Erst als der letzte Söldner den Waldboden bei der Hütte, an dem wir den Audi geortet hatten, mit seinem Blut tränkte, wurde ich ruhiger. Wir hatten sie zuerst observiert und im Schutz der Dämmerung überrascht, ihre Sicherheitssysteme überlistet. Irgendwer hatte die Hütte in Brand gesteckt, aber unvollständig. Sols Entführer hatten wohl im Erdgeschoss Feuer gelegt, zur Ablenkung.
Ich senkte meine Pistole, atmete durch. Wo waren Liam und Rurik? Im Dickicht konnte ich nur Schatten ausmachen. Die Stille in diesem Wald ließ mich durchatmen. Ich hatte alle erledigt.
»Soley ist fort. Sie war nicht hier. Nur der Wagen.« Liam näherte sich mir, er trug noch ein Sturmgewehr und war rußig.
»Wo ist Rurik?«
»Er schaut nach den Wachen.« Liam spürte, dass ich kurz vor der Explosion stand.
»Okay.« Dieses Okay war von mir gelogen, denn ich detonierte innerlich. Meine Gedanken überschlugen sich, ich sah Liam wütend an, wobei er auf meiner Seite stand, nichts für all das konnte. »Wer war das?«
Zuerst wollte ich mir die Antwort, die in meinem Kopf hämmerte, ausreden, andere Lösungen finden. Dieser Verrat wäre zerstörerisch und hätte eine Tragweite, die ich kaum begreifen konnte. Ich war müde von den jahrelangen Kämpfen mit allen möglichen Feinden meines Vaters. Dass diese Familie auch ein Feind sein sollte, war grenzwertig.
»Ich glaube, du hast deinen Erik gefunden.« Mein Bruder hielt einen Stofffetzen in der Hand, ein Wappen, sah mich tieftraurig und mordlustig an.
»Erik Belosselski. Fuck.« Mein Kiefer knirschte, diese Tatsache ließ meine schlimmsten Alpträume wahr werden. Aber ich durfte keine Schwäche zeigen. »Wie konnte uns das nur entgehen?«
»Wer würde auch glauben, dass diese Ratte Soleys Date war?« Liam kombinierte natürlich.
»Dafür töte ich ihn.« Ich sah rot, im wahrsten Sinne des Wortes.
»Wir müssen nach Moskau. Ich habe schon mit dem Flughafen telefoniert, vor einer Stunde ging eine Privatmaschine.«
»So ein Schwachsinn.« Ich war unglaublich wütend, aber meine Brüder sollten meine Laune nicht abbekommen. Sie konnten am wenigsten dafür. Am liebsten hätte ich alles um mich herum zertrümmert, doch das half keinem. Da steckte ich meine Waffe ein, umarmte meinen Bruder einfach.
»Hey, Alter. Wofür ist das?«
»Niemals dachte ich, dass man uns …«
»Sie kamen aus dem Nichts.«
»Warum waren wir nicht bei Sol?« Kummer fraß sich durch mein Herz, ein Gefühl, das mir so lange nicht mehr gehört hatte, dass ich kaum wusste, wie ich es benennen sollte.
»Weil es das Schicksal anders wollte. Wir holen sie zurück.« Sogar Liams Stimme war brüchig.
»Ja. Fuck. Warum genau heute?« Da kehrte meine Aggression zurück.
»Atme, Bruder.«
Liam war immer der ruhigste Kopf von uns dreien. Der Groll in mir nahm immer weiter zu, die Wut auf mich selbst. Ich hatte sie nicht beschützen können. Man hatte uns ausgetrickst, und durch die Feuerwand war es uns unmöglich gewesen, sie zu verfolgen. Trotz unserer schnellen Autos. All das war pure Berechnung und Absicht gewesen.
Da trat Rurik auf uns zu. Ihn begleiteten mehrere Soldaten. »Wurde niemand …«
»Keine Verluste auf unserer Seite, aber vierzehn Leichen beim Gegner. Bei den Göttern, sie haben niemanden ermordet.«
Noch nie war unser Jüngster so erleichtert gewesen. Die Schatten aus Stockholm lagen noch auf uns, griffen wieder nach unserer Familie.
»Wir brauchen eine Strategie, Sir.« Cedric? Ich hatte nicht gewusst, dass er aktuell bei uns war, Vater plante die Diensteinsätze und ich war zu sehr in meinen eigenen Überlegungen verstrickt gewesen, um mitzubekommen, wer mit uns im Helikopter gesessen hatte.
»Ja, die brauchen wir, Waffenbruder.«
Ich löste mich von Liam, umarmte Cedric. Ich war voller Dreck und Blut, wie er. Sie hatten ebenfalls mehrere Söldner eliminiert.
Unser nächstes Ziel hieß Moskau.