F oley, Clark, Jack und Gavin standen um Watson herum, die, von Foleys Ohrfeige noch ganz rot im Gesicht, auf einem Stuhl saß.
»Wann und wo findet das nächste Treffen statt?«, fragte Foley.
Watson sah auf die Uhr. »In zehn Minuten, zwei Etagen höher.«
»Wie viele sind es noch?«
»Sie haben Glück. Das hier war das erste. Noch drei.«
»Okay, folgender Deal, kurz und schmerzlos: Sie tun genau, was ich Ihnen sage, und dafür werde ich Sie nicht höchstpersönlich vom Balkon im zehnten Stock werfen. Sind Sie damit einverstanden?«
»Das können Sie nicht tun.«
Foley beugte sich über den Stuhl bis dicht vor ihr Gesicht. »Legen Sie es nicht drauf an.«
Watson erbleichte.
»Was soll ich tun?«
Foley richtete sich auf. »Tun Sie genau das, was Sie geplant haben. Treffen Sie sich mit den drei anderen, sammeln Sie ihre Gebote ein. Aber dann sagen Sie ihnen Folgendes: Der Höchstbietende wird heute Abend eine Textnachricht erhalten, in der steht, dass er zu einer bestimmten Zeit zu einem Treffpunkt in London kommen soll, wo Sie ihm den Algorithmus-Schlüssel aushändigen werden. Haben wir uns verstanden?«
»Verstanden.«
Foley rief über die Schulter. »Jack?«
Jack trat vor und verkabelte Watson mit einem Bluetooth-Ohrhörer, der als Video- und Audiogerät benutzt werden konnte.
Jack fasste an seinen Ohrhörer. »Sagen Sie etwas.«
»Etwas.«
Jack nickte. »Laut und deutlich.«
Foley sagte: »Wenn das Mikro und die Kamera ausfallen, sind Sie tot. Wenn Sie uns auffliegen lassen, sind Sie tot. Wenn Sie Dummheiten machen und sich verraten, werden Sie einen qualvollen Tod sterben.«
»Ich werde es nicht vermasseln. Sie werden sehen.«
»Das werde ich allerdings«, sagte Foley. »Und jetzt setzen Sie Ihren jämmerlichen Arsch in Bewegung.«
Anderthalb Stunden später war Watson wieder in Gavins Zimmer und saß auf demselben Stuhl. Die anderen umringten Gavins Laptop und sahen sich noch einmal Watsons Video an. Sie hatten alles bereits live mitverfolgt, wollten sich aber vergewissern, dass Watson sie nicht reingelegt hatte.
»Und?«, fragte Watson.
»Glauben Sie, dass sie es Ihnen abgekauft haben?«, fragte Foley.
»Sie haben es mir doch abgekauft, oder?«
Foley biss unwillkürlich die Zähne zusammen. »Ja, wohl schon. Viele von uns sind Ihnen auf den Leim gegangen.«
»Ich habe Durst. Könnte ich einen Schluck Wasser oder so bekommen?«, fragte Watson.
Jack fischte eine Flasche Mineralwasser aus dem Minikühlschrank und reichte sie Watson. Sie schraubte sie auf.
»Warum haben Sie das getan?«, fragte Foley.
»Spielt das eine Rolle?« Watson trank einen Schluck.
»Sagen Sie es mir trotzdem.«
»Aus mehreren Gründen.«
»Wie zum Beispiel?«
»Zunächst einmal weil ich es konnte. Sämtliche westliche Geheimdienste auszutricksen stellte ich mir ungeheuer befriedigend vor.«
»Und? War es das? Ich meine, bis wir Sie auf frischer Tat ertappt haben?«
»Ja, absolut.«
Foley wandte sich an Clark. »Wenn ich Sie um Ihre Waffe bitte, lehnen Sie ab. Verstanden?«
»Ja, Ma’am.«
»Warum noch?«, fragte Foley.
»Elias Dahm.«
»Was ist mit ihm?«
»Während er draußen auf seinem Boot junge Praktikantinnen gevögelt hat, habe ich die Scheißfirma aufgebaut. Jeder kannte Elias Dahm. Er war der Rockstar. Mich hat man nie in eine Privatsuite beim Superbowl eingeladen oder gebeten, bei einem Spiel der Giants den ersten Ball zu werfen oder mit Oprah auf Maui rumzuhängen. Stattdessen hat man mich ständig mit Fragen gelöchert: ›Wo ist Elias?‹, ›Wie ist er denn so?‹, ›Könnten Sie ihn von mir grüßen?‹, ›Können Sie ihm sagen, dass ich ein großer Fan von ihm bin?‹ Ich hätte kotzen können.«
»Sie waren doch mal mit ihm liiert.«
»Ja, eine Zeit lang. Er hat mich dazu überredet, meinen Traumjob bei der NSA aufzugeben, und mir dafür sein Bett angeboten. Aber dann, als er mich an die Kette gelegt hatte, hat er sich anderweitig umgetan.«
»Nach Jüngeren, meinen Sie«, sagte Jack.
»Sie haben die Sicherheit der Vereinigten Staaten aufs Spiel gesetzt, weil Ihre Gefühle verletzt wurden?«, fragte Clark. Jack sah, dass ihm die Zornesröte ins Gesicht stieg.
»Warum sind Sie denn geblieben?«, fragte Foley.
»Hauptsächlich wegen der Aktienoptionen. Ich meine, CloudServe war eigentlich meine Firma. Den Großteil der wichtigen Arbeit habe ich gemacht. Elias war nur ein Verkäufer. Wie ich Ihnen in unserem Gespräch über Fung gesagt habe, hat Elias uns alle an der kurzen Leine gehalten. Im Falle unseres Ausscheidens sollten die Aktienoptionen fünf Jahre auf einem Treuhandkonto verbleiben, als Absicherung der Geheimhaltungsvereinbarungen und Wettbewerbsklauseln, die wir unterzeichnet hatten. Hätten wir uns also im Unfrieden getrennt, hätten wir kein Geld verdienen können und alles verloren, wofür wir gearbeitet hatten.«
»Ihre Optionen müssen Millionen wert gewesen sein.«
»Mehrere Hundert Millionen.«
»Aber was Sie getan haben, hätte der Firma das Genick gebrochen, und Ihre Wertpapiere wären ins Bodenlose gefallen.«
»Deswegen die Auktion. Ich konnte die Firma vernichten und gleichzeitig reich werden.«
»Noch irgendwelche anderen Gründe?«, fragte Foley.
»Mein Bruder.«
»Der Ranger? Der im Einsatz umgekommen ist?«, fragte Jack.
»Er war mein Held, mein Leben. Und Ryan hat ihn getötet.«
»Wieso hat der Präsident Ihren Bruder getötet?«, fragte Foley.
Watsons kühle Gelassenheit schmolz dahin.
»Was um alles in der Welt hatte er in der Ukraine verloren? Warum hat er dort gekämpft? Oder in Afghanistan, im Irak, im Niger, auf den Philippinen?«
Ihre Wut stieg weiter an. »Wieso glaubt Ryan, dass Amerika die idiotischen Kriege aller anderen führen muss? Kriege, die wir überhaupt erst verursachen? Ich habe genug von diesem patriotischen und chauvinistischen Schwachsinn. Er führt nur dazu, dass gute Leute sterben. Und wofür? Sagen Sie mir, wofür, verdammt noch mal.«
»Ihr Bruder war Soldat«, sagte Clark. »Er hat einen Eid geschworen. Er hat Befehle befolgt. Vielleicht war er nicht einmal mit ihnen einverstanden. Zum Teufel, die meisten Uniformträger sind nicht mit ihnen einverstanden, zumindest nicht immer. Aber das bringt der Job mit sich. Und Ihr Bruder hat seinen Job gemacht. Er hat sein Leben für sein Land geopfert – ein Land, das Sie verraten haben.«
»Und das bedeutet, dass Sie sein Opfer verraten haben«, fügte Jack hinzu.
»Was ich noch immer nicht verstehe«, sagte Foley. »Wieso haben Sie beschlossen, persönlich zu dem Treffen hier in London zu gehen? Das war doch riskant.«
Watson drosselte ihren Atem und versuchte, ihre Fassung wiederzuerlangen. »Leuten zu vertrauen ist noch riskanter. Es war sicherer, alles selbst zu machen.«
»Fung haben Sie aber nicht umgebracht.«
»Nein.«
»Aber ich vermute, Sie haben jemanden damit beauftragt. Wahrscheinlich im Darknet. Und mit Bitcoin bezahlt, damit die Spur nicht bis zu Ihnen zurückverfolgt werden kann.«
Watson lächelte herausfordernd. »Das müssen Sie erst mal beweisen.«
»Die Mühe kann ich mir sparen. Freundlicherweise haben Sie ja den Müll für uns rausgebracht.«
Gavin, der am Schreibtisch saß, hob den Kopf. Er hatte alle Umschläge mit den Geboten geöffnet. »Sieht so aus, als hätten die Iraner das Höchstgebot abgegeben.«
Foley runzelte die Stirn. »Nicht die Chinesen?«
»China kommt knapp dahinter. Dritter ist Russland.«
»Die Sanktionen haben dem guten Yermilov anscheinend richtig wehgetan«, sagte Clark.
»Die Iraner haben offensichtlich weitere Geldgeber gefunden, die das Angebot noch verlockender machen«, sagte Jack. »Oder einen Haufen waffenfähiges Uran verkauft.«
Foley wandte sich an Watson. »Hätten Sie unseren nationalen Sicherheitsapparat den iranischen Mullahs ausgeliefert?«
Watson verkniff sich ein Grinsen. »Ich hatte vor, allen vier Bietern den Algorithmus-Schlüssel zu geben. Dann hätten sie nicht nur euch verarscht, sondern sich auch gegenseitig.«
»Und Sie hätten mit jedem Gebot Kasse gemacht«, sagte Jack, »und noch mehr Geld eingesackt.«
Watson lächelte. »Da haben Sie recht.«
»Irgendwann wären sie dahintergekommen und hätten Jagd auf Sie gemacht«, sagte Foley.
»Die hätten mich nie gefunden. Mit so viel Geld im Rücken.« Sie trank noch einen Schluck Wasser.
Foley sah auf die Uhr und sagte zu Clark: »In einer Stunde kommen die Iraner. Wir müssen weitermachen.« Und zu Watson: »Wir verkabeln Sie jetzt wieder, machen Sie also keine Dummheiten.«
Auf Foleys Anweisung hin wurde jeder der drei Bieter per SMS benachrichtigt, dass er den Zuschlag erhalten habe, und alle wurden zu unterschiedlichen Zeiten zu unterschiedlichen Orten in London bestellt, die Foley vorher festgelegt hatte.
Um Watson vor einer Entführung durch einen Bieter zu schützen, der sich ums Bezahlen drücken wollte, sollte Clark sie zu jedem Treffpunkt chauffieren und dabei Überwachungserkennungsrouten abfahren, um eine mögliche Beschattung auszuschließen, während das restliche Team in zwei weiteren Fahrzeugen für zusätzliche Rückendeckung sorgte.
Ebenso wenig durfte Foley zulassen, dass die drei Bieter sich gegenseitig verfolgten. Sie mobilisierte örtliche CIA -Agenten, um das zu verhindern. Ihr Plan würde nur funktionieren, wenn jeder von ihnen dachte, er allein hätte den Zuschlag erhalten.
Foley gab Watson drei USB -Sticks.
»Auf jedem ist ein Algorithmus-Schlüssel, der ihnen begrenzten Zugang zu einem kontrollierten Bereich der IC -Cloud ermöglicht. Wenn sie sich einloggen, werden sie feststellen, dass sie etwas für ihr Geld bekommen haben.«
»Lassen Sie mich raten. Sie haben noch etwas anderes auf die Sticks geladen.«
»Wenn sie sich mit unserer Cloud verbinden, werden wir uns mit ihnen verbinden. Wir sind es, die unbegrenzten Zugang zu ihren Computersystemen bekommen werden.«
» Cyber-Judo« , kicherte Gavin. » Echt cool.«
»Irgendwann werden sie merken, was Sie getan haben«, sagte Watson.
»Aber erst wenn wir ihre Keksdosen geplündert haben.«
»Und wenn ich meinen Teil der Abmachung einhalte und diesen Geheimdienst-Coup für Sie durchziehe, was springt dann für mich heraus?«
»Ein Verräterstrick, hoffe ich«, sagte Clark.
»Das bezweifele ich«, feixte Watson. »Frauen aufzuhängen ist heutzutage politisch nicht sehr korrekt.«
»Es gibt alternative Lösungen, die es nie in die Zeitung schaffen«, sagte Clark. »Glauben Sie mir.«
»Sie können aber auch mein Angebot annehmen«, sagte Foley.
»Nämlich?«
»Es wird Ihnen nicht gefallen. Aber besser als frühzeitig unter die Erde.«
Foley hatte recht. Watson gefiel es nicht.
Sie nahm es trotzdem an.