5

Soley

Ver­flucht! Mir ging die Kraft aus. Alle eher zier­li­chen Mö­bel­stü­cke, die ich mit­hil­fe an­de­rer Re­ga­le oder sons­ti­gem De­ko­kram hat­te von der Wand rei­ßen oder ka­putt­schla­gen kön­nen, la­gen in Trüm­mern um mich her­um ver­teilt.

Dem gro­ßen Holz­bett hat­te ich be­dau­e­r­li­cher­wei­se nichts an­ha­ben kön­nen, le­dig­lich das viel zu fein wir­ken­de Bett­zeug hat­te ich zer­stört, in Fet­zen ge­ris­sen. Das hat­te mir ein we­nig Be­frie­di­gung ver­schafft, ich war so ver­dammt wü­tend. Über­all la­gen Fe­dern und Stoff­res­te her­um, aber ich fühl­te mich bes­ser. Das war wie ein Ven­til ge­gen die Hilf­lo­sig­keit. Der Arsch hat­te mich ein­fach ent­führt! Er war ge­stört, mit Si­cher­heit. Ich saß in­mit­ten mei­nes Werks am Bo­den, är­ger­te mich über mei­ne Däm­lich­keit, al­lein zur Toi­let­te ge­gan­gen zu sein und nicht auf die war­nen­de Stim­me mei­ner Mut­ter ge­hört zu ha­ben. Aber Ana wür­de mich su­chen, es gab si­cher je­man­den, der mich ge­se­hen hat­te. Das muss­te so sein.

»Bist du lang­sam fer­tig?«

Ich er­schrak, leg­te aber so­fort eine per­fek­te Mas­ke aus Gleich­gül­tig­keit auf, eine Scha­ra­de, um ihn ja nicht an mich her­an­zu­las­sen. Der gro­ße Mann aus dem Club, die­ser düs­te­re En­gel, trat in den Raum ein. Sah mich mit ei­ner Mi­schung aus Be­lus­ti­gung und Ver­blüf­fung an.

Trot­zig be­geg­ne­te ich sei­nem Blick. Stand auf, lehn­te mich mit am Rü­cken ver­schränk­ten Ar­men ge­gen die nächst­bes­te Wand. Dort hat­te ich jetzt aus­rei­chend Platz, im­mer­hin zwei hof­fent­lich sehr teu­re Bil­der hat­te ich zer­ris­sen.

»Lass dein Spiel­zeug fal­len.«

Wie bit­te? Wo­her wuss­te er, was ich vor ihm ver­steckt hielt? Es war doch ganz klein. Böse fun­kel­te ich ihn an. Noch mehr Arg­wohn leg­te ich in je­den mei­ner Atem­zü­ge.

»Du Arsch­loch, lass mich ge­hen.«

»Ich wie­der­ho­le mich un­gern, So­ley.«

Er ver­wen­de­te mei­nen Na­men als wä­ren wir Be­kann­te, das war echt selt­sam. Fau­chend ver­dreh­te ich mei­ne Au­gen, ließ den spit­zen Holz­pflock fal­len. In­ner­lich hat­te ich ihn be­reits da­mit auf­ge­spießt, wie mit ei­nem Zahn­sto­cher. Das war mein per­fek­ter Plan ge­we­sen, aus ei­nem der Bil­der­rah­men hat­te es sich so er­ge­ben, und jetzt soll­te ich ihm mei­ne Waf­fe ein­fach aus­hän­di­gen?

Sein Blick war so hart, dul­de­te kei­nen Wi­der­spruch und ich kick­te ihm den Pflock di­rekt vor die Füße. Er trug kei­ne An­zugs­klei­dung wie bei un­se­rer letz­ten Be­geg­nung, son­dern eine enge schwa­r­ze Hose, ein schwa­r­zes Lang­arms­hirt und pas­sen­de Stie­fel. War er auf der Jagd ge­we­sen?

»Du kommst jetzt mit.«

»Nein.«

»Noch ein Nein, So­ley, be­vor du dir einen Über­blick über dei­ne Si­tua­ti­on ver­schafft hast, und du wirst dir eine Wo­che lang wün­schen, du hät­test die Ein­rich­tung dei­nes Zim­mers nicht zer­trüm­mert. Was üb­ri­gens sinn­lo­se Ener­gie­ver­schwen­dung war, denn du bleibst hier. Das ist be­reits ent­schie­den.«

Ich knurr­te ihn an, dann ging ich an ihm vor­bei, ich hielt es mit dem Ir­ren in kei­nem Raum mehr aus. Er nahm mich an mei­ner Schul­ter zu­rück.

»Du wirst bis auf Wei­te­res in mei­nem Zim­mer woh­nen. Und denkst du auch nur dar­an, dort mei­ne Ein­rich­tung zu zer­le­gen, wird das Kon­se­quen­zen ha­ben.«

Er war echt das Letz­te. Un­ge­heu­er­lich. Er reg­te mich maß­los auf, aber wenn ich einen Flucht­weg aus die­sem An­we­sen fin­den woll­te, war es wohl gut, dass ich das Zim­mer wech­seln soll­te. Also muss­te ich ir­gend­wie ko­ope­rie­ren.

Aber ich hat­te kei­nen Bock, war über­for­dert. Und es war an­stren­gend, die­ses Po­ker­face auf­zu­set­zen, eine un­sicht­ba­re Mau­er als Selbst­schutz, das war neu für mich. Die­ser Affe war die ers­te Be­dro­hung in mei­nem Le­ben. Ich raff­te all mei­nen Mut zu­sam­men und bot ihm die Stirn.

»Ich gehe si­cher mit kei­nem na­men­lo­sen Psy­cho in sein Zim­mer.«

»Ach, mein Name in­ter­es­siert dich?« Ich amü­sier­te ihn an­schei­nend kö­nig­lich, er schmun­zel­te und lä­chel­te fast non­stop in mei­ner Ge­gen­wart. »Ich hei­ße Fenr­ir.«

Das ließ er ein­fach so ste­hen, fi­xier­te mich mit sei­nen tief­blau­en Au­gen. Ich at­me­te ein paar Mal durch. Klar, dass der Psy­cho einen aus­ge­fal­le­nen Na­men hat­te.

Erst, als ich nick­te, ließ er mei­ne Schul­ter los. Schwei­gend folg­te ich ihm. Sei­nen Griff spür­te ich noch an mir, als wir den dunk­len Gang ent­lang­gin­gen. Nie­mand be­geg­ne­te uns. Es war so eine ver­dreh­te Si­tua­ti­on. Wa­ren wir al­lein in der rie­si­gen Vil­la? Wo wa­ren wir? Und wie spät war es?

Nach ei­ni­gen Me­tern er­reich­ten wir auf dem­sel­ben Gang eine Tür. Er öff­ne­te sie und ließ mich ein­tre­ten, schloss sie dann be­hut­sam hin­ter uns.

War klar. Schwa­rz, Gold, Glas, Kris­tal­le. Sein Club spie­gel­te sich in Klein­for­mat in sei­nem Schlaf­zim­mer.

»Wo­für be­kom­me ich die­se Stra­fe?«

Mei­ne Stim­me war be­leg­ter, als ich be­fürch­tet hat­te, er schüch­ter­te mich in sei­nem pri­va­ten Re­fu­gi­um mehr ein. Das war wahr­schein­lich na­tür­lich, aber ich woll­te ihm kei­nen ein­zi­gen Trumpf ge­ben, nichts, wo­mit er mich wei­ter quä­len könn­te.

Zu­erst sah er mich an, als re­de­te ich in ei­ner ihm frem­den Spra­che, aber dann at­me­te er durch. »Für dei­nen Wi­der­stand, dei­ne Skep­sis. Du hast ein­fach Nein zu mir ge­sagt.«

Ich muss­te mehr­mals blin­zeln. Der gan­ze Zir­kus, die­se Straf­tat we­gen mei­nes Neins? Zur Höl­le noch mal, der Typ ge­hör­te the­ra­piert.

»O je, und jetzt ist dein Ego an­ge­knackst? Du bist doch krank. Ein paar The­ra­pie­stun­den wür­den dir nicht scha­den. Da­für könn­test du all dein Geld aus­ge­ben an­statt für den Schnick­schnack hier.«

Noch im sel­ben Atem­zug wuss­te ich, dass die­se Wor­te ein Feh­ler ge­we­sen wa­ren. Woll­te mir auf die Zun­ge bei­ßen, aber aus­ge­spro­chen war aus­ge­spro­chen. Und es hat­te ir­gend­wie gut­ge­tan, zu sa­gen, was ich dach­te. Viel­leicht ret­te­te es mei­nen Ver­stand oder mei­ne See­le, denn zu der Angst, dem Un­ge­wis­sen ge­sell­te sich in sei­ner Ge­gen­wart et­was Dunk­les, das ich kaum be­nen­nen konn­te. Eine Art Lust an der Haus­for­de­rung, eine selt­sa­me Neu­gier­de auf das War­um viel­leicht? Ein Mann, der wohl al­les auf der Welt ha­ben konn­te, hat­te mich ent­führt. Ich woll­te wis­sen, wie­so. Hat­te er wirk­lich nur ein Pro­blem mit sei­nem Ego?

Ich hat­te mein Zeit­ge­fühl ver­lo­ren. Wann war ich die­sem Fenr­ir zum ers­ten Mal be­geg­net? Ges­tern oder vor­ges­tern? Zeit für eine Be­stands­auf­nah­me: Ich trug noch mei­ne Klei­dung aus dem Club. Kei­ne Ah­nung, wie lan­ge ich durch das Be­täu­bungs­mit­tel aus­ge­knockt ge­we­sen war. Ak­tu­ell war ich so­gar ba­r­fuß. Ver­lo­ren blick­te ich auf mei­ne dun­kel­rot la­ckier­ten Fuß­nä­gel. Mei­ne Schu­he hat­te ich in dem zer­stör­ten Zim­mer ge­las­sen. Ich war un­glaub­lich müde und muss­te da­ge­gen an­kämp­fen. Ir­gend­wo hat­te ich mal ge­le­sen, dass in­ne­re Stär­ke in sol­chen Si­tua­ti­o­nen le­bens­wich­tig war.

Fenr­ir ball­te sei­ne Fäus­te. Rang mit sich. Er hat­te so­gar schö­ne Hän­de, tä­to­wier­te Fin­ger. War­um in­ter­es­sier­ten mich sei­ne Tä­to­wie­run­gen?

»Du gehst jetzt du­schen, dann se­hen wir wei­ter.«

Ich ver­schränk­te mei­ne Arme vor mei­nem Ober­kör­per. War auf Kon­fron­ta­ti­on aus, dem ge­wapp­net. Der hat­te doch einen Knall! Ich ging be­stimmt nicht vor sei­nen Au­gen du­schen.

»Nein. Ich gehe nich–«

»Das reicht. Ge­nug.«

Je­des sei­ner Wor­te er­reich­te Stel­len mei­nes Ver­stands, die mir un­be­kannt wa­ren, mich glei­cher­ma­ßen ver­un­si­cher­ten und doch in al­lem be­stä­tig­ten, wie ich ihm ge­gen­über­trat.

Mein Ent­füh­rer hob mich in der Se­kun­de dar­auf hoch, als wöge ich nichts, bug­sier­te mich in sein Bad. Als ich über sei­ner Schul­ter lag, konn­te ich nur dar­an den­ken, wie gut er roch. Wahr­schein­lich ver­fie­len ihm die Frau­en für ge­wöhn­lich we­gen sei­nes Dufts, der Arsch kauf­te sich be­stimmt die teu­ers­ten Pa­rf­ums auf die­sem Erd­ball. Am­ber und San­del­holz, aber an­ge­nehm frisch, nicht zu schwer. Fuck, das war so le­cker, mir lief die Spu­cke im Mund zu­sam­men, das war ver­kehrt, das war krank. Was pas­sier­te mit mei­nem Hirn? Er war zwar ein at­trak­ti­ver Mann, aber geis­tes­krank, das durf­te ich nicht ver­ges­sen.

Da sah ich glän­zen­de dunk­le Flie­sen, schwa­rz, wie­der klar. Er hat­te es de­fi­ni­tiv nicht so mit Fa­r­ben, viel­leicht ein Kind­heits­trau­ma, das müss­te ich ihm bei Ge­le­gen­heit un­ter die Nase rei­ben. Noch be­vor ich er­fas­sen konn­te, wo wir über­haupt wa­ren, pras­sel­te das Was­ser eis­kalt, dann ge­mä­ßigt aus Re­gen­brau­se­köp­fen über uns her­un­ter. Fenr­ir hat­te wirk­lich das Was­ser an­ge­stellt. Irre, der Kerl war ein­fach be­reit für die Klap­se. Mei­ne Haa­re, mei­ne Klei­dung, al­les sog sich voll.

Mei­nen, wie hat­te er ihn ge­nannt, Wi­der­stand … Den wür­de er zu spü­ren be­kom­men! So leicht war ich nicht zu ha­ben, für nie­man­den, egal, wie gut er roch oder wie stark er mei­nen Ver­stand ver­ne­bel­te. Dar­auf konn­te der gro­ße böse Wolf Gift neh­men.

Er stand mir ge­gen­über, in der über­di­men­si­o­na­len, na­tür­lich lu­xu­ri­ösen Du­sche. Sein schwa­r­zes Shirt und die Hose wa­ren be­reits nass, ein­ge­weicht. Mir blieb kurz die Luft weg, das durf­te ich nicht zu­las­sen. Er soll­te nicht so eine Wir­kung auf mich ha­ben! Ich blin­zel­te an­ge­strengt un­ter den Was­ser­strah­len in sei­ne Rich­tung, mir of­fen­bar­te sich ein wahr­ge­wor­de­ner Frau­en­traum. Ein de­fi­nier­ter Ober­kör­per zeich­ne­te sich un­ter den nas­sen Kla­mot­ten ab, mehr, ein Brust­korb zum An­leh­nen, Arme, die einen hal­ten konn­ten …

So, Hirn … hör auf!

»Zieh dei­ne Sa­chen aus oder ich schnei­de sie dir vom Kör­per.«

Er knurr­te die­se Wor­te. Herr­gott, sein Ego war ein ein­zi­ges Te­s­tos­te­ron-Ge­met­zel.

Miss­ge­launt, wie in Zeit­lu­pe und mit Trotz in mei­nen Au­gen, zog ich den Jump­suit aus und mein Top über den Kopf. Schon war ich fast nackt, ich trug kei­nen BH, nur einen ein­fa­chen Baum­wolls­lip. Wur­de auch den los und spar­te nicht mit Ver­su­chen, ihn mit grim­mi­gen Bli­cken zu tö­ten. Ließ al­les acht­los in der Du­sche fal­len. Sah nach links, wähl­te ihn de­mon­s­tra­tiv igno­rie­rend ein Du­sch­öl, seif­te mich lang­sam und genüss­lich ein, blen­de­te sei­ne An­we­sen­heit er­staun­lich gut aus, als ge­hör­te der Be­reich mir al­lein. Stell­te mir vor, ich wäre die Her­rin über al­les hier. Die­ses Spiel gönn­te ich mir. Sor­tier­te da­bei mei­ne Ge­dan­ken, ehe ich wie­der das Wort an ihn rich­te­te.

»Hast du in dei­nem Kä­fig auch et­was, wo­mit ich mei­ne Haa­re wa­schen kann?«

Gif­te­te Fenr­ir da­bei an und sam­mel­te wei­ter­hin all mei­nen Hass in mei­nen Blick. Er reich­te mir wort­los eine Fla­sche, de­ren In­halt ich nicht le­sen konn­te, aber es schäum­te, als ich mir ein we­nig da­von auf die Han­din­nen­flä­che drück­te.

Wäh­rend ich mei­ne Haa­re be­a­r­bei­te­te, die brauch­ten ein­fach viel Zeit, ent­le­dig­te er sich nach und nach sei­ner Kla­mot­ten. Der tick­te doch wirk­lich nicht rich­tig! Ich wen­de­te mich an­stands­hal­ber, auch wenn das lä­cher­lich war, denn die­ser Wolf be­saß kei­nen An­stand, von ihm ab, stand mit dem Rü­cken zu ihm.

Da spür­te ich sei­ne di­rek­te Prä­senz hin­ter mir – und das ängs­tig­te mein Herz mehr, als ich mir ein­ge­stand, denn zeit­gleich vi­brier­ten zar­te Fun­ken von et­was Un­be­kann­tem iri­sie­rend zwi­schen sei­ner Brust, die mich bei­na­he be­rühr­te, und mei­nem Rü­cken.

»Wenn du jetzt mit mir Sex hast, kommt das ei­ner Ver­ge­wal­ti­gung sehr nahe, Fenr­ir. Bist du das? So ein Mons­ter?« Ab­sicht­lich zisch­te ich ihm die letz­ten Wor­te in­klu­si­ve sei­nes Na­mens bis­sig ent­ge­gen.

»Das wür­de ich nie tun.«

Bei al­lem, was ei­nem hei­lig war, sei­ne Stim­me, das war­me Tim­bre dar­in … Ich durf­te nicht ver­ges­sen, wer er war.

Sei­ne Ant­wort kos­te­te mich ein klei­nes, hys­te­ri­sches La­chen. Klar, dar­auf wür­de er Rück­sicht neh­men – aber mich ein­sper­ren oder zum Du­schen vor sei­nen Au­gen zu zwin­gen, war okay. Mir sei­nen Wil­len auf­zu­zwin­gen, war also okay? Er war ver­rückt. Und Ir­ren konn­te man nie­mals trau­en.

»Aber ich wür­de ger­ne ein biss­chen mehr von dir wis­sen, klei­ne Wi­der­spens­tig­keit.«

Mach­te er jetzt wahr­haf­tig mit mir Small­talk, nackt un­ter sei­ner be­schis­se­nen Du­sche? Er könn­te ga­ran­tiert ein gan­zes Buch über sein ka­put­tes Hirn schrei­ben, es hät­te das Po­ten­zi­al, ein kran­ker Best­sel­ler zu wer­den.

»War­um? War­um hast du im Club Nein zu mir ge­sagt?«

Das war mein Mo­ment. Jetzt wa­ren wir wie­der bei sei­nem Ego – und das wür­de ich in alle Ein­zel­tei­le zer­le­gen und dann zer­stö­ren. See­len­ru­hig spül­te ich den letz­ten Schaum aus mei­nen Haa­ren. Mei­ne lan­gen Sträh­nen ha­l­fen mir da­bei, dass ich mich nicht kom­plett nackt fühl­te, mach­ten mich mu­ti­ger. Dann dreh­te ich mich zu ihm um und such­te sei­ne Auf­merk­sam­keit.

Huch, okay, er sah so gut aus. Mein Hals trock­ne­te aus, ein Be­reich zwi­schen mei­nen Bei­nen wur­de ganz feucht, und das nicht vom Was­ser. Nicht ab­len­ken las­sen, So­ley! Aber was für ein Kör­per. Das war doch nicht real.

Welch Iro­nie: Sol­che Män­ner gab es nur in Fil­men oder auf Pla­kat­wän­den. Fast woll­te ich ihn be­rüh­ren, nur fast. Mit al­ler men­ta­len Kraft ge­bot ich mei­nen Fin­gern Ein­halt. Er war heiß, und zwar auf eine Wei­se, die ich nie für mög­lich ge­hal­ten hat­te. Bis da­hin hat­te ich ge­dacht, dass ich so einen Mann in mei­nem gan­zen Le­ben nie­mals in echt zu Ge­sicht be­kom­men wür­de. Das war ver­rückt. Kom­plett ab­ge­dreht.

Aber ich sam­mel­te all mei­ne Schlag­fer­tig­keit und spuck­te ihm den nächs­ten Satz be­stimmt und hart ent­ge­gen, das muss­te ihn weich­ko­chen. »Ich bin eine Jung­frau, Arsch­loch. Kei­ne bil­li­ge Hure, die du für einen Fick in dein Bett kom­man­die­ren kannst. Kommt das bei dir an oder musst du dir das auf­schrei­ben?« Mein Herz klopf­te mir bis zum Hals, eine Mi­schung aus Re­spekt, Furcht und doch all­um­fas­sen­dem Trotz be­glei­te­te mei­ne Wor­te. Mei­nen Sta­tus hat­te ich noch nie ge­gen ir­gend­je­man­den aus­ge­spielt, aber wie soll­te ich ihm sonst ver­ständ­lich ma­chen, dass er non­stop Gren­zen über­schritt?

Sein Blick dar­auf­hin wäre be­stimmt tau­sen­de Dol­lar wert ge­we­sen. Da­mit hat­te er ein­fach nicht ge­rech­net, es er­wi­sch­te ihn un­er­war­tet.

In­stink­tiv, als wür­de er sich an mir ver­bren­nen, ging er einen Schritt rü­ck­wärts. Das war ge­nau der Platz, den ich brauch­te, um die bo­den­tie­fe, mo­der­ne Du­sche zu ver­las­sen. Nahm mir, als wäre ich im­mer noch die Ruhe in Per­son und die Frau die­ses Hau­ses, von ei­nem ho­hen Sta­pel mit di­cken flau­schi­gen Ba­de­tü­chern zwei Stück. So sah er hof­fent­lich mei­ne zitt­ri­gen Fin­ger nicht. Eins für mei­nen Kör­per, eins für mei­ne Haa­re. Muss­te zu­ge­ben, dass das Du­schen gut­ge­tan hat­te, auch wenn al­les in mir in Auf­ruhr war. Ich fühl­te mich sau­ber, mein Kopf war viel kla­rer.

Ich warf einen kur­z­en, gleich­gül­ti­gen Po­ker­face-Blick auf ihn. Fenr­ir blieb in der Du­sche, wusch sich selbst, mitt­ler­wei­le be­schlu­gen die Glas­schei­ben, ver­deck­ten einen Teil sei­nes echt le­cke­ren, mus­ku­lö­sen, tä­to­wier­ten Kör­pers. Die­ser Mann war ein Kämp­fer, eine Ma­schi­ne. Kein ver­wöhn­ter Jun­ge. Aber er wür­dig­te mich kei­nes Atem­zugs mehr. Viel­leicht war we­ni­ger für sein Hirn üb­rig­ge­blie­ben, dem Trai­ning ge­schul­det. Hör­te man das nicht so­gar öf­ter? Trai­nier­ten Ker­len man­ge­le es an Ein­füh­lungs­ver­mö­gen? Wahr­schein­lich hat­te er sich ir­gend­wel­che ver­bo­te­nen Sub­stan­zen ge­spritzt, um so einen Pracht­kör­per zu be­kom­men. Die Sprit­zen hat­ten wohl di­rekt sei­nen Ver­stand ge­schrumpft. Nur so konn­te ich mir er­klä­ren, war­um er Frau­en ent­führ­te. War­um nahm ich an, dass er das schon mal ge­macht hat­te? War ein Vor­ur­teil, aber das hat­te er sich selbst zu­zu­schrei­ben.

Ich ver­ließ das Ba­de­zim­mer und at­me­te mehr­mals tief durch. Sah mich mit ei­ner Spur Neu­gier­de, die ich ihm ge­gen­über nie­mals zu­ge­ge­ben hät­te, in sei­nem Reich um. Ent­deck­te da­bei eine gro­ße, sehr edle Fri­sier­kom­mo­de aus dunk­lem Holz. Wie ent­zü­ckend. War wohl für sei­ne Hu­ren. Aber nichts stand dar­auf, nur die blank po­lier­te Edel­holz­flä­che strahl­te mir ent­ge­gen.

Weil ich nicht wuss­te, wo­hin mit mir, setz­te ich mich dar­auf, ins Ba­de­tuch gehüllt. Lehn­te mich vor­sich­tig ge­gen den küh­len Spie­gel. Rub­bel­te mei­ne lan­gen Haa­re halb­wegs tro­cken, ließ das Ba­de­tuch ein­fach fal­len.

Es dau­er­te noch et­was, dann kam er aus dem Bad. Wie ihn die Göt­ter er­schaf­fen hat­ten. Nackt. Er be­saß wohl kein Scham­ge­fühl. Wow, war er wirk­lich echt? Fenr­ir war der at­trak­tivs­te Mann, den ich je ge­se­hen hat­te. Lang­sam, läs­sig, voll­kom­men nackt ging er auf mich zu. Bei die­sem An­blick pri­ckel­te es er­neut zwi­schen mei­nen Bei­nen. Er hat­te so vie­le Mus­keln, war da­bei aber kein Mus­kel­berg, son­dern man sah ihm ein­fach an, dass er ein Krie­ger war. Hei­li­ger Bim­bam. Dazu mas­sig Tin­te, Tä­to­wie­rer muss­ten Jah­re da­mit zu­ge­bracht ha­ben, ihn vom Hals ab­wärts zu ver­zie­ren. Ganz emp­find­li­che Stel­len hat­te er da­bei nicht aus­ge­las­sen, wahr­schein­lich ver­schaff­te ihm Schmerz einen kran­ken Kick. Ja, das muss­te es sein, das pass­te zu ihm.

Un­be­irrt, ziel­stre­big schritt er auf mich zu und such­te mei­ne Auf­merk­sam­keit. Blieb vor mir ste­hen, pack­te mich an mei­nen Hüf­ten, rutsch­te un­ge­fragt zwi­schen mei­ne Bei­ne. Ich keuch­te lei­se auf. Das war un­er­war­tet, und er drang da­mit schon wie­der in mei­ne per­sön­li­che Zone ein. Aber wahr­schein­lich wa­ren ei­nem Mann wie ihm sol­che so­zi­a­len Aspek­te egal, kann­te er nicht, ich wür­de ihm für ein paar Ex­tra­dol­lar wohl einen Be­nimm­kurs zah­len müs­sen. Ich soll­te schleu­nigst auf­hö­ren, in sol­chen Struk­tu­ren zu den­ken, er hier, die­ser Kerl, war ein Roh­ling, hat­te kei­ne Ah­nung von gu­tem Be­neh­men oder gar An­stand. Ich such­te, ohne mir mei­ne auf­kei­men­de Pa­nik auf Grund sei­ner Nähe an­mer­ken zu las­sen, nach ir­gen­d­et­was in mei­ner Um­ge­bung, das ich ihm über den Schä­del zie­hen konn­te. Lei­der war da ab­so­lut nichts, nicht mal eine Haa­r­bürs­te.

»Wo­her hät­te ich das wis­sen sol­len, So­ley?«

Wie er mei­nen Na­men be­ton­te, brach­te Nu­an­cen in mir zum Klin­gen, et­was Dunk­les, und sei­ne Art, zu spre­chen, lös­te klei­ne, war­me, be­hag­li­che Feu­er in mei­nem Bauch aus. War­um be­herrsch­te er so schnell mei­ne Sin­ne? Noch dazu durf­te ich nicht so böse sein. Er war klug, es war nicht ge­recht von mir, ihn als Stüm­per zu be­zeich­nen. Jetzt nahm ein Teil von mir die­sen Freak schon wie­der in Schutz. Fuck. Das war nicht nor­mal, die­se Her­um­hol­pe­rei mei­nes Her­zens nerv­te mich.

Sei­ne Nähe, sei­ne Wär­me. Sein Ge­ruch, die­ses Holz­ar­ti­ge mit No­ten von Am­ber. So viel pras­sel­te auf mich ein, wäh­rend er ein­fach nackt vor mir stand.

»Du bist er­wach­sen, und er­wach­se­ne Jung­frau­en sind ent­we­der häss­lich wie die tiefs­te Nacht oder eine Ra­ri­tät, eher schon ein … My­thos.«

Er wirk­te un­si­cher? Klar, er soll­te mich ge­hen las­sen, das konn­te doch nicht so schwer sein. Aber je län­ger er mir so nahe war, des­to mehr woll­te ich mich auf die­ses Spiel ein­las­sen. Mei­ne ei­ge­ne Dun­kel­heit fand Fenr­ir auf­re­gend und freu­te sich auf ein Wag­nis, ein Aben­teu­er, des­sen Ende mich zer­stö­ren wür­de. Mein Puls er­höh­te sich un­merk­lich und doch konn­te ich es nicht leug­nen, ich re­a­gier­te auf ihn.

»Hm. My­thos wi­der­legt, ich sit­ze hier.« Ich summ­te bei­na­he, war­um mach­te es mir nur so viel Spaß, ihn her­aus­zu­for­dern?

»Wie sehr Jung­frau bist du, So­ley?« Er nahm da­bei sei­ne Hand von mei­ner Hüf­te, um­fass­te mein Ge­sicht mit der lin­ken Hand in ei­ner Art Klam­mer­griff, quetsch­te mei­ne Ba­cken leicht. »Und lüg mich nicht an.«

Him­mel. Ich war eine Ge­fan­ge­ne, das durf­te ich nicht ver­ges­sen! Ich muss­te klar den­ken, aber es war zu spät. Die wil­de So­ley über­nahm das Ru­der, er­freu­te sich an dem Spiel mit die­sen dunk­len Fun­ken.

»Al­les an mir ist un­be­rührt.«

Statt er­staunt zu sein, was ich die­sem Psy­cho auch nicht zu­ge­traut hät­te, leck­te Fenr­ir sich über sei­ne Lip­pen, als wäre ich eine köst­li­che Vor­spei­se. Ge­dul­dig be­ob­ach­te­te ich ihn, und als er nichts sag­te, leg­te ich nach, goss mehr Öl ins Feu­er.

»Ich habe noch nie ge­küsst, ge­schwei­ge denn mehr ge­macht als in Bü­chern über die kör­per­li­che Lie­be zu le­sen oder in Fil­men et­was da­von zu se­hen. Und es war be­stimmt nicht mein Plan, von ei­nem kran­ken Ty­pen wie dir ge­gen mei­nen Wil­len, no­tie­re dir das bit­te, ge­gen mei­nen Wil­len , ent­führt zu wer­den, um die­se grund­sätz­lich na­tür­li­chen Er­fah­run­gen zu ma­chen. Fer­tig.«

Er lös­te sei­nen Griff, als si­cker­ten mei­ne Wor­te wirk­lich mit vol­ler Trag­wei­te in ihn. Doch er fing sich gleich wie­der und blieb frech.

»Ers­te­res be­he­ben wir. Küss mich, So­ley.«

Al­lein von sei­ner An­re­de sam­mel­te sich mehr Feuch­tig­keit zwi­schen mei­nen Bei­nen. Gut, dass das Ba­de­tuch al­les ver­deck­te. Er stand vor mir, als wäre er mein Mann, als wäre es das Selbst­ver­ständ­lichs­te auf der Welt, dass er mir die­se Fra­ge stell­te und mei­nen ers­ten Kuss von mir ein­for­der­te.

Dar­auf konn­te er lan­ge war­ten! Ich dreh­te mei­nen Kopf zur Sei­te, woll­te trot­zig sein. Als Re­ak­ti­on lach­te er. Das Tim­bre dar­in ließ mich bei­na­he schmun­zeln, aber ich biss mir in mei­ne Wan­gen­i­n­nen­sei­te, bis ich Blut schmeck­te.

»Dann lass mich mal eine Sa­che über­prü­fen, klei­ne Son­ne.«

Die­ser Spitz­na­me. Wenn er mich so nann­te, re­a­gier­te mein Kör­per eben­falls mit ei­ner Art In­ter­es­se, die mir fremd war. Ver­rä­te­risch und ge­fähr­lich. Ich senk­te mei­nen Blick, als ich spür­te, wie Fenr­ir mich be­rühr­te.

Sei­ne tä­to­wier­te Hand wan­der­te tie­fer, ver­dammt, die Tat­toos auf sei­nen Fin­gern wa­ren nor­di­sche Ru­nen. Stan­den ihm, lie­ßen ihn noch dunk­ler und ver­we­ge­ner wir­ken. Als er bei mei­nem Knie an­ge­kom­men war, glit­ten sei­ne Fin­ger mil­li­me­ter­wei­se hin­auf, un­ter mein Ba­de­tuch, er be­rühr­te mei­ne Ober­schen­kel, fuhr quä­lend lang­sam hö­her. Fand die Feuch­tig­keit, die sich an den In­nen­sei­ten ge­sam­melt hat­te. Mein Puls er­höh­te sich schlag­ar­tig und poch­te ge­gen mei­ne Schlä­fen. Ver­dat­tert at­me­te ich tie­fer ein, aber ich war un­fä­hig, sei­ne Hand von mei­nem Ober­schen­kel weg­zu­schla­gen. Es er­reg­te mich, die­ses ver­bo­te­ne Spiel mit dem bö­sen Wolf. Das war doch ver­kehrt.

»Hm, wür­dest du nicht schon eine hal­be Ewig­keit auf dem Tisch sit­zen, wür­de ich sa­gen, du bist noch feucht vom Du­schen, aber so … Die Si­tua­ti­on hier macht dich an, So­ley.«

Fenr­ir kam mir wie­der nä­her, küss­te mich auf die Schlä­fe, dort­hin, wo mein Puls ras­te, nahm sei­ne Hand ge­ruh­sam fort, ging von mir weg. Ich spür­te die Stel­len, an de­nen er mich be­rührt hat­te, als wä­ren sie hei­ßer als der Rest mei­ner Haut.

Er be­trat einen Ne­ben­raum, ver­ließ da­durch mein Blick­feld. So konn­te ich wie­der et­was Selbst­be­herr­schung zu­sam­men­krat­zen – und die war bit­ter nö­tig, denn in­ner­lich focht ich einen Kampf mit mei­nem Schuld­be­wusst­sein und mei­nem An­stand aus. Als er zu­rück­kam, war er voll­stän­dig be­klei­det. Sein ohr­lan­ges, schwa­r­zes Haar lag noch wild um sei­ne ma­kel­lo­sen Ge­sichts­zü­ge, kei­ne ein­zi­ge Na­r­be ver­un­stal­te­te es. An­sons­ten war er wie­der ganz der Busi­ness Man, der mir in Stock­holm be­geg­net war. Trug sei­ne Fas­sa­de zur Schau.

»Ich fah­re heu­te Abend ins fal­len sins , Ge­schäft­li­ches und … Dampf ab­las­sen. Du kannst dich hier frei be­we­gen. Mei­ne Si­cher­heits­män­ner ste­hen rund um die Vil­la ver­streut, auch im Park. Also ver­such gar nicht erst, ab­zu­hau­en, das wür­de un­schön en­den. Und sie spre­chen nur Rus­sisch. Sie ver­ste­hen dich nicht, egal, was du ih­nen er­zählst. An­de­res Per­so­nal wirst du abends hier nicht vor­fin­den, aber du bist si­cher in der Lage, dir ein Es­sen zu­zu­be­rei­ten. Die Kü­che fin­dest du im Erd­ge­schoss.«

Es ver­setz­te mir einen Stich, als er sag­te, er wür­de weg­fah­ren, um sich ab­zu­re­a­gie­ren. »Kann ich was zum An­zie­hen ha­ben?«

»Nor­ma­le­r­wei­se wür­de ich sa­gen, nein, denn ich ge­ni­e­ße dei­nen An­blick, du bist wun­der­schön. Aber du kannst dir ein paar Sa­chen aus mei­nem Schrank neh­men.«

»Hast du Grö­ße sechs­und­drei­ßig da?«

Das kos­te­te Fenr­ir wie­der ein Grin­sen. »Ja. Sieh nach. Aber wenn es dir nicht ge­fällt, kann ich dir Klei­dung aus Stock­holm mit­brin­gen. Du musst mir nur sa­gen, was du be­vor­zugst.«

»Mmh, wenn du mir Klei­dung mit­bringst, kann ich wahr­schein­lich auch gleich so blei­ben.« Wi­der­spens­tig zeig­te ich mit ei­ner an­ge­säu­er­ten Mie­ne auf das Ba­de­tuch.

»Du bist lus­tig, klei­ne Son­ne. Ma­len’koye sol­nys­h­ko. Bis spä­ter. Be­nimm dich. Ver­giss nicht, du bist mein Gast, das muss dir nur be­wusst wer­den, bei mir ge­schieht dir kein Leid.«

Ohne ein wei­te­res Wort woll­te er ge­hen. Er war wirk­lich ver­rückt. So konn­te er mich doch nicht ste­hen las­sen. Und wie hat­te er mich ge­nannt?

»War­te. Was heißt … ma­len’koye sol­nys­h­ko ?« Die­se Wör­ter aus­zu­spre­chen, war bei­na­he ein Zun­gen­bre­cher für mich, aus sei­nem Mund klan­gen sie me­lo­disch.

Er lä­chel­te, kam wie­der ein klein we­nig nä­her. »Klei­ne Son­ne.«

Sein Blick traf mich so heiß und tief, un­fass­bar, das soll­te so auf kei­nen Fall pas­sie­ren. Vor al­lem soll­te er mir nicht ge­fal­len. Ich woll­te von dem Ge­fühl­s­cha­os in mir ab­len­ken, blieb ihm aber die Re­ak­ti­on auf sei­ne Über­set­zung schul­dig. Such­te nach an­de­ren Fra­gen.

»Und wenn ich Hun­ger habe?«

»Wir ha­ben eine vol­l­aus­ge­stat­te­te Kü­che, sag­te ich doch. Aber un­se­re Haus­häl­te­rin hat abends frei.«

Wer war uns ? Fenr­ir ließ mich mit mehr Rät­seln zu­rück, als er auf­lös­te. »Ihr habt eine Haus­häl­te­rin? Äh, weiß sie, da–«

»Dass wir dich zu uns ein­ge­la­den ha­ben? Na­tür­lich. Und dass du eher … tem­pe­ra­ment­voll bist.«

Ein wei­te­res Grin­sen zupf­te an sei­nen viel zu schö­nen Mund­win­keln. Noch im­mer kämpf­ten in mir zwei Ver­si­o­nen mei­ner selbst: die ängst­li­che, die schrei­end weg­ren­nen woll­te, und die drauf­gän­ge­ri­sche, die er­fah­ren woll­te, was sie bei die­sem düs­te­ren Mann er­war­te­te.

»Also, klei­ne Son­ne. Bleib brav. Das gan­ze Haus steht dir zur Ver­fü­gung. Du kannst auch fern­se­hen oder Mu­sik hö­ren. Es­sen, al­les, was du willst. Nur In­ter­net oder Te­le­fo­ne wirst du ver­ge­bens su­chen, das wäre so eine Ener­gie­ver­schwen­dung wie das Zer­trüm­mern dei­ner Ein­rich­tung. Mor­gen früh bin ich zu­rück.«

Er schloss die Tür zu sei­nen Räu­men. Ließ mich al­lein. Es dau­er­te ein paar Mi­nu­ten, bis sich mei­ne At­mung be­ru­higt, mein Puls nor­ma­li­siert hat­te. Al­les in mir war in Auf­ruhr. Ich saß im­mer noch halb­nackt auf die­sem Fri­sier­tisch.

Zu­erst dach­te ich, ich wür­de flie­hen. Weg­ren­nen, rein auf mei­nen In­stinkt hö­ren. Aber mei­ne Bei­ne wa­ren wie Blei. Schließ­lich rutsch­te ich von dem Tisch, mir wur­de lang­sam kalt, ging um Fenr­irs brei­tes Bett her­um, et­was in mir war … neu­gie­rig. Lang­sam strich ich über die edle, an­thra­zit­fa­r­be­ne Ta­ges­de­cke.

Statt von ihm weg­zu­ren­nen, woll­te mei­ne See­le wis­sen, was pas­sie­ren wür­de, wenn ich blieb. Mich pack­te wie­der eine kaum be­schreib­ba­re Neu­gier­de auf all das hier, auf die­se dunk­le ver­bor­ge­ne Welt jen­seits mei­ner All­tags­vor­stel­lun­gen. Viel­leicht konn­te ein Ab­ste­cher in ein wahr­ge­wor­de­nes düs­te­res Mär­chen nicht scha­den?