdgrünen Augen. Ihre Oberlippe kräuselte sich unter ihren geblähten Nasenflügeln. »Und ich habe ihn lang genug hingenommen. Habe mich von euch herumschubsen lassen. Ich scheiß drauf, wozu ich ihr alle denkt, dass ich geboren bin. Ich bin kein kleines verwirrtes Kind mehr. Ich weiß, woher ich komme. Aber noch wichtiger: Ich weiß, wohin ich will!«

Sie spie ihm die Worte mit blutigen Lippen entgegen und stürzte sich auf Titus. Ihre Klinge schnellte nach vorne. Die Wucht ihres Angriffs überraschte ihn und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Unerbittlich hieb sie auf ihn ein. Funken stoben von der Kraft, mit der das Metall der Klingen aufeinandertraf. Die hohen Decken des Zimmers wurden von dem Klirren ihrer Waffen und ihrem Keuchen erfüllt. Sie trieb ihn mit harten Schlägen durch den Raum. Dabei gingen Regale krachend zu Bruch.

Ein weiterer Blitz erhellte den Raum. Das Licht spiegelte sich in dem Glas der Vitrinen und blendete sie für einen Moment. Einen Augenblick zu lang hielt sie in ihren Schlägen inne. Die Schulter des Generals grub sich in ihren Oberkörper. Unter Einsatz seines gesamten Körpergewichts riss er sie von den Beinen. Dann war da plötzlich kaltes Glas in ihrem Rücken und das Knirschen, als es unter ihrem Aufprall nachgab. Ein Schrei schnürte ihr die Kehle zu, während sie rücklings in einem Regen aus Splittern durch das Fenster in die Tiefe stürzte.

 

Auf dem Rücken liegend kam Brietta auf den Treppen des Rathauses wieder zu sich. Sie hustete und spuckte mehr Blut über ihre Lippen. So unbequem der Kampfanzug auch war, er hatte ihr bei dem Sturz aus dem Fenster das Leben gerettet. Tiefe Risse durchzogen die glänzenden Platten. Der Regen prasselte unerbittlich auf sie hinab und wusch ihr das Blut vom Gesicht. Sie konnte nicht sagen, wie lange sie ohnmächtig gewesen war.

Langsam rollte sie sich in den Glassplittern auf die Seite, um auf die Füße zu kommen. Aber als sie ihren Oberkörper streckte, sackte sie wieder zusammen. Sie griff sich mit schmerzverzerrtem Gesicht an die Seite. Eine Scherbe hatte sich in ihr Fleisch gegraben. Sie fluchte leise. Rot schimmerte das Blut auf ihren Fingern.

»Wirklich schade, dass es so weit kommen musste.« Titus’ Stimme erklang vorwurfsvoll von der Eingangshalle des Rathauses.

Sie kniete auf den Stufen und blickte ihm mit einem wütenden Funkeln in den Augen entgegen.

Er trat aus dem Eingangstor heraus in den Regen. Sein weißes Hemd war sofort durchnässt und das Wasser rann ihm über das Gesicht. Stufe für Stufe kam er zu ihr hinunter. »Du und ich. Wir hätten gemeinsam so viel erreichen können.«

Als er sie erreicht hatte, griff er nach ihrem Kragen und zog ihr Gesicht nahe an das seine. Wut verzerrte seine Augen und Speichel lief ihm über die Lippen, als er sie anschrie: »Elysium hätte uns gehören können! Aber du hast dich entschieden, das alles wegzuwerfen. Und wofür?! Für einen Haufen verlauster Hippies! Nutzloser Irrer!«

Blut lief ihr von einer Kopfwunde über das Gesicht und vermischte sich mit dem Regen. Brietta schloss die Augen und spürte die Feuchtigkeit auf ihrer Haut. Die Hitze seiner Wut prickelte in ihrem Gesicht. Ihre Lippen verzogen sich zu einem breiten Lächeln. Sie öffnete ihre Augen und betrachtete die nackte Wut in seinem Gesicht. Dieser Mann hatte keine Macht mehr über sie. »Elysium hat mich zwar gelehrt, zu kämpfen. Aber Damasia war es, das mir einen Grund zum Kämpfen gab.«

Mit diesen Worten griff sie nach seinem Hemd und riss ihn ruckartig zu sich heran. Ein Keuchen entfuhr ihm und er taumelte einige Stufen rückwärts. Eines seiner Knie gab nach und er sackte zu Boden. Sein ungläubiger Blick wanderte seinen Körper hinunter. Aus seinem Bauch ragte das Ende eines Glassplitters. Blut färbte das tadellose Weiß seines Hemdes rot. Verwirrt hob der General den Blick.

Brietta presste ihre Hand auf die Wunde an ihrer Seite, aus der sie den Splitter gezogen hatte. Eine rote Lache bildete sich bereits zu ihren Knien. Auch ihre Wunde war tief und nun, da das Glas sie nicht mehr versiegelte, floss das Blut unaufhörlich. Sie würde sterben. Aber er auch.

»Du bist wirklich mein Meisterwerk.« Mit einem Grinsen auf den Lippen sackte Titus’ lebloser Körper zur Seite.