Gedankenverloren stand ich vor dem Gästezimmer, in dem Ana untergebracht war. Wusste selbst nicht, was ich wirklich vor dieser Tür suchte. Als ich ihr helles Lachen hörte, hielt ich inne. Noch nie zuvor hatte ich sie richtig lachen gehört. Sie berührte nach wie vor etwas in mir. Seiten, von denen ich gedacht hatte, dass sie nie jemand zum Leben erwecken würde.
Je länger ich mich darin übte, ihr fernzubleiben, desto mehr wollte ich in ihrer Nähe sein. Fenrir würde mich dafür verspotten, ich würde weich werden.
Da ich soeben aus unserem unterirdischen Hochsicherheitstrakt gekommen war, mich vergewissert hatte, dass Natalia noch dort war, wo sie hingehörte, brauchte ich irgendwie Anas Nähe. Wir hatten fernab von unserem Landsitz so etwas wie ein Gefängnis für spezielle Fälle. Eine Stunde Fahrtzeit mitten ins Nirgendwo. Erstklassige Ärzte und Soldaten kümmerten sich stets um unsere »besonderen Gäste«, so nannten wir die Gefangenen, die wir abseits von unserem Haus unterbrachten. Meist waren es Verbrecher, bisher nie Frauen. Wir hatten sie extra instruiert, Natalia war eine besonders gefährliche Hexe, darum verbrachte sie den Großteil ihrer Zeit fixiert und sediert bei uns. Und war sie wach, stellten wir sie mit Medikamenten so ein, dass sie gerade mal ihre Grundbedürfnisse erfüllen konnte.
Später würde ich mit Fen reden müssen. Er konnte Natalia nicht ewig als Pfand, oder wie er es nannte, als Sicherheit behalten. Das blonde Biest … Sie war eine Hexe und gehörte wieder zurück zu ihrer Hexenfamilie. Es war keine Dauerlösung, sie war mir zu anstrengend, auch wenn ich mir diesmal sicher war, dass nichts schiefgehen würde. Doch Fenrir behielt seine Pläne für sich, und das schmeckte mir noch weniger.
Immer und immer wieder spulte sich in meinem Kopf der Moment ab, als ich Ana vor Eriks Räumen hatte stehen sehen. Fen trug Soley nach draußen und sie zielte mit einer fucking Pistole auf mich. Diese Rückblenden waren Teil meines Alltags geworden. Aus irgendeinem Grund wollte ich mehr von Ana, bei ihr sein, sie beschützen und für sie sorgen. Ungewöhnliche Wünsche für einen Mann wie mich.
Aber ich wendete mich ab, wollte die beiden jungen Frauen nicht stören. Und es war besser, wenn ich mich Ana ganz langsam näherte, nicht, dass sie mir wieder eine Waffe an den Kopf hielt.