J ack faltete sorgfältig seine Kleider und legte sie in den Reiserucksack, der als Handgepäck zulässig war. In der südlichen Hemisphäre würde es jetzt schon bald recht warm werden, und er wollte kein Gepäck einchecken müssen, schon gar nicht auf einem normalen Linienflug mit mehreren Umstiegen.
Im anderen Zimmer läutete das Telefon. Er blickte auf seine Smartwatch: Gerry Hendley. Jack steckte die AirPods in die Ohren und nahm den Anruf entgegen.
»Hi, Gerry, was ist los?«
»Ich habe gerade den Bericht gelesen, den Sie mir gestern Abend gemailt haben. Ich habe noch ein paar Fragen. Störe ich Sie gerade?«
»Bin am Packen. Fragen Sie ruhig.«
»Sie haben da eine Verbindung zwischen Senatorin Dixons Stiefsohn und diesem chinesischen Partner in Polen entdeckt.«
»Ja, richtig. Aber ich habe da nur ein wenig Rauch entdeckt, kein Feuer.« Jack legte ein weiteres Paar Socken in den Rucksack.
»Aber wenn ich zwischen den Zeilen lese, denken Sie, dass da etwas dran sein könnte?«
»Würde mich nicht überraschen. Aber mit meinen Online-Recherchen komme ich nicht mehr weiter. Deshalb habe ich empfohlen, dass jetzt Gavin die Sache übernehmen sollte. Wenn jemand noch mehr herausfinden kann, ist er es.« Jack zog den Reißverschluss zu.
»Leider sind Gavin und sein Team in eine andere Angelegenheit eingebunden. Deshalb möchte ich, dass Sie hinfliegen und sich vor Ort genauer umschauen.«
»Ich? Aber ich war noch nie in Polen. Ich habe dort keinen einzigen Kontakt, außerdem spreche ich kein Wort Polnisch. Warum schicken Sie nicht Midas? Er spricht fließend Polnisch.«
»Midas ist im Moment im Ausland. Und bevor Sie weiterfragen – Dom und Adara sind in Coronado und trainieren Nahkampf mit ein paar Ex-SEAL -Trainern. Und Ding und Clark sind ebenfalls nicht verfügbar.«
»Weshalb nur ich übrig bleibe.«
»Richtig. Aber machen Sie sich keine Sorgen – ich habe bereits dafür gesorgt, dass Ihnen eine kompetente Kontaktperson zur Seite gestellt wird. Arbeitet beim ABW – der polnischen Version des FBI .«
»Aber, offen gesagt, das kommt sehr ungelegen. Sie haben mir zehn Tage Urlaub genehmigt, Gerry. Morgen früh geht mein Flug.« Jack wollte nicht erwähnen, dass seine Reise kein Erholungsurlaub war, sondern mit dem Versprechen zu tun hatte, das er Cory gegeben hatte.
»Können Sie das nicht ein paar Tage aufschieben?«
»Hm«, murmelte Jack zögernd. Er wollte Gerrys Bitte nicht ablehnen. Aber ihm war auch das Versprechen wichtig, das er Cory gegeben hatte – verdammt wichtig. Er hielt Wort. Immer.
»Äh – ich habe den Flug schon gebucht …«
»Ich erstatte Ihnen natürlich die Kosten für die Umbuchung.«
»Das ist sehr großzügig, aber, na ja, es ist wirklich wichtig.«
»Sind Ihnen ein paar Tage Urlaub wichtiger als das nationale Interesse?«
Sicher nicht, wenn man es so überspitzt ausdrückt. »Nein, natürlich nicht. Aber Dixon und irgendwelchen schmutzigen Geschäften hinterherzuschnüffeln kommt mir eher wie ein Krimi von Raymond Chandler vor als eine Sache von nationalem Interesse.«
»Das entscheiden nicht Sie, sondern Ihr Dad.«
Autsch.
»Okay, ich kann meine Reise für ein paar Tage aufschieben. Ich muss dabei keinen Termin einhalten.«
»Gut. Ich habe bereits Lisanne gebeten, Ihren Flug zu buchen. Sie fliegen morgen früh. Lisanne meldet sich mit den Details.«
»Es ist Ihnen aber klar, dass es eine sehr spekulative Vermutung ist, nicht wahr?«
»Das habe ich Ihrem Bericht entnommen. Aber im Moment ist das die einzige Spur, die wir haben.«
»Haben Sie irgendwelche Vorschläge, wo ich ansetzen könnte?«
»Ich muss Ihnen sicherlich nicht erklären, dass D.C. eine sehr politische Stadt ist. Ich will, dass Sie dort drüben sehr leichtfüßig auftreten. Erregen Sie keinerlei Aufsehen, machen Sie keine Andeutungen. Wenn Dixon auch nur einen Hauch von Verdacht schöpft, dass jemand hinter ihr herschnüffelt, oder noch schlimmer, dass Ihr Vater hinter der Sache stecken könnte, würde hier die Hölle losbrechen.«
»Verstehe. Ich werde mein Bestes geben.«
Gerry lachte leise. »Das weiß ich. Deshalb stehen Sie hier auf der Gehaltsliste, mein Junge.«
»Ich melde mich, sobald ich etwas herausfinde.«
Gerry beendete das Gespräch. Jack zog den Reißverschluss wieder auf.
In Polen würde es deutlich kälter sein als dort, wohin er eigentlich hatte fliegen wollen. Und mit einem Rucksack als Reisegepäck konnte er sich bei einer Geschäftsreise als Finanzanalyst ohnehin nicht blicken lassen.