Während der einstündigen Fahrt hinter dem Steuer meines neuen Lamborghini nach Stockholm hatte ich allein im Wagen massig Zeit, konnte dabei nur an sie denken. Sie fickte mit ihrer märchenhaften, sündigen Ausstrahlung mein Hirn. Unablässig und mit einer für mich unerklärlichen Präsenz.
Die Situation in der Dusche war von mir spontan provoziert worden und hatte uns beide überfordert. Ich musste mir dringend darüber klar werden, was ich wirklich wollte und wie ich aus diesem Schlamassel herauskommen konnte. Soley war eine verdammte Jungfrau, normalerweise machte ich darum einen großen Bogen. Verzagt und unerfahren, das war mir zu anstrengend – oder hatte sie mich angelogen? Eine Heilige, die so sinnlich tanzen konnte wie eine Hure. Beide Begriffe zermarterten mein Gehirn, waren Kontraste, die mich durcheinanderbrachten.
Ich war unkonzentriert, achtete zu wenig auf den starken abendlichen Verkehr auf der Straße, schlug genervt auf mein Lenkrad ein. Dabei konnte es am allerwenigsten etwas für meine Gedanken.
Eine Nacht mit ihr würde mir nicht mehr reichen. So einfach war das. Und dabei wusste ich nicht einmal wirklich, ob sie sich überhaupt auf mich einlassen würde. Wobei – das war gelogen. Soleys Körper reagierte auf mich, und wie er das tat. Ich hatte mich kaum zurückhalten können. Aber Kopf und Verstand waren zwei verschiedene Maßeinheiten. Ihre Schlagfertigkeit und ihr freches Mundwerk machten mir mehr Spaß, als ich je zugeben würde, sie reizte mich, und gleichzeitig wollte ich Soley bloß in den Arm nehmen. Sie löste Gefühle in mir aus, die ich lange unter meinem Panzer aus dem Gesamtwerk des Morgonstirna-Kosmos begraben hatte. Dazu kam ihr Name, der unentwegt durch meinen Verstand spukte …
Soley.
Er klang wie Musik, und das faszinierte mich, dabei bedeutete mir Musik nicht viel. Ihr Name schmeckte nach Sommer, roch nach den verdammten ersten Sonnenstrahlen, die auf einen warmen Regenguss folgen, fühlte sich an wie eine sanfte Berührung einer Geliebten … und ihn zu hören, erregte mich, meine Essenz. Soley war im Gesamten gefährlich für mich und meinen Status. Als Anführer konnte ich mir weder Schwäche noch Gefühlsduseleien leisten. Darum galt für mich eine simple Regel: eine Nacht und fertig. Aber sie war für mehr als nur für ein Mal gemacht. Ihre Unschuld, obwohl ich sonst nicht darauf stand, ihre Schönheit, ihre Art und ihre freche Zunge wollte ich für immer. So ein Denken war mir fremd, das war zu kitschig für meine kaputte Welt.
Gereizt wählte ich eine Nummer auf dem Display meines Navigationssystems, bereits beim zweiten Klingeln hob einer meiner Sicherheitsleute ab. Ich wollte nicht nur in den Club, ich musste davor zum Schießen gehen. In unserem Penthouse in Stockholm hatten wir Räume zum Üben. Ich suchte eine Alternative, um mich in einer Tätigkeit zu verlieren, das überschüssige Adrenalin abzubauen. Cedrik lachte nicht über meinen Wunsch, keiner widersprach mir jemals, wirklich niemand, außer der kleinen Sonne. Wahrscheinlich war sie nur deswegen für mich interessant. Nachdem ich sie gehabt hätte, wären diese bedrohlichen Flammen erloschen und würden niemals zu einem unkontrollierbaren Flächenbrand ausarten. Diese Überlegung beruhigte mich. All die schrägen Gefühle in mir konnten nur auf meinen Wunsch, sie zu ficken, zurückzuführen sein, denn ich behielt stets die Kontrolle über jeden Schritt in meinem Leben. Eine junge Frau würde mir diese Herrschaft über mein eigenes Leben niemals nehmen können, das war absolut unmöglich.
»Willkommen zuhause, Sir.«
Cedrik trug, wie jeder unserer Sicherheitsleute, einen schlichten dunklen Uniform-Zweiteiler mit dem ebenfalls dezent anthrazitfarbenen aufgestickten Sternblüten-Emblem der Morgonstirnas auf der Brust. Es beruhigte mich, ich entspannte mich weiter, als ich den Teil unseres Wappens sah, den meine Mutter hatte hinzufügen lassen.
Auf dem Rücken der Uniformen waren die Wölfe und Schwerter meines Vaters zu sehen. Er behandelte mich stets wie einen Briten, ich korrigierte ihn nie. Er hatte nicht nur eine militärische Ausbildung hinter sich, sondern nahm seinen Job als Bodyguard sehr ernst.
Ich folgte Cedrik direkt in den Trainingsraum, lehnte jegliche Erfrischung ab. Außer uns trainierte um diese Uhrzeit niemand mehr vom Personal, und meine Brüder waren unterwegs. Er nahm mir das Jackett ab, ich wechselte schnell das Hemd gegen ein schwarzes Trainingsshirt. Cedriks jugendliche Züge umspielte ein leises Lächeln, als ich von den vorbereiteten Waffen diejenige wählte, die er wahrscheinlich auch genommen hätte. Er reichte mir einen fast unsichtbaren, angepassten Gehörschutz, innerlich verdrehte ich die Augen, aber das war hier so etwas wie eine Regel: nie ohne Gehörschutz in der Halle.
Da Cedrik nur seine Pflicht erfüllte, dankte ich ihm, dann startete er wie abgesprochen ein Programm, das mich herausfordern würde. Schwierige Ziele in unterschiedlichen Entfernungen und unvorhersehbaren zeitlichen Abständen. Ich zielte und verlor mich im Schießen, es hatte den gewünschten Effekt, zumindest kurzfristig. Die Energie, die mich dabei durchflutete, tat gut, war mir vertraut und erdete mich. Auf der einen Seite weckte die Waffe in der Hand sämtliche meiner inneren Monster, auf der anderen beruhigte mich das Gefühl enorm, Herr meiner Sinne zu sein.
Nach einer Stunde näherte sich Cedrik mir. In gebührendem Abstand und mit dem Respekt, den er durch seine jahrelange Erfahrung bei uns innehatte. Im gesamten Raum roch es nach den abgefeuerten Projektilen. Fast enttäuscht senkte ich meine Waffe, wusste aber: Es war klüger, aufzuhören. Heute warteten Gäste auf mich im Club, und auch dafür musste Energie übrig sein.
Cedrik nahm mir die Waffen ab, sicherte sie. Ich verließ den Raum, ging hinauf in die obere Etage. Nahm mir unterwegs ein Wasser aus einem der Kühlschränke, die wir an verschiedenen Orten an den Gängen aufgestellt hatten. Wir fanden das praktisch und es erleichterte auch dem Personal einiges. Als ich halb ausgetrunken hatte, hörte ich Cedrik die Stufen heraufkommen.
»Ist alles vorbereitet?« Ich sah ihn mit gebieterischer Miene an.
»Ja, Sir. Die Auswahl liegt bereits im fallen sins , im Safe.«
»Sehr gut. Wir können dann fahren, ich hole mir nur noch schnell Unterlagen aus dem Arbeitszimmer.«
»Ihr Hemd und Ihr Jackett habe ich Ihnen mitgebracht.« Er reichte es mir und ich wechselte es direkt am Gang, gab ihm das Trainingsshirt. »Dann warte ich unten auf Sie, Sir.«
Ich nickte. Damit war alles gesagt, also setzte ich meinen Weg fort. Kurz vor dem Arbeitszimmer meines Vaters blieb ich stehen. Seit Jahren hatte genau diese Stelle im Penthouse eine andere Wirkung auf mich als früher, aber schlechte Laune würde mir helfen, diesen Abend zu überstehen. Die negative Energie, die diesem protzigen Raum hinter der nächsten Tür anhaftete, würde mir dabei gute Dienste leisten. Entschlossen drückte ich die Klinke hinunter und holte mir weitere Dunkelheit.
Die Musik vibrierte durch meinen Körper. In Begleitung von Cedrik und seinem Team, das für meine Sicherheit sorgte und unseren Gästen meinen Status verdeutlichen sollte, betrat ich meine eigene Welt. Heute das große Aufgebot, wir durften ruhig Aufsehen erregen. Normalerweise war ich mir selbst der beste Schutz, aber bei meinen russischen Kunden war es kein Fehler, auf dicke Hose zu machen.
Sie warteten bereits in meiner Suite, so war es abgesprochen. Der Belosselski-Clan gehörte nicht nur zu unseren ältesten Kunden, sondern auch zu unseren gefährlichsten. Vater saß bereits bei ihnen und schien sich köstlich zu amüsieren. Ich wusste, sie warteten nicht gerne, doch er hatte es dennoch riskiert, sie damit passiv herausgefordert.
»Was hat dich aufgehalten, mein Sohn?« Vater gab sein Bestes, locker zu bleiben, der beste Gastgeber zu sein, aber mir konnte er nichts vorspielen.
Ich begrüßte Aleksandr Belosselski und seine Tochter Natalia. Von seinen Söhnen fehlte jede Spur, ich hatte beide seit Jahren nicht mehr gesehen, wahrscheinlich jagten sie Dringenderes als den Schmuck, den sich die Tochter eines der größten Fürsten der russischen Unterwelt für ihre bevorstehende Hochzeit mit irgendeinem armen Tropf aussuchen wollte. Vater hatte mir den Namen von Natalias Verlobtem mitgeteilt, aber ich hatte ihn vergessen. Er war unwichtig, irgendein russischer schwerreicher Industrieller, was sonst. Es ging immer nur um Geld, Macht und Prestige.
Gespielt gelangweilt nahm ich auf der größten Couch neben unseren Gästen Platz. Eine der spärlich bekleideten Kellnerinnen, die mehrere filigrane Ketten aus echten Diamanten und weiteren funkelnden Steinen über ihren knappen Outfits trugen, brachte mir sofort einen Whiskey auf Eis.
Natalia strahlte mich an. Bei den Göttern, war ich in dem Moment erleichtert, immer standhaft genug geblieben und ihr nie verfallen zu sein. Sie war so schön wie bösartig, ich war gewarnt. Schon als wir noch halbe Kinder gewesen waren, hatte ich das älteste Belosselski-Kind nie leiden können. Natalia hatte grausame Züge und machte sich einen Spaß daraus, Schwächere zu quälen, indem sie heimtückische Streiche spielte. Nur mit mir war es ihr nie gelungen, das stand bestimmt noch auf ihrer unsichtbaren Höllen-Bucket-List, diese Frau gruselte mich. Sie zog mich mit ihren blauen Augen beinahe aus. Ihr Blick brannte sich in mich, sie war wie eine Gottesanbeterin, jederzeit bereit, das aktuelle Männchen zu verschlingen, mit Haut und Haar, ohne Rücksicht auf Verluste. Ihr kurzes, hellblondes Haar trug sie akkurat um ihr bildschönes Gesicht gelegt wie einen Heiligenschein, der garantiert nicht zu dieser Hexe passte.
»Ich bin schon so gespannt darauf, was du für mich vorbereitet hast, Fenrir.«
Eine unangenehme Gänsehaut breitete sich in meinem Genick aus, wenn sie meinen Namen so aussprach, als wäre ich ihre Vorspeise. Wie aufs Stichwort brachte Cedrik zum Glück die ersten Schatullen und lenkte damit ihre Aufmerksamkeit von mir ab, worüber ich erleichtert war.
Ein gieriges Glitzern legte sich über Natalias Augen, als er die erste Samtschachtel öffnete. Viel zu kostbare Stücke lagen darin, aber so war das Geschäft. Ihr verdorbener Vater hatte gesagt, egal, was es koste, er zahle alles, was seine Tochter haben wolle.
So lag ein dezentes, wenn auch meisterhaft gearbeitetes Diadem in der ersten Schatulle. Mit Saphiren in den Farben von Natalias Augen. Es war nicht einfach gewesen, diesen blassen Blauton in Saphiren zu finden und sie dann so schleifen zu lassen, dass sie fulminant aussahen. Aber mein Team hatte es geschafft. Die ganze Absurdität in kühles Weißgold gefasst und mit den Wappentieren der Familie Belosselski verziert. Ja, es war uns gelungen. Ich hatte es designt, die Talente meiner Mutter als Goldschmiedin hatten sich schon früh als meine Fähigkeiten offenbart. Vater hatte mich darin stets unterstützt, da es unserer Sache diente.
Dazu gab es üppige Ohrhänger, Ketten, Broschen, Armbänder, und als sie die Ringe sah, flippte sie wirklich beinahe aus. »Alle, ich will sie alle, Daddy!«
Ekelerregend. Daddy nickte natürlich ergeben. Es war ein wenig widerlich, wenn eine Bitch, die so alt war wie wir, in einen kindlichen Singsang verfiel und Daddy umgarnte, damit sie das bekam, was sie wollte. Aber fuck, so war das Geschäft eben. Mich köderte sie damit nicht, ich kannte Natalias dreckige Geheimnisse und Vorlieben. Freunde hatten es mir nicht nur einmal zugetragen, ich war mehr als gewarnt und würde mir an so einer niemals die Finger verbrennen.
»Dann sind ja alle glücklich, das freut mich sehr.«
Vater schlug zufrieden in seine beringten Hände. Die ältere, noch breitere Version meiner selbst beglückwünschte seinen Freund. Wenn man diesen Mann als Freund bezeichnen konnte. Mir missfiel immer das Tückische an seinem Blick, Belosselski war mit Vorsicht zu genießen. Meinen Argwohn konnte ich nur schwer verbergen. Darum ging ich auch seinen Söhnen seit Jahren aus dem Weg, solch verkrüppelte Seelen waren selbst mir zuwider.
Aber dieser Abend verschaffte uns zusätzliche Millionen. So hatte jeder etwas davon. Als der Champagner in Strömen floss, schweiften meine Gedanken wieder ab. Je eher ich nach Morgonstirnagården zurückkehrte, umso besser. Ich wollte Soley nicht lange unbeaufsichtigt lassen. Wer wusste schon, welchen Unfug sie anstellen würde?