M ir wehtun?«, fragte Jack. »Vielleicht, oder vielleicht auch nicht. Wie wär’s, wenn du deinen Gorillas befehlen würdest, die Pfoten von mir zu lassen? Wenn nur wir beide die Sache unter uns ausmachen? Oder hast du keine Eier in der Hose?«
»Oh, Eier? Ja, klar habe ich Eier in der Hose, Jack, große, dicke Stahleier.«
Cluzet griff blitzschnell an. Er riss ein Springmesser aus der Tasche, ließ es aufspringen und drückte die rasiermesserscharfe Klinge gegen Jacks linke Wange, knapp unter dem Auge.
Jack zuckte nicht zurück.
Cluzet grinste und schnitt mit einer schnellen, fließenden Bewegung Jacks Plastikfesseln durch, ohne die Haut zu berühren.
»Besser so?«
Cluzet steckte das Messer wieder in das Holster, während Jack die gefühllos gewordenen Handgelenke massierte, bis das Blut mit leichtem Kribbeln wieder frei fließen konnte.
»Mach dir über meine Eier keine Sorgen, Jack. Liliana wird noch eine Menge Spaß damit haben, bis ich mit ihr fertig …«
Jack brüllte wütend und wollte sich auf Cluzet stürzen, aber Cluzets Männer rissen ihn im letzten Moment zurück.
Cluzet grinste noch breiter. »Oh, oh, Jack! Das ist wohl dein wunder Punkt, stimmt’s?«
Die beiden anderen Männer lachten.
»Wie frustriert musst du dich fühlen«, fuhr Cluzet fort, wobei er mit dem Stemmeisen wie mit einem Florett vor Jacks Brust herumfuchtelte. »Jetzt stehst du da, ein junger, reicher Amerikaner, offenbar ziemlich stark und, wie ich vermute, auch mit einiger Erfahrung im Nahkampf, wie du gerade mit deinem Angriff auf meinen guten alten Hult bewiesen hast. Und trotzdem bist du jetzt so hilflos wie ein neugeborenes Kätzchen! Du Ärmster musst mitansehen, wie deine Freundin in einem Fass eingesperrt ist und dein ganzes privilegiertes Leben in meiner Hand« – er schlug sich zur Betonung wieder mit dem Stemmeisen auf die Handfläche – »liegt! Und niemand kann etwas für dich tun! Nur ich.« Er lachte rau über den eigenen Scherz. »Macht mich das zu deinem Retter, Jack, was meinst du?«
»Was zum Teufel willst du?«
»Was ich will? Vielleicht will ich für meine Sünden büßen?«
Jack runzelte verwirrt die Stirn. »Du redest nur Scheiß, Mann.«
»Komm mal her. Ich zeige dir einen kleinen Trick.«
Cluzet nickte den beiden Männern zu. Sie hielten Jack fest gepackt, als sie ihn näher zu Lilianas Fass stießen.
Der Franzose hielt theatralisch das Stemmeisen hoch. »Schau genau zu, wie ich das mache – passt du auch genau auf, Jack? Das ist sehr wichtig.«
»Ich passe genau auf.«
»Gut. Also: Schau mal.«
Cluzet schob die Klaue des Eisens unter den Außenhebel, mit dem der Spannring des Deckels fest verschlossen war.
»Siehst du? Der Klemmhebel sitzt so fest, dass man ihn mit der Hand nicht aufbekommt. Das hier ist ein Chemiefass – da darf kein Tropfen herauskommen, verstehst du? Deshalb brauchen wir dieses Eisen hier, um das Fass zu öffnen.«
Mit einer ruckartigen Bewegung sprengte er den Hebel auf, der Metallspannring lockerte sich, und Cluzet hob den Deckel vom Fass.
»Hallo, meine Schöne! Hast du mich vermisst?«
Liliana spuckte wie eine Kobra in sein grinsendes Gesicht.
Jack verspannte sich. Ihr Haar war blutverschmiert, die Oberlippe blutverkrustet, die Nase offenbar gebrochen und blaurot angeschwollen. Doch ihre Augen sprühten förmlich vor trotziger Wut.
»Lil!« Jack wollte sich losreißen, um ihr zu helfen, aber die beiden Schlägertypen hielten ihn mit eisernen Griffen zurück. Jack kämpfte, war aber noch immer zu sehr geschwächt, um sich befreien zu können.
»Jack …«
Lilianas Schrei brach ab, als Cluzet den Deckel wieder auf das Fass schmetterte und die Klampe des Spannrings schloss. Ihr wütendes Fluchen war nur noch gedämpft zu hören, während sie mit den Fäusten gegen den Deckel hämmerte.
»Kämpft wie eine Löwin, die Schlampe«, sagte Cluzet und wischte sich den Speichel vom Gesicht.
»Du musst ein erbärmlicher Feigling sein, dass du eine wehrlose Frau verprügelst. Oder hast du vielleicht einen Mami-Komplex?«
Cluzets Schlag mit der Rückhand schleuderte Jacks Kopf brutal zur Seite. Cluzet hob das Eisen hoch über den Kopf, um einen tödlichen Schlag auf Jacks Schädel niedergehen zu lassen, doch dann zögerte er.
»Oh, Jack, ich muss schon sagen, das war clever. Ist schon eine ganze Weile her, dass ich die Beherrschung verloren habe.« Er grinste und senkte das Eisen wieder. »Macht Spaß mit dir. Aber du hast mir gerade eine Frage gestellt – Was zum Teufel will ich?«
Cluzet ging wieder auf dem Deck hin und her. »Einerseits will ich eigentlich nur eins – zuschauen, wie mein Freund Hult dich totprügelt. Das wäre wirklich sehr … unterhaltsam . Andererseits gibt es ein paar Leute, die sich sehr für dich interessieren und nicht wollen, dass dir etwas Schlimmes geschieht. Aber ehrlich, Jack, diese Leute sind mir scheißegal. Wenn ich dich am Leben lasse, dann nur, weil ich es will. Die Frage ist daher, was mir mehr Spaß machen würde?«
»Ist das der Moment, an dem ich um Gnade flehen soll? Das kannst du vergessen.«
»Nicht mal für Liliana?«
Jack starrte ihn wütend an. »Lebend bin ich für dich mehr wert als tot.«
»Aber gilt das auch für sie? «
»Wenn wir hier einen Deal machen, dann gilt er auch für sie, sonst gibt es keinen Deal, und das heißt, kein Geld für dich.«
»Ja, keine Frage, sie ist Teil des Deals. Und du hast recht, bestimmt würde dein reicher Senatorenfreund ziemlich viel Geld für dich springen lassen. Wenn ich dich am Leben lasse, muss er als Gegenleistung sofort damit aufhören, uns zu verfolgen. Ich bin sicher, dass dein Freund John Clark schon die nötigen Absprachen für dich getroffen hat.«
In jeder anderen Lage hätte Jack jetzt triumphierend grinsen müssen. Du gehörst zum Eisernen Syndikat! Wie sonst hätte Cluzet Kenntnis von dem Deal haben können, den John Clark im vergangenen Jahr mit dem Tschechen vereinbart hatte? »Ich denke, das dürfte kein Problem sein.«
»Wunderbar. Komm mal hier rüber.« Cluzet wies mit einer Kopfbewegung zur Reling.
Jack trat an die Reling, doch Cluzets Männer blieben dicht neben ihm. Er warf einen Blick auf das Wasser hinunter. Das Schiff war mit gut neun Knoten oder so unterwegs, schätzte er nach der weiß leuchtenden Heckwelle im rabenschwarzen Wasser.
»Bist du ein guter Schwimmer, Jack?«
»Geht so.«
»Aber das Problem ist: Das Wasser hat grade mal fünf Grad Celsius. Selbst ein starker Schwimmer kann in dieser Temperatur höchstens zehn Minuten lang durchhalten. Zuerst bekommst du Muskelkrämpfe, der Körper wird taub. Deine Kleider saugen sich mit Wasser voll und werden schwer wie Blei. Außerdem könnte es sein, dass dir ein Sprung aus dieser Höhe schlagartig die Luft nimmt und du mit dem Bauch voller Wasser absäufst, bevor du auch nur ein paar Schwimmzüge machen kannst.«
»Oder ich sterbe vor Langeweile, weil ich mir die ganze Nacht lang den Scheiß anhören muss, den du von dir gibst.«
Der Deutsche holte mit der geballten Faust aus, aber Cluzet stoppte ihn mit einem einzigen Blick.
»Du könntest mir ziemlich viel Geld einbringen, deshalb wäre ich vielleicht zu unserem Deal bereit. Aber vorher wirst du mir versprechen müssen, dass du nicht zu fliehen versuchst, bevor wir im Hafen anlegen. Ich will selbst bestimmen, wann und wo ich dich Senator Hendley übergebe. Also denke erst gar nicht daran, über Bord zu springen. Ich möchte schließlich nicht, dass dir etwas passiert.«
»Ich bin kein Idiot. Warum sollte ich das tun?«
Cluzet runzelte die Stirn. »Ja, das wäre wirklich sehr dumm, nicht wahr?«
»Was ist mit Liliana?«
»Ach so, ja, die arme Liliana. Die dürfen wir natürlich nicht vergessen.«
Cluzet ging zu ihrem Fass hinüber und klopfte mit dem Stemmeisen leicht auf den Deckel, als müsse er eine schwere Entscheidung treffen. Dann drehte er sich wieder um und schaute Jack spöttisch an.
»Liliana darf ebenfalls weiterleben. Aber zuerst musst du dich entscheiden.«
Er warf Jack das Eisen in hohem Bogen zu.
Gerade als das Eisen den Gipfelpunkt seiner Flugbahn durchflog, drehte sich Cluzet wieder um und stieß Lilianas Fass über die Bordkante. Sie schrie, aber ihre Schreie waren nur gedämpft zu hören und verstummten abrupt, als das Fass im Wasser aufschlug.