»Du kannst es schaffen. Einfach ein bisschen mehr Druck ausüben«, sagte Matt Jeffries.
Neil wischte sich mit dem linken Unterarm den Schweiß von der Stirn, während er sich abmühte, den blauen Ball in seiner rechten Hand zusammenzudrücken. Die Tatsache, dass er die Finger überhaupt um den Ball schließen konnte, hätte schon eine große Leistung für die Sitzung sein sollen, aber Matt schien ihn liebend gerne anzutreiben.
Der Ball fiel ihm aus der Hand und hüpfte über den Boden. »Scheiße!«
Ohne zu zögern, holte Matt den Ball zurück und legte ihn wieder auf den Tisch. »Versuch es noch mal.«
»Es tut weh«, beschwerte sich Neil und griff nach dem blöden, verfluchten Ball.
»Das ist gut. Ich bin froh, dass es wehtut.«
»Du Sadist«, brummte Neil.
Matt lachte. »Ich wurde schon schlimmer beschimpft, glaub mir. Hast du nachts deine Stützbänder getragen?«
Neil schüttelte den Kopf. »Sie sind unbequem. Ich fühle mich, als wären Gewichte an meinen Händen.«
Matt legte den Kopf schief. »Sie sind wichtig. Siehst du, wie deine Hände anfangen, sich zu Fäusten zu ballen?«
Neil nickte.
»Man muss verhindern, dass die Sehnen und Muskeln schrumpfen. Ich werde mit Ben reden. Vielleicht würde dir eine Handmassage mehrmals am Tag guttun.«
Neil stöhnte. »Bitte tu das nicht. Er hat schon genug im Haus zu tun. Die Belastung durch mich ist schon groß genug, da muss er sich nicht auch noch Zeit nehmen, um meine Hand zu halten.«
»Ich denke schon, und ich kann mir vorstellen, dass Ben mir zustimmen würde.« Matt deutete mit einem Nicken zu dem Ball, der immer noch auf dem Tisch lag. »Du gehst hier nicht weg, bevor du den nicht zusammengequetscht hast, also kannst du auch aufhören, hier Zeit zu schinden.«
»Es würde helfen, wenn es ein kleinerer Ball wäre«, beschwerte sich Neil weiter.
»Ein kleinerer würde deine Finger nicht so sehr stärken. Mach es einfach. Ich bin derjenige, der den Abschluss an der Wand hängen hat.«
»Bist du sicher, dass das ein echter Abschluss ist, denn ich habe das Gefühl, dass du im Einführungskurs für Mitgefühl durchgefallen bist.«
Matt fasste sich an die Brust. »Das tat weh.«
»Wie auch immer.«
Matt seufzte und stützte die Unterarme auf dem Tisch ab. »Ich weiß, ich wirke bei all dem wie ein Fiesling, aber ich kann dir garantieren, dass es einen harten Kerl braucht, um einen faulen Kerl wieder zum Arbeiten zu bringen.«
Neil ärgerte sich über die Bemerkung. »Ich bin noch nie in meinem Leben als faul bezeichnet worden.«
»Vor deinem Unfall vielleicht nicht, aber ich kann definitiv nicht erkennen, dass du dir viel Mühe bei deiner Reha gibst.«
»Ich bin doch hier, oder etwa nicht?« Neil holte aus und schleuderte den Ball quer durch den Raum.
»Tatsächlich? Ich meine, physisch sitzt du in deinem Rollstuhl, aber ich habe keine Ahnung, wo dein Verstand oder dein Herz gerade ist, denn die sind ganz sicher nicht mit dir hier drin. Wenn du deine Hände und Füße irgendwann wieder benutzen willst, musst du dafür arbeiten. Nicht nur hier, sondern auch zu Hause. Jede freie Minute deines Tages solltest du damit verbringen, eine neue Aufgabe zu meistern, egal, wie klein sie auch sein mag.«
Warum fühlte er sich plötzlich, als hätte er Matt enttäuscht, und warum zum Teufel kümmerte ihn das überhaupt? »Hol mir den verdammten Ball.«
***
Während Neil in der Therapie war, beschloss Ben, ein paar Besorgungen zu machen. Er hielt am Supermarkt an und deckte sich mit Vorräten ein. Die gekühlten Lebensmittel packte er in eine Kühlbox hinten in seinem kleinen SUV. Er blickte die Hauptstraße hinunter in Richtung Bäckerei. »Warum nicht?«
Er war noch nicht in Brynn's Bäckerei gewesen. Obwohl es ihm gar nicht ähnlich sah, hatte Ben in letzter Zeit Spaß daran gehabt, selbst Desserts zuzubereiten. Allerdings hatte der Gedanke, dass ein anderer die Arbeit für ihn erledigte, auch einen gewissen Reiz.
Er betrat das kleine Geschäft und atmete tief ein. Fantastisch.
»Was kann ich für dich tun?«, fragte der junge Mann hinter dem Tresen.
»Ich habe von Leo schon viel über diesen Laden gehört, also dachte ich, es ist an der Zeit, dass ich mir etwas Süßes gönne.«
Auf dem Gesicht des Mannes breitete sich ein Lächeln aus. »Ich bin Kyle. Du musst Ben sein. Leo hat mir gesagt, dass ich dich hier vielleicht schon bald sehen werde.«
»Freut mich, dich kennenzulernen.« Ben ging auf den Tresen zu und sah sich die große Auswahl an Leckereien an. »Was würdest du mir empfehlen?«
»Kommt darauf an, worauf du Lust hast. Hast du Frühstückshunger?«
Ben schüttelte den Kopf. »Ich grille Hamburger zum Abendessen. Mir fehlt noch ein Nachtisch.«
Kyle tippte sich mit der Fingerspitze an die Unterlippe. »Magst du Erdbeeren?«
»Wer tut das nicht?«, gluckste Ben.
»Warte hier.« Kyle verschwand durch die Schwingtüren und überließ es Ben, die köstlichen Desserts anzustarren.
Ihm fiel der Rollstuhl in der Ecke hinter der Theke ins Auge. Leo hatte ihm erzählt, dass Kyle früher an den Rollstuhl gefesselt gewesen war, aber wenn er den Mann jetzt ansah, hätte Ben das nie vermutet.
Mit einem absurd hohen Erdbeerkuchen in der Hand kam Kyle zurück in den Verkaufsraum. »Was hältst du davon?«
»Der ist perfekt«, erwiderte Ben.
Während Kyle eine Schachtel für den Kuchen faltete, wanderte Bens Blick immer wieder zu dem Stuhl.
»Am Ende eines langen Tages brauche ich ihn manchmal immer noch«, antwortete Kyle, ohne dass Ben die Frage überhaupt gestellt hatte.
Ben rieb sich über die kurzen Haare an seinem Hinterkopf. »Tut mir leid.«
»Muss es nicht. Jeder Schritt, den ich mache, ist ein Geschenk. Das weiß ich.« Kyle schloss die Schachtel und grinste. »Bist du in Eile?«
Ben warf einen Blick auf seine Uhr. »Nö. Neil sitzt noch 35 Minuten in seiner Therapie.«
Nachdem er zwei Tassen mit Kaffee gefüllt hatte, reichte Kyle sie an Ben weiter. »Setz dich an einen der Tische da, ja?«
Ben tat, wie ihm geheißen, und nahm vor dem großen Fenster Platz.
Kyle trug einen Teller mit einer sehr großen Zimtschnecke und zwei Gabeln herüber. »Die musst du dir wohl mit mir teilen.«
Während Ben die Zimtschnecke betrachtete, rann ein großer Tropfen weißen Zuckergusses über den Tellerrand auf den Tisch darunter. »Wow.«
»Die, die ich verkaufe, sind normalerweise nicht so groß, aber ich mache jeden Tag ein Blech von denen für einige meiner üblichen Verdächtigen, die ihre Sucht befriedigen wollen.«
Ben griff nach einer der Gabeln und schnitt sich ein großes Stück ab. Die Kombination aus Zimt und anderen Gewürzen explodierte auf seiner Zunge. Noch bevor er geschluckt hatte, organisierte er sich ein weiteres Stück. »Ich verstehe, warum du sagst, dass man davon süchtig werden kann. Ich werde mich nie wieder mit Zimtschnecken aus der Konserve zufriedengeben.«
Das Lächeln auf Kyles Gesicht erhellte den ganzen Raum. »Diese Zimtschnecken sind es, die mein Geschäft am Laufen halten. Mit den anderen Sachen komme ich ganz gut über die Runden, aber für meine Zimtschnecken kommen Bestellungen aus dem ganzen Land rein.«
»Ich verstehe, warum«, sagte Ben, wobei er auf einem weiteren Bissen herumkaute.
Kyle nippte an seinem Kaffee, während Ben den Großteil der Zimtschnecke verschlang. »Wie geht's ihm?«
»Wie bitte?« Ben sah auf und begegnete Kyles Blick.
»Neil. Wie schlägt er sich in seiner Therapie?«, erkundigte sich Kyle und stellte seine Tasse ab.
»Es geht nur langsam voran«, antwortete Ben und zuckte mit den Schultern.
»Hast du was dagegen, wenn ich dir einen Rat gebe?«
»Ganz und gar nicht.« Wenn jemand wusste, was Neil durchmachte, dann wohl Kyle.
»Sporn ihn an, aber mach es sanft.«
Ben nickte. »Es ist schwer, weißt du? Wenn ich zu nachsichtig mit ihm bin, nennt er mich einen Cheerleader, aber wenn ich es mit der anderen Taktik probiere, scheint er mich noch mehr zu hassen.«
Kyle grinste. »Jepp. Das klingt in etwa richtig. Ich weiß, dass Gill am Anfang mit mir durch die Hölle gegangen ist. Ich habe immer eine Kombination aus Scham und Wut gefühlt, wann immer er versucht hat, etwas für mich zu tun. Noch schlimmer war es, wenn er mich gezwungen hat, es selbst zu tun. Ich schäme mich zuzugeben, dass ich diesem wunderbaren Mann öfter als nötig Beleidigungen an den Kopf geworfen habe.«
»Ich sage mir immer wieder, dass die Situation, in der er sich befindet, der Grund ist, warum er um sich schlägt, aber es gibt Tage, an denen ich mich am liebsten in mein Auto setzen und zurück nach Rapid City fahren würde.«
»Und das ist völlig verständlich. Genau dann musst du dich an die anderen Menschen in der Stadt wenden, die Neil lieben. Wenn du irgendwann am Ende deiner Kräfte bist, tust du niemandem einen Gefallen.«
Ben nahm einen Schluck von seinem Kaffee. »Kanntest du Gavin?«
»Ja. Er war ein guter Mann. Sein Tod – und auch der der anderen – hat diese Stadt schwer getroffen.«
»Das merke ich. Es gab einen großen Artikel in der Zeitung über die kommenden Veranstaltungen zu den Cattle Valley Days . Darin wurde eine besondere Einweihungsfeier für die neue Arena erwähnt.« Ben tippte mit seiner Gabel auf den Rand des Tellers.
»Asa Montgomery hat ein wunderschönes Denkmal errichten lassen, das am Eingang zum Rodeogelände stehen wird.«
»Als ich Neil gegenüber die Zeremonie erwähnt habe, ist er sauer geworden. Meinte, er würde nicht hingehen und ich solle es nicht mehr erwähnen.«
»Das kann ich verstehen«, sagte Kyle.
»Wirklich? Denn ich kann es nicht. Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht hier war, aber ich kann nicht nachvollziehen, wie man jemandem, den man geliebt hat, nicht die letzte Ehre erweisen will«, erklärte Ben.
»Neil hat Gavin nicht geliebt. Tatsächlich war es der Mangel an Liebe, der die Schuldgefühle tief in Neil zementiert hat. Aber ich bezweifle, dass sein Unwille, an der Zeremonie teilzunehmen, überhaupt etwas mit Gavin zu tun hat.«
»Ach ja?«, hakte Ben nach.
Kyle schüttelte den Kopf. »Er will nicht im Rollstuhl in der Öffentlichkeit gesehen werden. Das ist ganz natürlich, glaub mir.«
»Das klingt egoistisch, wenn du mich fragst«, brummte Ben.
»Sagte der Mann, der auf zwei gesunden Beinen geht.« Kyle griff über den Tisch und legte eine Hand auf Bens Handgelenk. »Ich weiß, du meinst es gut, aber Neils ganzes Leben wurde auf den Kopf gestellt. Gönn ihm eine Pause. Lad Leute zu euch nach Hause ein. Gewöhn ihn daran, wieder Zeit mit seinen Freunden zu verbringen. Irgendwann wird er merken, dass der Rollstuhl für sie keine Rolle spielt.«
»Laut Matt sollte Neil gar nicht mehr lange im Rollstuhl sitzen müssen. Sobald Neils Hände wieder mitarbeiten, sollte er in der Lage sein, sich mit einer Gehhilfe oder Krücken zu behelfen, bis er die Kontrolle über seinen Fuß wiedererlangt.«
»Wenn ihm jemand helfen kann, das zu erreichen, dann ist es Matt. Er ist der Wunderheiler, der mich endlich wieder aufstehen und gehen ließ. Aber nur für den Fall: Neil muss wissen, dass er von seinen Freunden akzeptiert wird, Rollstuhl hin oder her.«
Ben schaute auf seine Uhr. »Ich sollte mich lieber auf den Weg machen. Neil ist nach seinen Sitzungen normalerweise immer fuchsteufelswild.«
Kyle lachte. »Ahhh, die guten alten Zeiten. Ich erinnere mich gut an sie.«
***
Neil saß in seinem Rollstuhl auf der Veranda und sah zu, wie Ben eine Ladung Stroh und Mist aus der Scheune schob. Der Schweiß auf Bens nackter Brust glitzerte in der Nachmittagssonne. Nachdem er die Schubkarre ausgekippt hatte, zog Ben ein rotes Bandana aus seiner hinteren Jeanstasche und wischte sich Gesicht und Hals ab.
Neil lief das Wasser im Mund zusammen, als er beobachtete, wie sich Bens Muskeln bei dieser einfachen Bewegung anspannten. Verdammt, der Mann war hinreißend. Neils Schwanz wurde hart und er wünschte sich, er hätte an diesem Morgen eine Unterhose angezogen. Er hatte endlich gelernt, sich seine kurze Jogginghose selbst anzuziehen, aber Unterwäsche war immer noch jenseits seiner Fähigkeiten.
In der letzten Woche hatte Ben Neils Hände mehrmals am Tag massiert, und obwohl Neil es Matt gegenüber nur höchst ungern zugab, half es definitiv. Er hatte einmal von Stellen an den Füßen gelesen, die sich direkt auf andere Teile des Körpers auswirkten. Neil fragte sich, ob das auch für die Hände galt. Es verging keine Massagesitzung, ohne dass Neil einen Ständer bekam. Bis jetzt war Ben höflich genug gewesen, es nicht zu kommentieren, aber Neil wusste, dass der Mann es bemerkt haben musste.
Ben blickte zum Haus und erwischte Neil dabei, wie er ihn unverhohlen anstarrte. Der ältere Mann lächelte, stopfte das Bandana zurück in seine Tasche und rief Neil zu: »Warum nimmst du dir nicht einen Apfel vom Tisch? Ich glaube, dein Pferd vermisst dich.«
Neil nickte und rollte ins Haus. Ben konnte ihn nicht verarschen. Sie wussten beide, dass Footloose Karotten lieber mochte, aber aus irgendeinem Grund war es für Neil schwieriger, Äpfel zu greifen zu bekommen.
Neils Blick wanderte von der Obstschale auf dem Küchentisch zu der frischen Tüte, die auf der Anrichte lag. Trotzig fuhr Neil hinüber und schob die Tüte mit dem Unterarm auf seinen Schoß.
Scheiße! Neil biss sich auf die Unterlippe, als der schwere Sack auf seine Eier plumpste. Geschah ihm ganz recht, dachte er sich. Er rückte die Äpfel zurecht und rollte dann langsam wieder aus dem Haus und den Bretterweg hinunter zur Scheune.
Als er dort ankam, hatte Ben bereits frisches Stroh und Sägemehl in Footlooses Box verteilt. Der Geruch in der schummrig beleuchteten Scheune weckte Erinnerungen. »Würde es dir was ausmachen, mich abends irgendwann mal zur EZ Does It rüberzufahren?«
»Überhaupt nicht. Wir können noch heute hin, wenn du willst.« Ben entdeckte die Plastiktüte in Neils Schoß und hob eine Augenbraue. »Du hast geschummelt.«
»Nein, hab ich nicht. Du hast gesagt, ich soll einen Apfel mitbringen. Ich habe nur mehr als einen mitgebracht.«
»Okay, Klugscheißer. Dann zeig mir doch mal, wie du die Tüte aufmachst.« Ben verschränkte die sonnengebräunten Arme vor seiner leicht behaarten Brust und lehnte sich an einen Pfosten.
Neil zuckte zusammen. Daran hatte er nicht gedacht. »Wenn du mir Starthilfe gibst, bring ich es zu Ende.«
Ben stieß sich von dem Balken ab und kam herüber.
Die simple Bewegung, wie Ben eine Hand in die Richtung von Neils Schoß ausstreckte, ließ Neils Schwanz in kürzester Zeit hart werden. Neil kniff die Augen zusammen und betete, dass Ben die Wölbung nicht bemerken würde, die die Äpfel nach oben schob.
Nach einer Weile öffnete Neil die Augen und stellte fest, dass Ben ihn direkt anstarrte. »Hast du's geschafft?«
Ben atmete aus und sein Atem geisterte über Neils Gesicht. »Kann ich dich was fragen?«
Neil schluckte gegen den Kloß in seinem Hals an und nickte.
»Ist die für mich oder für das Pferd?«, erkundigte sich Ben mit tiefer, rauer Stimme.
Neil blickte auf die deutlich sichtbare, mit Stoff bedeckte Erektion hinunter, die zwischen den Äpfeln hervorlugte. »Was passiert, wenn ich für das Pferd sage?«, fragte er und versuchte, die Situation herunterzuspielen.
»Dann hast du ernsthafte Probleme, über die wir mal mit jemandem reden müssen.«
Neil schluckte wieder. »Und wenn ich für dich sage?«
Bens Mundwinkel hoben sich zu einem teuflischen Grinsen. »Dann ist das etwas, wobei ich dir zur Hand gehen kann.«
Bevor Neil etwas darauf erwidern konnte, verschloss Bens Mund seine Lippen. Nachdem er mit der Zunge ein erstes Mal über Neils Mund gestrichen war, wartete Ben ab. Neil öffnete sich ihm und Ben stieß vor, ließ seine Zunge ausgiebig Neils Mund erkunden.
Neil versuchte reflexartig, die Arme zu heben, um nach Bens Nacken zu greifen und ihn noch näher an sich zu ziehen. Er schaffte es, die Hände an Bens Schultern zu bringen, aber das war auch schon alles, was er erreichte. »Näher«, stöhnte er in den Kuss hinein.
Ben zog sich zurück und blickte sich in der kleinen Scheune um. »Warte mal.«
Mit geschwollenen Lippen sah Neil zu, wie Ben einen Strohballen auseinanderbrach. Als Nächstes holte er eine eingestaubte Wolldecke aus einem der schmalen Schränke und brachte sie nach draußen, um sie auszuschütteln. Sobald sie das Stroh bedeckte, kehrte er an Neils Seite zurück.
»Komm her.«
Neil rutschte an den Rand seines Stuhls und schlang die Arme um Bens Taille. Die Verlegenheit über seine Unfähigkeit, allein zu gehen, war beinahe komplett verpufft. Ben half ihm sich hinzulegen, bevor er sich zu ihm auf die kratzige Decke gesellte.
Dann beugte er sich vor, umfasste Neils Kiefer und flüsterte an seinen Lippen: »Also, wo waren wir?«
Neil fielen die Augen zu, während sich sein Mund öffnete und er Bens Kuss begeistert erwiderte. Er genoss jede Liebkosung von Bens Zunge und seine Gedanken begannen abzuschweifen.
Gavins Küsse hatten ihn nie so erregt. Oh Gott . Er musste Ben fragen, warum er ihn weggeschickt hatte, aber er weigerte sich, etwas zu tun oder zu sagen, was den Zauber ihrer geteilten Leidenschaft zerstören würde.
»Fass mich an«, bettelte Neil, nachdem er ihren Kuss unterbrochen hatte.
Ben richtete sich auf und setzte sich rittlings auf Neils Hüften. Er zog die Vorderseite von Neils weißem Tanktop bis zu seinen Achseln hoch, leckte sich über die Lippen und umkreiste mit einem Finger einen der beiden winzigen braunen Nippel, während er auf Neils nackte Brust hinunterblickte. »Du hast ja keine Ahnung, wie lange ich dich schon so berühren wollte.«
Neil biss sich innen auf die Wange, um sich davon abzuhalten, die offensichtliche Frage zu stellen. Es würde noch genug Zeit sein, um die Vergangenheit aufzuarbeiten. »Fass mich an, so viel du willst«, sagte er stattdessen.
Ben beugte sich vor und fing Neils Brustwarze mit den Lippen ein, wobei er mit den Zähnen Druck auf den kleinen Nippel ausübte.
Neils Atem ging stoßweise, während sein Schwanz sich gegen die Vorderseite seiner Jogginghose drückte. Er schaffte es, die Hände an Bens Hinterkopf zu legen, um ihn dort festzuhalten. Das kurze, mit grauen Strähnen durchzogene Haar fühlte sich gut an seinen Fingerspitzen an.
Bens Beine lösten sich von ihm und er streckte sie nach hinten aus, bis er auf Neil lag. »Zu schwer?«
Neil erinnerte sich daran, mit Gavin in der gleichen Stellung gelegen zu haben. Obwohl Gavin viel kleiner gewesen war als Ben, war Neil oft in Panik geraten und hatte das Gefühl gehabt zu ersticken, bis er Gavin von sich runtergeschoben hatte. Aber dieses Mal war es anders. Bens Gewicht gab ihm nichts als Geborgenheit.
Neil schüttelte den Kopf und bewegte die Hüften. Da er sich jetzt an etwas so Festem wie Bens Schwanz reiben konnte, wusste Neil, dass er nicht lange durchhalten würde. Er fragte sich, ob das an seiner Durststrecke lag oder an dem Mann, der sich über ihm bewegte. »Ich komme gleich.«
»Bin ich froh, dass ich nicht der Einzige bin.« Ben griff schnell zwischen sie und öffnete seine eigene Jeans, bevor er Neils Shorts weit genug nach unten schob, um seinen Schaft zu befreien.
Als Ben sich an ihn drängte und Haut über Haut rieb, zogen sich Neils Hoden in kürzester Zeit zusammen. Je schneller Ben sich bewegte, desto mehr Lusttropfen rannen über Neils Schwanz. Jeder Stoß von Bens Hüften fühlte sich himmlisch an seiner pulsierenden Erektion an. Ohne es überhaupt zu bemerken, versenkte Neil die Zähne in Bens Schulter, als er kam. Die Vorstellung, wie sich Bens Schwanz tief in seinem Arsch versenkte, flutete seine Gedanken und überraschte ihn noch mehr.
Neils Körper bebte, während ein Schub Sperma nach dem anderen sich zwischen ihnen verteilte. Er war kurz davor Ben anzuflehen, ihn zu ficken, als Ben stöhnte und ebenfalls zum Höhepunkt kam.
Neil ließ von der Haut zwischen seinen Zähnen ab und zuckte beim Anblick des tiefen Abdrucks, den er hinterlassen hatte, zusammen. »Tut mir leid. Ich glaube, du kriegst da einen blauen Fleck.«
Ben hob nicht mal den Kopf, der neben Neils gesunken war. »Schon okay.«
Auf dem Boden der Scheune liegend, fühlte sich Neil plötzlich entblößt. »Wir sollten uns anziehen, falls jemand vorbeikommt.«
Ben brummte und rollte sich auf den Rücken. »Ich hatte gehofft, wir könnten ein kurzes Nickerchen machen.« Er grinste und öffnete die Augen weit genug, um Neil einen Seitenblick zuzuwerfen. »Du kannst mir jederzeit Äpfel bringen.«
Neil erwiderte das Lächeln. »Das merk ich mir.«
***
Als sie die Auffahrt zur EZ Does It hinauffuhren, begannen Neils Nerven verrücktzuspielen. Er schaute zu Ben hinüber und wünschte, er könnte dem älteren Mann sein Herz ausschütten, hielt jedoch den Mund.
Seit ihrem leidenschaftlichen Moment vorhin in der Scheune war Ben still geworden, zu still. Es war eine Stille, die an Neils Unterbewusstsein nagte. Er wusste immer noch nicht, was vor drei Jahre passiert war, dass Ben ihn aus seinem Haus geworfen hatte, aber Neil hatte plötzlich Angst, dass sich die Geschichte wiederholen könnte.
Beim erfreulichen Anblick von Ezra, Jax und Logan, die auf der vorderen Veranda des Haupthauses saßen, atmete Neil aus.
»Sieht nach einer Party aus«, murmelte Ben.
»Nein, nur ein ganz normaler Abend auf der Ranch«, sagte Neil zuversichtlich.
Ben brachte den Geländewagen zum Stehen und stellte den Motor ab. »Hast du so deine Abende verbracht?«
»Manchmal, aber meistens bin ich ausgeritten.« Neil löste seinen Gurt, gerade als Jax die Beifahrertür öffnete.
»Hey, Fremder.« Jax lehnte sich ins Innere des Wagens und klopfte Neil auf die Schulter.
Ohne nachzudenken, streckte Neil eine Hand aus und zog Jax in eine schnelle Umarmung. »Ich habe euch Jungs vermisst.«
Als er sich zurückzog, erstaunte ihn der schockierte Ausdruck auf Jax' Gesicht. »Tut mir leid. Hab ich was falsch gemacht?« Neil drehte sich hastig zu Logan um. »Ich versuche nicht, ihn dir wegzunehmen. Versprochen. Ich schätze, ich habe mich einfach mitreißen lassen.«
Jax schüttelte den Kopf und grinste. »Das ist es nicht. Du hast mich nur noch nie freiwillig berührt.«
Das verstand Neil nicht. Er dachte an all die Dinge zurück, die Jax für ihn getan hatte, seit er auf die EZ gekommen war, als er noch in jeder Hinsicht des Wortes grün hinter den Ohren gewesen war. Jetzt, wo er darüber nachdachte, konnte er sich nicht erinnern, Jax jemals mehr angefasst zu haben, als für den Job nötig gewesen war.
Neils Aufmerksamkeit wurde auf den Kofferraum des Geländewagens gelenkt, als er hörte, wie Ben die Heckklappe öffnete und seinen Reiserollstuhl herauszog. Er hätte lieber den elektrischen Rollstuhl mitgenommen, aber der war einfach zu schwer und sperrig für den Transport. Am Ende hatte Neil entschieden, dass das Wiedersehen mit seinen Freunden und die Tatsache, wieder auf der EZ zu sein, die Peinlichkeit, herumgeschoben werden zu müssen, aufwiegen würde.
Ezras massige Gestalt füllte die Türöffnung aus. »Lass mich dir helfen.«
Bevor Neil die Chance hatte zu protestieren, hob ihn sein Chef vom Sitz und setzte ihn schnell auf dem Stuhl ab. »Danke.«
»Willst du mit uns ein Bier auf der Veranda trinken?«, fragte Ezra.
Neil blickte zur Scheune und Schlafbaracke hinüber. Abgesehen von der Scheune gab es keinen Ort auf der Ranch, an den er ohne Hilfe gelangen konnte. »Klar. Aber ich dachte, du solltest nicht trinken.«
Ezra trat hinter den Rollstuhl. Selbst mit der unglaublichen Kraft des großen Mannes war es nicht leicht, Neils Stuhl über den Schotter der Auffahrt zu schieben. »Pssst, Wyn sitzt drinnen an der Buchhaltung. Was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß.«
»Zur Hölle, du solltest lieber nichts tun, was dich beim Big Boss unbeliebt macht«, mahnte Neil glucksend.
»Wie machen wir das am besten?«, fragte Ezra, als er die Verandastufen erreichte.
»Dreh ihn um. Ich kann eine Seite anheben, wenn du die andere übernimmst«, sagte Ben.
Sobald Ezra ihn umgedreht hatte, musterte Neil Ben. Da war ein Ausdruck auf Bens Gesicht, den er nicht deuten konnte. »Alles okay?«, flüsterte er.
Ben nickte einmal knapp und wirkungsvoll. »Mir geht's gut.«
Du lügst . Neils Brust schmerzte. Bereute Ben, was zwischen ihnen passiert war?
Neil wurde neben die Gruppe aus verwitterten Stühlen gestellt, die Bremsen seines Stuhls wurden angezogen und er bekam ein Bier gereicht. »Es ist schon eine Weile her, dass ich Bier getrunken hab.«
»Gut«, sagte Jax. »Vor deinem Sturz hast du echt zu viel von dem Zeug getrunken.«
Neil bemerkte, dass Logan sich nicht zu den anderen setzte. »Musst du noch irgendwohin?«, erkundigte er sich.
Logan scharrte mit den Füßen. »Na ja, eigentlich hatte ich gehofft, mir Ben für ein paar Minuten ausleihen zu dürfen. Es gibt da etwas, das ich ihm zeigen möchte.«
»Oh.« Ben stand auf. »Hast du was dagegen?«, wollte er wissen und sah auf Neil herunter.
»Überhaupt nicht«, antwortete Neil.
Er beobachtete, wie Ben und Logan wieder die Treppe hinunter- und in Richtung Scheune davongingen. »Was ist denn los?«
Jax nahm einen Schluck von seinem Bier. »Logan hat an einem Geschenk für dich gearbeitet, aber er möchte Bens Meinung hören, bevor er es dir übergibt.«
Neil zupfte an dem Etikett seiner Flasche. »Du hast vorhin gemeint, dass ich dich noch nie angefasst habe. Weißt du, warum das so war?«
Jax schüttelte den Kopf. »Erinnerst du dich nicht?«
»Nein.« Wieder einmal wusste Neil, dass die Antworten wahrscheinlich in den Tagebüchern versteckt waren, die er noch nicht gelesen hatte. Seiten, die die Antworten enthielten, die er brauchte, vor denen er sich aber auch fürchtete. »Denkst du, es hat etwas mit Ben zu tun?«
Ezra lehnte sich in seinem Stuhl nach vorne. »Wenn du fragst, ob wir glauben, dass Ben dir wehgetan hat, lautet die Antwort Nein.«
»Wie kannst du dir da so sicher sein? Es muss doch einen Grund geben, warum ich alle Erinnerungen an ihn gelöscht habe.« Neil seufzte und nippte an seinem Bier.
»Ben vermittelt mir den Eindruck, dass er – aus welchem Grund auch immer – Angst hat, dich zu berühren. Das ist nicht das Verhalten eines Mannes, der dich in der Vergangenheit körperlich missbraucht hat.«
Die Fliegengittertür öffnete sich und Wyn trat auf die Veranda heraus. »Hi.«
»Hey«, grüßte Neil.
Wyn setzte an, noch etwas zu sagen, hielt aber inne und stemmte die Hände in die schlanken Hüften, als er das Bier entdeckte, das Ezra nach Kräften zu verstecken versuchte. »Was zum Teufel ist das?«
Ezra senkte leicht den Kopf. »Nur ein Bier. Ich dachte, ich könnte mir heimlich eins gönnen, während du beschäftigt bist.«
Wyn warf sich in die Brust. »Du bist fast 1,90 Meter groß. Es ist absolut unmöglich für dich, etwas heimlich zu tun und zu erwarten, dass du damit durchkommst.« Er streckte eine Hand aus. »Wir werden Doc Brown fragen, ob es für dich in Ordnung ist, ab und zu ein Bier zu trinken, wenn wir das nächste Mal in die Stadt fahren, aber bis dahin: Gib her.«
Ezra grinste seinen Partner an und reichte ihm die fast leere Flasche. »Spielverderber.«
»Nun, entschuldige bitte, dass ich dich gerne behalten möchte.«
Neil lachte. Obwohl die beiden Männer erst seit knapp zwei Jahren zusammen waren, wirkten sie wie ein altes Ehepaar.
Ezra stand auf und deutete zur Scheune hinüber. »Ich glaube, sie sind bereit für uns.«
Neil blickte in Richtung Scheune und sah, wie Ben mit den Armen über dem Kopf herumfuchtelte. »Sag ihm lieber Bescheid, dass die Nachricht angekommen ist, sonst fliegt er noch wie ein Hubschrauber davon.«
Als Ezra und Jax ihn die Stufen hinuntertrugen, wusste Neil, dass er über eine Menge nachdenken musste. Die Zeit, den Kopf in den Sand zu stecken, war vorbei. Er konnte Bens Beweggründe den ganzen Tag lang hinterfragen oder er las endlich die verdammten Tagebücher.